Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte Sie sehr herzlich zur heutigen Buchpräsentation begrüßen. Vorgestellt wird heute der neue Roman von Doron Rabinowitsch, die Einstellung, erschienen im Surkamp Verlag. Wir freuen uns sehr, dass Doron Rabinowitsch heute zu uns gekommen ist. Ich begrüße ihn sehr herzlich. Herzlich willkommen. Besonders begrüßen möchte ich auch den Literaturkritiker, Journalisten, Fernsehmoderator und Autor Günter Keindlsdorfer. Er wird den heutigen Abend moderieren. Ebenfalls herzlich willkommen. 2016 hat Doron Rabinowitsch seinen letzten Roman, die Außerirdischen, bei uns vorgestellt. Schon in diesem Roman wurde unter anderem die Rolle der Medien in unserer Gesellschaft thematisiert und die Frage aufgeworfen, ob man durch ständige Auseinandersetzung mit etwas, wogegen man eigentlich ist, zu dessen Verbreitung beiträgt. War die Hauptfigur in die Außerirdischen Mitbegründer eines Online-Magazins, so ist die Hauptfigur in die Einstellung ein bedeutender Pressefotograf. Zeigte die Außerirdischen in einem Art Gedankenexperiment sehr eindrucksvoll menschliche Abgründe und verhängnisvolle Mechanismen innerhalb einer Gesellschaft. So setzt sich die Einstellung ganz konkret mit der seit Jahren immer stärker werdenden Krise der liberalen Demokratie auseinander. Mehr über den neuen Roman werden wir nun in Lesung und Gespräch erfahren. Ich wünsche uns einen anregenden Abend und übergebe das Wort an Günter Keindlstorfer und Doron Rabinowitsch. Vielen Dank. Doron Rabinowitsch, im Zentrum Ihres Romans steht, wir haben es gehört, einerseits ein Pressefotograf, so ein Fotograf an der Grenze zwischen Pressefotograf und künstlerischem Fotograf, im Zentrum steht aber auch ein rechtspopulistischer, rechtsradikaler Politiker, der bei Ihnen Uli Popp heißt. Pop heißt. Würden Sie sagen, wie würden Sie das auch einschätzen, können rechtspopulistische Politiker auch interessante Menschen sein? Könnten Sie sich vorstellen, sagen wir, mit Heinz-Christian Strache zu einem netten Kamingespräch in entspannter Atmosphäre zusammenzutreffen und dabei vielleicht den einen oder anderen interessanten Gedanken mitzunehmen? Oder ist das eine Vorstellung, die Ihnen nicht gleich ad hoc einleuchtet? Das sind zwei ganz unterschiedliche Fragen. Denn ich glaube schon, dass es möglich sein könnte, mit einem dieser autoritär-rassistischen Populisten ein interessantes Gespräch zu beginnen. Und eine ganz andere Frage ist ist ob das mit strache möglich ist also bei strache glaube ich eigentlich eher dass das nicht so ist nicht sehr tiefgründig und und dann kommt es wahrscheinlich dazu dass ich nicht August Becker bin, nicht der Fotograf und dass ich höchstwahrscheinlich sehr schnell doch beginnen würde, auch unangenehmer zu sein. Fall interessant sein bei manchen. Ich könnte mir vorstellen, so schrecklich das jetzt klingt, ich könnte mir vorstellen, dass zum Beispiel ein Gespräch mit Orban zwar unangenehm ist, aber, egal ob jetzt Kamin oder nicht, aber es wäre interessant, denn er würde einiges theoretisch aufbringen. Und zwar einiges, was mich sehr stören würde, weil er davon überzeugt ist, dass die liberale Demokratie ein Konzept der Vergangenheit ist. Aber das erklärt er, das erklärt er theoretisch, politisch. Nicht auf einer, also schon ein primitiver Gedanke, aber es ist ein Gedanke. Und ich habe noch niemals zu tun gehabt mit Kickl, muss aber zugeben, dass er höchstwahrscheinlich intellektuell Strache um einiges überlegen ist. Ich wollte gerade nachfragen, also Viktor Orban, mag Ihnen unangenehm sein, aber ein Gespräch mit Viktor Orban wäre etwas, das Sie sich vorstellen könnten, wäre etwas, das Sie sich vorstellen könnten, von unserem österreichischen Personal zu der letzten 30 Jahre Kickel, haben Sie genannt, Sie behaupten intellektuell wäre das ergiebig. Sonst noch jemand? Heider? Das kann sein. Es gibt ja auch Leute, die Sebastian Kurz durchaus an der Grenze zum Rechtspopulismus gesehen haben. Absolut. Aber bei Kurz gab es doch einen Unterschied zu Strache und Kickl. Strache musste sich weniger rechts geben und das war das Populistische an ihm. Also zu sagen, bei Strache ist es notwendig, dass er das, was an Ideologie er aufgesogen hat, schon bei Norbert Burger, um nicht zu sagen Gottfried Küssl, dass er das nicht so rein in die Öffentlichkeit bringen kann. rein in die Öffentlichkeit bringen kann. Bei Kurz war es so, dass er begonnen hat mit diesem Drahl, indem er umgekehrt sich rechter gab, als er an sich gewesen ist. Aber das ist eine Entwicklung, wo ich glaube, dass er auch selber nachläuft, diesen Gedanken. Ich glaube, dass er sich während der Zeit auch verändert. Aber das Populistische an Kurz ist, dass er sich letztlich rechter gibt, als er ist. Er ist eigentlich nicht sehr viel. Wohingegen also jemand wie Strache, der hat ja ein ideologisches Zuhause. Ihr rechtspopulistischer Politiker heißt Uli Popp. Was war denn für Sie als Romancier, als Autor, die Herausforderung, diese Figur zu entwickeln, diese Figur zu kreieren und auch glaubhaft zu machen als Figur? Und auch glaubhaft zu machen als Figur. Sie wollten nicht einen eindimensionalen, dummen Bierzelt-Demagogen, der er auch ist, aber allein zeichnen. Sie wollten schon einen differenzier sie in der AfD. Es ist möglich, die ideologischen Voraussetzungen mit einem Lothar Höbel zu besprechen. Der ist allerdings, das muss man zugeben, kein Politiker und kein Populist. Aber er ist Historiker und als Histor torka habe ich als student war tatsächlich eine erfahrung mit ihm gehabt die ich gruselig fand möchten sie kurz skizzieren worum es da ging na ja also es war so dass er wir saßen dort mit mit dem wehrschütz, der damals RFS-Chef war, also dem Journalisten-Wehrschütz. Dem Korrespondenten-Wehrschütz, der damals bei den freiheitlichen StudentInnen war. Genau. Und mit Lothar Höbelt. Es war so, dass ich da im Club 2 gewesen war, während der Waldheim-Auseinandersetzung. Und ich verstand die Welt nicht. Ich verstand nicht, Lothar Höbelt sagte, er sei ein jetzt erst recht Waldheim-Wähler. Und nachher gingen wir noch, sprachen wir weiter und er sagte, wir könnten ja noch ein Bier trinken. Nach dem Club 2. Genau, und ich wollte wissen, was ist da eigentlich, wer sind die zwei? Und ging mit ihnen und dachte mir damals, ich war 24 Jahre alt, das ist eine besonders suppressive Methode, ging mit ihnen in den Jazz-Club Opus One. Methode, ging mit ihnen in den Jazzclub Opus One. Und dann saßen wir dort und ich hörte den beiden zu und war ganz erstaunt, weil Werschütz sagte, jeder kann sich weiterentwickeln, ich weiß nicht, was er jetzt sagen würde, aber damals sagte er, dass ich mir schon vorstellen muss, dass das eigentlich schrecklich ist, in Kärnten, da gibt es Gemeinden, da spricht der Geistliche nicht Deutsch. Da kann man nicht Deutsch heiraten, da reden die Leute Slowenisch. Und ich habe gesagt, ja. Und Lothar Höbert sagte, na ja, aber das ist ja gut. Weil, das musst du bedenken, das fördert ja eben den deutschnationalen Charakter in Kärnten, dass es das gibt. Das ist ja gut für uns. Und ich hörte denen zu, es war ein durch und weg völkisches Gespräch, im alten Sinne, und dann sagte ich, du, aber sag mal, was wärst denn du eigentlich in den 30er Jahren gewesen? Zum Höbelt. Zum Höbelt. Ja, und Höbelt sagte zu mir, naja, entweder Stahlhelm-Fraktion Heimwehr oder SS. Und dann sagte ich zu ihm, ja, aber Lothar. Damals war ich noch eine kurze Periode mit ihm in Badu, oder auch eine Länge, aber nicht mehr, jetzt nicht mehr. Und er sagte, dann bist du ein Nazi. Und er sagte, Edelnazi. Ich behaupte, er wird das vielleicht abstreiten. Tatsache ist, dass ich mit ihm tatsächlich noch Gespräche gehabt habe, eben im historischen Feld. Und einmal, als ich in den 90er Jahren ihn fragte, was Sie denn vorhätten, was denn zum Beispiel dann passieren könnte mit den Juden. In den 90er Jahren. Sie wäre die FPÖ. Und dann sagt er, na geh, also, das sind ja, ihr Juden seid ja keine Feinde mehr, das sind ja jetzt die Muslime. Also das war schon sehr früh. Insofern, das ist sicherlich jemand, der reflektiert. Und es gibt solche Leute, die ihre eigene Position reflektieren. Aber beim Uli Popp, Entschuldigung, dass ich da abschwöre, aber der Uli Popp ist noch ein bisschen anders und besonderer, weil er nicht so ein eindeutiger, ein historisch eindeutiger Festgelegter ist, sondern er ist eben einer jener, die in dem heutigen System, in der heutigen Situation skrupellos ist und rassistisch argumentiert und erklärt, warum die Leute das wollen. Medienszene, die heutige Medienszene, ohne die der moderne Rechtspopulismus ja gar nicht vorstellbar wäre. Ich würde sagen, über den medialen Aspekt reden wir dann ein bisschen später. Ich würde am Anfang, bevor wir zur ersten Lesung kommen, gerne noch ein bisschen bei diesem politischen bleiben und auch bei Ihrer Biografie noch verharren. Doron Rabinovic, wir haben jetzt oben bei der Vorbesprechung kurz nachgerechnet, Wir haben jetzt oben bei der Vorbesprechung kurz nachgerechnet. Wir haben doch seit 1986 immer wieder in der einen oder anderen Weise miteinander zu tun. Ich journalistisch, Sie als Autor, Historiker und damals 1986, ich erinnere mich genau als Studenten, Studierenden, Aktivist. Sie waren damals einer der Redelsführer des Studentenstreiks in Österreich. Sie waren damals auch, wenn ich mich richtig erinnere, Vorsitzender der jüdischen Hochschülerschaft Wien. Ich war politischer Referent und alle haben geglaubt, ich bin der Vorsitzende. Ja, ich auch. Sie haben sich dann damals auch stark im Wahlkampf und in den Auseinandersetzungen um Kurt Waldheim engagiert. Sie waren von Anfang an kritisch dem Jörg Haider gegenüber. Ich könnte jetzt vieles, vieles aufzählen, was Sie politisch in den letzten Jahrzehnten gemacht und gewirkt haben. Sie haben sich voll reingehängt. Ich glaube, das hat man auch in der Öffentlichkeit mitbekommen. Ich glaube, das hat man auch in der Öffentlichkeit mitbekommen. Jetzt im Rückblick haben Sie nicht manchmal das Gefühl, es war schon ein bisschen viel Politik und es war schon ein bisschen viel Energie, Sie hätten sich schöne Musik angehört oder einmal in einen Gedichtmann von Rilke oder Dylan Thomas vertieft, als sich mit den unappetitlichen Aspekten der österreichischen Polizszene offensiv und kämpferisch auseinanderzusetzen. Haben Sie es manchmal bereut oder bereuen Sie es, dass Sie doch so viel Lebenszeit und Energie in das hineingelegt haben? Sie hätten schon mehr Lebensqualität haben können, wenn Sie es nicht ganz so stark angelegt hätten. Naja, die Wahrheit ist, dass ich mich nicht wirklich beschweren kann. Also ich hatte es ja auch ganz schön und habe ja auch Kunst. Sie haben durchaus den einen oder anderen Kunstgenuss gehabt. eine oder andere andere kunst den einen oder anderen kunst genuss gehabt durchaus aber es stimmt schon dass ich mir manchmal denke ich war ein getriebener und auch das was kunst bei mir bedeutet hat war sehr dann sehr schnell affekt nicht also das ist es ist nicht zu trennen. Und letztlich hat das ja auch seine Gründe. Also die letzten zwei Bücher waren sicherlich besonders politisch, als Roman politisch war auch ohnehin. Das sind aber auch Reaktionen auf ganz bestimmte Zeiten. Und bei diesen letzten zwei Büchern seit 2015 hat sich ja wirklich was getan. Insofern glaube ich, dass das richtig ist. Und es ist ja auch so, dass diese Phänomene gegen die Kunst mobil machen. Also es ist mir schwer, nicht darauf zu reagieren. Für die, die den Roman noch nicht gelesen haben, es ist, ich würde sagen, ein halbsatirischer, viertelsatirischer Roman über die politische Szene und Szenerie in einem Land, das nicht genannt wird, das aber unschwer als das unsere zu erkennen ist. Wir haben es gehört, es geht um einen rechtspopulistischen, weinharten Politiker. Ich habe ihn ein bisschen erlebt als Mischung aus Haider, Strache mit einem Schuss Heimbuchner vielleicht drinnen. Es geht um diesen Politiker und es geht um einen Fotografen, diesen August Becker und rundherum noch ein eigentlich relativ breites Panorama an journalistischen Menschen, Medienöffentlichkeit, politischer Komplex. Was waren denn für Sie als Romancier die ein oder zwei schwierigsten Herausforderungen bei der Arbeit an diesem Buch? Da ist zuerst einmal die Entscheidung, aus welcher Perspektive und ob ich das also jetzt ganz eng, etwa in Ich-Form oder ob ich doch ein bisschen weiter bin von der Hauptperson, die weitere Frage war, wie sehr soll es österreichisch sein und wie sehr nicht. Ich bin damit ganz zufrieden mit der Überlegung, dass es durchaus erkennbar ist als ein österreichisches Feld, aber auch teilweise eben nicht nur ein österreichisches Feld ist. Und ich kann mir vorstellen, dass man in manchen Teilen Deutschlands das liest und sich denkt, das passt genau. Bei uns in Sachsen ist es auch nicht so viel anders. Und das war mir ein Anliegen, weil in den 90er Jahren oder im frühen Jahr des Millenniums wäre es wichtig gewesen, erkennbar zu machen, dass das Österreich ist. wäre es wichtig gewesen, erkennbar zu machen, dass das Österreich ist. Österreich war eine Avantgarde in Bezug auf diese Bewegungen. Und es war vorauszusehen, dass wenn diese Bewegungen hier sich legitimieren können, dass das Beispiel Schule macht. Und das ist auch passiert. Ich möchte jetzt nicht alles darauf zurückzuführen und sagen ist allein ist der grund dass das sicher nicht aber es ist ein phänomen das ist jetzt in washington paris und in berlin rom budapest nach skandinavien hinauf dass man sich vor 20 jahren auch nicht genau vorstellen. Und man darf ja nicht vergessen, geboren wurde ich ja in Israel, da ist das auch bekannt, das Phänomen. Dann würde ich vorschlagen, Doron Rabinovic, dass wir zur ersten Lesung kommen. die Hauptfigur, den Pressefotografen, während er auf der Suche nach seinem Motorroller in einer Stadt unterwegs ist, die namentlich nicht genannt wird, die Sie aber sicher relativ schnell erkennen werden. Bitte. Danke. Früher hätte er nicht gezögert. Er hatte sie alle fotografiert. Er hatte sie alle fotografiert. Filmstars und Arbeitslose, Intellektuelle und Mächtige, Gläubige und Freisinnige, Arme und Reiche, Eltern und ihre Wunderkinder, Boxer, Läuferinnen, Schwimmer, Trapezkünstler, Schlangenmenschen, Puffmütter und Zuhälter, Huren und Strichjungen, aber auch Serienmörder und Nazis. Er war keinem ausgewichen. Auch nicht den Extremisten. Er hatte die Kamera auf sie gerichtet, jeder Hetzer war von ihm abgelichtet worden und nicht bloß einmal, sondern immer wieder. Selma schwärmte heute noch davon, wie er dieses Großmaul oder jenen Scharfmacher mit einem Knopfdruck ins rechte Licht gesetzt hatte. Er war nie unbedacht vorgegangen, aber nun war alles anders. Während er darüber nachdachte, wie er Selma erklären sollte, dass er dieses Mal nicht mit ihr arbeiten würde, hielt er nach seinem Motorroller Ausschau, doch ihm fiel nicht mehr ein, wo er geparkt hatte. Trottel, schimpfte er in sich hinein. Idiot, Arschloch. Wieder einmal war er knapp dran. Nein, das Bild von Uli Pop, so dachte er den verdammten Roller abgestellt? Das Gefährt gehörte zu August wie seine Kamera. Vor zwei Wochen war er mit dem Wagen unterwegs gewesen. Er war gerade losgefahren, dann nahm ihn ein Taxifahrer den Vorrang. Danach zwängte sich ein SUV in seine Fahrspur. Die Straße war ein Kampfgebiet, die Karosserie war eine Rüstung. Alle hinterm Steuer wurden zu Feinden. Als er dort, wo er einen Auftrag ausführen sollte, ankam, schnappte ihm ein Mercedes den Parkplatz weg und der Fahrer, eine fettige Glatze mit Schnauzer, tiefbraunem Teint und Brille mit Goldrand, steckte ihm auch noch den Mittelfinger entgegen, worauf August ihm Arschloch nachrufen wollte. Aber da sah er in einer Querstraße eine Lücke, in die er sein Auto hineinquetschte, nicht ganz regelkonform, doch immerhin behinderte er niemanden. Er schulterte die Fototasche und rannte zum Termin und da stand schon das Ekel aus dem Mercedes. Der Kahlkopf mit schwarzem Schnurrbart, der ihm eben noch den Stinkefinger gezeigt hatte vor demselben Hauseingang, aber nun war der Mann wie ausgewechselt. Nickte ihm zu, hielt ihm die Tür auf und lächelte verschmitzt, als wären sie zwei Jugendliche, die einander gerade einen lustigen Streich gespielt hatten. Bitte nach ihnen, keuchte er und tat dabei so kapriziös, freundlich, wie er vorher grob gewesen war. Aber nun bestand August darauf, dem Kerl den Vortritt zu lassen, doch der beugte seinen glatzen Schädel vor, wies ihm mit derselben Vehemenz, mit der August eben noch seine Verachtung gezeigt hatte, den Weg und machte mit der Hand eine groß mütige Geste, als wollte er August zugleich durch das Tor schieben, wenn auch vielleicht nur, um ihm hernach umso besser einen Hieb in den Nacken versetzen zu können. Einige Minuten später wusste August, mit wem er es zu tun hatte. Das also war der international renommierte Terror-Experte, den er bei diesem Termin fotografieren sollte. Ein früherer Geheimagent, ein Spezialist aus dem Nahen Osten, so einer, konnte einen wie ihn, August, zum Frühstück vertilgen. Der Körper des Mannes war gedrungen und erinnerte an einen Pitbull-Terrier, ein Energiebolzen. Ganz unvoreingenommen trat ihm der Mann nach dem Duell um den Parkplatz wohl auch nicht mehr entgegen. August glaubte, sein Misstrauen zu spüren. Vielleicht fürchtete der Sicherheitsexperte, dass sich dieser Fotograf jetzt an ihm rächen und unvorteilhafte Bilder von ihm schießen würde. Aber es war wie immer, wenn August den Fotoapparat auf jemanden richtete, denn er wurde plötzlich ganz ruhig und sagte zum Glatzkopf nur Menschenkenntnis, worauf der Mann ihn fragend musterte. Doch als August erklärte, das verbindet uns, das ist es, was wir beide in unserem Beruf brauchen, Das ist es, was wir beide in unserem Beruf brauchen, hältte sich die Miene des Terror-Experten auf und er lächelte bitter. Früher war August beinahe stolz darauf gewesen, freier Mitarbeiter zu sein, doch mittlerweile nicht mehr. Die Bilderflut hatte das Ansehen seines Berufes nicht gerade gehoben. Es ging nicht mehr um die Vision eines Fotografen. Nun waren alle bereit, Geld zu sparen und jenes Bild einzukaufen, das billig zu haben war. Wenn sie überhaupt zahlen mochten und nicht gleich um ein honorarfreies Foto baten. Augusts Bilder waren unverwechselbar. Ein wahrer Kenner wusste mit einem Blick, was ein echter Bäcker war, denn August kam denen, die er mit der Kamera festhielt, so nahe wie kaum jemand sonst. Er hatte Stil und zwar nicht nur einen eigenen, sondern auch noch einen guten. Und er hatte dafür schon viele Preise eingeheimst. Manche seiner Arbeiten waren sogar auf der Titelseite internationaler Magazine erschienen. Doch auch die große Ära dieser Zeitschriften war vorbei. Augusts Aufnahmen waren ein Dokument. Der Apparat gab wieder, was zu sehen gewesen war. Und im Grunde war es das, was ihn von Anfang an fasziniert hatte, bereits damals, als der Vater ihm, dem Achtjährigen, seine erste Kamera, eine Akkarette geschenkt hatte. Und je mehr er vom Fotografieren verstand, umso unglaublicher schien ihm die Verwandlung zwischen jenem Moment, als er auf den Auslöser drückte, und jenem, in dem er das positiv sah. Das war für ihn ein Zauber, der auch im Laufe der Jahre nicht verschwand. Wie stolz war er gewesen, als der Vater ihm die alte Akkarette überreicht hatte. Er lief durch die Wohnung und knipste alles und alle, obwohl an jenem Abend noch gar kein Film eingelegt war. Doch bereits am nächsten Morgen zeigte ihm der Vater, wie die Rückwand aufgeklappt werden konnte. Er zog die kleine Kurbel an der Seite heraus, steckte eine Rolle in die Patronenkammer, spannte die kleine Lasche, die hervorlugte, zur Stachelwalze und steckte sie in den engen Schlitz der Aufwickelspule, passte die Perforierungen in die Zahnräder ein und wickelte den Celluloidstreifen mit dem Transporthebel ein wenig auf. Schau, August, sagte Vater, und dann siehst du, so. Die Fotografie war Vaters Hobby. Er zeigte seinem Sohn, wie die Blende und die Verschlusszeit einzustellen, wie die Entfernungen zu schätzen waren. Schau, August, du darfst die Leute nicht abschneiden. Und denk nach, was im Licht sein soll. Siehst du? So. Nur die einfachsten Grundlagen, um die Kamera verwenden zu können, mehr nicht. Keine Theorie, von der der Vater zwar durchaus eine Ahnung hatte, doch er überließ es der Neugier des Kindes, die Technik zu erkunden. Und genau diese väterliche Zurückhaltung war es, die August anspornte. Bald darauf durfte er mit in die Dunkelkammer, die der Vater im Keller eingerichtet hatte. Der kleine Raum war für den Buben ein geheimnisvoller Ort, ein Refugium. Der kleine Raum war für den Buben ein geheimnisvoller Ort, ein Refugium. Dorthin mitzukommen, zunächst die schmale, schwere Tür zu öffnen, dann durch den schwarzen Vorhang zu schlüpfen, war ein unvergleichliches Ritual. Der Weg durch die Lichtschleuse war ein Schritt in eine andere Welt. Hier waren die beiden Männer der Familie unter sich. Schritt in eine andere Welt. Hier waren die beiden Männer der Familie unter sich. Der Geruch der Fixiermischung und der scharfe Essigdunst des Unterbrechers stachen dem Kleinen in die Nase, das Rotlicht, in dem alle Geräte aufglühten, eine Zone kindlicher Lust und Erregung. Zuerst war die Kamera nicht mehr als ein Spielzeug, aber eines Tages nahm der Zwölfjährige den Apparat mit auf einen Schulausflug. Bei dieser Fahrt wurde er, der bis dahin unter den Kindern eher ein Außenseiter gewesen war, zum Star der ganzen Klasse. Alle bewunderten seine Akkarette, beneideten ihn um seine Kenntnisse. Sie wollten alle fotografiert werden und er sagte ihnen, wie sie sich aufstellen sollten und machte seine Bilder. Der Klassenlehrer war von den Fotos, die er in der nächsten Woche mitbrachte, begeistert. Alle baten ihn um Abzüge und waren bereit dafür zu zahlen. August war zum Fotografen geworden. Seine Eltern waren stolz auf ihn. Der Vater sagte, siehst du, so. Nur der Großvater schüttelte den Kopf, weil August auf jedem Familienausflug die Kamera mitnahm und ständig irgendwo auf dem Bauch lag, um einen Käfer oder eine Blume abzulichten. Außerdem bemerkte er, wie sich der Blick seines Enkels änderte. Es war, als habe er eine Sonnenbrille auf. Die Augen gehörten nun nur noch der Kamera. Er schaute nicht mehr zu seinem Opa hoch. Durch den Sucher gewann er an Distanz. Alle Kontraste um ihn herum wurden deutlicher. Sie standen in der Klamm, vor ihnen der Wasserfall, unter ihnen das schäumende Toastbecken und der Großvater rief, jetzt hör doch auf, jetzt hör doch mal, jetzt hör doch mal auf. Aber August richtete die Kamera auf ihn, rannte voraus, blieb stehen, wandte sich um, knipste, wartete, bis er vorbeigegangen war, um ihn dann wieder zu überholen. Ein unaufhörliches Gewusel um seine alten Beine und da geschah es. Der Großvater ließ für einen Moment sein Bein stehen, sodass der Enkel darüber stürzte und auf einen Stein aufschlug. Die Kamera knallte auf den Felsen und weil August beim Vor- und Zurückrennen den Lederriemen vom Nacken genommen hatte, fiel ihm seine Akkarette aus der Hand und schlitterte über den Boden, während er nach vorne rutschte und aufpassen musste, nicht selbst über den Rand zu kippen. Erschrocken schaute er hinab in den Abgrund, in das tosende Gischt, ehe er sich umdrehte, um seine Kamera zu suchen. Aber da stand schon der Großvater über ihm und streckte die Hand aus, um dem Enkel aufzuhelfen. Von der Akkarette keine Spur. Und da machte der Alte eine kleine Bewegung mit dem Kopf, wies hinunter in die Schlucht, sodass August mit einem Schlag klar wurde, die Kamera war verloren. Ja, womöglich hatte er sie mit seinen Füßen selbst hinuntergestoßen in die Stromschnellen, die er eben noch fotografiert hatte. Doch das Bild war für immer weg. Und nicht nur dieses. Alle Aufnahmen waren verschwunden. Alles fortgespült. August weinte nicht. Er starrte in das Wasser, dorthin, wo eben die Akkarette untergegangen sein musste, dann aber schaute er den Alten an, fixierte ihn, den Opa, der den Buben, dieses ungestüme Kind, nun trösten wollte, der ihn anlächelte, um ihm etwas Nettes zu sagen. Aber gerade als er dem Enkel auf die Beine helfen wollte, entfuhr dem ein Wort, sprach er den geheimen Code aus, den er bei seiner Mutter oft schon aufgeschnappt hatte, wenn sie über ihren Vater in Zorn geraten war. Stieß August es im gleichen Ton hervor, wie er es von ihr kannte, obgleich er es in Wahrheit überhaupt nicht kannte. Denn er hatte ja keine Ahnung, was es eigentlich bedeuten sollte, als er in der Klamm, die er mit dem Opa schon oft durchwandert hatte, als er in der Klamm, die er mit dem Opa schon oft durchwandert hatte, Scheiß-Nazi, flüsterte. Ganz ruhig wisperte er das Wort Scheiß-Nazi. Und er war sich sicher, dass es der Alte im Getöse des Wassers gar nicht gehört hatte. Der aber erstarrte im selben Moment, als August ihn so genannt hatte. Er sank in sich zusammen. Kurz ballte er die Fäuste, als wollte er zuschlagen, doch dann drehte er sich weg und ging weiter. August sollte nie erfahren, ob der Großvater sein Scheiß-Nazi verstanden hatte, denn den Rest des Tages hatten sie geschwiegen. verstanden hatte, denn den Rest des Tages hatten sie geschwiegen. Viel später erst, als ihm klar wurde, was es hieß, ein Nazi, ein Scheiß-Nazi zu sein, Begriff war wie Ungerechter damals gewesen, war ein Scheiß-Nazi, war doch nicht einer, der dem Enkel ein Bein stellte, sondern etwa einer, der Unschuldige liquidiert hatte, sondern etwa einer, der Unschuldige liquidiert hatte, wobei eben das seinem Großvater vorgeworfen werden konnte, wie August, als er schon Student war, erst erfahren sollte. Doch hatte der Bub damals in der Klamm von dieser Schuld gar nichts gewusst. Er war doch bloß über Opas Fuß gestolpert und hatte dabei seine Kamera verloren. Und womöglich hatte der Großvater tatsächlich nicht gehört, was der Enkel von sich gegeben hatte. Vielleicht, so dachte August später, war nur die erste Silbe, nur jenes Scheiß durch das Rauschen gedrungen. Schweigend gingen sie danach hintereinander her und stapften heimwärts, um nie wieder gemeinsam wandern zu gehen. Sie grüßten einander, pflichtbewusst, bei Familienfesten, doch der eine mied den anderen. Der Großvater war zum Feind geworden. Er möge bitte ein wenig netter, zum Opa sein, redeten die Eltern ihm zu, wenn auch nicht mit allzu großem Nachdruck. Insgeheim verstanden sie August, denn sie schüttelten ja selbst den Kopf, wenn der Alte von früher schwärmte, als alles besser war und herzog über Fremdarbeiter, wie er sie nannte. Der 80-jährige Opa und sein aufmüpfiger Enkel, der halb verkalkte Familiennazi und der starrsinnige Jungfotograf. Der eine war schon fast hinüber, der andere noch nicht ganz bei sich angekommen. Das Alter war jeweils die beste Ausrede. August wollte nichts mehr vom Großvater wissen. Es sollte keine Versöhnung mehr geben zwischen ihnen. Sie stritten nie, stritten sich aber auch nie wieder zusammen. Erst später, als der 28-Jährige half, das Zimmer des eben Verstorbenen auszuräumen, entdeckte August einen Karton im Kleiderkasten. Er öffnete ihn und da sah er sie. Seine Kamera. Er konnte es kaum glauben, doch hier lag die alte Akkaret. Ohne Zweifel, es war sein erster Fotoapparat, das Objektiv zersplittert von jenem Sturz damals in der Klamm. Aber durchaus reparabel. Der Großvater musste die Kamera hinterrücks eingesteckt haben, gerade in dem Moment, als August hingefallen war. Vielleicht hatte er nur vorgehabt, dem Enkel eine Lektion zu erteilen. Womöglich hätte sie ihm der alte wieder zurückgegeben, doch dann war August sein Scheiß-Nazi entfahren. Und ein Scheiß-Nazi kam ihm auch diesmal, mehr als 15 Jahre später, über die Lippen, als er den Karton wieder zumachte und nur seine alte Akkarette daraus mitnahm. Erst der Verlust der Akkarette hatte damals den Ruf des Buben gefestigt, ein Fotograf zu sein. Jetzt, da er keine Kamera mehr hatte, wurde allen klar, dass er eine brauchte. Paul Becker schenkte ihm einen neuen Apparat und diesmal wurde eigens für ihn gekauft. Siehst du, so, sagte der Vater und gemeinsam gingen sie ins Geschäft. Der Verkäufer zeigte ihnen verschiedene Modelle und versuchte den Buben mit teuren Firmennamen zu locken. Der Vater wollte bereits einschreiten, da sagte August, er brauche nichts Kompliziertes und wählte jene Kamera, die am besten in seiner Hand lag. Auch später sah er auf jene Nerds herab, die mit elektronischen Spielereien auftrumpften. Viele seiner Kollegen redeten stundenlang von der technischen Ausstattung ihrer Geräte. Er nicht. Was August Wecker und seine Bilder einzigartig machte, konnte in keinem Spezialgeschäft gekauft werden. Seine Preise errangen nicht durch Effekthascherei. Wie wütend waren seine Kollegen gewesen, als die berühmte französische Schauspielerin sie alle aus ihrer Suite geworfen hatte. Sie kamen ihm in der Lobby entgegen. Vergiss es, rief ihm einer zu. Das ist ja nicht normal, meinte ein Zweiter. August fuhr mit dem Lift in ihre Etage, er klopfte an die Zimmertür. Eine Assistentin, eine kahlköpfige Mitzwanzigerin mit tätowiertem Schlangenarmband, öffnete ihm, ohne ihn eines Blickes zu würdigen. Die Filmdiva sagte, Ce serait si merveilleux pourriez-vous s'il vous plaît m'apporter un autre thé à la menthe, ma chère Simone. Und dann stand August ihr leibhaftig gegenüber, doch noch mehr als ihr Aussehen begeisterte ihn ihre Stimme. Das weiche, fließende Timbre, das ihn schon im Kinodunkel seit jeher gefesselt hatte. Unfassbar, dass sie nun im selben Tonfall, in dem sie sonst von Liebe und von Leidenschaft sprach, um einen Tee bat. Sie wandte sich ihm zu. I sit here. Sie hatte die Regie übernommen. No posture, no act. Sie war zu keinem Kompromiss bereit. Just like this. Vous comprenez? vorsichtig, aber zielstrebig. Während er sie durch den Sucher fixierte, bemerkte er in ihren Augen ein Misstrauen. Ja, Panik. Der Star, den er seit seiner frühen Jugend bewunderte, hatte Angst vor ihm, saß aufrecht, stocksteif, starrer Blick, die Hand am Kinn, während er ihr bei jeder Aufnahme zunickte und ganz langsam an sie heranrückte. Dann beugte er sich vor, wendete die Kamera und präsentierte ihr auf dem Display drei der Bilder, die er eben von ihr gemacht hatte. Sie nickte leicht, worauf er weiterknipste, dann ohne ein Wort seinen Kopf zur Seite neigte, sie dabei eindringlich anschaut, eine stumme schwand und als er dann die Augenbrauen hob, die eine Schulter vorschob, ahmte sie alles das, was sie ausmachte, aufgespürt und eingefangen, weshalb sie flüsterte, you are wonderful. Worauf ihm heiß wurde und er wusste, dass er gerade vor dieser Grande Dame rot anlief, wie damals als Schuljunge vor seinem ersten großen Schwarm. Ich will Fotograf werden, hatte August eines Tages verkündet und der Vater hatte freundlich genägt. Naja, das war halt ein Kinderwunsch, wie Pilot, Zugführer oder Polizist. Aber mit den Jahren wurde aus dem Traum ein elterliches Schreckensszenario. Fotograf? War das denn überhaupt ein Beruf? Der Ron Rabinovich, wir haben es gehört, Sie beschreiben diverse fototechnische Details sehr explizit in Ihrem Buch. Konnten Sie bei der Arbeit an diesem Roman auf einen breiten Fundus an fotografischen Fachkenntnissen zurückblicken? Sind Sie bisher nicht als Fotoamateur oder begeisterter Fotograf auffällig geworden? Ich muss sagen, dass meine Familie, also meine Frau, sich sehr gewundert hat bei dem Roman Die Außerirdischen, wo ich einen Gourmet und Speisenspezialisten, Kochspezialisten geschildert habe. Und ich kann überhaupt nicht fotografieren. So wie wir halt manchmal das können. Aber es ist ja der Unterschied zwischen, niemand würde glauben, wenn man ein Klavier kauft, ist man Pianist. Die Leute glauben immer, wenn sie ein iPhone haben, sind sie schon Fotograf. Nein, ich kann das nicht. Aber ich hatte die Idee zu dem Roman bei einem Fototermin, als Lukas Beck mich durch eine Geschichte inspirierte. Ein bekannter Fotograf. als er Jörg Haider fotografierte und es ins Profil kam, das Bild, er draufkam, dass das Bild eben auch ganz anders, als er gemeint hatte, verwendet werden könnte, nämlich für Haider, dass Haider eigentlich zufrieden war mit dem Bild. Und das war der Ausgangspunkt für diesen Roman. Und danach habe ich Robert Newald Stück für Stück den Roman vorgelesen. Ein langjähriger Fotograf beim Standard. Und auch noch Matthias Krämer ausgefragt, ebenso. Und Heribert Korn interviewt. Von Falter. Also die, wenn Sie Presse vor je nach dem Ministerrat oder so sehen, die man da seit Jahrzehnten immer sieht. Und auch Daniel Schakett. Und das Interessante, im Nachhinein muss ich sagen, ich kenne auch Fotografinnen, habe ich aber nicht gefragt. Gut, August Becker ist ein Mann, gebe ich zu, aber ja, hätte ich auch tun können sollen vielleicht. Also Sie haben professionellst recherchiert, technisch und auch noch als Backup streng gegengelesen lassen von Fachkräften. Nun ist es ja so, die große Zeit der Fotografie, auch der Pressefotografie, würde ich einmal sagen, war bis in die 80er und frühen 90er Jahre des 20. Jahrhunderts. Man denkt an das Live-Magazin der 30er und 40er Jahre, man denkt an die Fotoagentur Magnum und Cartier-Bresson und unseren Erich Lessing und Walker Evans, also da gibt es ikonische Fotografen, auch Fotografinnen, Also da gibt es ikonische Fotografen, auch Fotografinnen, Herr Linde Kölbl, im 20. Jahrhundert. Trotzdem könnte man ja sagen, die große Zeit der Fotografie ist vorbei. August Becker ist schon ein spätkommender, er ist kein zu spätkommender, aber er ist schon ein später Vertreter eines Genres, das ein bisschen in die Krise geraten ist. Funktioniert er, dieser August Becker, und funktioniert das Fotomotiv trotzdem als Motiv in Ihrem Roman? Man muss vielleicht noch sagen, der August Becker bekommt von diesem Uli Popp ein unmoralisches Angebot, was eines seiner Fotos betrifft. Ja, also es funktioniert nicht trotzdem, sondern deswegen. Die Fotografie, glaube ich, das wäre meine These, ist nicht in der Krise, sondern die Pressefotografie ist in der Krise. Und zwar, weil die Presse in der Krise ist. Die Veröffentlichungsmöglichkeiten sind zurückgegangen aufgrund unserer Mediensituation, letztlich auch wegen der sozialen Medien, wo weil man niemanden mehr losschicken muss, um ein Teehaus in Kyoto noch einmal abzufotografieren, sondern man geht ins Netz und holt sich von den Agenturen Stockfotos oder man schickt jemanden vorbei, der dort ist. Agenturen, Stockfotos oder man schickt jemanden vorbei, der dort ist. Also da hat sich sehr viel verändert. Darauf einzugehen, sich darauf einzustellen, ist jüngeren Fotografen und Fotografinnen schon auch möglich. Er ist hier widerspenstig. Er will für die liberalen Medien sein Metier so durchführen, wie er es schätzt, wie er es lieben gelernt hat. Und er möchte auch nicht Fotoprojekte machen. Das ist, glaube ich, etwas, was sehr wichtig ist, weil mit Fotoprojekten hätte jemand wie August Becker gute Chancen. Aber das hat er auch aufgegeben. Und so gesehen ist er einfach ein Sinnbild der Krise der bürgerlichen Öffentlichkeit, die wir alle erleben und durchleiden. Wie sehen Sie denn, was diese Öffentlichkeit betrifft und die kritische Öffentlichkeit betrifft, wie sehen Sie denn da die Situation heute in Österreich? Da ist es so, auch seit ich mich erinnern kann, und das sind doch schon einige Jahrzehnte, heißt es immer, in Österreich ist es katastrophal. Also die Konzentration auf den Zeitungsmarkt, die mediale Macht in den Händen einiger weniger, parteilicher Journalismus und so weiter. Ich finde aber eigentlich, wenn man sich die Situation heute anschaut, die österreichische Öffentlichkeit gar nicht so schlecht. Wie würde denn Ihr Befund ausfallen? Na, eigentlich schon anders, ja. Aus mehreren Gründen. Also erstens einmal würde ich sagen, dass das Vorherrschen des Boulevards schon sehr auffällig ist. Und das macht eigentlich den Niedergang der liberalen Medien in Österreich relativ, denn die sind sozusagen von einer anderen Ebene gestartet in diese Entwicklung. Und wir haben teilweise jetzt mehr an Medien, an liberalen Medien, als etwa in den 80er Jahren, wo es den Standard nicht gab, wo der Falter nicht so stark war. Es gab damals eigentlich nur das Profil. Es gab damals nur das Profil und es gab nicht einmal in der Presse ein Föton. Gab es nicht. Gibt es jetzt ein bisschen ein Föton. Und es gibt jetzt mehr an Debatten Kultur, als es damals gab. Also unvergleichbar. Und der Club 2. Es gibt natürlich in Österreich dann eine andere, andere Öffentlichkeiten, die muss man auch, also es gab den Club 2 und es gibt bis heute Ö1. Ah ja. Während die Süddeutsche die beste österreichische Zeitung ist, ist Ö1 tatsächlich der beste deutsche Radiosender. Deutschsprachig. Ja, ja, ich meine. Und das ist, ich habe es absolut so gesagt, man kann es hören und das ist wirklich fantastisch. Und ja, aber trotzdem, wenn wir uns überlegen, womit wir es gerade zu tun haben, ich habe das ja nicht in dem Roman so aufschreiben können, wie es sich enthüllt hat, obwohl wir es ja alle gewusst haben, weil das glaubt einem ja keiner. In einem Roman glaubtt einem ja keiner. In einem Roman glaubt einem das ja keiner. Die Inseratenkorruption, doch, natürlich, ich nehme meine Frage eh zurück. Also es gibt einige sehr gute bis ganz gute kritische Medien in Österreich, aber natürlich die Dominanz des Boulevards und auch eines gewissen wirklich, die die dominanz des boulevards und auch eines gewissen wirklich jetzt klartext dreckigen käuflichen korrupten journalismus für den ein bestimmter wiener medien mogul steht einer ganz besonders das gibt es natürlich schon auch seit 30 jahren ja und dann wenn es gibt auch andere länder natürlich mit schrecklichen boulevardien, aber ich glaube, das ist das schon Besondere, wie stark die Politik da mitspielt. Wir sind ja nicht ein riesiges Land und vor einer Wahl gibt es dann dutzende Wahldiskussionen, wo das Publikum eingeladen ist, mit Fähnchen dazuzukommen. Es beginnt damit, dass jeder, jeder ein Geschenk mitzubringen hat, dass gefragt wird, was das ekligste an dem anderen ist, das einem gerade einfällt. Und das würde in Deutschland, ich habe das ja miterlebt, in Deutschland versperren sich die politischen Köpfe solchen Fragen und sagen, dafür sind wir nicht hier. Die haben auch nicht, die gehen auch nicht zu allen Privatsendern. Und hier ist es anders und dann wundern sich die Leute nachher, dass lauter eklige Politiker, die es fehlt, den Mund dominieren und nicht in den Feingeistiger dadurch wirkt. Nein, das braucht einen nicht zu wundern. Das ist eine Frage der Inszenierung. Da haben nur Leute eine Chance, die eben sich dreckig inszenieren. Dann darf man nicht vergessen, dass es ja nicht nur Wien gibt, sondern es gibt ja auch, und das glaube ich ist auch ziemlich heftig und einmalig, in Österreich ein Salzburger Fernsehmedium, das sich nicht ganz entscheiden kann, ob Sport seine Politik oder die Politik nur ein Sport ist. Also ich meine, es ist schrecklich, was da passiert, wo die Leute Verschwörungsmythen empfangen, wo in den letzten Wochen über den Krieg in der Ukraine diskutiert wird, entweder mit Hübner, der wegen eines Spruchs, ein FPÖ-Politiker, der, wenn Sie sich erinnern, Ein FPÖ-Politiker, der, wenn Sie sich erinnern, eine Schwierigkeit hat, Namen von jüdischen Menschen so auszusprechen, wie sie eigentlich lauten sollten. Oder ehemalige AfD-Politiker. Oder welche, die ein Amt sind. Die sind immer dazu eingeladen, zu den dortigen Talkshows. Also es ist schon ein besonderes Feld. Wenn man das so schildert, wenn man schildert, dass Umfragen von einer Partei nicht kenntlich erkauft werden als Beitrag, und jetzt kommt noch das Beste, eine Umfrage, in der die eigene Partei schlecht aussieht. Das ist etwas, worüber in der Bundesrepublik Deutschland in vielen Sendungen gelacht worden ist. Ich würde vorschlagen, ich muss schon ein bisschen auch auf die Zeit achten. Es ist aber, ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, anregend und interessant, was der Ron Rabinovich zu sagen hat. Ich würde aber sagen, kommen wir zum zweiten Leseblock. Wir lernen jetzt kennen Uli Popp, den populistischen Politiker, der im Wahlkampf unterwegs ist, heute in Oberfeist. Bitte. Die Kleinstadt wartete. Sie wartete auf den Kandidaten. Sie wartete ihm mit Flaggen und Plakaten auf. Auf dem Hauptplatz vor dem Rathaus war die Bühne errichtet. An den Seiten Links- und Rechtsfahnen, Banner, Blumengirlanden, Imbissstände und Informationstische unter Sonnenschirmen. Alles in ein und derselben Farbe und überall der Name darauf. Pop. der Name darauf, Pop. Noch aber war Uli Pop nicht in Oberfeist eingetroffen. Eine Band spielte auf, ein Gemisch aus Folklore und Rock. Ein Moderator versprach, Pop werde bald hier sein. Es könne nicht mehr lange dauern, nur ein wenig Geduld. Das Klatschen der Leute, das Bier floss auch schon am späten Vormittag, dazu Bratwürste, Hamburger, Nachos, Maiskolben, Wokgemüse. In der Menge Selma, ihre Handtasche über die Schulter gehängt, ihr Notizbuch in der linken, einen Bleistift in der rechten, so hielt sie fest, was sie sah und hörte, Gesprächsfetzen, Sager, einzelne Liedzeilen, die Parolen, dass das Land bleiben möge, wie es immer schon war, so schön, so rein und so eigen. Und dass es größer, stärker, bedeutender werden möge, als es je war. Kein anderes Thema gab es als die Heimat. Man war sich einig und man war unter seinesgleichen. Man gehörte dazu, zu den Alteingesessenen. An einigen der Tische wurde schon gesungen und geschunkelt. Man stemmte die Krügel und die Gläser, stieß an auf das gute Leben und darauf, dass bald alles noch besser werden würde. August blieb Selma auf der Spur. Er nahm das Treiben auf mit seiner Kamera, Schnappschüsse der Oberfeister Gemütlichkeit, eine bunte Menge aus unterschiedlichen Schichten, gutbürgerliche neben anderen in ländlicher Tracht, manche in sportlicher Kleidung, mittendrin das Personal, zuständig fürs Essen und Trinken, Angestellte der Firma, Event-Catering, zumeist mit fremdklingendem Akzent, stets unterwegs, eilfertig, ungerührt vom Gerede und den Parolen. Im Gedränge auch manches bekannte Gesicht aus anderen Redaktionen, etwa die Ressortleiterin einer Tageszeitung, die jahrzehntelang für ihre Qualität auch über die Landesgrenzen hinaus berühmt gewesen war und gerne noch auf diesen längst verblassenen Ruhm pochte. Sie stand neben einem Reporter der liberaleren Konkurrenz. Weiter vorne die Kollegen der Boulevardpresse und die Teams der Fernsehsender und Digitalmedien mit ihren Tontechnikern und Kameraleuten. Im abgesperrten Bereich, seitlich der Bühne, entdeckte August Martin Dingel, Redakteur des Boulevardplatz Total, das täglich gegen eine andere Minderheit hetzte. Dingel lehnte breitbeinig an der Absperrung den Bauch nach vorne, gereckt, das Gesicht rot und verschwitzt, das Wolfsgraue Haar schulterlang, mit einem Glas Rosé in der einen Hand und einer Zigarre in der anderen, redete er eindringlich auf Uli Popps, jungen Pressesekretär, ein Dingel, war ein Evangelist des Groben. August schaute durch den Sucher, um Dingels stirnnackige Selbstzufriedenheit auf einem Foto festzuhalten, als plötzlich die Kampagnenhymne erklang, dem allseits bekannten Fußballgesang Ole, Ole, Ole, Ole nachgeahmt. Bloß, dass alle um ihn herum Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Pop brüllten, bis dieser Gassenhauer in eine funkige Version des Triumphmarsches aus Verdis Aida überging. Und auch da grüllten alle mit, kannten schon den Text, der von Rettung in letzter Not kündete, nun komme endlich einer, der für uns alle einstehe, für unser Wohl und Wehe, drum stehe auf, wer für die Heimat sei, drum stehe auf, wer für den Uli sei, den Hopp oder Tropp, wir stehen Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli, Uli,, Popp grüßte. Er nickte in die Menge, er zeigte mit dem Zeigefinger auf Einzelne. Er zwinkerte hierhin und dorthin und erklärte, wie schön es sei, in Oberfeist zu sein, unter lauter Freunden. Hier müsse er nicht lange erklären, warum es ihm gehe. Hier sei das Publikum, das er sich wünsche und das er liebe. Das hier sei etwas ganz anderes, als im Parlament zu reden, wo diese mieselsüchtigen, dauerbetroffenen Gutmenschen einem jedes Wort im Mund umtreten. Aber er werde nicht aufhören, auszusprechen, welche Probleme die Menschen umtreibe. Ja, das politische Establishment wolle nichts von ihren Sorgen wissen. Das sei sich zu fein dafür, aber das sporne ihn nur immer weiter an. Und dass er genau richtig liege, zeige sich doch daran, wie sich alle auf das stürzten, was er zur Sprache bringe. Und besonders seine Gegner könnten nicht aufhören, darauf herumzureiten, was sie so besonders garstig an ihm fänden. Die würden ihm ja noch Dinge zum Vorwurf machen, die er nicht einmal gesagt habe. Aber er freue sich immer, diese sensationsgeilen Berichte zu lesen und er begrüße deshalb auch alle seine Widersacher und Kritiker aus der Medienbranche. Hier nickte er freundlich Selma zu. Manche aus der Menge schauten darauf in ihre Richtung. Er werde, sagte Pop, jenes Wort mit F ganz offen aussprechen. Flüchtlinge gäbe es zuhauf in diesem Land. Und noch mehr Flüchtlinge kämen hierher. Die einfachen Leute wehrten sich dagegen. Und womit? Mit Recht. Sie wüssten genau, erst seien die Fabriken weg, dann die Jobs, dann die Wohnungen. Dafür gäbe es jetzt Armenviertel und Terrorgefahr. Pop sagte, deshalb gehen wir den Weg für unser Heimatland und nehmen den Kampf gegen den Bevölkerungsaustausch auf. Wir wollen nicht zur Minderheit im eigenen Staat werden, wie es gewisse Herren der internationalen Finanzspekulation planen. Die Wahl ist auch eine Abstimmung darüber, ob diese Herren in unserem Land das Sagen haben oder wir selbst, denn wir sind das Volk. August beobachtete, wie Selma sich unaufhörlich Notizen machte. Bestimmt war ihr auch die Rede von den international tätigen Spekulanten nicht entgangen. Er nahm die Kamera vors Auge und schoss ein Foto nach dem anderen. Popp redete gelassen und ruhig. Er wirkte heiter wie ein Showmaster, aber mit jedem Satz beschwor er den Abgrund, in dem die alteingesessenen Parteien das Volk zu führen dabei wären. Dann erwähnte Pop wieder eine gewisse Journalistin, die alle seine Anhänger besudele, weil sie voller Hass sei. Und auch wenn er Selmas Namen nicht nannte, johlte und grölte die Menge, denn alle wussten, wer gemeint war. Einer spuckte Selma vor die Füße und kurz darauf traf der Nächste ihre Jacke. August fuhr herum, doch Selma zog ihn am Ärmel zurück. Sie lächelte ihm zu und zuckte mit den Achseln. Dann wischte sie sich den Speichel vom Kragen, um weiter zu notieren, was Pop von sich gab. Jede einzelne seiner Gemeinheiten klang wie ein harmloser Spaß, und der Spott ließ viele lachen, sodass nie ganz klar war, ob er es überhaupt ernst meinte. Und erst als die Rede zum Höhepunkt kam und der baldige Wahlsieg in Aussicht gestellt wurde, sprach Pop nicht mehr das Gemeine, sondern das Allgemeine und das Gemeinsame an, die Liebe zum Land und zu seinen Leuten. Pops Worte wummerten über den Platz, aber August hörte gar nicht mehr hin. Seine ganze Aufmerksamkeit gehörte der Kamera und den Fotos. Er drehte am Objektiv, suchte den richtigen Ausschnitt und dann hatte er sie plötzlich im Blick. Sie stand im Hintergrund an die Wand der Bühne gelehnt, halb verdeckt, aber er erkannte sie sofort. Und auch diesmal hielt er einen Moment inne, wie immer, wenn sie auftauchte, auf Pressekonferenzen oder bei Parteiveranstaltungen und für einen Augenblick vergaß er abzudrücken. Er fokussierte nicht mehr auf Pop, sondern stellte sein Apparat scharf auf Mayon Etel, blieb hängen an ihr und an ihrem braunen Haar, das immer, wenn sie den Kopf zurückwarf, in Bewegung geriet, als führe ihr ein Windstoß in die Locken. Sie war ihm schon vor Jahren aufgefallen. Damals, als blutjunge Journalistin, hatte sie in einer Pressekonferenz den Innenminister mit einer Frage zu einem Übergriff der Polizei auf einen Umweltaktivisten in die Enge getrieben und als der sie abkanzeln wollte mit dem Hinweis, die Angelegenheit werde schon noch untersucht werden, parierte sie seine Ausreden und wusste besser über die Einzelheiten Bescheid als alle anderen Journalisten, Pressesprecher und Exekutivbeamten im Raum. Journalisten, Pressesprecher und Exekutivbeamten im Raum. Mittlerweile schrieb Marion Etel eine tägliche Kolumne im Kleinformat Total. Was dort als Nachricht erschien, konnte sich jeder schenken, denn Total war ohnehin gratis. Total war die Zeitung mit der höchsten Auflage und dem niedrigsten Niveau im ganzen Land, also mit einzigartigem Erfolg. Und während Martin Dingl dort täglich die Ressentiments der Volksgemeinschaft bestärkte, schrieb Marion Ettl mit jeder ihrer Glossen dagegen an, trat mit Esprit gegen die Hetze an. Mit seinem Objektiv holte August sie näher heran, er drückte gerade auf den Auslöser, da war ihm, er schaue sie ihn an, worauf er wie ertappt, wegschwenkte mit der Kamera, doch im selben Moment wusste er, dass er sich damit erst recht verraten hatte und tatsächlich sah er, wie sie eine Braue hob und die Mundwinkel ein wenig herabzog, er tat, als habe er nichts davon bemerkt, ging zur Tribüne, zeigte auf seinen Presseausweis, den er sich angesteckt hatte, stieg an der Seite einige Stufen hinauf und fotografierte ihn die Menge. Im Gedränge erkannte er Selma, die ihm zumickte, während Pop seine letzten Sätze rief. Von oben herab machte er eine Aufnahme nach der anderen, Mäuler und Glotzaugen, aufgerissen vor Begeisterung, der ganze Platz eine einzige Anhimmelei. Danach das Gejohle und Geklatsche, die Band spielte wieder auf und die Hymne erklang erneut. Pop winkte, mit steilerhobener Rechter stand er da und August schräg hinter ihm. Er knipste diesen Mann samt seinem hochgereckten Arm und der entzückten Masse vor ihm, aber er wusste, dieses Foto war nicht gelungen. Es war zu billig, zu übertrieben. Eine Lüge mit Hilfe der Wirklichkeit. So ein Foto würde nicht den demaskieren, den es zeigt, sondern den, der es gemacht hat. Und jetzt ein zweiter Abschnitt. Als er das Sitzungszimmer betrat, war das Interview schon zu Ende und Pop war bereits im Aufbruch. Wieso er erst jetzt daherkomme, fuhr ihn der Chefredakteur an. August murmelte eine Entschuldigung. Sein Motorroller. Sein Motorroller. Das sei ja nicht schlimm, meinte Pop. Er habe noch Zeit für ein paar Aufnahmen. Er und Herr Becker seien ja alte Bekannte. Es geht um das Gespräch. Um die Situation, erklärte Selma. Alle drei setzten sich noch einmal an den Tisch und Bruno fragte, ob Pop vorhabe, nach all den Skandalen den Parteivorsitz abzugeben. Das sei es wohl, was ich das Forum wünsche, parierte Pop. August schoss derweil einige Bilder, dann bat ihn Bruno, einige Porträtfotos von Pop zu machen. Als Selma und Bruno den Raum verlassen hatten, ging August ganz nah an Pop heran und er abdrückte, fragte er, ist es Ihnen unangenehm, ausgerechnet von mir fotografiert zu werden? Pop verzog spöttisch die Mundwinkel. Aber woher denn? Meine Fotos brachten Ihnen letztlich doch einiges an Ärger ein, oder? Aber geh. Bald interessiert diese Geschichte niemanden mehr. Gut, August Becker hat mir in die Suppe gespuckt. Auf lange Sicht hält uns das nicht auf. Im Gegenteil. Es macht uns sogar stärker. In der Zwischenzeit werde ich zu einer Diskussion nach der anderen eingeladen, trete in jeder Talkshow auf, werde von allen Zeitungen interviewt. Sogar vom Forum. Und wer nimmt mich gerade wieder in den Fokus? Unser August, der Starfotograf. Und warum auch nicht? Ich gehe überall hin. Ständig wollt ihr mich demaskieren und merkt nicht, dass ich die Maske, die ihr mir vom Gesicht reißen wollt, schon längst selbst abgenommen habe. Weil die Leute, die mich wählen, vor dem, was ich bin, gar nicht zurückschrecken. Im Gegenteil, genau deshalb geben sie mir ihre Stimme. Der Teufel, den ihr Liberalen in mir seht, wird sich wegen eurer linken Zauberformeln und Enthüllungsgeschichten nicht in Rauch und Schwefel auflösen. Deshalb bleibe ich der Gewinner, so gut die Gegenseite auch auftreten mag. Ich muss dafür nicht siegen. Es genügt, am nächsten Tag wieder eingeladen zu werden. Das ist mein Triumph. Ich komme als Aussätziger in die Arena und verlasse sie als Mitspieler. Ich brauche gar nicht die Mehrheit in einer Gesprächsrunde auf meine Seite zu bringen, sondern nur bei der Mehrheit der Gespräche eine Minderheit von mir zu überzeugen. Verstehst du, August? Nein, August, bitte mehr von links, das ist meine Schokoladenseite. Verstehst du, ihr seid die Verlierer. Selbst wenn es für mich irgendwann vorbei sein sollte, ihr werdet uns nicht mehr los. Unser Erfolg ist ja nicht nur mein Verdienst. Ich bin doch nur einer von vielen. Überall werden solche wie ich gewählt. Ihr werft uns vor, die Regeln nicht einzuhalten. Aber was, wenn der Verstoß gegen eure Normen das neue Spiel ist? Was, wenn ihr wie ein Tanzprofi in einem Boxring steht? Meister des Tango und Quickstep, bloß im falschen Wettkampf gelandet. Richtig blöd könnte ein Film von Buster Keaton sein. Ihr macht eine schöne Figur nach der anderen und wundert euch über jede neue Rechte, die euch ausknockt. Was bringt euch eure gute Haltung noch? Nichts. Das, was war, gilt nicht mehr. Menschenrecht für alle klingt gut, solange der eigene Wohlstand nicht gefährdet ist. Asyl ist fein, wenn es für wenige weiße Helden gilt, aber wenn es um Millionen von anderen Kontinenten geht, hat sich der Wind schnell gedreht. Den Menschen hier ist der Islam fremd. Sie fürchten sich davor. Sie haben das Gefühl, in einem kleinen, schaukelnden Boot zu sitzen, hoher Wellengang und rundum lauter Fremde im Wasser, die gerettet werden wollen. Und ihr ruft, wir können sie doch nicht alle ertrinken lassen. Aber die Menschen haben selbst so große Angst vor dem Ersaufen, dass sie nicht nur die ins Meer zurückstoßen, die ins Boot hinein wollen. Nein, sie sind längst schon bereit, auch euch und alle eure Prinzipien über Bord zu werfen. Pop hielt einen Moment inne, dann redete er weiter. Das Fotografieren nimmt ja heute gar kein Ende. Wie schön, er lachte zufrieden. Und alles nur, um mich auszuharren, oder? Warum auch nicht? Ich schätze deine Bilder, August Becker, das weißt du ja. Warum auch nicht? fortfuhr, flüstern, schaute er direkt in die Kamera. Die wirkliche Demokratie beruht darauf, dass nicht nur Gleiches gleich, sondern dass das Nichtgleiche nicht gleich behandelt wird. Zur Demokratie gehört also erstens der Einklang und zweitens die Ausscheidung des Unvereinbaren. Zweitens die Ausscheidung des Unvereinbaren. Demokratie ist nicht nur ein Verfahren, sondern ein Willensakt, der Gemeinschaft voraussetzt. Eintracht und ein Einvernehmen über das, was Heimat, was Familie, was Mann und Frau sein bedeutet. Wo dieses Einvernehmen fehlt, ist sie zum Scheitern verurteilt. Popp richtete sich auf, als warte er auf Widerspruch. Doch August schwieg und fotografierte immer weiter. Wovon ich rede, kommt mit mir oder ohne mich. Im Grunde ist das auch vielen klar, die gegen uns sind. Die schweigen pikiert und schauen vorne im Weg. Aber die Tendenz ist eindeutig. Die liberale Demokratie geht unter. August ging einen Schritt zurück, die Kamera weiter auf Pop gerichtet und fragte, dafür wird es wohl unabdingbar sein, kritische Medien wie das Forum aus dem Weg zu räumen, oder? Pop lächelte, aber nein, das wird gar nicht nötig sein. So wichtig seid ihr nicht. Die Leute werden euch ohnehin kaum mehr lesen. Sie nennen euch die Lügenpresse. Und als Antwort darauf wollt ihr ihnen erklären, was die Wahrheit ist. Als ob es darum ginge. Wir geben den Leuten, was sie hören wollen. Das ist vielleicht nicht ehrlich, aber redlich ist es doch. Denn es ist unsere und ihre ureigene Wahrheit. Und diese Wahrheit lautet, wir sind dran. Die Menschen stoßen auf uns, weil sie hier die Antworten finden, nach denen sie suchen. Und sobald sie uns folgen, nennt ihr sie Extremisten. Doch sobald wir etwas zu sagen haben, werden wir bestimmen, wer extremistisch ist. Viele in der Exekutive warten nur darauf. Nicht wir, sondern ihr werdet dann die Hetzer und Volksfeinde sein. Das reicht, sagte August. Er senkte die Kamera und griff nach seiner Tasche. Mehr brauche ich nicht. Die liberale Demokratie geht unter, das ist Uli Popps Diagnose. Hat er recht, Herr Romradinovic? Ich glaube, dass wir eine Situation erleben, in der die liberale Demokratie in der Krise ist, aber sie ist gleichzeitig auch so stark wie nie zuvor. Also wir haben Kräfte in der Zivilgesellschaft und wir haben eine Zivilgesellschaft, die so bunt ist, wie sie noch nie zuvor war. Es ist interessant, also wenn es zum Beispiel um Fragen geht, ob Wissenschaft, Medizin, hilft oder nicht, dann sehen wir, dass eine Mehrheit in der Bevölkerung der Meinung ist, dass man eigentlich den Medizinerinnen und Mediziner vertrauen kann. Nur das Interessante ist, dass die Minderheit, die meint, dass das eine Verschwörung ist, gegen die sie ankämpfen muss, viel engagierter und leidenschaftlicher kämpft. Es ist übrigens nicht anders beim Antisemitismus. Es gibt 15 Millionen ungefähr Juden auf der Welt. Es gibt hunderte Millionen Menschen, die antisemitisch sind. Und es gibt wirklich viele Hunderttausende, die bereits in manchen Ländern hinter dem Ruf, tötete Juden, herzumarschieren, in verschiedenen Sprachen. Es gibt diese Demonstrationen. Aber der Mehrheit der Leute, denen ist das eher wurscht. herzumarschieren, in verschiedenen Sprachen. Es gibt diese Demonstrationen. Aber die Mehrheit der Leute, denen ist das eher wurscht. Und das ist das Problem. Das Problem ist in Wirklichkeit, ob wir uns als Mehrheit dagegenstellen oder nicht? Wenn man jetzt die Ereignisse in Kiew, Kharkiv, Odessa und Lemberg in den Blick nimmt, welches Bild gibt die vielgeschmähte liberale Demokratie in Europa, aber auch in den USA, da ab? Da hat man doch den Eindruck, Sie haben gesagt, die liberale Demokratie ist stärker als wir denken oder so stark wie noch nie. Das scheint sich da zu verifizieren, oder nicht? Zumindest ist es so, dass es jetzt schon eine Frage auch der Entscheidung ist. Also ich glaube, dass bei Putin haben wir es zu tun mit jemandem, der als autoritärer rassistischer Populist an die Macht gekommen ist. Und zwar in einer Art und Weise, die von Anfang an massenmörderisch war. Von Anfang an, verstehe ich gar nicht. Also gut, wurscht. Und das war ja sein Einstieg. Aber er hat auch unterstützt die ganze Zeit. AfD, Salvini, die FPÖ, die Assoziation, den Brexit. Auch die Linkspartei. Auch die Linkspartei. Auch die Linkspartei, absolut. Es gibt da auch diese Verbindungen. Und Trump. Also er ist wirklich dabei gewesen, dieses Konzept einer pluralen, pluralistischen, liberalen Demokratie zu bekämpfen, aktiv zu bekämpfen. Und wenn er nicht Erfolg hat, weil sich jetzt Europa dagegen vereint, dann glaube ich, dass das eine Stärkung des Projekts Europa ist und auch der liberalen Demokratie. Und wenn er allerdings Erfolg haben sollte, dann glaube ich, ist das eine echte weitere Krise. Was interessant ist, wenn ich das noch dazu sagen kann, innerhalb der EU war es ja doch so, dass es Staaten gab, die meinten, sie wollen die EU nicht als ein rechtlich verbindliches, als ein verfassungsmäßig verbindliches Einheit, als eine rechtsstaatliche Einheit, als eine soziale Einheit. Nicht als eine politische, sondern nur eine wirtschaftliche Einheit soll das sein. Das geht jetzt nicht. Wenn diese Staaten der Meinung sind, dass sie eine sicherheitspolitische Sicherung bekommen wollen, also eine Versicherung haben wollen in der EU, dann werden sie auch verstehen, dass das eben nicht nur eine wirtschaftliche Einheit ist. Das ist ganz logisch. Das, was wir jetzt sehen, ist ja wirklich eine ganz neue Gefahr. Und ich glaube, es ist eine ganz neue Gefahr. Und uns wird der Krieg, der Eroberungskrieg erklärt und die Atomwaffen werden, mit Atomwaffen wird gedroht. Und ich glaube, in dieser Situation, dass wir uns da befinden, das hat sehr viel zu tun mit dem Aufkommen dieser Kräfte, die wir im Schatten der liberalen Demokratie verfolgen. Meine letzte Frage. Uli Popp, wir haben es gehört in der Szene, die Sie vorgelesen haben, ist sehr siegessicher, fühlt das Momentum der Geschichte, spürt Rückenwind. Nun gab es in den letzten 30 Jahren in Österreich immer wieder Politiker wie diesen Uli Popp, die auch immer wieder, man hatte den Eindruck, wer soll die jemals aufhalten, wieso werden die so viel gewählt. Und eigentlich, wenn man jetzt zurückblickt, haben sie sich immer selber entweder in die Luft gesprengt, politisch, oder sind mit überhöhter Geschwindigkeit in den Tod gefahren oder was auch immer. Die Uli Popps, so wirkt es zumindest in Österreich, haben immer nur ein paar Jahre Aufwind und Rückenwind und dann ist es wieder vorbei. Wie wird es mit dem Uli Popp im Roman weitergehen? Wird er ein ähnliches Schicksal erleiden? Er hat recht in dem Sinne, dass er sagt, es kommt auf ihn persönlich nicht an, sondern die Frage ist die Tendenz. Und ob man diese Tendenz, ob man der entgegensteuern kann. In dem Roman gibt es ja eine Gegenspielerin von Uli Popp, die kam kaum vor, aber es ist Selma Kaltak. Selbst ein Flüchtlingskind gewesen, kommt sie aus dem ehemaligen Jugoslawien und ist eine kritische Journalistin. und ist eine kritische Journalistin. Und das ist, glaube ich, ein durchaus schon offener Kampf. Aber ich glaube, das stimmt, was Sie sagen. Nämlich diese Gestalten sagen eine Gefahr voraus, die sie bereiten. Auch sich selbst. Die Frage ist nur, wie weit sie kommen, uns dabei in eine Katastrophe zu bringen. Letztlich kann man auch sagen, dass Hitler gescheitert ist. Na super. Aber das kann mich nicht wirklich beruhigen. Letztlich kann man sagen, dass auch Putin, Putin soll sich zum Beispiel, ich weiß nicht, ob Sie das gehört haben, Putin hat sich sehr oft das Video angeschaut, bei dem zu sehen ist, wie Gaddafi durch Tripolis geschleift wird. entweder vor diesem Schicksal sterben wird oder das noch erleben wird. Das ist klar. Das ist sozusagen das Ende, wer das auch immer durchstehen wird. Aber was passiert bis dahin? Und deswegen ist es, glaube ich, nicht wichtig, fatalistisch zu sein. Das glaube ich auf keinen Fall. Es ist wirklich interessant, wie sich das entwickelt jetzt. ich glaube nicht, dass die Tatsache, dass wir geglaubt haben, dass Kurz und Strache die nächsten zehn Jahre dominieren werden und sie jetzt weg sind, dass das bedeutet, dass das populistische Moment vorbei ist. Das ist noch nicht vorbei. Die Scharfmacher, die Radikalen, das ist meine feste Überzeugung, werden letztlich immer verlieren. Es kommt, würde ich sagen, und ich glaube, Doron, Sie werden mir dazu stimmen, es kommt auf uns nicht zuletzt an, die Kosten, die dieses Scheitern produzieren wird, so gering wie möglich zu halten, aber so gut es geht, immer dagegen zu halten. Roman von Doron Rabinovic, den wir Ihnen heute vorgestellt haben. Er ist erschienen im Surkamp Verlag. Die Buchhandlung Fürstlberger hat hinten einen Büchertisch eingerichtet. Sie können den Band dort käuflich erwerben. Der Autor ist gerne bereit, das Buch für Sie zu signieren. Ich bedanke mich bei Ihnen für Ihr Interesse und bei Ihnen, Doron Rabinovic, für Ihren Besuch im Stifterhaus. Ich danke für die Einladung und für die Einleitung und für die Moderation. Und ich danke auch Ihnen, dass Sie, es ist ja doch eine Zeit der hohen Zahlen und der Pandemie, heute gekommen sind. Vielen Dank. Applaus