Schönen guten Abend, sehr verehrte Damen und Herren, herzlich willkommen beim Keppler Salon in Linz. Ich darf Sie alle sehr, sehr herzlich begrüßen hier im Saale, wie auch an den Geräten zu Hause. Bei uns geht es heute um österreichische Zeitgeschichte, Zeitgeschichte in Österreich. Und ich habe hier zwei, um nicht zu sagen Schwergewichter der Szene bei mir im Kepler-Salon, im Kepler-Salon, aber doch, nämlich unseren Universitätsprofessor Markus Gräser von der JKU und Universitätsprofessor Dirk Ruppenhoff von der Uni Innsbruck. Ich werde die Herren dann auch noch vorstellen. Mein Name ist Klaus Buttinger, ich bin der Wissenschaftsredakteur der Oberösterreichischen Nachrichten und möchte Sie noch kurz auf die technischen Dinge hinweisen. Bei uns hier, wenn Sie sich beteiligen wollen an der Diskussion, dann bitte ich Sie unter kepler-salon.jku.at einzusteigen oder den Live-Chat auf YouTube zu benutzen, um Fragen zu stellen. Unser bezaubernder Assistent Ben wird dann mit den Fragen zu mir kommen und sie uns stellen. Für das Publikum gilt bitte im Gegensatz zum Podium Maskenpflicht, seien Sie so lieb und behalten Sie die Masken. Bitte auf, daheim können Sie machen, was Sie wollen, aber bei uns müssen wir es leider tragen. So sind momentan die Vorschriften. Ja, Damen und Herren, wer ist heute bei uns? Zu meiner Rechten Universitätsprofessor Dirk Ruppnopf, er studierte in Berlin, Wien und Klagenfurt. Er war Mitarbeiter der berühmten Historikerkommission der Republik Österreich. Sie erinnern sich, damals ging es um die Frage, um die Restitution nach der Arisierung, Vermögensentzug durch die Nationalsozialisten und ist das auch tatsächlich geschehen. Und seine Forschungsaufenthalte führten Dr. Ruppnff nach Leipzig, nach Washington und an die Stanford University. Heute ist unser Gast Dekan der Philosophisch-Historischen Fakultät der Universität Innsbruck. Einer seiner Forschungsschwerpunkte ist nach wie vor die NS-Zeit mit dem Holocaust. Herzlich willkommen in Linz. Hallo. Zu meiner Linken, das was nicht politisch sein soll, Universitätsprofessor Markus Gräser hat mittlere und neuere Geschichte, Soziologie und Politikwissenschaft an der Universität Frankfurt am Main studiert. Seine Wanderjahre führten ihn an die Universität of Chicago nach Berlin und Wien. Heute steht Dr. Gräser dem Institut für neuere Geschichte und Zeitgeschichte der Johannes Kepler Universität in Linz. Sein Schwerpunkt liegt in der jüngeren nordamerikanischen und zentraleuropäischen Geschichte und in der vergleichenden Perspektive sowie in der Wohlfahrtsstaatsforschung. Das Wort habe ich extra geübt, Wohlfahrtsstaatsforschung. Und gemeinsam haben unsere Gäste heute jüngst ein Buch herausgegeben. Es trägt den Titel unseres heutigen Abends, Österreichische Zeitgeschichte, Zeitgeschichte in Österreich. Eine Standortbestimmung in Zeiten des Umbruchs. Die unterschiedlichen Autoren kommen zum Schluss. Die Zeitgeschichtsforschung in Österreich befindet sich in einer Umbruchssituation. Und warum dem so ist und was das heißt, das erklären uns heute Dr. Kreis und Dr. Hupnoff in den nächsten eineuchssituation. Und warum dem so ist und was das heißt, das erklären uns heute Dr. Gräser und Dr. Ruppenhoff in den nächsten eineinhalb Stunden. Und damit bitte ich schon Dr. Ruppenhoff und seine einführenden Worte. Bitte sehr. Ich dachte, der Kollege Gräser beginnt. Genau, der Hausherr. Aber hier gewissermaßen der Hausherr ist. Der Hausherr, der nicht weit von hier ordiniert. Bitte, Herr Dr. Gräser. Ja, meine sehr geehrten Damen und Herren, zunächst einmal lieber Herr Buttinger, vielen Dank für die freundlichen Worte zur Einführung. Wir, mein Kollege Diagopno und ich, freuen uns sehr, dass Sie zu uns gekommen sind heute Abend, um dieser Buchvorstellung beizuwohnen. Und wir freuen uns natürlich auch über alle, die zu Hause sitzen und an den Geräten teilnehmen. auch über alle, die zu Hause sitzen und an den Geräten teilnehmen. Ja, Herr Buttinger hatte schon gesagt, es ist ein sehr schweres Buch geworden, was wir uns vorgenommen hatten. Was ist die Idee für dieses Buch? Was hat uns umgetrieben? Zunächst einmal waren wir der Ansicht, dass es an der Zeit ist, festzuhalten, was wir eigentlich in der österreichischen Zeitgeschichtsforschung als eine Art sicheres Fundament ansehen können. Wo können wir sagen, dass wir in den letzten 10, 15 Jahren ausgesprochen viel erforscht haben, sodass wir uns hier auf sicherem Terrain bewegen. Zugleich ist eine solche Darstellung und ein solches Werk, forscht haben, sodass wir uns hier auf sicherem Terrain bewegen. Zugleich ist eine solche Darstellung und ein solches Werk aber natürlich auch ein Versuch herauszufinden, wo wir eigentlich noch viel zu tun haben. Mit anderen Worten, dieses Buch, österreichische Zeitgeschichte, Zeitgeschichte in Österreich, soll als eine Art Handbuch dienen, mit dessen Hilfe man sich informieren kann über das, was in wichtigen Feldern der Zeitgeschichtsforschung erarbeitet worden ist. Es soll aber auch Fehlstellen markieren, Lücken aufzeigen und insofern vor allen Dingen für die Nachrückende, für die jüngere Generation ein Werk sein, das sie anspornt, hier diese Lücken zu füllen. Also mit anderen Worten, wir haben versucht, vieles zu erreichen. Ob uns das gelungen ist, müssen die Leserinnen und Leser und natürlich auch die Scientific Community entscheiden. natürlich auch die scientific community entscheiden ein paar worte zum titel da klingt im grunde natürlich schon etwas von dem an was wir als eine umbruchphase definiert haben österreichische zeitgeschichte zeitgeschichte in österreich das heißt ja nicht notwendigerweise dass alle die in österreich sich mit Zeitgeschichte beschäftigen, auch zu Österreich arbeiten. Wir haben, wir konstatieren, eine Internationalisierung in der Forschung, also eine Abkehr von der traditionellen Orientierung auf die Nationalgeschichte. Die hat lange vorgeherrscht, da gab es auch, weiß Gott, genug zu tun. Aber wenn man sich die internationale Forschung anschaut, Stichwort Globalgeschichte, transnationale Geschichte, hat sich in den letzten zehn Jahren und vor allen Dingen für die Generation, die jetzt anfängt, sich ihre Positionen innerhalb der Wissenschaft zu erarbeiten, doch vieles geändert. Mit einem reinen Blick auf den sogenannten nationalen Container kommt man heute nicht mehr unbedingt weit und insofern markieren wir in diesem Buch auch genau diese Zäsur, indem wir unsere Beiträgerinnen und Beiträger aufgefordert haben, darüber nachzudenken, wie man bestimmte Themen der österreichischen Zeitgeschichtsforschung in einen größeren europäischen, internationalen Rahmen stellen kann. Natürlich auch deshalb, weil die Nachwuchsleute, die wir an den Universitäten haben, heute stärker als in zurückliegenden Generationen selbst einen internationalen Lebensweg zu absolvieren haben. Es ist ganz wichtig, dass man heute nicht immer nur an der einen Uni bleibt, sondern rausgeht und von daher natürlich auch ganz zwangsläufig konfrontiert wird mit Perspektiven, die andernorts relevant sind. Also dieses Buch macht natürlich auch den Versuch, österreichische Zeitgeschichte so zu positionieren, dass Menschen, Kolleginnen von außerhalb, die mit diesem Buch konfrontiert werden, ein Gespür dafür bekommen können, wo sie vielleicht selbst aus ihrer eigenen nicht-österreichischen Perspektive andocken können. Wo gibt es Gemeinsamkeiten, wo gibt es gemeinsame Trends in einer europäischen Zeitgeschichtsforschung, an denen Österreich teilhaben kann? Nun muss man an der Stelle natürlich auch sagen, dieses dicke Ding haben natürlich nicht der Dirk Ruppner und ich alleine geschrieben, sondern wir sind die Herausgeber. Wir haben über, ich glaube sogar fast 40 Kolleginnen und Kollegen gebeten, an diesem Band mitzuarbeiten. Und ich will Ihnen nur, um Ihnen einen Eindruck zu vermitteln, kurz die Struktur dieses Buches erläutern. Dann bekommen Sie auch ein Gespür für den Inhalt. Wir haben dieses Buch in drei Teile geteilt. Und diese drei Teile heißen Epochen und Zäsuren, Felder und Themen und Verhältnisse. Das klingt vielleicht am spektakulärsten. Damit fange ich einmal an. Was meinen wir mit Verhältnisse? Mit Verhältnisse meinen wir das Verhältnis der Zeitgeschichtsforschung zu Nachbardisziplinen. Die Zeitgeschichtsforschung kommt nicht mehr mit dem nationalen Container aus, sie kommt aber auch schon lange nicht mehr nur mit sich selbst aus. Das heißt, gute Forschung steht immer in einem Dialog mit Nachbardisziplinen und holt sich dort Anregungen. Und wir haben hier zum Beispiel, ich stelle Ihnen jetzt nicht alle Beiträge vor, aber nur um ein Beispiel zu nennen, einen Kollegen gebeten, Robert Groß, etwas zu schreiben über Zeitgeschichte und Umweltgeschichte. Umweltgeschichte ist ein vergleichsweise neues Thema in der Zeitgeschichtsforschung wie in der allgemeinen Geschichte überhaupt. Und diese Umweltgeschichte hat ihre eigenen Standards und ihre eigenen Herangehensweisen ausgebildet. Und hier kommt es uns darauf an, und darüber schreibt Robert Groß auch in seinem Beitrag, auszuloten, inwieweit Zeitgeschichtsforschung und Umweltgeschichte miteinander koalieren können, um eben tatsächlich so etwas herzustellen wie eine zeitgeschichtliche Umweltforschung. Denn das ist ein Thema, das natürlich auch sehr stark nachgefragt wird, auch bei den Studierenden. Wir bewegen uns als Wissenschaftler und gerade auch als Historikerinnen und Historiker ja nicht in einem luftleeren Raum, sondern die Fragen, die wir an die Vergangenheit stellen, sind ja oftmals genau die Fragen, die wir auch an unsere Gegenwart stellen. Geschichtswissenschaft ist kein Antiquitätenkabinett, sondern eine Wissenschaft, die Orientierungswissen bereitstellt für die Gegenwart, nicht für die Vergangenheit. Und insofern greifen wir hier natürlich auch ganz aktuelle Fragestellungen auf. Im Kapitel Verhältnisse geht es dann aber auch zum Beispiel um Zeitgeschichte und Wirtschaftsgeschichte. Es geht um Zeitgeschichte und Rechtsgeschichte. Das ist auch ein sehr wichtiges Feld, mit dem die klassisch ausgebildeten Historikerinnen und Historiker gelegentlich Schwierigkeiten haben, weil wir sind keine Juristen. Das ist schon irgendwie immer eine eigene Materie. Umso wichtiger der Dialog mit den Rechtshistorikerinnen und Rechtshistorikern. Felder und Themen, das ist der größte Block in diesem Band. Hier schreiben Kolleginnen und Kollegen über die aus unserer Sicht momentan am intensivsten bearbeiteten Felder und Themen der österreichischen Zeitgeschichtsforschung. Da geht es also um Migration, da geht es um Geschlecht, da geht es um Gedächtnis und Erinnerungskultur. Da geht es um Film, um Fernsehen und Video. Jetzt werden Sie sagen, ist das nicht irgendwie ein bisschen breit? Was machen die denn da jetzt auch noch? Aber das ist etwas, was man, wenn man an der Universität lehrt, mit Studierenden immer sofort feststellt. Vieles an historischem Wissen, auch an Bildern der Vergangenheit, werden nicht erworben durch die Lektüre kluger Bücher, sondern werden erworben durch das Anschauen von visuellen Medien, von Filmen, von Dokumentationen, von Fotografien. Das ist das, was sich abspeichert. Also eine ganz wichtige Herausforderung für die Wissenschaft, sich hier Klarheit darüber zu verschaffen, inwieweit diese visuellen Medien nicht nur historisches Wissen transportieren, sondern inwieweit wir auch dieses Material, was sich dort findet, in unsere eigene Forschung einbeziehen können. Ein anderes wichtiges Thema, das in den letzten Jahren immer stärker auf die Zeitgeschichtsforschung zugekommen ist, ist die Public History. Das ist ein englischer Begriff, der aber genau so ins Deutsche übernommen worden ist. Begriff, der aber genauso ins Deutsche übernommen worden ist. Und Public History meint die Vermittlung historischen Wissens an eine weitere Öffentlichkeit. Also vor 30, 40 Jahren hätten Historiker gesagt, was heißt da Public History? Wir schreiben Bücher und Aufsätze. Die Leute mögen das lesen. So arrogant sind wir heute nicht mehr. Wir wissen, dass es manchmal nicht so einfach ist mit dem Lesen der dicken Bücher und dass es viel eher darauf ankommt, in einem weiteren öffentlichen Raum durch eine Fülle von möglichen Aktionen, durch Führungen, durch die Arbeit an Gedenkstätten, durch den Einsatz von audiovisuellen Medien historisches Wissen zu vermitteln, das damit Leute erreicht, die sich nicht die Mühe machen, dicke Bücher zu lesen, die aber trotzdem, und das ist ganz wichtig, ein Interesse an der Vergangenheit haben. Die haben frühere Generationen an Historikerinnen und Historikern im Grunde im Abseits liegen gelassen mit ihrem Interesse. Und das können wir uns heute um unserer Aufgabe willen nicht mehr leisten. Sie finden aber in diesem Abschnitt Felder und Themen auch ganz klassische Arbeitsfelder der Zeitgeschichtsforschung. Parteiengeschichte ist eines, mit dem sich Zeithistoriker seit jeher beschäftigt haben. Und wir wissen heute, glaube ich, eine ganze Menge über die Parteiengeschichte. ist eines, mit dem sich Zeithistoriker seit jeher beschäftigt haben. Und wir wissen heute, glaube ich, eine ganze Menge über die Parteiengeschichte. Und last but not least hat dieses Buch natürlich auch im Anfang unter der Überschrift Epochen und Zäsuren einen ganz klassischen Zugang zur österreichischen Zeitgeschichte. Hier folgt auf die Erste Republik der Austrofaschismus die nationalsozialistische Zeit. Und so geht es dann weiter durch die Geschichte des 20. Jahrhunderts, sodass man also, wenn man sich diese Kapitel anschaut, einen guten Überblick bekommt über das, was wir zu dieser Zeit sagen können. Dirk Ruppner und ich haben natürlich auch dieses Buch in eine Zäsur gestellt, weil es schon lange so etwas nicht mehr gegeben hat und wir damit einfach eine neue Tradition setzen wollen mit Blick auf einen erreichten Diskursstand in der österreichischen Zeitgeschichtsforschung. Und ich habe es schon angesprochen und Dirk Ruppner wird noch weitere Punkte nennen. Ein ganz wichtiger Punkt für uns ist die Internationalisierung und die Frage des Vergleichs. Ich bin selber von meiner methodischen Ausbildung her ein vergleichender Historiker und ich habe hier in diesem Buch über die Erste Republik geschrieben und mich gewundert, warum es so wenig Vergleich gibt zwischen der Ersten Republik und der Weimarer Republik. Was liegt eigentlich näher, als diese beiden neuen Demokratien am Ende des Ersten Weltkrieges in eine vergleichende Anordnung zu bringen und zu fragen, wo gibt es Stärken und Schwächen? Und kann ich, wenn ich mir das eine Beispiel anschaue, das andere besser verstehen? Das ist immer die Hoffnung des vergleichenden Historikers. Und insofern ist das ein Punkt, der auch in vielen anderen Beiträgen wichtig ist, der Vergleich raus aus dem nationalen Container, schauen, was gibt es woanders und können wir, wenn wir anderes genauer einschätzen, auch über uns selbst in Österreich mehr wissen. Wunderbar, vielen herzlichen Dank, Herr Dr. Gräser. Bitte, Herr Dr. Rupp, noch für Ihre einführenden Worte. Ja, schönen guten Abend auch von meiner Seite. Ich freue mich sehr, da sein zu können und freue mich sehr, dass man in Linz im Gegensatz zu Innsbruck auch so wagemutig ist, noch Präsenzveranstaltungen zu machen. Wenn wir jetzt in Tirol gewesen wären, dann hätten wir das alles virtualisieren müssen und hätten uns hier nicht live getroffen. Aber ich freue mich sehr darüber, dass wir hier in Keplers Salon heute sein dürfen und mit Ihnen dieses Buchprojekt bereden können. Der Kollege Gräser hat schon sehr viel Wichtiges gesagt. Vielleicht muss man noch mal festhalten, so ein Buch zu machen ist in jeder Hinsicht unpopulär, oder es ist unpopulär bei Verlagen inzwischen, weil Sammelbänder an sich ein bisschen spröder anruhig geworden sind. Das heißt, sie verkaufen sich schlecht. Dieses Buch ist auch noch gleichzeitig Open Access erschienen. Das macht es noch schwieriger. Sie müssen eigentlich nur ins Internet gehen und können es komplett lesen. Das ist jetzt gegen den Büchertisch gesprochen, sorry. Aber so gleichzeitig erfüllt es natürlich damit auch das, was wir erreichen wollten, größtmögliche Verbreitung für Studierende etc. als eine Art Handbuch. Kolleginnen verfolgen sowas mit Argwohn, wenn man ein so gigantomanisches Buchprojekt macht. Jeder schaut natürlich, werde ich gefragt, bin ich dabei oder nicht? Und Sie können sich sicher sein, irgendjemand vergessen Sie immer, den man hätte noch fragen müssen von der Kolleginnen-Schafft. Unser Anspruch war ja auch ein bisschen verschiedene Generationen der österreichischen Zeitgeschichtsforschung im Band abzubilden und vor allem auch jüngere Kolleginnen zu Worte kommen zu lassen, gerade eben für die neuen Forschungsfelder, die Markus Gräser schon angesprochen hat. Das heißt, sie stoßen notwendigerweise einigen älteren Kolleginnen wohlbestalten, wichtigen Kolleginnen vor den Kopf bei so einem Unternehmen. Denn wenn das Buch mal draußen ist, und das haben wir witzigerweise, glaube ich, erlebt bei der ersten Präsentation, die wir in Wien gemacht haben, wenn das Buch mal draußen ist, denken alle gleich darüber nach, was fehlt eigentlich, anstatt darüber zu reden, was ist reden. Also das war der Effekt bei unserer Präsentation im vergangenen Jahr im Haus der Geschichte am Heldenplatz in Wien. Die ganze Zeit wurde darüber geredet, was fehlt und die Verlagsvertreterin wurde schon ganz nervös in der ersten Reihe. Warum redet ihr nicht mal darüber, was eigentlich drin ist? Weil es ist ja offensichtlich was zusammengekommen, aber im Grunde ist der Hauptblick von Kolleginnen auf so ein Werk, was ist nicht drin, was hat man vergessen, was hätte man noch reinnehmen müssen etc. Und tatsächlich ist es, glaube ich, uns ist es auch so gegangen oder ich glaube, es geht einem notwendigerweise so. Solche Projekte ziehen sich ja über einige Jahre hin. Also ich weiß gar nicht mehr, was zwei Jahre oder drei Jahre haben wir gebraucht. Dafür tatsächlich 40 Autorinnen, denen wir nochmal explizit Dank zollen müssen, weil ohne deren Arbeit würden wir jetzt hier gar nicht sitzen können. Wir haben uns ja auch nur auf jeweils einen Beitrag beschränkt und eben auf die Einleitung und Herausgeberin schafft, aber es war ja auch unser Anspruch, dass nicht mehrere Aufsätze von einer Person drin sind. Also so ein Projekt dauert lange. Es hat durch Corona noch länger gedauert tatsächlich. Also wir sind ja mit diesem Buchprojekt mitten in die ersten Lockdowns reingekommen, die dazu geführt haben, in die ersten Lockdowns reingekommen, die dazu geführt haben, teilweise, dass Kolleginnen nicht in ihre Büros konnten, nicht auf ihre Bücher in den Büros zugreifen konnten. Das heißt, wir haben eigentlich, ich glaube, ein Jahr, kann man gut sagen, allein dadurch verloren, weil sich alles durch Corona verzögert hat. Und dann ist das Ding am Ende mal da und erschlägt einen. Und man denkt sich natürlich nach zwei, drei Jahren, die dann vergangen sind, seitdem man das geplant hat mit dem Verlag, ja natürlich, dies haben wir vergessen, das haben wir vergessen. Oder heute würde man selbstverständlich irgendwas reinnehmen über, wie auch immer, Seuchengeschichte, Pandemiegeschichte. Das haben wir natürlich noch nicht drin. Wir haben Medizingeschichte drin durch einen Beitrag, aber natürlich nicht so einen speziellen Fokus. Das würden Sie vielleicht nach Corona selbstverständlicher erwarten. Das war noch überhaupt nicht auf dem Schirm, als wir angefangen haben, hier in die Planung einzusteigen. Also so viel mal zu solchen gigantomanen, größenwahnsinnigen Buchprojekten, die allen viel abverlangen, denen die schreiben, denen die es herausgeben, weil wir das ja alles mehrmals durchlesen müssen und auch dem Verlag. durchlesen müssen und auch dem Verlag. Anschließend noch vielleicht an diesem Punkt der Internationalisierung, den Markus Gräser sehr stark gemacht hat und der natürlich auch wirklich ein ganz wichtiger Aspekt ist. Wir müssen das ja auch mal explizit machen. Es ist auch kein Zufall oder doch, dass dieser Band von zwei zugezogenen Deutschen herausgegeben ist. Sie lachen, aber es ist dann eh schon allen aufgefallen, einmal jetzt in der Runde. Aber es ist ja auch Teil dieser Internationalisierung der österreichischen Zeitgeschichte, die darin sichtbar wird. Oder wenn sie so ein Band vor 20, 30 Jahren gemacht hätten, dann wäre das vermutlich nicht der Fall gewesen. Aber nun ist es so, dass wir hier so viele Zeitgeschichte-Institute und Zeitgeschichte-Lehrstühle gibt es an österreichischen Universitäten ja auch nicht. Die können Sie an einer Hand abzählen. Diese Institutionalisierungsgeschichte ist ja auch ein ganz wichtiger Aspekt. Wir reden ja letztlich über eine sehr kleine Community, die an den vielleicht gar nicht als Zeithistoriker, Zeithistorikerinnen bezeichnen, arbeiten aber de facto über Zeitgeschichte Themen. Also dieses Feld franzt natürlich aus und dann können sie endlose Diskussionen darüber natürlich führen, wo fängt eigentlich die Zeitgeschichte an, 1918 oder später oder muss man noch weiter ins 19. Jahrhundert zurückgehen. Letztlich die Gruppe, die sich mit Zeitgeschichte beschäftigt in Österreich, ist überschaubar. Vor allem die Gruppe, die gut in Institutionen aufgehoben ist und abgesichert ist wie wir beide, ist sehr überschaubar. Also da kommen Sie auf eine ganz kleine Gruppe. Der Rest forscht so prekär, wie das heute üblich ist in Projekten drumherum. drumherum. Der Rest forscht in so prekären Settings drumherum, aber die Zeitgeschichte Familie an sich ist sehr klein und überschaubar. Und wenn Sie sich dann eben gleichzeitig anschauen, welche verschiedenen Themenfelder hier aufgehen heute, eben auch neue Themenfelder, ein paar sind angesprochen worden, oder Digital Humanities, Digitalisierung ist natürlich auch so ein Thema, das ganz stark im Kommen ist, jetzt in Arbeiten der jüngeren Generation, eben Umgang mit neuen Quellenarten, Video, Fernsehen, Film. Ich meine, so neu ist es auch nicht, aber es kommt eben jetzt sehr stark und noch stärker immer in die Zeitgeschichte rein, eben Aspekte internationaler Geschichte, vergleichende Aspekte, wenn Sie sich dann eben diese Vielfalt an Themen vor Augen halten und gewissermaßen die Größe oder letztlich Kleinheit der Gruppe an Zeithistorikerinnen, die dem in Österreich gegenüberstellt, dann sehen Sie, dass eben, und darauf läuft es auch in vielen der Beiträge hinaus, dass eben, dass Sie ganz viele Desiderate eben benennen müssen in diesen Beiträgen, die hier drin sind, weil sobald Sie gewissermaßen bei einem dieser Themenfelder anstupsen, gehen eigentlich unendlich viele neue Fragen auf, an denen wir noch überhaupt nicht dran sind, unendlich neue Themen und Perspektiven etc. Es gibt so ein paar, also abgesehen von dieser These der Internationalisierung, die uns, glaube ich, stark angetrieben hat und die auch offensichtlich ist, gibt es so ein paar andere Themen, an denen wir uns abgearbeitet haben oder an denen sich, glaube ich, letztlich alle abgearbeitet haben, die hier drin geschrieben haben, weil es auch eben so Grundthemen der österreichischen Zeitgeschichte oder der Zeitgeschichtsforschung auch über Österreich hinaus allgemein sind. Zeitgeschichtsforschung auch über Österreich hinaus allgemein sind. Das eine ist sicherlich das Verhältnis zwischen Zeitgeschichte und Öffentlichkeit. Das ist natürlich ein ganz großes Thema, oder? Zeitgeschichte ist, so denken wir zumindest, und ich vermute, dass Sie diese Einschätzung teilen werden, ist sicherlich das wichtigste Scharnier zwischen der Geschichtswissenschaft und einer breiteren interessierten nicht-akademischen Öffentlichkeit. Also Zeitgeschichte generiert am meisten Aufmerksamkeit. In einer breiteren Öffentlichkeit ist bei weitem mehr in den Medien zu finden, als jetzt irgendwelche medievistischen Spezialthemen oder Spezialthemen der alten geschichte oder ähnliches zeitgeschichte ist auch dadurch oder dadurch hat er damit unter deshalb ist es so öffentlich immer oder oft politisch umkämpft und was dafür gibt es zahllose beispiele in der österreichischen zeitgeschichte oder man müsste jetzt nur weil time sagen zum Beispiel, man könnte andere Dinge, man könnte andere Dinge nennen oder die Einschätzung des Ständestaats slash Austrofaschismus, Kanzlerdiktatur, wie auch immer Sie es eben dann gerne nennen wollen und da sehen Sie ja auch schon den Konflikt drin oder bei diesen Themen, also es sind Themen, die öffentlich sind, die häufig umstritten sind und trotzdem, das ist Es sind Themen, die öffentlich sind, die häufig umstritten sind. Und trotzdem, das ist, glaube ich, eine Einschätzung, die wir beide teilen, könnte man ein bisschen den Befund haben, dass in der österreichischen Zeitgeschichte, also in der Profession oder in der Zunft, wie wir immer sagen, fürchterlicher Begriff, finde ich, es eigentlich zu wenig Streit gibt. Ganz viele Dinge sind mittlerweile außer Streit gestellt. Also vielleicht das heißeste Thema, wenn überhaupt, das die noch finden können, ist möglicherweise wirklich diese Frage Austrofaschismus, Ständestaat, Dollfuß, Schuschnigg, Kanzlerdiktatur, wie auch immer, oder? Das sehen Sie auch wieder, weil dann plötzlich dieses kleine Museum im Texing-Tal da auftaucht jetzt und so. Also vielleicht ist das noch die umkämpfteste Baustelle, wenn überhaupt, aber richtig großen Streit etwa über DNS-Themen, wie sie das eben noch bei Waldheim hatten in den 80ern oder dann auch Ende der 90er noch bei der Historikerkommission, gibt es eigentlich in der Community nicht mehr. dass auch ein bisschen unsere Einschätzung ist, dass das teilweise auch schade ist, weil die Community dadurch ein bisschen streitunlustig geworden ist und bei gar nicht so vielen Gelegenheiten mehr miteinander ins Gespräch kommt, sondern sehr viel häufiger nach außen spricht, eben zur Öffentlichkeit, aber es gar nicht so oft bei so vielen Gelegenheiten Diskussionen zwischen Kollegen und Kolleginnen gibt. Also das wäre so ein Befund auch zum Stand der österreichischen Zeitgeschichte, über den man vielleicht noch länger reden könnte. Und ich würde denken, damit haben wir vielleicht erst mal genug gesagt für den Einleitungsteil und schauen, was es für Fragen und Anmerkungen aus dem Publikum gibt. Vielen Dank, Herr Dr. Oppenhoff. Ja, wird es sicher geben. Fragen, was mir jetzt noch auf der Zunge brennt, ist natürlich das, was fehlt. Sie schreiben selbst im Klappentext, Lücken, die nach einer Bearbeitung harren. Klappentext, Lücken, die nach einer Bearbeitung harren. Waren Sie überrascht von den Beiträgen Ihrer Kolleginnen und Kollegen? Was die sich da genommen haben, welche Themen sie sich dazu genommen haben? Was haben sie geliefert, von dem Sie geglaubt haben, das kommt gar nicht? An das habe ich gar nicht gedacht. Gibt es etwas, das Sie selbst überrascht hat oder Sie? Also ich glaube, was wirklich, man muss das ja sagen, oder? Das ist ja eben wirklich, man unterschätzt das vielleicht. Also wenn man jetzt nicht gewohnt ist, Sammelbände zu machen, also wenn man das mal gemacht hat oder wenn man das schon ein halbes Dutzend Mal gemacht hat, dann weiß man, was das für ein mühseliges Geschäft ist. Und man ist ja wirklich darauf angewiesen, dass Kolleginnen sich auf dieses Spiel einlassen, das man da aufmacht. Oder man schreibt dann so hilflose E-Mails und sagt, wir haben da der Kollege Gräser und ich haben eine Idee für einen Sammelband. Und könnten Sie sich oder könntest du dir vorstellen, innerhalb des nächsten halben, dreiviertel Jahres oder Jahres, wenn man nett ist, einen Beitrag zu dies und jenem zu schreiben. Und was man wirklich, glaube ich, unseren Autorinnen zugutehalten muss, viele haben sich auf diese Themen, die wir sie da umgehängt haben, wahnsinnig eingelassen. Also gerade von der jüngeren Generation, muss man sagen, gibt es eben auch für diese neuen Themenfelder eben Fotofilm, Video, diese Sachen, Digital Humanities etwa. Also gibt es Beiträge? Da gibt es ja auch wenig, auf das man aufbauen kann. Also da gibt es ja auch wenig Zusammenfassung. Wenn Sie jetzt was machen zur NS-Zeit oder so, können Sie ja auf sehr viel mehr schon kollationiertes Wissen gewissermaßen zurückgreifen. Bei diesen Dingen muss man sich das ja wirklich alles zusammensuchen, weil das eben so Felder eben entstehen sind. Und ich glaube, ich vermute, dass du die Einschätzung teilst, dass also da sind tolle Beiträge gekommen von Leuten, die wirklich diese neuen Forschungsfelder jetzt aufmachen und, das heißt umfassend, die haben halt auch nur 20 Seiten, aber super beschrieben. Was sie da über einmal ein Beispiel oder zwei Beispiele. Super beschreiben. Ganz kurz, was Sie da überrascht hat oder was da gekommen ist. Also ganz spannende Beispiele und gute Beispiele sind tatsächlich diese Beiträge zu Film, Fernsehvideo, Fotografie, Digitalisierung und Digital History, das ist halt also gerade auch Digitalisierung, auch die Vorgeschichten davon, wie das begonnen hat, auch die Wissenschaft zu beeinflussen, Digitalisierung. ist eines der ersten Institute, das vor 20 Jahren so eine Website aufgemacht hat, um die Zeitgeschichte Community zu vernetzen. Das war damals, war das revolutionär, ist inzwischen eingegangen und gestorben, weil es von größeren Anbietern gewissermaßen auf dem deutschsprachigen Markt, also wer das kennt, Hasotskult, von der Humboldt-Uni aus in Berlin betrieben, vor allem jetzt im Wesentlichen übernommen wird, diese Aufgabe. Aber vor 20 Jahren, ein bisschen länger her, fingen die an, so eine Website aufzubauen als Informationsdienst. Und das war damals ein revolutionärer Schritt. Und die Frage, wie man sowas heute überhaupt noch rekonstruieren kann. mit Webquellen zu arbeiten, was davon erhalten ist, wo sie das abgespeichert finden. Das sind natürlich alles hochinteressante, auch übrigens, also quellentechnische Fragen für uns in der Zeitgeschichte. Oder wie finden Sie alte Websites? Wie gehen Sie damit um heute in Forschungsarbeiten? Also da sind Dinge drin also die können sie bisher auch noch nirgendwo anders sonst lesen also jetzt gerade in diesem digitalisierungsbereich beispielsweise ist eine tolle zusammenfassung wie digitalisierung auch dieses feld der zeitgeschichte in den letzten 20 jahren beeinflusst und auch verändert hat dann ist sehr. Gab es für Sie etwas, das Sie überrascht hat? Also zu den Privilegien, wenn man einen solchen Band herausgibt, gehört natürlich, dass man ad hoc durch die mehrfache Lektüre der Beiträge, wenn wir das dann redigieren und so weiter, tatsächlich einen Kurs in österreichischer Zeitgeschichte mitmacht. Und zwar vor allen Dingen in den Feldern, mit denen man selber gar nicht so vertraut ist. Also zu den Beiträgen, die mir im Grunde genommen tatsächlich hier praktisch etwas Neues erschlossen haben, gehört zum Beispiel der Beitrag Zeitgeschichte und Queer Studies. Das ist sozusagen für die neue Generation, für die jüngere Generation, ein ganz selbstverständliches Thema. In unserem Studium hat das, glaube ich, nicht auf dem Programm gestanden. Aber dieses ganze Thema Geschichte und Sexualität, Queer Studies meint ja nicht nur Homosexualität, sondern im Grunde alle Formen von Sexualität, die man als queer bezeichnet. Was sich da alles getan hat in den letzten zehn Jahren zur Bewegungsforschung, was sich da alles getan hat in den letzten zehn Jahren, zur Bewegungsforschung, im Blick auf die Emanzipationsbewegungen sexueller Minderheiten und so weiter und so fort, das war für mich im Grunde genommen tatsächlich so, dass ich das Gefühl habe, das ist ein pulsierendes Feld. Also das springt einem aus diesem Beitrag, und man könnte jetzt natürlich auch noch andere Beiträge nennen, wirklich entgegen. Danke sehr. So, jetzt möchte ich aber ins Publikum gehen. Bitte, Ben, bist du so lieb, das Mikrofon zu übernehmen? Es ist der berühmte JKU-Würfel. Bitte um Ihre Handzeichen, wenn Sie eine Frage haben und sprechen Sie dann bitte in das Würfelmikrofon, damit wir das auch übertragen können. Hinter dir, Ben, bitte. Dankeschön. Eine Frage, nachdem Sie beide sozusagen aus der bundesdeutschen Historikerszene kommen, nach Österreich gekommen sind und hier sich inzwischen längst assimiliert haben, wie ich annehme, wäre ja interessant, was fällt Ihnen auf in der Periodisierung? Wenn man quasi von außen die österreichische Geschichtsschreibung betrachtet, gab es da in den vergangenen Jahrzehnten oder im vergangenen Jahrhundert, um es größerzügiger zu formulieren, eigentlich Schnitte, wo Sie sagen, die würden wir anders machen. Herr Prof. Gräser, Sie haben schon angesprochen, die ganze vergleichende Situation mit der Weimarer Republik. Also wo würden Sie wichtige Schnittstellen, wo beginnt überhaupt Zeitgeschichte? Beginnt das in Österreich mit den Massenparteien im späten 19. Jahrhundert? Beginnt es mit einem sehr ausgeprägten Deutschnationalismus im späten 19. Jahrhundert, all das sind Dinge, die man ja für die Jetztzeit nicht völlig sozusagen weglöschen kann. Wo beginnt das und wo sind Ihrer Meinung nach Auffälligkeiten in der Periodisierung von österreichischen Zeitgeschichten? Ich hoffe, dass ich dieses Thema jetzt nicht zu komplex angefragt habe, aber Ihre Sicht, die andere Sicht sozusagen im Vergleich zur österreichischen Zeitgeschichte, die Sie ja sagen, der Internationalisierung bedarf. Danke. Das ist eine sehr spannende Frage, Herr Jetschko. Ich habe irgendwann auch mal darüber nachgedacht, ob wir, machen wir mal das Gedankenexperiment, der Kollege Ruppner und ich, wir wären an deutschen Universitäten gelandet und wir hätten einfach ein Buch über deutsche Zeitgeschichte, Zeitgeschichte in Deutschland herausgegeben, dann wäre das, wenn es um Themen und Felder geht und um das, was wir Verhältnisse genannt haben, würde das wahrscheinlich gar nicht großartig anders aussehen. Natürlich macht man in Deutschland, wie auch in den meisten anderen westlichen Ländern, Forschung zu diesen Themen, die wir da benannt haben. Aber in der Frage der Epochen und Zäsuren gibt es natürlich österreichspezifische Dinge. Und das beginnt schon einmal mit der Frage, Sie haben das ja auch angedeutet, was heißt überhaupt Zeitgeschichte? Zeitgeschichte ist natürlich ein Begriff, der schwankt in seiner Reichweite. Da gibt es auch nicht unbedingt einen Konsens in der Forschung. Als man angefangen hat, Zeitgeschichte zu treiben in den 50er, 60er Jahren, hieß es, gibt eine berühmte Formulierung des Historikers Hans Rotfelds, 60er Jahren hieß es, gibt eine berühmte Formulierung des Historikers Hans Rotfelds, Zeitgeschichte ist die Geschichte der Mitlebenden. Also das, was noch in den Horizont hineinreicht, derer, die da sind. Und in Deutschland ist mein Eindruck, dass man Zeitgeschichte inzwischen enger fasst, als das in Österreich der Fall ist. Das heißt, Zeitgeschichte in Deutschland heißt heute praktisch eigentlich nach 1945, würde ich mal so grob sagen. Und wir haben in Österreich nach wie vor ein Verständnis von Zeitgeschichte. Eigentlich ist es die Geschichte des 20. Jahrhunderts. Oder sagen wir mal so, nicht mehr die späte Habsburger Monarchie, aber die Erste Republik. Also 1918 als die eigentliche Zäsur. Und jetzt könnte man die Frage stellen und man könnte auch einen Aufsatz darüber schreiben, warum ist das so? Warum gibt es diesen Unterschied zwischen Deutschland und Österreich? Und ich glaube, eine Antwort könnte darin liegen, dass die österreichische Zeitgeschichtsforschung immer sehr viel zu tun hatte mit der Herausbildung einer österreichischen Nation. Das gilt natürlich vor allen Dingen für die Zweite Republik, also das Herauspräparieren eines eigenen österreichischen Nationsverständnisses. Dafür ist die Zeitgeschichte ganz wichtig und deshalb braucht man auch die Erste Republik, weil es im Grunde der erste Versuch gewesen ist, hier 1918 einen Staat neu zu begründen, der Österreich heißt. Und eigentlich vor der Aufgabe stand, eine österreichische Identität herauszubilden. Das ist ihm bekanntlich nicht gelungen, der Ersten Republik, aber es ist die Aufgabe gewesen. Und von daher können wir, glaube ich, in der österreichischen Zeitgeschichtsforschung die Erste Republik, auch wenn sie schon lange her ist, nicht heraus eskamotieren, sondern wir brauchen sie. Danke sehr. Kurze Anmerkung noch. Ja, ich meine, das ist eine hervorragende Frage, oder? Weil das ist ja eine Frage, die auch uns ständig beschäftigt. Oder wo sind eben die Grenzen der Disziplin? Und ich denke, du hast völlig recht. Wenn man sich anschaut, so Einführungsbücher zur Zeitgeschichte, die auf dem deutschen Markt von deutschen Kolleginnen erscheinen, dann beginnen viele von denen inzwischen mit 1945 und blenden alles vorher aus. Und in Österreich haben sie eigentlich in den letzten 10, 15 Jahren, würde ich sogar sagen, den entgegengesetzten Trend gesehen. Also es gibt ja auch so an den verschiedenen Standorten unterschiedliche Spielarten. Ich glaube, dass wir uns alle im Wesentlichen darauf verständigen können in Österreich, dass es die Geschichte des 20. Jahrhunderts ist oder die Geschichte ab 1918. Und des 21. natürlich. Und des 21. des Beginnenden, also bis heute. Tatsächlich aber ist, glaube ich, die österreichische Zeitgeschichte in den letzten Jahren mehr noch nach hinten aufgegangen. Wenn Sie sich anschauen, die Debatten eben Haus der Geschichte in Wien oder da gab es ja diese endlose Debatte, wo muss man diese Geschichtserzählung beginnen? Reicht es, wenn man die Republikgeschichte ab 1918 erzählt? Oder ist es nicht eine Demokratiegeschichte? Und dann erzählen Sie Zeitgeschichte als Demokratiegeschichte und dann müssen Sie zumindest bis 1848 gehen, zum Beispiel. 1848 gehen, zum Beispiel. Und ich glaube, da sehen Sie eigentlich ganz entgegenläufige Dynamiken. In Deutschland eher eine Verkürzung, wirklich nach diesem rotfelsischen Motto, die Mitlebenden. Also wer lebt schon noch von der Ersten Republik, der sich daran auch aktiv erinnern kann. In Österreich, glaube ich, sehen sie eher eine Öffnung nach hinten und ein Reinholen dieser späten Habsburger Zeit, was vielleicht auch damit zu tun haben kann, weil sie vorher auch so systematisch ausgeblendet wurde. Also weil eben diese Republikgeschichte sich ja wirklich konstituiert in einem Vakuum praktisch und so tut, als käme sie aus dem Nichts heraus, weil die frühe Republik ja eben explizit nicht anknüpft an eine Vorgeschichte. Und darum müssen wir das vielleicht jetzt hier erst nochmal nachholen, indem wir eben diese Spätherbskopphase wieder reinholen in die Zeitgeschichte. Ein bisschen Geiserschott, oder ein bisschen Sissi, in der Zeitgeschichte. Bitte, Sie haben den Würfel. Nein, tatsächlich bin ich nur zuständig, dass Sie den Würfel anpacken. Okay. Naja, es gibt ja auch die Geschichte der Dienstbahn Geister, aber bitte, wenn Sie Fragen haben, dann geben Sie uns ein Zeichen, sonst muss ich fragen. Was mich nämlich wundert, ist diese Einhelligkeit, die Sie erwähnt haben. Es gebe zu wenig Streit unter den Historikern, das ist ja an sich ein angenehmer Zustand, Ja, und sicher ein angenehmer Zustand, aber vielleicht in der Festlegung gerade der Zeitgeschichte vielleicht nicht das Ideal. Wenn man sich anschaut, vielleicht hat man vor zehn Jahren gesagt, das ist Konsens, wie wir zum Beispiel auf die NS-Zeit blicken. Und heute haben wir auf den Straßen eine neue Rechte, die in einer kurzen Zeit entstanden ist, dass man sich nur wundern kann. Dann frage ich mich natürlich, hat man das nicht gesehen? Hat man die Vorboten nicht gesehen, die meines Erachtens ja durchaus signifikant zurückgehen, die letzten Jahrzehnte, die immer wieder mehr oder weniger unter der Oberfläche brodelten? Also das ist zu wenig Streit. Also ich meine, das ist, tatsächlich könnte man manchmal den Eindruck haben. Und eben, wie gesagt, ich glaube, das größte Streitpotenzial ist noch in dieser Ständestaatsfrage drin. Letztlich, also da hat sich sicherlich viel getan, also auch seit der Historikerkommission oder die Sie angesprochen haben eingangs. Also ich sehe da nicht mehr so riesige Streitfälle in diesem Thema. Das war sicherlich vor 20 und vor 30 und 40 Jahren natürlich noch viel akuter. Aber da gibt es inzwischen so bestimmte Wordings, auf die sich irgendwie alle geeinigt haben, mit denen alle halbwegs gut leben können. Eben bei Ständestaat, Austrofaschismus ist das ein bisschen was anderes. Was Sie jetzt ansprechen, gewissermaßen die rezentesten Entwicklungen, das ist nochmal ein anderes Thema, das vielleicht auch ein bisschen aus der Zeitgeschichte wieder rausfällt, weil tatsächlich noch zu frisch. Also da sind wir jetzt nicht so richtig gut dran, habe ich den Eindruck. Also an diesen ganz rezenten Entwicklungen. Ich meine, tatsächlich Zeitgeschichte ist die Epoche, die bis jetzt, bis heute oder bis gestern Abend oder so geht. Aber so ein ganz klein bisschen Vorlauf brauchen wir natürlich auch immer, bis man so neu fokussiert und bis dann diese Themen wieder aufpoppen. Also da ist vielleicht, da haben Sie recht, da ist vielleicht da ist noch was zu tun oder wieder neu zu tun. Wo es einfach jetzt zum Beispiel Streit gibt, das werden Sie, war auch gerade letztens bei einer Tagung hier 100 Meter entfernt an der Kunstuni, oder so geschichtspolitische Fragen, die den öffentlichen Raum betreffen. Das sind Fragen, die wieder jetzt sehr hoch gekommen sind. Ich sage nur Luega, Denkmal, Wien. Also da vertrete ich eine Position und viele andere Kolleginnen vertreten ganz andere Positionen. Gut, wir halten das so einigermaßen aus, aber da gibt es schon so ganz unterschiedliche Akzentuierungen wieder, wie Jahren, wenn Sie das verfolgt haben in den diversen Feuilletons von Zeit und Fatz und so weiter. die ist so richtig noch nicht nach Österreich übergeschwappt, weil ich meine, Deutschland ist schon schlimm im Ausblenden der kolonialen Vergangenheit, aber das ist natürlich in Österreich noch viel massiver, dass man so tut, als hätte man mit dieser Geschichte gar nichts zu tun. Also vielleicht kommt das auch noch rüber, aber das ist erst so in Ansätzen passiert. Also das sind vielleicht so Dinge, wo sich auch demnächst was tun könnte, denke ich. Also wenn irgendwas passiert, gewissermaßen in der Profession, würde ich denken, es werden diese Themen sein, diese Kolonialismusfrage, weil sie letztlich auch für Österreich lauert überall und bisher nicht beantwortet ist oder nicht richtig gut angegangen ist, nur in Ansätzen. Und was Sie angesprochen haben, natürlich Rechtsextremismus, wieder aufkeimender Antisemitismus etc. Das sind sicherlich auch so große Themenfelder, die vielleicht in der nächsten Zeit mehr Beleuchtung brauchen. Danke sehr. Es gibt eine Frage aus den Weiten des Internets. Ben, bist du so lieb, sie zu stellen? Ja, wir haben eine E-Mail bekommen von Karl. Er schreibt, sehr geehrte Herren, zwei Fragen. Erstens, Internationalisierung. Beim groben Überfliegen des Inhaltsverzeichnisses habe ich nichts zu den Themen Europäische Union und Österreich oder Österreich und internationale Institutionen gefunden. Warum haben Sie diese Themen nicht aufgenommen? Und zweitens, Zeitgeschichtetag 2022. Inwieweit sind die Themen des Sammelbands und des kommenden Zeitgeschichtetags deckungsgleich bzw. verschieden? Mit freundlichen Grüßen, Karl Reiter aus Gmunden. Danke, Werner Mack. Also vielen Dank für die Frage. Ich bin gerade mal ins Blättern geraten. Ich fühle mich jetzt nicht besonders wohl, wenn ich sage, haben wir doch aber. Aber eigentlich muss ich sagen, dass wir die Dinge, die der Zuhörer angeschnitten hat, natürlich in unserem Sammelband finden. Wir haben ein eigenes Kapitel zur Europäischen Union. Das heißt natürlich hier zur Verquickung von österreichischer Zeitgeschichte und europäischer Geschichte. Und wir haben auch einen Beitrag oder sogar zwei Beiträge, die sich mit Zeitgeschichte und internationale Geschichte beschäftigen. Oder eigentlich haben wir sogar mehr. Wir haben auch einen Beitrag über Postkolonialismus. Also gerade in der Hinsicht, deswegen haben wir das ja auch vorhin so betont mit der Internationalisierung, haben wir und unsere Beiträgerinnen sich schon Mühe gegeben, dieses Thema abzustecken. Das Programm des Zeitgeschichtetages in Salzburg habe ich noch nicht. Das kennen wir noch nicht. Also von daher können wir keine Aussage dazu treffen, ob man sich dort hat inspirieren lassen. Aber vielleicht kann man so viel sagen. Wir sind ja wahrscheinlich beide natürlich aktiv. Ich selber habe ein Forum zusammengestellt, ein Panel zusammengestellt für den Zeitgeschichtetag, das sich mit genau dieser Frage beschäftigt, der ich in meinem Beitrag auch nachgehe, nämlich Erste Republik. Im Vergleich der anderen Nachfolgestaaten Österreich, Ungarns und Deutschlands in der Zwischenkriegszeit. Das heißt, wir haben natürlich hier ein Interesse daran, die Themen, die wir selber kultivieren, auch weiter zu spielen. Danke sehr. Fragen? Bitte, kann wir den Würfel haben in die zweite Reihe, bitte? Danke sehr. Ich möchte nochmal eingehen auf das, was Sie vorher gesagt haben. Mir ist ziemlich klar, wo die Zeitgeschichte anfängt oder mir ist klar, wo die Unterschiede sein können. Mir ist noch nicht klar, wo sie ändert. Wo ist das Ende zwischen Geschichte und Beschreibung der Gegenwart? Naja, das würden wir, glaube ich, nie so klar definieren. Wir haben, ich glaube, der allerletzte Beitrag im Band ist ein Band über Zeitgeschichte und Archive. Oder eine herkömmliche Antwort auf diese Frage wäre, das Ende ist da, wo die Archivsperrfrist einsetzt. In Österreich sind Archivalien klassisch für 30 Jahre gesperrt. Das heißt, wenn Sie jetzt ins Archiv gehen, ins Staatsarchiv in Wien, wenn Sie trotz Corona reinkommen oder hier ins Landesarchiv, dann kriegen Sie Akten von vor bis zu 30 Jahren. Und das ist früher auch immer natürlich eine harte Markierung gewesen, wobei, wenn Sie den Beitrag lesen, hier dann werden Sie sehen, also an der Wiege der österreichischen Zeitgeschichte steht ein Kampf zwischen Zeithistorikern und Archiven, weil die Archive in der Anfangszeit, sagen wir mal vorsichtig, wenig kooperativ waren und auch noch lange, das ist sogar teilweise noch bis in die Zeit der Historikerkommission der Fall gewesen, aber sicher bis in die 80er und 90er es in bestimmten Landesarchiven in Österreich nicht möglich war, es in bestimmten Landesarchiven in Österreich nicht möglich war, NS-Akten einzusehen. Dabei war das durch keinerlei Sperrfrist mehr gedeckt. Man hat gesagt, wir wissen gar nicht, wo die liegen, in welchem Keller, oder können sie jetzt nicht rausgeben und Personenschutz und so weiter. Also das ist auch ein toller Beitrag, der Beitrag zu den Archiven. Am Anfang ist das ein Problem für die Zeitgeschichte und ich glaube, man kann sagen, dass der Moment, wo das gewissermaßen flächendeckend in Österreich sich ändert, ist tatsächlich erst der Moment der Historikerkommission, wo das ist ein Moment, da tauchen plötzlich im Keller des österreichischen Staatsarchivs riesige Bestände auf. Von denen wusste niemand vorher was. Sie sagen absurd, oder? Die lagen in einem Keller im Staatsarchiv. Aber zufälligerweise tauchten die erst dann auf. Und wir haben gelernt, ah, da gibt es auch was. Wusste bis dahin noch niemand. Also das ändert sich erst da. Vorher ist das, und das ist von Bundesland zu Bundesland ein bisschen unterschiedlich, ist das eine schwierige Geschichte. Also klassisch könnte man sagen, Zeitgeschichte kann das machen bis hin zur Archivsperrfrist. Das heißt, dann befinden wir uns halt im Moment so bei den 90er, frühen 90er Jahren. Aber tatsächlich ist es natürlich so, und auch das ist ja eines der Themen im Band, arbeiten Zeithistorikerinnen heute nicht mehr nur noch mit den klassischen Archiven, sondern haben eine Fülle anderer Quellen zur Verfügung, die nicht diesen Sperrfristen unterliegen. Also Sie können ja Interviews machen oder also diese ganze Oral History Teil ist natürlich riesig geworden. Darf ich kurz unterbrechen? Wir hatten vorhin zwei Begriffe, die mir im Ohr sind. Das eine ist Demokratie, das andere sind Medien, die Sie beide ja ein Stück weit in Ihrem Buch drinnen haben. Das andere sind Medien, die Sie beide ja ein Stück weit in Ihrem Buch drinnen haben. Da hat sich in den letzten 30 Jahren unglaublich viel verändert. Und durch die Medien ist die Demokratie beeinflusst, vice versa. Ist das Gegenstand Ihrer Profession? Ich würde sagen, ja. Weil die Frage, was ist Zeitgeschichte, wo fängt sie an und wo hört sie auf, ist eine Frage, die man mit Blick auf die Quellen beantworten kann. Man kann sie aber auch beantworten mit Blick auf die Fragen, die man stellt. Das ist eigentlich das Elementare, das Interesse, das Sie haben und die Fragen, die Sie stellen. Wenn Sie wissen wollen, warum wir eine Renaissance der neuen Rechten haben, die Sie stellen. Wenn Sie wissen wollen, warum wir eine Renaissance der neuen Rechten haben, dann ist das eine Frage, die ist sehr gegenwärtig, aber Sie können sie ohne Zeitgeschichtsforschung nicht beantworten. Wenn Sie aber einsteigen, dann verbinden Sie die Zeitgeschichtsforschung und die Frage nach Kontinuität und Differenzen im Neurechten-Spektrum mit der unmittelbaren Gegenwart. Und das ist das, was ich auch den Studierenden immer sage, Geschichte ist kein Antiquitätenkabinett. Es geht im Grunde um die Gegenwart. Das wollen wir wissen. Da müssen wir uns orientieren. Wir müssen uns nicht in der Vergangenheit orientieren, die ist weg. Aber sie kann uns dabei helfen, die Gegenwart zu erklären und zu verstehen. Okay, danke sehr. Es gibt eine Frage aus dem Web. Ja, noch eine E-Mail ist zu uns gekommen. Baumgartner schreibt, es ist spannend zurzeit zu beobachten, wie der Sturm aufs Kapitol in den USA historisch verarbeitet wird und worauf man sich als gesellschaftliche Wahrheit einigt. NS-Zeit sehr gut. Wie kann man diesen Prozess aufrechterhalten? Denn das Interesse an und Gespräche über Geschichte sollte es immer geben, um nicht dieselben oder ähnliche Fehler wieder zu machen. Das ist vielleicht eine gute Gelegenheit, um darauf hinzuweisen und das betrifft natürlich auch die Relevanz der historischen Forschung für gegenwärtige Fragen à la wie müssen wir umgehen mit den neuen Rechten. Geschichte, Zeitgeschichtsforschung hat natürlich eine wichtige Position und da haben wir auch ein entsprechendes Kapitel im Buch im Feld der politischen Bildung. Und wir haben natürlich auch eine, ich habe das Stichwort Public History schon genannt, aber wir haben auch Zeitgeschichte und Geschichtsunterricht. Ich will jetzt nicht sagen, dass genug historisches Wissen dafür sorgt, dass die neue Rechte nicht entsteht. Das wäre ein bisschen blauäugig und optimistisch. Aber andererseits, wir können ja gar nicht anders. Wir haben einen aufklärerischen Auftrag und wir hoffen, dass die Zurverfügungstellung historischen Wissens und die adäquate Vermittlung in einen breiteren Raum, und das fängt natürlich schon in der Schule an, aber auch in der Erwachsenenbildung, hier natürlich einen Weg ermöglicht, der klar in eine demokratische Richtung geht, in eine demokratische Meinungsbildung. Da hat Zeitgeschichte auch einen Auftrag. Und das bringt uns natürlich immer auch in eine Nähe zur Politik. Das bringt uns natürlich auch in eine Nähe zum Staat. Zeitgeschichte ist öffentlich finanziert. Da können wir auch nicht drum herum. Wir haben keine privaten Universitäten, wir haben öffentliche Universitäten. Und insofern haben wir natürlich auch in der Hinsicht ein, sind wir auch ein Stück Demokratiewissenschaft. Aber das ist eine Aufgabe der Zeitgeschichte. Und dieser Konnex ist offensichtlich, oder zwischen politischer Bildung, Zeitgeschichte, oder Sie haben ja auch ein Übergewicht, vor allem die Kolleginnen aus den anderen Epochen beklagen sich immer oder Sie haben im Schulunterricht natürlich ein Übergewicht der Zeitgeschichte und des 20. Jahrhunderts zu Ungunsten der anderen Epochen. Und ich meine gerade, was jetzt aber angesprochen wurde, oder Sie haben jetzt über das Kapitol geredet, Sie können reden hier über die Impfgegner-Demos etc. Mein Gefühl ist bei diesem Thema, man muss schon ziemlich selbstkritisch sein. Letztlich haben wir in den letzten 20 Jahren eine irre Präsenz gesehen oder das Holocaust-Gedenken, also eine wahnsinnige Institutionalisierung dieses Holocaust-Gedenkens seit dem Jahr 2000 auf europäischer Ebene, sogar auf globaler Ebene bei den Vereinten Nationen etc. Ich glaube, es ist wirklich, oder ich nehme an zumindest, ich meine, ich sitze ja nicht mehr in der Schule, wir bilden ja nur die Lehrerinnen aus, aber ich nehme an, dass es präsent ist in den Klassenzimmern als Thema oder es ist präsent in den Medien, Dokus überall auf allen Kanälen, in Farbe, in Schwarz-Weiß, whatever, zu allen möglichen Aspekten. Und wo stehen wir? Da, dass wir sagen müssen, Antisemitismus ist im Wachsen. Und die Leute gehen mit diesen wahnsinnigen Plakaten auf die Straße, wo sie sich mit Anne Frank vergleichen oder Sophie Scholl oder was auch immer. Also das ist schon, das treibt mich auch, muss ich gestehen, sehr stark um. Ich finde, das ist auch eine ganz große Frage an unsere Disziplin, könnte man sagen. Also man kann sich schlecht hinstellen im Moment und sagen, wir haben alles richtig gemacht, weil dann würde es diese Demonstrationen so vermutlich nicht geben oder diesen Befund. Dann dürfte der Antisemitismus nicht im Steigen sein gerade. Also da gibt es, finde ich, einen Punkt, wo wir in der Zeitgeschichte, aber das betrifft nicht nur die Zeitgeschichte, das betrifft eben auch die politische Bildung und Schulen und Geschichtsunterricht und so weiter, dieses ganze Feld, wie wir das öffentlich verhandeln, aber auch in bestimmten Institutionen, irgendwas scheint da ja nicht so ganz gut gelaufen zu sein, sonst müsste der Befund eigentlich anders sein heute. Und das treibt mich schon sehr um und ich finde, das sollte übrigens, würde ich auch denken, die Disziplin mehr umtreiben, als es sie, glaube ich, umtreibt. Im Moment wäre mein Verdacht, weil da gibt es was nachzujustieren und dann Schrauben zu drehen und so weiter. Ich weiß schon, wenn ich jetzt frage, aber hat der Geschichtsunterricht den Wert in der Schule im gleichbleibenden Sinn kennenden? Sollte er steigen? Wahrscheinlich schon, aber hat Geschichte den Wert der Schule, den sie eigentlich haben sollte? Also ich meine, das einen Historiker zu fragen, ist irgendwie blöd, oder? Also ich meine, wir haben glaube ich nicht gesehen, ich kann Ihnen das jetzt nicht so genau sagen, aber ich glaube, wir haben in den letzten Jahren und Jahrzehnten nicht gesehen, dass Geschichte aufgewertet worden wäre in den Schulen und gleichzeitig muss man aber sagen, wenn, dann kommt die Zeitgeschichte immer noch am besten weg. Ich weiß gar nicht, was die heute überhaupt noch über Mittelalter und Antike lernen in der Schule, aber die Zeitgeschichte kommt noch am besten weg und trotzdem, ich weiß nicht, wie es dir geht, trotzdem bei all dem Angebot, was da ist, auch nicht nur in der Schule, sondern wie du auch gesagt hast, oder ich meine, die jungen Menschen, sagen wir mal so, sind ja heute mit diesen Themen nicht nur konfrontiert in der Schule, sondern im Kino, jede Zeitschrift, die sie aufschlagen, im Fernsehen etc. Wenn sie die dann da sitzen haben, ganz am Anfang, wenn die frisch von der Schule kommen, bin ich einige Male doch was erstaunt, wie oberflächlich und wie gering das Wissen ist zu diesen Themen, von denen man glaubt, dass sie so total omnipräsent sind und über die sich auch alle beschweren, dass sie so omnipräsent sind, oder? Und trotzdem wissen sie teilweise nichts. Also das sind so Befunde, die mich ein bisschen unrund machen. Deckt sich, oder? Ja, ich meine, man muss an der Stelle natürlich auch sagen, es gibt irgendwie ein wachsendes Missverhältnis zwischen dem, was erwartet wird, auch von denen, die über die Schule insgesamt nachdenken. Welche Rolle soll der Geschichtsunterricht spielen? Was gehört eigentlich alles hinein und der dann tatsächlich zur Verfügung stehenden geringen Zeit. Wir machen Globalgeschichte, das heißt, es gehört ja heute dazu, dass man nicht einfach nur irgendwie ein paar Jahreszahlen über die Geschichte des eigenen Landes kennt, sondern es wird ja immer noch gefordert, man muss es einbetten in größere Zusammenhänge. Wollen wir ja auch, machen wir ja auch, aber das ist eine schwierige Aufgabe für die Schule und für die Lehrerinnen und Lehrer. Und insofern bräuchte es klarerweise mehr Raum, mehr Platz, mehr Zeit für ganz bestimmte Dinge. Und dann bin ich auch manchmal furchtbar altmodisch, weil ich das Gefühl habe, ich muss ja eine Geschichte erzählen, wir haben ja ein Curriculum erstellt vor einigen Jahren für die neue Pädagoginnenbildung und da gab es keine Einheit österreichische Geschichte. Und da war es der Deutsche, der gesagt hat, so geht das nicht. Wir brauchen im Grunde auch ein klassisches Format österreichische Geschichte, ja im Sinne einer Überblicksvorlesung, weil ich denke, es gehört zum Staatsbürgersein mit dazu, dass ich ein gewisses Grundgerüst an Geschichte meines eigenen Landes parat habe. Also so sehr ich der Internationalisierung das Wort rede, so sehr möchte ich das doch auch dialektisch aufgehoben wissen. Das heißt, man muss aber auch wissen, was man internationalisieren muss. Und dazu gehört auch wirklich einfach ein ganz knarz solides Wissen über die Geschichte des eigenen Landes. Und das habe ich manchmal den Eindruck, das gerät dann auch unter das, sozusagen ein bisschen rutscht es unter den Teppich. Okay, danke sehr, bitte. Es ist nur eine ergänzende Frage, nämlich was würden Sie sich als Zeithistoriker wünschen, sozusagen in diesem Verbund, Geschichtsunterricht, politische Bildung, Medien? Wir wissen ja, dass das Thema Geschichte eigentlich ein Blockbuster ist, was Quoten bringt in den elektronischen Medien. Trotzdem diese sonderbare Diskrepanz eines oft teilweise fehlenden Grundwissens. Was würden Sie sich als Historiker wünschen, auch methodisch, didaktisch, außer mehr Zeit im Unterricht? Gibt es Instrumente, die hier in Diskussion stehen, einen Verbund, der in Diskussion steht, den man schaffen könnte, um eben das notwendige Vorwissen praktisch für auch entsprechende politische und Bildungsdebatten zu leisten? Ich glaube, was notwendig ist und was zugleich auch am schwierigsten ist, ist diese Verbindung herzustellen zwischen den neuen Ergebnissen der wissenschaftlichen Forschung und der Art und Weise, wie man das Schülerinnen und Schülern nahe bringt, die ja gar nicht das Ziel haben, in die wissenschaftliche Forschung zu gehen. Also das ist immer noch ein, wenn wir fachwissenschaftliche Lehrveranstaltungen im Lehramtsstudium machen, denken wir oft darüber nach oder reden mit den Studierenden, was können sie eigentlich damit anfangen? Wie kann man das ein bisschen herunterbrechen? Und ich glaube, dass es nach wie vor eine zu starre Trennung in der Lehrerbildung gibt, zwischen Fachwissenschaft einerseits und Fachdidaktik andererseits. Wir haben das hier in Linz am Standort auch noch nicht gut auflösen können. Aber ich würde meinen, diese beiden sehr stark separierten Dinge gehören viel näher zusammen. Wir müssten eigentlich Wissenschaftler und Didaktiker viel enger miteinander in eine Lehrveranstaltung bringen, damit auf die Art und Weise nachgedacht wird, was sind die Ergebnisse der Forschung, aber was heißt das jetzt für die Schule? um Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit und um entsprechende finanzielle Mittel. Wie steht es denn da auf der JKU im Bereich der Geschichte? Und dann die Frage auch an Sie, wie schaut es aus in Innsbruck? Wir brauchen mehr Geld. War jetzt weniger überraschend. Naja, das war natürlich sozusagen die erwartete flapsige Antwort. Wir haben natürlich an der JKU eine besondere Situation, weil wir ja eigentlich aus der Gründungskonstellation der Kepler-Universität eine sozialwissenschaftlich orientierte Geschichte haben. Und wir haben auch keine komplette Geschichte. Wir haben zwei Professuren, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Neuregeschichte und Zeitgeschichte. Wir haben also nicht das übliche Set, da gehört ja noch die frühe Neuzeit, das Mittelalter, die alte Geschichte dazu. Das heißt, wir sind sowieso eigentlich noch in einer Situation, in der wir uns ausbauen könnten. Das große Plus, das wir hatten und das hat uns auch ein bisschen geholfen, ist die Lehramtsausbildung, die wir seit einigen Jahren haben. Das hatten wir vorher ja nicht. Da war die Geschichte an der JKU ein Zuträger für andere Studiengänge. Aber jetzt haben wir im Grunde das, was eigentlich ja die klassische Aufgabe ist. Die Größe unseres Fachs verdankt sich im Grunde dem Umstand, dass Geschichte ein Schulfach ist. Wenn es das nicht wäre, weiß ich gar nicht, wie viele Professoren für Geschichte die Gesellschaft zu finanzieren würde. Also mit anderen Worten, der Geschichtsunterricht ist für uns eigentlich die Grundlage dafür, dass wir das Programm an den Universitäten so fahren können, wie wir es fahren. Aber man könnte hier natürlich schon noch einen Ausbau machen. Aber das Problem ist, die JKU ist im Grunde so aufgestellt und das Ministerium in Wien hat noch nie die Notwendigkeit gesehen, hier im Feld der Geschichte weiter auszubauen. In welche Richtung ausgebaut wird, oder ausgebaut wird eigentlich nirgends. Weil wenn die Universitäten ausgebaut werden, dann geht das in bestimmte Richtungen, die Sie alle kennen. Ich will die Catchwords hier nicht nennen. Mit Geschichte hat das aber im Grunde dann immer nur leider am Rande zu tun. Wir sind nicht mehr, das ist natürlich auch wichtig, wir waren mal in der Geschichtswissenschaft so etwas wie die zentralen Sinnstifter für die Gesellschaft, für die nationale Identität. Ich weiß gar nicht, ob ich mit die Zeiten zurückwünschen, würde. Aber wir können insgesamt konstatieren, natürlich einen Bedeutungsverlust der Geschichtswissenschaft zugunsten der Life Sciences. Das sind die Sinnstifter heute, nicht mehr die Historiker. Wie schaut es aus in Innsbruck? Also ich meine, wenn man uns mehr Geld gibt, dann wissen wir natürlich immer, was damit anzufangen. Das ist klar. Aber ich glaube, das ist nicht das Einzige. Also, was du vorher gesagt hast, das ist, glaube ich, ganz wichtig und das merken wir alle und das reflektiert sich immer ein bisschen auch bei diesen Debatten, wenn es dann um die Schule geht und so, aber nicht nur, sondern auch allgemein unser Fach betreffend. Also, die Zeitgeschichte ist eingebunden in so viele verschiedene Erwartungshaltungen, dass es auch das teilweise sehr schwierig macht, glaube ich, das alles zu erfüllen. Also international, du hast es gesagt, natürlich finden wir es angemessen, dass Menschen in Österreich was über österreichische Geschichte lernen. Es gibt viele Kollegen, die machen sich immer lustig darüber, oh, es gibt noch Lehrstühle für österreichische Geschichte bei euch rührend. In Deutschland würde man das nie so nennen. Keiner würde deutsche Geschichte draufschreiben, aber jeder, der 19. Jahrhundert in Deutschland an der Uni macht, macht deutsche Geschichte, weil es der Standard ist. Bei uns gibt es halt einen Lehrstuhl für österreichische Geschichte. Natürlich, weil es auch ein Bedürfnis ist. Gleichzeitig wollen wir mehr Internationalisierung. Wir brauchen gleichzeitig andere Zugänge, Perspektiven, Methoden, Quellengattungen etc. Wir brauchen, oder ich meine, das habe ich gelernt, als ich, ich bin ja schon lange in Österreich, lange in Wien und dann eben nach Innsbruck, vor Ort müssen sie einfach bedienen, auch in der Zeitgeschichte Tiroler Geschichte. Das ist ja klar. Da gibt es ein irres, das ist ja hier nicht anders, es gibt ein irres Bedürfnis ständig nach regionalgeschichtlichen Themen, die auch heiß sind. Keine Ahnung, wie viele Projekte wir in den letzten Jahren gemacht haben an meinem Institut über irgendeine Tiroler Gemeinde im Nationalsozialismus und so weiter oder auch dann Heimerziehung nach 1945 etc. Regionalgeschichte. Und gleichzeitig sollen wir aber Peer Reviewed auf Englisch publizieren über internationale Zusammenhänge und so. Also da geht da irre Spannung auf, wie vermutlich bei wenig anderen Fächern, weil die Kollegen bei der Physik oder so, die müssen halt nur auf Englisch für ihr internationales Fachpublikum publizieren und that's it. Und wir müssen immer ein bisschen bei den internationalen Konferenzen sein, ein bisschen beim Land unterwegs sein, dort die Bedürfnisse abdecken, wenn es irgendwo Feuerwehr spielen, wenn irgendwo wieder was Problematisches aufkommt, dann irgendwie auch nationalweit etc. Also das ist ja eine sehr spezielle Konstellation, die das Fach auch unter sehr viel Druck setzt, weil an allen Ecken und Enden so gezogen wird und was anderes erwartet wird. Und dann müssen wir damit ja umgehen und insofern ist Geld nicht immer die Lösung. dass die akademische Profession für viele heute nicht mehr so attraktiv ist. Eben, weil die Möglichkeiten, auf gut abgesicherten Stellen zu sitzen wie wir, das ist, also das könnte man mal schnell durchrechnen, aber wenn wir uns jetzt fünf Minuten Zeit nehmen würden, dann hätten wir die Zahl von Kolleginnen, die das in Österreich ein Unis sind. Und dann gibt es noch eine Handvoll an außeruniversitären Einrichtungen. Und that's it, oder? Und der Rest ist eben prekär über Projekte. Und das heute jungen Studierenden zu erklären, wenn sie sich überlegen, mache ich jetzt ein Doktorat, oder was sagt man denen, oder empfiehlt man denen das überhaupt noch? Das ist ja sehr kompliziert, weil die Aussichten sind nicht besonders gut. Also wenn sie sich langfristig durchsetzen wollen, dann gehören sie wirklich zu einer Minderheit, müssen schon sehr toll sein, super vernetzt und dann eben international unterwegs und so weiter und so fort. Und so, dass wir oft das Problem haben, eben weil eben das oft passiert oder das Land hat oder die Stadt Innsbruck braucht wieder ein Gutachten für irgendwas oder eben Heimerziehung, irgendwelche Projekte, die wir machen sollen. Manchmal habe ich das Geld, aber nicht die Leute. nicht die Leute. Und weil es gar nicht so viele junge Kolleginnen gibt, die dann bereitstehen und aber auch frei flottierend sind, aber auch noch im Feld bleiben wollen und solche Aufträge annehmen können. Insofern, zurückzukommen zur Historikerkommission, das war eigentlich Ende der 90er ein erstaunlicher Moment, weil diese Bundesregierung damals auf einen Schlag, oder da sind 100 Kolleginnen involviert worden, auf einmal. Also das war auch eine wahnsinnige Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für zwei Generationen von österreichischen Zeithistorikerinnen. Also ich gehörte da zu den Jüngsten damals. Und es ist eigentlich erstaunlich, dass da so viele Leute auch plötzlich bei der Hand waren. Es ist heute gar nicht mehr so leicht, weil es für viele gar nicht mehr so attraktiv ist, diese akademischen Karrieren anzustreben, auf Leute zurückzugreifen in entscheidenden Momenten, wenn man Geld hat. Alles klar, danke sehr. Bitte, Ben, es gibt eine Frage von uns. Ja, noch eine Meldung per E-Mail. Arno schreibt, werden die Skandale der 1970er bis 1990er behandelt. Haben die aktuellen Ereignisse in der Zeit ihre Wurzeln in der Zeit oder reicht das weiter zurück? Wird die Mediengeschichte in Österreich behandelt? Krone bis Lokalzeitungen. Okay, ich weiß nicht, welche Skandale da jetzt gemeint sind. Wissen Sie, was man sich da vorstellen kann unter dieser Subsumierung? Skandale gibt wie Sand am Meer, könnte man fast sagen, aber das ist auch nichts Österreich spezifisches und das ist auch nichts 70er Jahre spezifisches. Ich würde sagen, ja, Skandale sind eigentlich immer ein wichtiges Thema für die Zeitgeschichtsforschung und zwar nicht um der Skandalisierung willen oder weil das dann irgendwie abenteuerlich und bunt ist, sondern weil man einen Skandal natürlich als eine Art von Strukturereignis ansehen kann, an dem etwas aufbricht. Irgendwas stimmt nicht, irgendwas funktioniert nicht, irgendwas hält nicht dicht, was auch immer. Und insofern ist ein Skandal eigentlich ein prima Gegenstand, um am Beispiel des Skandals tiefer zu gehen. Das ist eigentlich immer die Absicht. Man hat ein Ereignis, das ist für sich genommen vielleicht trivial, aber es steckt irgendwas dahinter und man kann sozusagen die Schraube drehen und landet dann im Grunde bei einer tiefen Struktur, die uns etwas sagt über das Verhältnis Geld und Politik, über das Verhältnis Rüstung und Staat oder über das Verhältnis unaufgearbeitete Vergangenheit und Gegenwart. Also an welche Skandale man da immer jetzt denken will. Ich denke, das ist ein wichtiges Thema. Allerdings muss man sagen, 70er, 80er, 90er Jahre sind natürlich noch bei weitem nicht so gut erforscht, wie wir das jetzt für den Nationalsozialismus der Ersten Republik sagen können. Ich weiß jetzt nicht, ob wir sie ausreichend in unserem Buch drin haben, aber natürlich sind Lokalzeitungen ganz ausgesprochen wichtig, weil eigentlich wir an der JKU, aber das wird auch ein anderer Ort sein, die Leute durchaus ermuntern, bestimmte große Themen einmal auf ihre regionale Ausprägung hin zu untersuchen. Das funktioniert nämlich, weil die Leute können dann die Quellen lesen. An die Lokalzeitungen kommt man relativ gut heran. Und meistens kommen die Leute aus der Region. Das heißt, es gibt irgendwie eine gewisse Vertrautheit. Das ist eigentlich ein ganz guter Weg, um die Leute dazu zu bringen, einmal darüber nachzudenken, das Große im Kleinen aufzusuchen. Aber Mediengeschichte ist ein gutes Stichwort, weil Sie auch vorhin über Medien und Demokratie geredet haben. Im Grunde ist das eine große Baustelle, glaube ich. In Linz gibt es doch auch eine dieser Peicheltorten, oder? Was für Torten? Es gibt auch das ORF-Landesstudio. Ach so, genau. Achso, genau. Vor 50 Jahren, weil der ORF in Tirol ist jetzt eben im letzten Jahr auf uns zugekommen und hat gesagt zum 50-jährigen Jubiläum, oder? Also Linz, Dornbirn, Innsbruck, Salzburg, oder sind die vier Landesstudios? Westfalen. Genau. Macht uns ein Projekt zur Geschichte des Landesstudios. Mit dem ORF natürlich alles nicht so leicht, weil es ja keine klassische Forschungsförderungseinrichtung ist. Aber wir machen das jetzt mit dem Landesstudio, wo ich sehr glücklich bin, weil das ist eine wirkliche Baustelle, oder? Also angesichts der Bedeutung des ORF in diesem Land, kennen wir eine supergute ORF-Geschichte, die aus Quellen herausgearbeitet ist? Nein. Warum gibt es die nicht? Weil es gibt auch kein gutes ORF-Archiv. Also es gibt natürlich das Medienarchiv, zu dem wir inzwischen auch Zugang haben. Und ich glaube, ihr ja auch. Jetzt habe ich gelernt vom Heidruck bei euch an der Bibliothek, glaube ich. Aber gibt es ein gutes ORF-Archiv, das zugänglich ist? Ihr ja auch jetzt, habe ich gelernt vom Heidruck, bei euch an der Bibliothek, glaube ich. Aber gibt es ein gutes ORF-Archiv, das zugänglich ist? Ein Papierarchiv? Nein. Gibt es das in den Landesstudios? Nein. Gibt es eine Geschichte, die diesem riesigen Medienunternehmen und seiner Bedeutung in der Geschichte der Zweiten Republik gerecht würde? Nein. Und da gibt es ein paar andere Dinge, auch ÖGB beispielsweise, was uns aufgefallen ist, als wir uns verstärkt um Migrationsgeschichte gekümmert haben, weil natürlich die Gewerkschaft eine der großen Player war. Gibt es ein gutes ÖGB-Archiv? Nein. Gibt es ÖGB-Akten im Staatsarchiv? Nein, weil die mussten nichts abgeben. Sind die umgezogen kürzlich? Ja. Da haben sie tollenweise Akten weggeschmissen. Und das sind so Riesenbaustellen von so Großakteuren in der Geschichte der Zweiten Republik etwa, wo auch im Vergleich zu Deutschland, muss man sagen, wo echte Lücken klaffen. Und die sind gar nicht so leicht zu schließen. Danke sehr. Jetzt möchte ich noch, kurz bevor wir zum Ende kommen, zwei lose Enden versuchen zusammenzufügen. Wir haben schon ein paar Mal angeschnitten Austrofaschismus, der jetzt wieder als ständiger Staat bezeichnet wird, als Kanzlerdiktatur. Und auf der anderen Seite dieses Nichtstreiten unter den Historikern. Ist denn unter Historikern diese Zeit ad acta gelegt? Wenn ja, wie heißt sie dann? Naja, sie ist nicht wirklich ad acta gelegt. Es ist gerade ein Band erschienen mit dem schönen Titel Kein Austrofaschismus. Das K ist eingeklammert. Also die Frage ist offen und wird dort eben diskutiert. Ist das nun ein Begriff für diese vier Jahre und zwar mit Blick auf das System als solches? Oder ist es eben nicht tauglich? Und wenn man sagt, es ist eigentlich nicht tauglich, es ist zu stark, dann würde man natürlich, dann steht man vor der Frage, was macht man damit? Dann gibt es jetzt die konkurrierenden Begriffe, Dollfuß-Schuschnigg-Regime, Kanzlerdiktatur. Aber das Gescheiteste, was man aus dieser Debatte machen kann, ist, diese Debatte selbst zu historisieren. Und das geschieht zum Beispiel im Haus der Geschichte Österreichs, geschieht auch im wunderbaren Haus der Geschichte in St. Pölten in Niederösterreich. Die haben auch einen großen Bogen und die haben auch ganz bewusst gesagt, wir stellen diese Diskussion dahin. Die Diskussion, wie redet eine Gesellschaft über einen problematischen Abschnitt der eigenen Vergangenheit und welche Begriffe lässt sie sich einfallen? Wer nutzt diese Begriffe zu welcher Zeit und warum tut er oder sie das? So geht man momentan mit dieser Frage um und hat auf die Art und Weise vielleicht auch eine gewisse, keine Lösung der Frage erreicht, aber eine gewisse Entspannung und das Ganze auch ein bisschen herausgelöst aus den parteipolitischen Lagerbildungen, die damit ja lange verbunden gewesen sind. Ja. Genau, also im Haus der Geschichte bin ich ja mitbeteiligt gewesen an der Eröffnung der Ausstellung und da haben wir uns ja eben auch dazu entschlossen, diese Debatte auszustellen und eben nicht ein Wording vorzugeben, sondern sie können gewissermaßen so einer kleinen Maschine, da können sie so rumdrehen und so die verschiedenen Argumente sehen, die für den einen Begriff sprechen und die gegen den einen Begriff sprechen, für den anderen etc. Also das ist im Moment, glaube ich, der Stand, oder? Gleichzeitig, wir kennen ja, es gibt diese Umfragen in der Öffentlichkeit. Wer weiß heute schon noch, wer überhaupt Dollfuß war? Das gehört ja auch zu diesem ganzen Kapitel, was ist überhaupt eben präsent, auch von Schülerinnen, wenn sie aus der Schule kommen. Also kaum jemand hat überhaupt Dollfuß, glaube ich, präsent und Schussschneek. Das ist natürlich auch ein bisschen deprimierend als Ergebnis dieser Umfragen, aber es ist schon natürlich ein entscheidender Abschnitt zum Verständnis der österreichischen Geschichte im 20. Jahrhundert. Okay, danke sehr. Ja, ich schaue noch mal ins Publikum. Gibt es noch eine Frage? Wenn ja, dann schlage ich vor, sie zu stellen. Gibt es noch eine Frage? Wenn ja, dann schlage ich vor, sie zu stellen. Wenn nicht, dann werde ich den Abend heute schließen. Und damit gilt mein Dank den heutigen Gästen, Dirk Krupnow und Dr. Markus Gräser. Danke den beiden Herren, Sie waren tolle Diskussionspartner. Vielen, vielen herzlichen Dank. Danke Ihnen. Wir danken Ihnen. Danke Ihnen, Damen und Herren, fürs Zuschauen. Danke an den Geräten, dass Sie dabei waren. Ich wünsche noch einen schönen Abend. Wiedersehen im Köpler Salon.