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Die siebte Elegie

Created at 22. Sep. 2014

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by Hugo

Duineser Elegien von Rainer Maria Rilke
Vorgetragen von Ruth Ritter

Château de Muzot, am 7. Februar 1922. Endgültige Fassung des Schlusses: 26. Februar 1922

Wie die erste, die zweite und die zehnte Elegie beginnt auch die siebente Elegie mit einer Reflexion über das Dichten. Zwar ist die siebente Elegie in dieser Hinsicht parallel zu den ersten beiden Elegien konstruiert. Anders als in den ersten beiden Elegien ist aber nicht eindeutig ein Engel angesprochen: Zunächst scheint offen, wer angesprochen wird, dann wechselt das angesprochene Gegenüber gleitend von der Geliebten[109] zum Engel.[110] Die „Werbung" des Dichters wird als „Schrei" mit dem Balzruf des Vogels verglichen.[111] Die zweite und dritte Strophe vergleichen dieses Werben mit der eskalierenden Aufwärtsbewegung des Tages: „Dann die Stufen hinan, Ruf-Stufen hinan".[112] Diese Aufwärtsbewegung, die aber „schon das Fallen zuvornimmt / im versprechlichen Spiel",[113] wird parallelisiert mit der steigenden Jahreszeit des Frühlings[114] und gipfelt schließlich in der Erfahrung der hohen Nächte des Sommers.[115]

Der Ruf des Dichters nach der „Liebende[n]"[116] riefe nicht nur die Geliebte, sondern auch die toten Mädchen aus ihren Gräbern hervor. Diese erinnern an die Herrlichkeit des Daseins: „Hiersein ist herrlich. Ihr wußtet es, Mädchen, ihr auch".[117] Die Reflexion über das aufsteigende Werben schlägt um zu einer nach innen gewendenten Weltsicht. Rilke geht zu einer „Verwandlungslehre"[118] über: Alles ist scheinbar, solange es nicht „innen verwandel[t]" wird.[119] Die Moderne, der „Zeitgeist"[120] macht die durch „Tempel"[121] und „Dom"[122] repräsentierte Religion verschwinden, und verrückt sie damit ins Unsichtbare. Dabei wird aber der „Vorteil, / daß sie's nun innerlich baun, mit Pfeilern und Statuen, größer!" nicht eingelöst.[123]

Die letzte Strophe verweist auf den Anfang der Elegie, indem sie wiederum das Werben verneint. Die hier durchgeführte Denkfigur ist verwandt mit der in der ersten Elegie: Würde das lyrische Ich der ersten Elegie nicht gehört werden, selbst wenn es schriee,[124] so käme hier der Engel nicht, selbst wenn um ihn geworben würde.[125] Diese Paradoxie und Unmöglichkeit, um den Engel zu werben, wird mit dem Wortspiel des „Hinweg"[126] angedeutet – als Hin-Weg oder, in umgekehrter Richtung, als hinweg zu lesen[127] – und im Bild des ausgestreckten Arms illustriert, der gleichzeitig Einladung und Abwehr bedeutet. In dieser Abwehr unterscheidet sich die schließende von der anfänglichen Absage an die Werbung: Zu Beginn der Elegie vergleicht das Aufgeben der Werbung den Sänger noch mit dem balzenden Vogel: Der singende Vogel vergisst „beinah" seine Individualität, wird beinah eins mit seiner Umgebung, dem Frühling, und vergisst beinah seine Dürftigkeit.[128] Die Äußerung des lyrischen Ichs, das sein eigenes Dichten betrachtet, „mein Rufen"[129] ist am Ende der Elegie gewandelt zu einer „Abwehr und Warnung".[130] Die Absage an die transzendente Figur des Engels, der nicht kommt[131] steht in Zusammenhang mit der Verwandlungslehre, nach welcher Sinn allein in der Transformation des Äußerlichen in Innerlichkeit zu finden ist, nachdem die Modelle zur Erklärung des Daseins dem Zeitgeist gemäß unanschaulich-abstrakt geworden sind, nach der unabwendbaren „Abrückung der Ereignisse ins Unsichtbare".[132] (http://de.wikipedia.org/wiki/Duineser_Elegien#Die_siebente_Elegie)

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