Ich begrüße alle herzlich zu den Frauenstimmen 2022. Diese Reihe findet mittlerweile zum sechsten Mal statt. Letztes Jahr ist diese Lesebühne aus bekannten Corona-Lockdown-Gründen ausgefallen, wobei aber nichts versäumt wurde, denn die drei letztes Jahr vorgesehenen Autorinnen sind jetzt an der Reihe. Christine Mack und Renate Silberer sind nicht das erste Mal bei den Frauen Stimmen dabei, das ist aber Angelika Ganser. Ich werde die drei nachher kurz vorstellen, bevor sie ihre Texte vorstellen. Die, das kann ich schon einmal verraten, eine schöne Vielfalt bieten. In der Mitte des Abends gibt es wieder ein Gespräch mit den Autorinnen, wobei Gelegenheit besteht, sie und ihren Zugang zum Schreiben näher kennenzulernen. Und am Ende gibt es natürlich noch die Möglichkeit für Gespräche und Schmückern am Büchertisch, den wir hier haben. Ein Thema bei den Frauenstimmen war zum Beispiel, gibt es ein spezifisch weibliches literarisches Schreiben? Dazu gab es vor ein paar Jahren ein Quiz, in dem das Publikum zu raten hatte, ob ein kurzer vorgelesener Text von einem Mann oder einer Frau stammen mag. Ein anderes Thema war, welche Rolle nehmen Frauen ein in der Gesellschaft oder als Figuren in literarischen Texten? Wie weit sind sie auf Rollen festgelegt? Wer legt sie fest und muss das so sein? Dazu wurde der Bechtel-Test vorgestellt. Das sind ein paar Fragen, die man sich beim Ansehen von Filmen und natürlich auch beim Lesen von Romanen oder Erzählungen stellen kann, um zu schauen, welche Rollen Frauenfiguren darin übernehmen, auf welche Art sie präsent sind. Und letztes Mal, der März 2020 liegt gefühlt schon sehr lange zurück, wurde eine Studie über Sichtbarkeit von Frauen in Medien- und Literaturbetrieb vorgestellt. Diesmal etwas ganz anderes als Anfangsimpuls. Stefan Zweig hat ein Werk über Maria Stuart verfasst und darin schreibt er über den Gegensatz zwischen der schottischen Königin und ihrer Gegnerin, der englischen Königin Elisabeth I. hier ein Auszug daraus. Großartig ist dieser Gegensatz in Raum, Zeit und seinen Gestalten, wäre doch nur die Art, nicht so erbärmlich kleinlich, in der er durchfochten wird. Denn trotz ihrem überragenden Format bleiben diese Frauen immerhin Frauen. Sie können die Schwäche ihres Geschlechts nicht überwinden. Feindschaften statt aufrichtig immer nur misquen und hinterhältig auszutragen. Ständen statt Maria Stuart und Elisabeth zwei Männer, zwei Könige einander gegenüber. Es käme sofort zu scharfer Auseinandersetzung, zu klarem Krieg. Anspruch stellte sich schroff gegen Anspruch, Mut gegen Mut. Der Konflikt Marias Dürr und Elisabeths dagegen entbehrt dieser hellen männlichen Aufrichtigkeit. Er ist ein Katzenkampf, ein sich umschleichen und belauern mit verdeckten Krallen ein hinterhältiges und durchaus unredliches Spiel. Durch ein Vierteljahrhundert haben diese Frauen einander unablässig belogen und betrogen. Nie blickten sie einander frei und gerade ins Auge, nie wird ihr Hass offen, wahr und klar. Mit Lächeln und Schmeicheln und Heucheln begrüßen und beschenken und beglückwünschen sie einander, während jede heimlich das Messer hinter dem Rücken hält. Nein, die Chronik des Krieges zwischen Elisabeth und Maria Stuart zeigt keine eladischen Schlachten, keine ruhmreichen Situationen, sie ist kein Heldenlied, sondern ein perfides Kapitel aus Machiavelli, psychologisch zwar ungemein erregend, aber moralisch abstoßend, weil eine 20-jährige Intrige und nie ein ehrlicher, klingender Kampf. Soweit Stefan Zweig, der natürlich ein Kind seiner Zeit war, wie wir alle das sind. Seine Sicht stammt aus den besonders im 19. Jahrhundert propagierten Geschlechtercharakteren, die inzwischen zum Teil, aber immer noch nicht ganz überwunden sind. Und man kann doch überlegen, ob nicht einiges an Wahrheit in derlei Geschlechtercharakteren liegt. Wie und woraus sie entstanden sind, liegt es in der Natur der Geschlechter oder verhalten sich vielleicht Frauen so hinterlistig, weil ihnen das Offene nie zugestanden wurde. Wie sehr Stefan Zweig an der Zerstörung der europäischen Kultur gelitten hat, die letztlich in den beiden Weltkriegen Anfang des 20. Jahrhunderts passiert ist, ist bekannt und lässt sich besonders in seinem Buch Die Welt von Gestern nachlesen. sich besonders in seinem Buch Die Welt von gestern nachlesen. Jetzt, Anfang des 20. Jahrhunderts, sind wir in einer Situation, die wir wohl alle nicht mehr für möglich gehalten hätten. Krieg in Europa und die handelnden Protagonisten sind Männer. Wäre es anders, wenn Frauen an den entsprechenden Schaltstellen Verantwortung trügen, geben wir es da weniger direkte Gewalt und Zerstörung? Hat das mit dem Begriff der toxischen Männlichkeit zu tun, von dem man heute immer wieder hört, dass Männer eher zur Gewalt neigen? Nicht nur in der Rolle eines Herrschers und Anführers, sondern gerade auch in der Rolle des Mitläufers, die die eigentliche Gefahr sind, weil kein Kriegstreiber ohne sie etwas ausrichten könnte. Diese Fragen seien einmal dahingestellt als Anregung zum Überlegen. Ganz am Ende kommen wir vielleicht noch einmal auf die eine oder andere Weise darauf zurück. Und jetzt zum heutigen Programm und den auftretenden Autorinnen. Sie sitzen in der Reihenfolge, wie ich sie jetzt vorstelle. Angelika Ganser ist 1979 geboren und in Wels und dort aufgewachsen. Sie war in Salzburg an der Universität tätig, lebt jetzt wieder, kann man sagen, in Wien und möchte sich in der nächsten Zeit besonders dem Schreiben widmen. Sie hat Studien der Theater-, Film- und Medienwissenschaften und der Germanistik in Wien absolviert, sowie eine Ausbildung zur Theaterpädagogin. Ihre Texte sind vor allem in der Zeitschrift Literatur und Kritik veröffentlicht. Christine Mack ist 1963 geboren, lebt in Leonding und ist bei Magistrat Linz als Gemeinwesenarbeiterin beschäftigt. Sie verfasst Prosa, Lyrik, Minidramen und Romane und ist Absolventin der Leondinger Literaturakademie. Zahlreiche Veröffentlichungen in Literaturzeitschriften und Anthologien. 2016 ist ihr Roman Solange wir träumen erschienen. Außerdem ist sie Mitglied der Impro-Theatergruppe Humorvorsorge. Renate Silbere ist 1975 geboren, lebt in Linz. 1917 erschien ihr Erzählband Das Wetter hat viele Haare. erschien ihr Erzählband Das Wetter hat viele Haare. Für ihre Gedichte und Poserarbeiten wurde sie mit einigen Preisen und Stipendien ausgezeichnet. Letztes Jahr ist ihr Debütroman Hotelweitblick erschienen, zu dem es einige sehr schöne Buchbesprechungen gab und aus dem heute ein Auszug zu hören ist. Begrüßen wir vielleicht die drei Autorinnen mit einem Applaus gleich. Im ersten Leseteil hören wir gleich Renate Silber mit lyrischer Prosa, die von einem Wispern spricht. Danach kommt der erste Teil einer Erzählung von Christine Mack mit dem Titel Durststrecke. Und darauf lasst euch überraschen, was uns Angelika Ganser vorstellen wird. Also der Text Wispern, der hat irgendwie keinen Anfang und auch kein Ende. Also noch kein Ende, vielleicht kriegt er nie eins. Jo, ich fange jetzt an. Wispern. Sie will nichts mehr über Fakten wissen. Seit sie ihr Wispern gehört hat, ist es dieses Wispern, das sie bewegt. Und wenn sie ganz horchen ist und ganz für sich, dann scheint es, als könnte sie es sich hinzufügen. Rot es in ihrem Ohr, ist es hinter den Augen oder unter der Haut? Sie weiß es nicht. Und mit jedem ihrer Versuche, es sich zu erschließen, meint sie, das Wispern würde sich eröffnen, als wollte es sich erzeigen. Schon krümmt etwas Raum sich in diese Richtung und sie fragt, wie sie es sich erschreiben könnte, wenn die Dinge doch längst schon geschehen sind, bevor sie geschehen, und ob es wahr werden wird, auch wenn es weit entfernt sein mag. Ihre Tage verbringt sie stundenlang auf einem Geländer sitzend. Sie lässt die Beine schlenkern, blickt in die Ferne, will ihr Wispern übersetzen, Worte finden, es sprechen lassen, dennoch in keine bestimmte Richtung drängen. Sie will ihre Gedanken nicht fixieren. Um jeden fixen Gedanken gerinnt durch die Welt und davor hat sie Angst, vor den geronnenen Dingen, die sich einsteichen, um aus dem Leben einen Marktstand zu machen, dereguliert und unzulänglich. Sie will das Stillgelegte im Gedränge. Stand da nicht einst ein Baum, der stetig an Blättern verlor, und war es nicht der Wind, der dem Baum eine Gestalt gab, oder war der Baum es selbst, der dem Wind ein Gesicht gab im Beben der Zweige? Das Gras wird wohl mit allem einverstanden sein, meint sie zu wissen und schließt die Augen. Alles scheint längst in ihr geschrieben zu sein, ihre losen Gedanken, die Landschaft, das Meer, Paris und Nicht-Paris, der Teil von ihr, der Wispern ist, ihr Nicht-Bekanntes und alles andere, das sie vorträgt von dem, was ist und sein könnte. Sie geht an einen Strand entlang. Ihre Fußsohlen hinterlassen Abdrücke im Sand. Der Blick gleitet über das Wasser bis hin zum Horizont, der als Scheitel Himmel und Meer voneinander zu trennen scheint. Sie macht es sich nicht leicht. Sie fühlt sich hohl, fordert sie zu wenig, fordert sie zu viel. Ihr Wisperdenken, ist es vor den Worten, sie sucht und sucht, wird sie jemals ankommen, ihre Geschichte erfahren, in ihrem Erinnerungsraum. Jetzt ist da ihr Wispern, dass sie sich nicht erklären kann. Woher es kommt, wohin es geht, wo es sein könnte, Woher es kommt, wohin es geht, wo es sein könnte, im Überall, in einem flüchtigen Moment, in ihrem Sprachzentrum, in der Dämmerung oder in einem Muttermal. Sie will bloß etwas Zeit gewinnen, zwischen den Ästen in ihrer Hängematte liegen, in ihrem Schaukeltraum verweilen, dabei die Verben lernen, werden und vergehen. Dann sagt sie, ich mag den Dschungel, ich mag das Meer. Danke. Durststrecke. Die Pflegerin betritt vor dir das Zimmer, zeigt auf das Bett. In diesem wirst du schlafen, nicht mehr zu Hause, wo die Nächte schlaflos sind. Sie erklärt die Tagesstruktur der Station, während du deine Gedanken zu ordnen versuchst. Ständig bist du am Ordnen. Das erschöpft dich. Du solltest deinen Mann anrufen. Noch weiß er nicht, dass du hier bleibst. Die Ärztin in der Ambulanz hat gemeint, du solltest nicht bloß ein Medikament verschreiben lassen. Es wäre besser für dich zu bleiben. Du hast nicht gewusst, was du tun sollst. Dann entscheide sie eben, hat die Ärztin gesagt. Du gehst ins Bad und füllst Wasser ins Glas. Immer bist du am Trinken. Tee und Wasser. Schaust in den Spiegel. Versuchst in deinem Spiegelbild zu lesen. Bisher hat diese Frau alles bewältigt. So belastend sind die Aufgaben nicht gewesen. Vieles ist leichter geworden, die Freiräume größer. Dann eine Beziehungskrise. Ein funkensprühender Vulkan, dessen Ausbruch die Frau im Spiegel nicht vorausgesehen hat. Klärende Gespräche, wieder gewonnene Nähe. Im Inneren lodert das Feuer weiter, Gedanken, die dich beherrschen und das Vertraute entfremden. Trinkst vom Wasserglas, trinkst es leer, füllst es nach. Du legst dich aufs Bett, drehst dich auf den Rücken. Verspannungen an den Schultern, am Nacken. Oben an der weißen Decke, schwarze Punkte. Sie bewegen sich, werden größer, tanzen vor deinen Augen. Dir ist, als könntest du das Brummen von Hummeln hören. Machst die Augen zu. Die rechte Gesichtshälfte spannt seit Tagen schon. Prickeln auf der Haut wie nach einer örtlichen Betäubung, wenn die Wirkung nachlässt. Du streichst mit der Hand über das Gesicht, massierst es. Das hilft nicht. Liegen bleiben und einschlafen. Du musst deinen Mann anrufen. Durchatmen, die Hände auf den Bauch. Die Bauchdecke hebt und senkt sich. Alles sein lassen. Die anderen sich selber überlassen. Die Gedankenschleife durchtrennen. Tiefe Atemzüge, die entspannen und die brummenden Hummeln vertreiben. Wieder erwachst du nachts mit dem Gedanken, dein bisheriges Leben sei zu Ende auf. Dass ein neues Leben beginnen sollst, von dem du nicht weißt, wie ein neues sein sollst. Dein Nacken brennt, die Angst sitzt dir im Nacken. Du wankst ins Bad, dann wäscht dir dein Nacken kalt. Das Wasser ist dir nicht kalt genug. Legst dich wieder ins Bett, den Nacken kalt. Das Wasser ist dir nicht kalt genug. Legst dich wieder ins Bett. Der Nacken bleibt heiß. Gedankenrasen. Was ist zu tun? Es drängt dich, Schritte zu setzen. In diesem Zustand nur ja keine Entscheidung treffen, hat eine Freundin dir gesagt. Du weißt nicht, was zu tun ist. Du weißt es auch bei Tagen nicht Am Tage, wenn du schweren Schrittes durch die Station schlürfst Der einen Platz suchst, um Ordnung in deine Gedanken zu bringen Nebelschwader bauen Mauern, nichts reich weist dir die Richtung Mit jedem Atemzug meinst du der Bodengebe nach Stimmen sagen deinen Namen. Ein Lichtstrahl, der durch die Mauer bricht. Dann, als hätte jemand einen Vorhang weggezogen, sind Gesichter nah bei dir. Hände, die dich berühren. Die Nebel schwinden, keine Sümpfe, die dich verschlingen. Das erleichtert sehr. Dass du nicht zur Ruhe kämpfst, sagst du bei der Visite, weil du dein früheres Leben nicht mehr aufnehmen könntest, dein Zuhause verloren hättest. Verzagtheit in dir, deine mühevoll geformten Sätzen, die im Weinen ersticken. Fremdheit sei über alles gekommen, was vertraut gewesen sei, sagst du. Dein Mann, die Kinder, der Hund, das Haus, alles sei Vergangenheit. Das sei nicht die Realität, wird dir gesagt. Du seist in einem Ausnahmezustand, ein außergewöhnlicher Zustand. Woher sie wüssten, was wirklich ist, fragst du, die hier sitzen und dir beim Weinen zusehen und dein Gestammeln zu verstehen versuchen. Depressive Zustände verändern die Realität, sagt die Erstin. Du sollst dir Zeit geben, in dein gewohntes Leben zurückzufinden. Magische Worte, die das Atmen erleichtern. Deine rechte Gesichtshälfte entspannt sich. Du greifst nach der geöffneten Trinkflasche, schließt sie. Es wäre die Durststrecke hier zu Ende. Vielleicht doch eine Perspektive, ohne große Veränderungen. Du schaust in die nickenden Gesichter vor dir, stellst auf, gehst zur Tür, ein Blick zurück, freundliche Blicke, die dir folgen. Heiterkeit in dir, vielleicht, wie leichter sind die Schritte nun. Das willst du sofort deinem Mann erzählen, dass es noch eine andere Wirklichkeit gäbe als die, welche derzeit deine Gedanken bestimmt. Du suchst dein Zimmer auf, setzt dich aufs Bett, schaust aus dem Fenster. Baumwipfel, Dächer, Vögel kreisen in der Luft. Die Sonne scheint dir ins Gesicht, öffnest das Fenster, Möwen kreischen. Du nimmst Bleistift und ein Indizbuch zur Hand, setzt dich aufs Bett. Der Bleistift formt Buchstaben, finde zurück, Zitat Ende Sonnenstrahlen durchbrechen deine Haut und durchfluten wärmend deinen Körper. Die Augen fallen zu. Deine Familie kommt zu Besuch. Nach fünf Tagen verlässt du zum ersten Mal die Station. Er sucht die Cafeteria auf. Dein Mann macht Witze. Der Sohn erzählt Episoden aus seinem Studentenleben. Du erzählst von einem Arzt, der aussieht wie Mr. Bean. Du gibst dich gut gelaunt, um deiner Familie zu zeigen, dass dein Zustand sich bessert. Die Tochter schweigt, entfernt sich mit ihren Blicken. Seit du im Krankenhaus bist, hast du keinen Kontakt zu ihr gehabt. Du willst ihr zeigen, dass sie wieder mit deiner Aufmerksamkeit rechnen kann, aber sie weicht aus. Beim Abschied ein flüchtiger Kuss für ihr. Du schreibst ihr eine Nachricht. Wie geht es dir? Keine Antwort. Du, was kann ich für dich tun, meine Liebe? Keine Antwort. Deine Zimmerkollegin hat dir Pfingstrosen aus ihrem Garten hingestellt. Ihr versteht euch. Du hörst Geschichten aus dem Leben anderer, die auf der Station weilen. Geschichten über Ängste, Panik, schlaflose Nächte, Kraft und Ratlosigkeit. Die Mitpatienten fragen, was dich aus der Bahn geworfen hätte. Eine persönliche Krise, sagst du. Sie geben sich zufrieden, sie sind mit sich selbst beschäftigt. Du schreibst wieder eine Nachricht an deine Tochter. Du würdest verstehen, dass ihr den Ausnahmezustand zu schaffen mache. Sie könne mit dir reden, du wärst bereit. Sie antwortet. Du würdest ihr doch nicht sagen können, wie es weitergehe, mit dir, gemeinsam mit Papa und überhaupt. Nein, das könne ich nicht, schreibst du. Du könntest dir nur versichern, dass du alles Mögliche tun würdest, um wieder dein Gleichgewicht zu finden. Dazu seist du hier. Du würdest anders sein als normal, schreibt sie, langsamer, undeutlich im Reden. Ich nehme Medikamente, erklärst du, deshalb. Die Tochter schreibt, sie habe Angst, unter diesen Umständen die anstehenden Prüfungen nicht zu schaffen. Und du, so schreibt sie, sei es nicht da. Du fällst. Sehr. Deine Finger tippen, löschen, tippen. Was braucht sie von dir? Was kannst du geben? Du hast schon so vieles geschafft und wirst es auch diesmal schaffen. Und ich schaffe die Krise ganz bestimmt. Schickst einen küssenden Smiley. Schreibst, ich umarme dich ganz fest. Zurück kommt ein küssender Smiley. Du drückst deine Lippen auf den Display. Du weinst, weil du gern deine Kinder umarmt hättest. The Artist's Home von Man Ray und Ausgangspunkt von diesem Bild wiederum ist ein Konflikt zwischen Man Ray und seiner damaligen Lebensgefährtin Lee Miller. Man sieht das Bild teilweise auch in diesem Bild. Gegangen ist es aber um dieses Bild, bei dem es darum ging, dass das Man Ray es fotografiert hat. Er hat es aber verworfen. Lee Miller, die ebenfalls als Fotografin tätig war, hat es überarbeitet und es Man Ray gezeigt. Und daraufhin hätte es Man Ray für sich beansprucht. Und es ist ein sehr heftiger Konflikt daraus entstanden, der dann dazu geführt hat, dass Man Ray und Lee Miller sich trennten, obwohl sie ihr ganzes Leben lang noch freundschaftlich verbunden blieben. Aber Lee Miller hat sich auf diesen Konflikten von Man Ray getrennt. Und Man Ray hat dieses in dem Bild auf symbolische und hermetische Weise, würde ich sagen, verarbeitet. Und mein Text kreist jetzt assoziativ um diese Situation und um dieses Bild. Wie artest's home? Frei nach Man Ray und Lee Miller. V. A symbolic act von A wie arabesk bis V wie. Möglicherweise hatte sie es in ihrem Bewusstsein schon vorvollzogen, das Ende des Satzes, in dem die Tür ins Schloss fallen würde, schob das Ende aber dann wieder auf, aus ihrem Bewusstsein. Möglicherweise war es auch nur in verschlüsselter Form in Erscheinung getreten, flüchtig, gleichsam in Vogelgestalt. Noch bevor die Hand es zu greifen versucht, fliegt es auf, entzieht sich dem Zugriff. Noch bevor die Hand es zu greifen vermag, ist es das Nahen eines Schattens, eine, wenn auch noch so geringfügige Veränderung des Lichts, die das Tier dazu drängt, sich der Fliehbewegung zu überlassen, hastig aus dem Blickzentrum immer weiter ins Unsichtbare drängt. Lee schloss die Tür hinter sich, schreibt Mann, während ich sie wieder und wieder zu erreichen versuchte, aber ihrer Vergegenwärtigung gelang mir nur mehr im Rückblick und alles war in Fragmente zu fallen. Stückwerk, in welchem ich jenes verhängnisvolle Geschehen zu rekonstruieren versuchte, schreibt Mann. Blutrot die Hand, jenes umgeworfene Weinglas umhalsend, den Kelch imitierend, ersetzend, die Rekonstruktion des Geschehens spiegelt das ursprüngliche Geschehen nicht wieder oder das geschehene findet sich in seiner darstellung nur mehr andeutungsweise aber festgeschrieben fixiert während ich mich danach sehne das tatsächlich geschehen das tatsächliche geschehen widerrufen zu können schreibt man mich danach sehne das tatsächliche geschehen würde im akt seiner Aufzeichnung zum Verschwinden und das in ihm Verlorene wieder zum Erscheinen gebracht. Eine Art Transformation des fotografischen Blicks möglicherweise, indem ich malend den Konturen jener Fotografie nachzuspüren versuchte, schien mein Pinsel als Hand, Lies, Hals, ihr Gesicht zu berühren, in ihr Haar zu entgleiten, in einer Art immerwährender Gegenwartsform einem Ton folgen, den ich nicht kenne, oder eine Seite anschlagen, warten und während der Ton leiser werdend verklingt, das Anschlagen einer anderen Seite und so weiter oder ein Buch aufschlagen und an beliebiger Seite zu lesen beginnen, bei jenem Wort, Satz, jener Zeile, an der der Blick sich verfängt. Und während der Blick sich entfernt, schwingt das Gelesene nach. Zweite Fassung. Blickt man zurück, gelingt es bisweilen, Verbindungen und Zusammenhänge zu erkennen, gelingt es bisweilen, Loses lesbar zu machen, Fadenartiges zu verstärken, Orientierung zu schaffen, wie fadenscheinig auch immer Nur im Blick zurück oder im Vorvollzug einer Handlung, eines Geschehens ist die Konstruktion des Perspektivischen möglich scheint Unfassbares lesbar In einer Art immerwährender Gegenwartsform jene Zwischenräume sichtbar zu machen versuchen Übergänge finden, erfinden, aber das Rissige muss erhalten bleiben. Der Blick darf sich gegenüber dem Nichts nicht verschließen, schreibe ich. Jene berstenden Leerstellen, die mir dem Schreibakt bisweilen verleiden, selbst während der zweiten Fassung, in der ich mich für einen Augenblick in Sicherheit wähnte. Jene Qualen der ersten Fassung hinter mir glaubte, aber erste und zweite Fassung erkennen einander kaum wieder. Ein Tag liegt vor mir, schreibt Lee, sich vor meinen Augen entfaltend, gleich einer Landschaft, als sei ganz Paris von Landschaft durchwirkt, als sei all das so manifeste, durchscheinend geworden. Augenblicks kurz, unmittelbar nach dem Erwachen, mein neben mir noch im Schlaf, schüttelte ich die Müdigkeit ab, aber schon im nächsten Augenblick war alles wieder vorüber. Im nächsten Augenblick war alles wieder vorüber. Jene Auflösung, jenes Verschwinden, wo ich in zerrütteter Disposition Gefahr laufe, mich selbst zu verlieren. Inmitten seiner unzähligen Bilder von mir, iner ich bedurfte, möglicherweise um meine eigene Körperlichkeit nicht länger in Zweifel zu ziehen, meiner eigenen Sichtbarkeit durch seine unzähligen Spiegelungen endlich zu vertrauen. Aber es gefiel mir auch, die unterschiedlichsten Rollen, die er für mich vorgesehen hatte, zu verkörpern, mich, indem ich für ihn posierte, selbst zu finden, erfinden. Unleugbar, ein gewisser Hang zum Ornamentalen bei gleichzeitiger Neigung zum Klassischen hin. Bisweilen hatte ich während unserer gemeinsamen Zeit Schwierigkeiten, meinen eigenen Blick von jenem Men's zu unterscheiden, selbst bei Bildern, deren Urheberschaft eindeutig war. Denn ich hatte sie selbst entwickelt, fotografiert. So ließ ich es zu, dass meine eigenen Fotografien in veröffentlichter Form mitunter Men zugeschrieben wurden. Fand nichts dabei. Jedenfalls fühlte ich mich keineswegs dazu veranlasst, jene Fehlzuschreibungen zu korrigieren, schreibt Lee. Wer spricht, wer schreibt, frage ich. Ist es ein weibliches, männliches Tömbre, die Art, wie es spricht, männlich oder weiblich gefärbt, frage ich. Die weibliche Stimme immer ein wenig, als gelte es, eine Wand zu durchstoßen, eigentlich jenseits der Schrift. Stets im Begriff, sich in jenen Zwischenräumen, W. Von G wie Glas bis W ist gleich X, wo Wege sich kreuzen. Glas spiegelnd, nicht spiegelnd, trüb als Gefäß, Flüssigkeiten enthaltend, gestaltend, Worte, die einen Gedanken zu fassen versuchen in mehrfacher Wiederholung, unmittelbar nach dem Erwachen und der in ihnen erfasste Gedanke ganz nah, im abgedunkelten Zimmer beinahe greifbar, in der Dunkelkammer die Entwicklung des Bildes, jener Augenblick der Erwartung, mitunter ziehen sich Worte zurück, lauern im Schweigen in Unsichtbarkeit. Nicht immer fügt sich die Bedeutung ins Wort, nicht immer das Wort in die ihm zugedachte Bedeutung. Mitunter gelingt es, eine Art Fließ- oder Fliehbewegung vorzutäuschen, eine Art Fließ- oder Fliehbewegung zu imitieren. Der Vogel, ein Vogel symbolhaft, ikonisch, das Bildzeichen eines Vogels. Ein Vogel in Zeichengestalt, aber die Transformation in Sprache will nicht gelingen. Das Aufblitzen von Bedeutungsassoziationen. Augenblicks kurz scheint es mir, als ließe sich von jenem Punkt aus alles erfassen, als liefen in jenem punktuellen Ereignis alle Fäden zusammen. Die Auffächerung der Perspektiven in Gleichzeitigkeit, die aufgefächerten, sich einander überlagernden Perspektiven, aber alles durchscheinend, also ohne einander aufzuheben? Ist es ein Überblendungseffekt, frage ich, glasspiegelnd, nicht spiegelnd, trüb, als Gefäß Flüssigkeiten enthaltend, gestaltend? Möglicherweise bestehe ein enger Zusammenhang zwischen weiblicher Schrift und der Negativform des Bildes, also sei weibliche Schrift stets im Begriff entwickelt, erfunden zu werden, also ereigne sich weibliches Schreiben beinahe ausschließlich in jenen undefinierbaren Leerstellen zwischen den Zeichen, undefinierbaren Leerstellen zwischen den Zeichen, weiß inmitten von schwarz, ihr Hals offengelegt, ohne Scheu davor, sich zu offenbaren, während Blick und Gesicht, abgewandt vom Betrachter, dem Bild zu entfliehen scheinen, schreibt Mann, die Konturen fließend ins sie umgebende Schwarz, als sei sie im Begriff darin zu ertrinken oder sich daraus zu befreien, ausschärend, im Gegentakt, sich dem Zugriff des Schwarzen entziehend. Blutrot die Hand jenes umgeworfene Weinglas umhalsend, den Kelch imitierend, während Lies Hals zum Hals des Jellos als Gegenentwurf, so in Mikrogestalt. Ein Blick auf jenes verhängnisvolle Geschehen, schreibt Mann, alles in Stückwerk zerfallen, aber nicht ohne Bezug zueinander, wenn auch geheimnisvoll gleichermaßen verschwiegen, berät. Das Geschehen, welches das Bild motiviert haben mochte, ist außerhalb zu verorten, schreibe ich, oder das ursprüngliche Geschehen ist in seiner Darstellung, Rekonstruktion, in vielfacher Weise verschlüsselt. So verbirgt sich das ursprüngliche Geschehen in seiner Darstellung, Rekonstruktion im Blick des Betrachters. Unmittelbar nach dem Auffliegen des Vogels der Zweig, der im lautlosen Nachschwang, augenblickskurz jene Spaltung des Blicks, unschlüssig wie jenes Entfliehen verfolgen. Z wie Zero, Y, Y, Y. Z wie S, Sehen beispielsweise. gleitet nun doch ins Ironische über, das Ende des Satzes, welches sich auch in der zweiten Fassung hinauszuzögern versuchte, indem ich den Schreibakt unterbrach, je näher ich mich dem Ende des Textes fühlte, oder vielmehr stellte sich mir das bevorstehende Ende des Satzes als zunehmendes Versiegen des Schreibflusses dar, das ich bisweilen als Absolutes erlebte, als sei ich nicht eines Wortes mehr fähig, als sei jene wunderbare Fähigkeit des schreibenden Ausdrucks nun vollends versiegt, wie ich es ja schon mehrfach vorhergesehen hatte oder vorherzusehen glaubte. Das Ende des Satzes, mit dem die Tür ins Schloss fallen würde, jene Fotografie, die jenen Konflikt entfacht hatte, Jene Fotografie, die jenen Konflikt entfacht hatte, betitelt Hals, Neck, Lee Miller, Paris 1930, angedeutet sei, dass Lee und Mann sich letztlich doch noch auf gemeinsame Urheberschaft einigen konnten. Jenes verhängnisvolle Geschehen, dem Mann sich in jenem Gemälde betitelt, die Artists Home erneut zu nähern versuchte, die Frage nach der Bedeutung, nach wie vor hängt manches lose herum, Fäden, die da und dort in Irrwegen enden, vielleicht mag der Leser dort weiterzugehen, jene Irrwege zu verfolgen, weiterzugehen, jene Irrwege zu verfolgen, zweifellos die interessanteren Spuren, Winke, die nach außerhalb führen, ins Jenseits des Textes. Das Schließen der Tür, ungewiss von welchem Tag, welcher Lichtstimmung man empfangen würde, ungewiss dessen, was dem Schließen der Tür nachfolgen würde. Ungewiss der Bedeutung. Zwischen den beiden Leseteilen bei den Frauenstimmen ist es immer üblich, dass es entweder ein Gespräch mit den Autorinnen gibt oder Fragen an sie. Und ich beginne gleich mit Angelika Ganser, deren Text The Artist's Home wir gerade gehört haben. Angelika, in deinem heute vorgetragenen Text steckt sehr, sehr viel Kunstfertigkeit. Das erschließt sich erst beim genauen Lesen und beim wiederholten Lesen. Es ist ein sehr genaues Lesen damit nötig und das bringt das Risiko mit sich, dass der Text nicht leicht verständlich ist. Ich kenne ein paar andere Texte von dir, bei denen es mir beim Lesen ähnlich ergangen ist. Nun gewissermaßen eine Gretchenfrage für die Angelika. Wie hältst du es mit der Verständlichkeit? Möchtest du diese bei den Lesenden und Zuhörenden erreichen oder im Gegenteil bewusst verrätseln, verschleiern, im Unklaren lassen und damit immer zu neuen und wiederholten Lesen anregen? Also Verständlichkeit ist tatsächlich ein Kriterium, das mich sehr beschäftigt beim Schreiben, ohne allerdings, dass ich es unbedingt erzielen möchte. Ich muss auch sagen, ich bin als Leserin, habe mich jener Texte am meisten geprägt, die ich nicht verstanden habe oder die sie mir erst später erschlossen haben. Und insofern, das will man dann natürlich auch irgendwie im Leser erzeugen. Ich schreibe auch relativ intuitiv. Insofern bin ich auch der Meinung, Schreiben ist nicht gleichbedeutend mit Sprechen. Im Sprechen ist es natürlich wichtig, sich klar auszudrücken. Und beim Lesen hat man die Möglichkeit, wiederholt zu lesen oder langsamer zu lesen. Und ein Text hat für mich eben auch ja, abgesehen von der Verständlichkeit, auch so viele andere Kriterien, die ebenso ausschlaggebend sind. Sprachklang zum Beispiel. Sprachklang, Bilder und ich finde mein also ich Und ich finde, mich inspirieren unverständliche Texte auch sehr. Und es ist aber auch bei mir so, dass ich selten ein so klares Bild beim Schreiben habe, dass ich wirklich klar darüber schreiben könnte. Ich lese jetzt den Anfang deines Textes nochmals vor. Möglicherweise hatte sie es in ihrem Bewusstsein schon vorvollzogen, das Ende des Satzes, mit dem die Tür ins Schloss fallen würde, schob das Ende aber dann wieder auf. Wenn man den Text vor sich sieht, wir haben ja nur zugehört, wenn man den Text vor sich sieht, fällt auf, dass kein einziger Punkt, abgesehen von Abkürzungspunkten oder Auslassungspunkten vorkommt, kein Satzabschlusspunkt, nicht einmal ganz am Ende, da steht ein Gedankenstrich. Der ganze Text ist also ein einziger Satz ohne Ende, wie es am Anfang auch heißt. Hier entspricht also die Form des Textes genau dem Inhalt. Wie siehst du diese Entsprechung von Form und Inhalt bei Texten? Ist dir das etwas besonders Wichtiges für dich? Auf jeden Fall. Ja. Wobei, ja, also auf jeden Fall und eigentlich nur wieder. Sehr oft entsteht allerdings auch die Form. Ich meine, bei dem Text war es jetzt sehr klar, also dadurch, dass es einerseits das Ende einer Beziehung ist, gleichzeitig aber auch die Frau mehr oder weniger, wo da beide Figuren eigentlich ins Offene treten, war die Entscheidung sehr schnell da, dass es auch ins Offene gehen muss und gleichzeitig ist aber, ich meine, der Text ist schon nicht durchsetzt durch durchs Satzende durchbrochen, aber es ist Überschriften und also ist also Gliederung ja und irgendwo es ist ja und für mich irgendwo, ich glaube ich bin kein, also wenn es jetzt so wirklich ums Beschreiben von Realität geht, ist nicht meine Stärke. Insofern liegt mein Fokus wirklich auf der Darstellung. Mein Fokus liegt einfach wirklich auf der Darstellung. Und ich finde, es ist die Art und Weise, wie ich etwas darstelle, es verändert auch den Inhalt. Das ist sehr faszinierend, jedenfalls zu lesen. Jetzt zu Christine Mack. Sie wollten... Ach so. Es ist gut, wenn man schreibt, alsoreibt man sie mit der Hand oder am Computer? Ich finde, das macht einen großen Unterschied, wo man dann die Zeilenumbrüche tätigt, weil ja wieder die Frage von Inhalt und Form war, ob das vor allem bei assoziativen Texten genauso korreliert im Moment, dass du halt dann die Abteilungen machst oder in einem durchschreibst oder manche Texte in Berufspunkte oder keine Punkte setzt, weil das ist ja was, was visuell dann natürlich auch eine Resonanz erstellt. Genau, was visuell ist und auch was sehr körperliches irgendwo. Genau, und nein, danke für die Frage. Also ich schreibe mit Computer, aber ja, mit Hand. Ich habe schon mehrmals mit der Hand versucht und es werden die Texte anders. Das stimmt. Aber ich bin trotzdem noch im Computer. Ich schreibe mehr mit dem Computer. Aber es stimmt, es beeinflusst die Texte selber. Aus deinem Text Durststrecke haben wir den ersten Teil schon gehört, ein zweiter folgt nachher noch. Es ist die Geschichte einer Frau in einem Ausnahmezustand. Was interessiert dich an Ausnahmezuständen und welcher Art und welche Personen stellst du dir da vor? Was mich interessiert an dem Zustand ist der Kontrollverlust. All das, was wir gelernt haben, wie ich auf Situationen reagiere, was Routine ist, geht verloren. Und was in diesen Zuständen kommt, aber dann doch zu tragen, dass man diesen Zustand aushält oder aus diesem Zustand herauskommt. Ja, da denke ich eher an psychische belastende Situationen, wo auch so ein Stück weit Realitätsverlust, wo man nicht mehr weiß, was ist jetzt die Wirklichkeit und ich denke, das ist ein Zustand, der sehr verunsichert. Ich kenne Christine schon einige Zeit und finde die Vielfalt ihrer Texte faszinierend. Ich kenne ihren Roman, einige Texte Prosa Viliuric und die du gelegentlich bei anderen Frauenstimmen schon vorgetragen Ihre Texte faszinieren dich gerne wie ein Roman, einige Texte prosa wie Lyrik, die du gelegentlich bei anderen Frauenstimmen schon vorgetragen hast, darunter ein witzig schwarzhumoriges Tramulett, das wir mal gemeinsam vorgetragen haben. Und schauspielerisch bist du auch unterwegs. Was hat es mit dem Impro-Theater Humorvorsorge auf sich? Erzähl uns ein wenig davon. Theater, Humorvorsorge auf sich, erzähl uns ein wenig davon. Ja, also Impro-Theater heißt, es wird da kein Text oder keine Szene eingeübt, sondern wirklich ein spontanes Theater. Und für mich war das einfach die beste Gelegenheit, nicht lange an einem Stück zu proben, wobei mich das auch fasziniert, aber ich bin da sehr ungeduldig. Ja, und das Faszinierende ist diese Präsenz. Du gehst auf die Bühne und du nimmst, was kommt. Du lässt dich inspirieren von dem, was gerade da ist und folgst deiner Intuition. Also Steckreiftheater im Sinn ist das. Ja, genau. Ja, danke. Renate Silberer, wie ist es dir letztes Jahr gegangen, als dein erster Roman Hotel Weitblick erschienen ist? Noch dazu in der besonderen Corona-Situation, wo es mit Lesungen schwierig war und der recht erfolgreich angekommen ist. Wie groß war deine Freude über diesen Erfolg? Groß natürlich, überraschenderweise groß. Es hat mich eher verwundert, weil es ist ja das Thema, also im Roman geht es hauptsächlich um dieses Weitergeben von nationalsozialistischer Erziehungsideologie auf die Folgegenerationen. Und ich habe mir eher gedacht, dass so wie die eigentliche Hauptfigur im Roman ist die Johanna Hara, die ja die Erziehungsbeauftragte des Nationalsozialismus war, wobei sie nur in Zitaten vorkommt im Buch. Ja, also die schon tatsächliche Hauptfigur ist ein Konsulter, der mit seinem Leben als Konsulter bricht. Aber ich lese dann eh kurz was vor. Und ja, es war für mich überraschend, dass es doch so viel Resonanz gegeben hat, weil ich mir gedacht habe, so NS-Pädagogik, nationalsozialistische Erziehungsideologie, wie ist das jetzt auch im Zusammenhang mit Kapitalismus, könnte es da irgendwie a ja angeregt, ihre Kinder möglichst gefühllos zu erziehen und es hat ja nicht nur einen Ratgeber von Johanna Haarer gegeben, sondern mehrere. Ja, und ich habe mir eigentlich gedacht, dass das Buch da gar nicht so beachtet wird, aufgrund des Themas und war dann überrascht eher, dass es, war dann in einem großen Festival eingeladen und das war schon sehr schön. Bis vor deinem Roman kannte ich von dir hauptsächlich Kurzgeschichten, Kurztexte und vor allem lyrische Texte. Die Lyrikerin kommt in deinem Roman auch recht gut durch. Schildere uns bitte ein wenig davon, was beim Schreiben eines Romans für dich anders war, ob es dir leicht oder schwerer gefallen ist und ob du wieder einen Roman planst. Ja, also dadurch, dass bei diesem Roman es halt so viel Recherchematerial gegeben hat und ich wirklich sehr viel Literatur gelesen habe über Nationalsozialismus, über Kindheiten während des Nationalsozialismus, über Kindheiten während des Nationalsozialismus, über Traumatisierungen der Nachfolgegenerationen, war das ein völliger anderer Zugang, weil es so viel recherchiertes Material gegeben hat. Es hat aber dann, während des Schreibens selbst, war das da irgendwie im Hinterkopf, aber ich schreibe eher mehr entlang von Motiven oder assoziativ. Und es, ja, also, wie soll ich sagen, ich finde es schwierig. Ich arbeite auch viel mit Träumen und habe das auch in dem Roman gemacht. Und das mache ich bei Gedichten, das mache ich bei Kurztexten. Und es sind immer so einzelne Splitter, denen ich dann folge. Also so ein wirklicher Unterschied war nicht. Eigentlich. Es war ein längerer Prozess. Der Zeitraum des Schreibens hat länger gedauert. Und Roman ist jetzt keiner geblieben? Ich schreibe jetzt an einem Gedichtband und ja, Roman, ich weiß nicht, ob ich jetzt so eine klassische Romanautorin bin. Ich würde mich jetzt nicht so sehen. Man muss ja nicht nur Romane lesen, es gibt ja auch viele andere schöne Sachen. Danke euch dreien für die Antworten, die euch näher vorgestellt haben. Jetzt kommen wir zum zweiten Leseteil. Der beginnt mit Plürig von Renate Silberer. Darauf hören wir weiter, was mit Christine Max Protagonistin auf der Durststrecke geschieht. Und am Ende des Teils liest uns Renate Silberer noch Auszüge aus ihrem Romanhotel Weitblick vor. Quartier Da ist dein Maul an der Wand mit Korb und Kind Glasfische am Fensterbrett Daneben die Tapete von Schweigen bedeckt Dein eingerollter Körper, ein Al im Korb Farben drängen dich, doch das Weiß umhüllt sie immer fort. Es müssen wohl erst Berge verdaut werden, um diesem Weiß zu entrinnen. Alpen überquert, Meere durchschwommen, dieses Maul versehrt. In allen Farben Luft durch dich hindurch. Wie bist du hergekommen? Wäsche in Frau, Klumpen am Körper, Hände in Furchen, wagst du den Sprung übers Eis, es heißt, der Traum bezieht Quartier, lädt man ihn ein, öffnet sich eine Tür. Er wäre das Weiß nur im Außen geblieben, Wolkengemenge weit weg. Verschieb er einzig vom Wind, doch auch der hielt still, bewegte sich nicht. Erst dachtest du reif, dann Nebel, schlussendlich Schnee, der Warnen weiß. Sogar die Nacht kann sich nicht vor ihm schützen. Du bist wie geblendet, deine Augen suchen nach Farben, du musst sie finden, es gibt kein Zurück. Höhlen beginnen sich in dir auszuschälen, langsam und immer aufs Neue. Du willst doch nur den Maulkorb verlassen, nicht auszudenken. Wärst du Kind geblieben, Traumspur, von all dem weit fort. Wirst du hinabsteigen ins dunkle Meer, sehen wie Felsen zerspringen? Entlang der Steilküste lösen sich erste Krusten. Gelbe Sprenkel kommen zum Vorschein, Leuchtgras im versunkenen Tal. Du streifst von Trümmerfeld zu Trümmerfeld, lässt dich nicht beirren. Hörst die Stimme, die Ja sagt, die Na sagt, ihre Klänge in deinem Körper, Töne in schillernden Farben, ruhst jetzt als Boje über dem Grund. Bevor du schläfst, in dir verschwindest, Angebahnte verdichtet sich, wird laut, wird Wort, du zögerst. Das Vergessen ist da, das Vergessene auch. Deine Augen schauen auf, Blickzeit. Das Licht zieht Spuren, heller als, greller als, deine Erinnerung schleudert Steine. Was sich deckt in einem Satz, kann Wahrheit bergen, Wahnsinn auch. Du weichst zurück. In deinem zerwanderten Körper schlägt das Herz einer Bärin. Sanft und ruhig, wie die Landschaft. Ein großer Stein neben all den kleinen. Drängt er dich? Trennt er dich? Suchst du die Übereinstimmung oder die Lücke? Wie bekümmert die Bärin ist? Steine sind manchmal nichts als Steine. Bilder unscharf nahe dem Staf. Doch nicht der Übergang ist hier die Frage. Verwirrung, dir wird warm ums Herz. Kommt Skepsis auf? Kommt Skepsis auf? Vielleicht nur ein kurzes. Wölbung. Vor dem Spiegel stehen, dabei beinahe bis ins Ungeahnte sehen, um zu klären, wozu Moos wächst auf Steinen, Raupen, sich einrollen, wie Wendeltreppen in deinem abgelegten Gesicht. Das Nichtgesagte. War es nicht eben noch da, schon ist es dort, in sich verriegelt. Vielleicht könnte ein Liedschlag sein Halten zum Einsturz bringen, indem es flimmerte unter der Haut wimmelte, ein Traumrest sich wölbte, im Schatten des Searenbahnen umzäunt nur von der Knochigkeit des Schädels. Dein Mann besucht dich, ist jetzt euch auf die Bank im Garten, jetzt, wo du zur Ruhe gekommen seist, viel Zeit hast, um herauszufinden, was du willst, ob du vorhättest, wieder zurückzukommen, nach Hause, zur Familie, zu ihm. Du würdest ihm gerne die Haare, die an seiner feuchten Stirn kleben, aus dem Gesicht streichen, aber du willst keine Nähe andeuten, wo du nicht sicher bist, was für dich stimmt. Das sei zu früh, sagst du, du müsstest dir über manches klar werden. Dazu hättest du Therapien, den geschützten Ort. Wovor du Schutz brauchst, fragt dein Mann. Vor einstürzenden Gedanken, sagst du. Ob eure Beziehung einsturzgefährdet sei, will er wissen. Wenn ja, warum? Nichts sei in den vergangenen Wochen sicher gewesen, sagst du. Du möchtest für einen Tag nach Hause und feststellen, ob es wieder dein Zuhause werden kann. Du siehst in sein ratloses Gesicht. Das wäre doch ein Anfang, sagst du. Er nickt. Du versuchst ein Lächeln und zuversicht zu streuen. Die warmen Abende verbringst du mit Patienten auf der stationseigenen Terrasse. Es wird darüber geredet, was man im Leben falsch gemacht hätte und was nun zu ändern wäre. Die meisten scheinen zu wissen, was zu tun sei. Du weißt es nicht. Weißt nicht, was du ändern möchtest. Ob dir vielleicht der Mut fällt, etwas zu ändern, fragst du dich. Die Gespräche mit dem Psychologen bringen dich nicht weiter. Er ist jung, du fühlst dich ihm überlegen. Du suchst nach dem, was dich belastet und stellst fest, dass all diese Dinge Vergangenheit und in der Gegenwart nicht mehr von Bedeutung sind. Es käme dir vor, deine Lebenszeit sei durcheinandergewürfelt, sagst du zur Pflegerin, mit der du gut reden kannst. Dass du aufhören solltest, alles zu analysieren, sagt sie. Aber das Hinterfragen, das Dahinterschauen würde die Antwort geben, warum die Depression, erklärst du. die Depression, erklärst du. Es riecht nach Kuchen und Kaffee. Der Hund will nicht mehr aufhören, dich zu begrüßen und schlägt dir übers Gesicht. Du lässt es geschehen. Deine Tochter umarmt dich, du drückst sie. Ihr trinkt auf der Terrasse Kaffee und esst Marmorkuchen, den deine Tochter gebacken hat. Sie erzählt, dass der Hund neuerdings beimorkuchen, den deine Tochter gebacken hat. Sie erzählt, dass der Hund neuerdings bei ihr im Bett schlafe, das gefalle ihr. Dein Mann sagt, die Nachbarn nach dir fragen. Ihr überlegt, was er ihnen sagen könnte. Du gehst durch die Räume, berührst den Tisch, die Stühle, den Schrank, das Bett. Etwas von der Fremdheit weicht einer alten Vertrautheit. Gehst in den Garten, zupfst Unkraut zwischen den Gemüsepflanzen, gießt Erntesalat und Radieschen. Die Lubinien sind aufgeblüht, sie leuchten rot und blau zwischen den weißen Faden. Die Tochter weichte nicht von deiner Seite. Sie weint beim Abschied. Es sei schön gewesen, daheim zu sein, sagst du. Danke für den Kuchen. Die Körpertherapien magst du besonders. Spüren, wie die Kräfte allmählich zurückkehren und dein Körper nach Bewegung verlangt. Das Schlafmittel würde man allmählich abskehren und dein Körper nach Bewegung verlangt. Das Schlafmittel würde man allmählich absetzen, sagt die Ärztin, das sollst nicht abhängig werden. An den Esstischen suchen sich neue Patienten und Patientinnen einen Platz. Ihre Mundwinkel hängen nach unten, die Augenlider sind halb geschlossen, die Blicke gehen ins Leere. Ob auch du so da gesessen seist an den ersten Tagen, fragst du dich, als die Nebelschleier um dich waren. Wenn ja, dann müssen Freunde und Familie sehr besorgt gewesen sein. Ob du mit deinem Mann für eine Nacht wegfahren könntest, fragst du die Ärztin bei der Visite. Es spreche nichts dagegen, meint sie. Sofort sendest du deinem Mann eine Nachricht, auch er freut sich auf zwei gemeinsame Tage. Deine Zimmerkollegin wünscht dir ein schönes Wochenende. Sie macht einen Kurzbesuch zu Hause und werde wieder Pfingstrosen mitbringen. Der laue Sommerabend lädt ein, draußen zu sitzen. Episoden aus dem Leben werden erzählt. Es wird viel gelacht. Und dein Lachen drängt stimmgewaltig aus deinem Mund, lässt deinen Körper beben und Tränen über die Wangen laufen. Der Nachtpfleger steht an der Tür, legt den Finger an die Lippen. Psst, andere Patienten wollen Ruhe haben. Die letzten Tage sind sehr erleichternd gewesen. Du hast ohne Schlafmittel durchgeschlafen. Deine Kinder haben die Prüfungen geschafft. Nur noch wenige Tage und du wirst diesen Sternenhimmel von deiner Terrasse aus betrachten. Du wirst mit deinem Mann die Sommerabende genießen. Wirst du in deinem Bett Schlaf finden? Deinen Alltag wieder aufnehmen? Aufgaben bewältigen? Wird das gelingen? Ein mulmiges Gefühl im Bauch, Kribbeln auf der Haut, Lachen in der Kehle. So ist es, wenn etwas Neues beginnt, sagst du dir. Ich werde von Hotel Weitblick den Anfang lesen und dann noch ein paar kurze Sequenzen. Der Marius Tankwart, die Hauptfigur, der will mit seinem Wirtschaftsleben brechen. Der hat eine Frau kennengelernt, die Theresia Mundgold, der Antiquarin. Und mit der hat er sich unterhalten und der will einfach ein neues Leben jetzt beginnen. Das Geschehen, das der Roman erzählt, ist sein letztes Seminar, sein letztes Assessment Center im Hotel Weitblick, das ein abgeschiedenes Landhotel ist. Und er tut einfach nicht mehr so, wie ein Konsultant tut. Also er verhält sich ganz anders und das sorgt dann für ziemlich viele unerfreuliche Situationen. Ein Mensch ist mehr als ein Beruf, viel mehr. Ich weiß das, aber ich weiß es noch nicht lange. Bis vor einem Jahr habe ich mich ausschließlich anhand meiner Tätigkeit definiert und ich war stolz, im Ranking der 100 erfolgreichsten Konsalter Österreichs unter den Top 50 aufzuscheinen. Hatte mein Karriereziel erreicht, ich wollte ja nichts anderes als Erfolg und Geld. Das waren meine Impulsgeber. Bis mein Leben Tschulpi wurde. Bis mein Leben Tschulpi wurde. Natürlich ist Tschulpi kein Wort im herkömmlichen Sinn. Ich habe es erfunden. Und es ist zu meinem Wort geworden. Seine Bedeutung hat sich in mir entwickelt. Prozesshaft würde ich sagen, nicht linear. Sobald ich beginne, mich einer Sache anzunähern, begleitet Tschulpi mich wie ein Freund. Als hielt er das Wort meine Hand, wenn ich weiß, dass ich weitermachen werde in meinem Mirnir kommen, aber Angst davor habe, Zusammenhänge zu entdecken, die mir nicht gefallen könnten. Wenn ich nicht wirklich sehen will, was ich mir zeigen könnte und es mich dennoch drängt hinzusehen, weil da etwas ist, das lange verborgen, sich endlich zeigen kann. Jeder Mensch sollte ein Wort für sich alleine haben, eines, das ihm Halt gibt. Ich habe mich darauf eingelassen, herauszufinden, wer ich bin. Ich habe, ja, was habe ich eigentlich? Ich habe Eckdaten. Name Dr. Marius Tankwart, Familienstand Ledig, Geburtstag 9. April 1970, Einkommenssituation hervorragend, Lebenszufriedenheit, verbesserungswürdig. Sehr verbesserungswürdig, habe ich gestern noch zu Frau Mundgold gesagt, gezwinkert und gedacht. Sie hatte erst geschwiegen, mich dann doch gefragt, Marius, sag mir eins, wirst du dein Abschiedsseminar nun so gestalten, wie du es für richtig hältst? Jens, wirst du dein Abschiedsseminar nun so gestalten, wie du es für richtig hältst? Daran besteht kein Zweifel, habe ich geantwortet, obwohl ich Zweifel habe. Sie weiß das und ich weiß, dass sie weiß, dass ich weiß. Wir haben uns angesehen und sie hat mir mit ihrem liebevollen Blick Aufmerksamkeit geschenkt. Dann hat sie mir eine zweite Tasse Tee eingegossen und gesagt, Marius, deine Reisetasche steht gepackt in deiner Wohnung. Dein Flug nach Mexico City ist für Montagabend gebucht. Die lange sehnte Reise in dein neues Leben. Ja, habe ich gesagt, one way. Und sie hat geantwortet, ab Sonntagabend hast du deinen Lebensabschnitt als Konsultant hinter dir. Komm, nimm dir noch einen Keks. Also der Marius ist eben jetzt schon im Hotel Weitblick, er hat heute Geburtstag und seine Mutter hat ihn angerufen. Seine Mutter ruft ihn jedes Jahr an seinem Geburtstag an und erzählt ihm, wie seine Geburt war und er kommt eigentlich nie zu Wort. Und jetzt werde ich die Stelle vorlesen, wo sie aufgelegt hat. Sie hat aufgelegt. Und ich habe ihr wieder nichts von Johanna Haarer erzählt, der Frau, die ihre Richtlinien zur Kindererziehung geprägt hat. Sie hätte mir sowieso nicht zugehört. Sie hätte stattdessen einer in ihre Sprüche gesagt, entweder Erziehung ist Sache des Hausverstands oder nach der Entbindung beginnt die Erziehung. Sie hätte, wozu quäle ich mich? Und irgendwo in einer Hängematte liege, direkt am Strand unter Palmen. Und zwischen den Blättern schaut der Himmel hindurch. Und ich schlafe und schlafe und trinke je nach Verlangen Kaffee oder schlendere den Strand entlang. Aber nein, ich wünsche mir noch immer das Mama. Ich werde bald 50 und... Johanna Hara, wer soll das sein, würde sie mich fragen, um schnell hinzuzufügen, ich habe diesen Namen nie gehört. Ich würde erwidern, Johanna Hara war die Erziehungsbeauftragte des Dritten Reichs und Oma war im Bund deutscher Mädel. Was glaubst du, wurde ihr dort beigebracht? Ich werde es dir sagen. Sie hat gelernt, wie die zukünftige deutsche Mutter ihre Erziehungsaufgaben zu erfüllen hat und welche Maßnahmen anzuwenden sind, um den Nachwuchs zu einem Nationalsozialisten zu erziehen. Das stimmt nicht, würde Mama sagen. Das wüsste ich und ich habe nie davon gehört. Es ist kein Geheimnis, dass Oma beim Bund Deutscher Mädel war. Das meine ich nicht, wäre ihre Antwort. Von so einer Erziehung habe ich nie gehört und, Marius, das war damals einfach so. Oma musste bei diesem Bund sein, du alle mussten. Sie hat dort ja nur gehandarbeitet und bei Ernten mitgeholfen. Wo sind die Karteikarten im Rucksack? Da, ein benütztes Taschentuch, der Kugelschreiber, die Schere, der Klebstoff, Bleistifte, eine Lochmaschine, meine Sonnenbrille. Hier sind die Karteikarten, die unbeschrifteten zwischen den beschrifteten. Ah, hier ist diejenige, die ich suche. Nach der Abnabelung wird das Kind erst einmal beiseite gelegt und für 24 Stunden in einem abgedunkelten Raum frei von Nahrung und fern der Mutter verwahrt. Johanna Hara, 1938 Der Marius hat eben so dieses Buch, also sein Heft, dieses Tschulpi-Heft und da schreibt er immer was rein. Und jetzt lese ich einen Gesichtsvermerk vor, den er dann so nach diesem Kontakt mit seiner Mutter geschrieben hat. Kontakt mit seiner Mutter geschrieben hat. Das Gesicht. Bleibt es ein Ort für überhastete Nachrichten? Für unschiffrierte Meldungen, schnell und schneller? Meldungen, die auseinander treiben, was zusammen zu gehören scheint. Nase, Stirn, Augenbrauen, Mund- und Wangenpaar. Mein Blick schreckt sie auf. Dahinter, was ist da? Die geheime Struktur des Unsichtbaren, die Unterwelt. Mein Gesicht zerfällt. In Bereiche, die mir unzugänglich sind. Es scheint, als würden diese Bereiche nicht zur Sprache gehören. Als blieben sie ausgeklammert in ihrer Unbeschreiblichkeit. Warum nur ist der Blick in den Spiegel so punktuell? Ist es vielleicht nicht dieser Blick, der in eine Betrachtung wachsen sollte, sondern ein anderer, ein noch nicht gewagter? Er schaut sich dann einen Western an und schläft währenddessen ein und hat da was geträumt. Und ich lese jetzt, was war, nachdem er aufgewacht ist. Ich wache auf. Wo war ich, der Western? John redet heute sehr laut. Ich schalte den Fernseher aus. Der Traum ist noch vor meinen Augen. Langsam beginnt er zu verblassen. Jetzt gilt es, wachsam zu sein. Hol dir ein Glas Wasser, Marius. Versuche, an nichts zu denken. Alles, was folgen wird, wird mit dem Traum zu tun haben. Nur das zählt. Beeil dich. Ein Bild taucht auf. Ich sehe mich in meiner Wohnung am Schreibtisch sitzen, eine Karteikarte schreibend. Unser Kind. Das also ist die Karte zu diesem Traum. Da läuft es nun herum zwischen uns Großen, fängt an mit uns zu sprechen und lebt immer mehr mit uns. Ist es denn wirklich schon ein Mensch wie wir, nur eben kleiner? Johanna Haarer, 1938. Ein Mensch wie wir? Ach Oma, ich sehe sie auf der Sonnenbank vor ihrem Haus sitzen. Sie trägt ihre grün-braunkarierte Schürze und ein dunkelblaues Kopftuch. Ich sitze neben ihr. Sie ist mir nicht zugewandt. Sie spricht über ihre offene Wunde an der Wade, die nicht verheilen will. Schon seit Wochen. Obwohl jeden Tag am Morgen und am Abend eine mobile Hauskrankenpflege zu ihr kommt, um das Bein zu bandagieren. Die Schmerzen, die ich zu ertragen habe, sind schier unerträglich. Höre ich sie sagen und sehe sie an mir vorbei auf die Wiese schauen. Es blühen kaum Blumen. Das Gras ist hoch. Ich entdecke Löwenzahn und Johanneskraut. Ich habe Kuchen mitgebracht und hole aus der Küche in ihrem Haus Gabeln und Kuchenteller. Ich möchte ihr die Hand drücken, ihr in die Augen schauen. Wir essen schweigsam. Ich sehe sie von der Seite an. Sie hat immer gern gebacken und gekocht. Das hat sie gemocht, das Verwerten von all dem, das wächst in Marmelade oder Essigsaurus. Ich erinnere mich an meine Worte. Oma, bald schon wird deine Wunde verheilt sein, ich bin sicher. Und ich sehe sie nicken. Dabei ist sie Topfenstrudel und mir fallen die dunklen Ringe um ihre Augen auf und ihr ungewaschenes Haar, das unter dem Kopftuch hervorschaut. Schläfst du schlecht? Ja. das unter dem Kopftuch hervorschaut. Schläfst du schlecht? Ja. Wieder möchte ich ihre Hand nehmen und lasse es sein. Sie greift in die Schürzentasche, holt ein Jugendfoto heraus. Als Mädchen blickt sie mir mit zwei langen, geflochtenen Zöpfen und einem exakt gekämmten Mittelscheitel lächelnd entgegen. Ich habe im Bauerndeater immer die Liebesrollen gespielt, höre ich sie sagen, und gedanzt habe ich wie keine andere. Hättest einen anderen nehmen sollen, hat dein Opa am Sterbebett gesagt, aber ich wollte nur ihn. Witwe wurde ich viel zu früh. Einfach war das nicht. Ich sehe sie über das Foto streichen mit ihrer Hand. Ihre Adern bilden kleine Hügel, Altersflecken sind auf der Haut. Ihre Adern bilden kleine Hügel, Altersflecken sind auf der Haut. Auf dem Foto hält sie eine Tafel. Schuljahr 1941-42 steht darauf. Ich sehe das junge Mädchen vor mir, das Oma in ihren Händen hält. Das haben sie dir nur alles gesagt. Und du? Hast du es geglaubt? Hattest du nicht ein Fragezeichen in dir? Irgendwo? Ich habe das Bedürfnis aufzustehen, gehe ein paar Schritte Richtung Fenster. Draußen ist es dunkel. Die Lichter in den Laternen sind bereits ausgeschalten. Ich will vor die Tür, ziehe die Pantoffel an. Im Gang schaltet der Bewegungsmelder automatisch das Licht an. Hier ist nichts mehr wichtig für mich, flüstere ich in den Raum und denke an mein Frühjahr, an die Besprechungen mit dem Chef, die mir das Gefühl gaben, unverzichtbar zu sein, wertvoll für das Unternehmen. Es schüttelt mich. Ich gehe zurück in das Zimmer, hole Polster und Decke, gehe den Gang entlang zur Terrassentür, öffne sie. Die kühle Luft ist angenehm. Ich gehe hinaus und setze mich auf einen Liegestuhl, wickle mich in die Decke ein. Am Himmel sind Sterne. Das Sternbild des großen Wagens erkenne ich. Es ist eine klare Nacht. Oma wird bereits schlafen. Ich wünschte, sie säße, so wie ich jetzt, in eine Decke gehüllt auf der Sonnenbank vor ihrem Haus und würde, obwohl weit entfernt, mit mir jetzt diese Sterne betrachten. Einmal habe ich sie umarmt und als ich sie berührte, bin ich sofort zurückgeschreckt. Da war kein Gefühl. Ich hätte ebenso einen Stock umarmen können oder eine Schaufel. Sie blieb mir abgewandt. Ich stehe auf und gehe zum Fernrohr, das am Geländer der Terrasse befestigt ist, werfe eine Münze hinein. Statt zu den Sternen schaue ich in das Dunkel der Landschaft. Es ist nicht leicht, meine Angst wahrzunehmen, ohne vorher zu flüchten. Ich weiß nicht, wie es weitergehen wird in meinem Leben. Es ist das erste Mal, dass ich kein Ziel vor Augen habe. Nein, das stimmt nicht. Dass ich keine zielgerichteten Handlungen auszuführen, gke, die Ergebnisse zeitigen, die richtig sind für andere. Keine Hülle mehr zu sein, die gefüllt wird mit Aufgaben. Ich bin es leid, darüber nachzudenken, mich zu wiederholen Tag für Tag. Ein sicherer Mensch werden will ich mit meinem Eigenleben. Zurück im Zimmer öffne ich das Fenster, um den Raum mit frischer Luft zu füllen. Bevor ich es schließe, schaue ich noch einmal hinaus. Es käme es nur darauf an, den Umriss des Parks von oben zu sehen, um alles neu zusammenzusetzen. Danke. Das war der zweite Leseteil und zum Abschluss kommt noch etwas. Wer schon öfters oder einmal bei den Frauenstimmen dabei war, wird vermuten, dass es gewiss wieder ein performatives Element geben wird. Danke an Christine Mack, die für diese Lesebühne ein Minidrama vorbereitet hat, das wir hier jetzt uraufführen. Bitte Christine, ein paar Worte einleitend dazu, bevor wir beginnen. Der Titel ist Frauenstammtisch und die Hintergrundgeschichte ist die, Geschichte ist die, dass zwei Moderatorinnen von TV Österreich ihren Chef, den Herrn Fellner, angeklagt haben, dass er sexuell übergriffig war. Und eine dieser beiden Frauen ist die Frau Wagner und in seiner Zeitung versucht er dann in einem Artikel sich der Dinge darzulegen, nämlich dass die Frau Fellner immer viele Herzis und Bussis gesendet haben sollte und sich dauernd mit ihm hätte treffen wollen. mit ihm hätte treffen wollen. Und auf Facebook haben sich dann viele Leser ausgetauscht und ich habe dann diese Kommentare gesammelt und diese Kommentare, die da jetzt eins zu eins wiedergegeben werden, außer die Rechtschreibfehler und Grammatikfehler, habe ich sozusagen eine neue Bühne gegeben und den Frauenstammtisch gegründet. Und genau bis zur Hälfte des Textes, das sind wirklich originalgetreue Kommentare und dann fängt mein literarischer Teil dazu an. Gut. Und jetzt sollen wir also dem Herrn Fellner glauben? Ja, sicher. Hoffentlich lesen das viele Männer und lernen daraus, dass nicht jedes WhatsApp-Herz die wahre Liebe ist, sondern auch berechnet sein kann. Wagner hat von Fellner verlangt, Strache zu ruinieren. Sie ist ja die Freundin des Anwaltes, der alles eingefädelt hatte. Und er hat abgelehnt. Ebenfalls abgelehnt hatte die Forderung einer übertriebenen Gehaltserhöhung. Und als er ablehnte, kam sie mit dem Kram der sexuellen Belästigung daher. Diese Masche kennt jeder. Also an sexuelle Belästigung habe ich sowieso nie geglaubt. Das ist Fellners Recht. Er wird diskretiert und will beweisen, dass dieses Ludo lügt. Damit ist die Sache wohl geklärt. Ich bin kein Fan von Fellner. Aber es scheint eindeutig und klar. Verschmähte Liebe, was auch immer. Und Berechnung pur. Warum lässt man in guten Zeiten einfach ein Tonband mitlaufen? Ausgeschissen, Frau Wagner. Das ist die Retourkutsche. Erst schöne Augen machen, dann anpatzen. Liebe Lady, damit haben Sie wohl nicht geregnet. Ja schau, sie wird sich sehr viel erwartet haben. Wollt wahrscheinlich Frau Fellner werden. Genug Geld hat er ja, da hätte sie ausgesorgt gehabt. Sollte es auch bei unseren Damen geben. Die schaut schon so ausgekocht und beregnend rein. Ich finde, wenn solche Anschuldigungen sich als Fake herausstellen, sollte das wirklich sehr hart bestraft werden. Denn das geht gleich auf alle Frauen über und man glaubt wirklich belästigten Frauen nimmer. Genau. Warum hat sie nicht gleich ausgepackt? Warum erst nach ein paar Jährchen? Also jetzt habe ich eine Frage. Wenn ihr so überzeugt seid, dass Frau Wagner die Lügnerin ist, was meint ihr, woran soll man erkennen, ob eine Frau die Wahrheit sagt, wenn sie angibt, belästigt worden zu sein? Oh, ist da jemand traurig? Brauchst ein Taschentuch? Wieder werden die Gerichte mit irgendeinem Scheiß belästigt. Macht und Geldgier steigen ja bekanntlich allen zu Kopf. Mann, Mann, Mann. Hat sich wohl hinaufgefickt. Woher weißt du das? Warst du dabei? Augen aufmachen, Astrid. Schau sie dir an. Was sollte ich sehen? Hast du die? Warst du dabei? Augen aufmachen, Astrid. Schau sie dir an. Was sollte ich sehen? Hast du die nie im Fernsehen gesehen? Die hat's doch faustdick hinter den Ohren. Hilf mir, wie siehst du das faustdicke hinter den Ohren? Astrid, die Psychologin schon wieder, wie sie hinterfragt, was e-augenscheinlich ist. Schau dir mal ihre Schlitzaugen an und das Schmollmündchen. Wahrscheinlich aufgespritzt. An der ist nichts echt. Und was siehst du beim Fellner? Dass er strittig ist. Birgit, wie war das bei dir? Dich hat doch dein Ex-Chef angemacht. Ist lang her, jetzt lass gut sein. Warum willst du nicht darüber reden? Weil es nicht wahr ist? Wolltest du dich wichtig machen? Ich erzähl dir nichts mehr. Hast du es vielleicht drauf angelegt, damit du ein höheres Gehalt bekommst? Astrid, was unterstellst du Birgit? Wir kennen sie doch. Niemals würde sie so etwas tun. Ihr wisst doch, dass Birgit früher gern so super kurze Miniröcke getragen hat. Ganz schön sexy, da wundert man sich nicht. Ja, was sagst du da über mich? Wie kannst du von der Birgit sowas glauben? Eben haben wir uns noch so gut verstanden und jetzt hältst du gegen sie. Warum hast du damals nicht den Mund aufgemacht, Birgit, wenn dein Boss dir näher gekommen ist, als dir lieb war? Mein Gott, er war halt der Bürgermeister. Jeder hat ihn gekannt und er war beliebt und seine Frau hätte mir leid getan. Sie hat so einen Mann nicht verdient. Ist das wahr, Birgit, der Bürgermeister? Astrid, was du gesagt hast über Birgits kurze Röcke ist gemein. Das berechtigt doch keinen Mann, drunter zu greifen. Hättest was gesagt, Birgit, wir hätten dir geholfen. Es ist nie zu spät. Wo wohnt er? Fahren wir hin und schneiden ihm die Eier ab, dem geilen Kreis. Aber was denn? Der war doch nur ein Wengel, ein Stritzi. Damit sind wir am Ende der Fahnenstimmen 2022 angelangt. Danke fürs Dabeisein, fürs Zuhören, fürs Interesse. Gerne noch etwas dableiben im Gespräch mit den Autorinnen. Zu trinken gibt es auch noch etwas. Danke an Angelika Ganser, Christine Mack und Renate Silberer für ihre Beiträge. Besonderes Danke ans Theater Phoenix, das uns diese Lesebühne wieder ermöglicht hat und DorfTV, Lea Hochedlinger und Patrick Kocziak-Lesitzki haben heute aufgezeichnet und danke dafür, dass diese Sache später auch noch nachzusehen ist. Und ein Danke auch ans Linzer Frauenbüro. Frau Magauer ist heute bei uns, die uns werblich unterstützt haben bei dieser Sache. werblich unterstützt haben bei dieser Sache. Ich wünsche einen schönen Ausklang, gute Nacht und trotz allem, was sich auf der Welt tut, Lebensfreude, frohen Mut, eine gute Zeit. Bis zum nächsten Mal vielleicht wieder hier. Danke.