Guten Abend, meine sehr geehrten Damen und Herren hier im Stifterhaus. Mein Name ist Stefan Kögelberger. Ich darf Sie zu einem besonderen Abend heute begrüßen. Vielleicht ist es Ihnen schon aufgefallen, die Stadt Linz feiert zwischen 8. und 20. Mai und 9. Juni die Woche der Vielfalt. Es werden rund 20 Veranstaltungen quer durch Linz stattfinden, die, so die Stadt Linz, die Möglichkeit zum Kennenlernen und Aufeinanderzugehen bieten sollen. Ein schöner Gedanke, wie ich finde. Der heutige Abend gehört zu dieser Reihe der Woche der Vielfalt und wird von der Sozialen Initiative veranstaltet, die zwischen Juli 2021 und März 2022 Workshops betrieben hat. Das Projekt Stimmraum macht sichtbar. Bei diesem Projekt sollte es darum gehen, jungen Menschen tschetschenischer Herkunft Raum und Stimme zu geben, um sich mittels Kunst neu zu präsentieren. Ziel ist es, den medial negativ geprägten Blick der Mehrheitsgesellschaft auf ihre tschetschenischen Mitbürger und Mitbürgerinnen zu wandeln. Geleitet wurde das Projekt von Sabine Kerschbaum und Maynard Kurbanova, die maßgeblich daran beteiligt sind, dass es ein schöner Erfolg wurde, wie wir heute noch hören werden später. Sabine Kerschbaum, darf ich zitieren, sie sagte, Stimmraum ist entstanden, weil viele negative Presseberichte über Tschetschenen und Tschetscheninnen negative Bilder in den Köpfen der Öffentlichkeit erzeugen und diese nicht den Tatsachen entsprechen. Mit dem Projekt sollen positive Bilder und Texte präsentiert werden, die von jungen Tschetschenen und Tschetscheninnen geschaffen wurden und die abseits von gängigen Klischees neue Geschichten erzählen. Es soll jungen Menschen eine Stimme gegeben werden, damit sie gehört werden. Ein wunderbarer Satz, wie ich finde. Alle Arbeiten sind zudem, was ganz wichtig ist bei derartigen Projekten, in einem Produkt festgehalten worden, in diesem Buch, Stimmraum, das Sie nach der Veranstaltung gerne auch käuflich ganz hinten am Büchertisch erwerben können. Aber genug der vielen Worte zum Projekt selbst, da hören wir sicher später noch mehr von den Autorinnen, die heute bei uns sind. Vier sind es an der Zahl und ich darf Sie bitten, die vier Damen mit mir zu begrüßen, und zwar Maynard Kurbanova, Malika Muslieva, Linda Zadaeva und Emma Darieva. Herzlich willkommen im Stifterhaus. Besonders freut es mich, dass wir für die heutige Moderation Mathilde Schwabenehder gewinnen konnten, die sich schon zum zweiten Mal in den Dienst dieser Sache stellt und damit das Ganze sicher mit ihrer Bekanntheit einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich macht. Ein paar Worte zu Mathilde Schwabene. Sie ist geboren in Linz und hat durch ihre Tätigkeit als Radio- und TV-Journalistin sowie durch ihre Rolle als Buchautorin Bekanntheit erlangt. Sie leitete fast 15 Jahre lang die ORF-Außenstelle für die Berichterstattung aus Italien, Malta und dem Vatikan. die ORF-Außenstelle für die Berichterstattung aus Italien, Malta und dem Vatikan. Unvergessen die vielen Reisen, wenn der Papst wohin kam, war immer Mathilde Schwabeneder dabei, als ich vor dem Fernseher das verfolgt hatte. Ganz viel Aufmerksamkeit haben ja allerdings auch ihre Sachbücher eingebracht. Zu nennen wären hier Auf der Flucht, Reportagen von beiden Seiten des Mittelmeers, das ich gemeinsam mit Karim El Ghori 2015 bei Kremaja und Scheria veröffentlicht habe. Und das letzte Buch, Sie packen aus, Frauen im Kampf gegen die Mafia, das 2020 im Molden Verlag erschienen ist. Bitte heißen Sie mit mir auch unsere Moderatorin für heute, Mathilde Schwabeneder, ganz herzlich willkommen. Mir bleibt nur noch übrig, Sie auf das Literaturcafé zu verweisen, wo Sie nach der Veranstaltung Erfrischungen konsumieren können und, wie gesagt, der Büchertisch, wo Sie unbedingt dieses Büchlein Stimmraum erwerben sollten. Damit genug von mir. Ich darf an Mathilde Schwabe nicht übergeben. Vielen Dank. Ja, einen schönen Abend, meine Damen und Herren, auch von meiner Seite. Ich freue mich wirklich, dass ich heute Abend hier dabei sein kann. Ich glaube, das ist ein ungewöhnlicher und interessanter Abend. Und ich darf auch sagen, ich hatte, das ist ja bereits angeklungen, ich hatte schon das Privileg, einmal bei einem Abend dabei zu sein. Das war im März im Lentos. Und da wurden die ersten Texte vorgestellt. Allerdings nicht von den jungen Autoren und Autorinnen selbst, sondern da ging es darum, dass sie präsentiert werden sollten von Fremden sozusagen, von anderen Personen. Und ich hatte das Glück und ich habe mich da wirklich glücklich geschätzt. Es war eine sehr, sehr positive Begegnung, eine dieser Vorleserinnen zu sein. Ja, es ist schon angeklungen, das Projekt Stimmraum. Es ist auch schon angeklungen, Sie haben es angesprochen, worum es da eigentlich gehen sollte. Man will einer Gruppe Menschen eine Stimme, ein Gesicht geben, die leider, und das können wir ja sehr oft feststellen, in unserer Medienlandschaft oft nur negativ präsentiert werden. Und mir ist eben diese Angelegenheit, dass man sagt, man gibt jemandem ein Gesicht, man gibt jemandem eine Stimme, ganz, ganz besonders wichtig. Das war zum Beispiel auch der Anlass, weil das Buch auf der Flucht erwähnt worden ist, warum es überhaupt zu unserem Buch damals kam. Das war noch vor der sogenannten Flüchtlingskrise 2015. Aber genau das war unser Anliegen, Menschen nicht nur als Nummern zu betrachten, nicht einfach als Zahlen, die über Tische sozusagen gereicht werden, sondern wirklich in ihrer Gesamtheit zu sehen. Worum geht es aber wirklich in letzter Konsequenz bei diesem Projekt? Das kann uns wirklich niemand besserer sagen als Maynard Kurbanova. Bitte, darf ich dich, wir sind per Du, wir brauchen uns jetzt nicht sitzen, glaube ich, hier zu mir heraus bitten. Das ist ja schon angeklungen, du warst federführend bei diesem Projekt dabei. Federführend junge Menschen durch die Kunst sozusagen eine neue Dimension auch erfahren zu lassen. Doch in erster Linie möchte ich einmal sagen Gratulation. Du bist ganz knapp gekommen, das hat einen Grund, weil, kannst du das auch bitte ausführen, es hat eine Preisverleihung heute Abend gegeben und Meinert ist von der Preisverleihung weggelaufen und ist logischerweise zu uns hierher gekommen kannst du bitte erklären also so was kann gerne es da geht genau ich habe es gerade geschafft es ging wir haben einen preis gewonnen und zwar in der das heißt integrations preis der stadt linz statt der vielfalt wir haben gewonnen in der Kategorie, jetzt bemühe ich mich, dieses Wort auszusprechen, Interkulturalität. Also mit diesem Projekt haben wir den Preis gewonnen. Wir sind sehr glücklich deswegen. Und die Preisverleihung findet jetzt gerade statt. Ich habe es geschafft, den Preis zusammen mit der Frau Kirschbaum entgegenzunehmen und herzukommen. Die Frau Kirschbaum wird weiter gefeiert. Und du wirst hier gefeiert. Also, ich glaube, ein Applaus. Ja, glaube ich auch. Ich habe mir sozusagen die offizielle Begründung angeschaut. Überhaupt der Preis, also Stadt der Vielfalt, fördert die Achtung kultureller Vielfalt durch die Hervorhebung, steht dort auch, ihrer Gemeinsamkeiten. Dabei sollen die in Linz lebenden Menschen, insbesondere auch Kinder und Jugendliche, für die Bedeutung einer aktiven und weltoffenen Gesellschaft sensibilisiert werden. So soll ein gleichberechtigtes, friedliches, gemeinschaftliches Zusammenleben unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen gefördert werden. Ja, Maynard, wie ist es denn überhaupt zu diesem Konzept? Wie ist es denn letztlich wirklich zu dieser Idee gekommen? gekommen? Ja, die Idee gehört nicht mehr, sondern Sabine Kerschbaum, sie hat das aus ihrer langjährigen Arbeit mit verschiedenen Menschen, unter anderem mit Menschen aus tschetschenischer Herkunft, immer wieder war sie damit konfrontiert, dass besonders tschetschenische Burschen oder junge Menschen mit diesen negativen Zuschreibungen irgendwie leben müssen. Aber das entsprach, wie sie erzählte, sie erzählt darüber sehr gerne, entsprach nicht dem, was sie ja im realen Leben, in ihrem Leben erlebt hatte. Und diese Diskrepanz war letzten Endes für sie auch die Motivation, irgendwas auf die Beine zu stellen, ein Konzept zu entwickeln. Das zeigt, dass eigentlich diese jungen Menschen tolle Mitbürgerinnen und Mitbürger sind, die sich im Grunde nicht so viel von den anderen, von den hiesigen unterscheiden. Und darum bin ich da irgendwo dazu geholt worden, glücklicherweise. Ich freue mich sehr, dass ich da ein Teil von diesem Projekt sein durfte. Aber ja, dieses Projekt hätte nicht so stattfinden können, wenn wir unsere wunderbaren jungen Menschen nicht dazu gewinnen konnten. Und da hat ja auch maßgeblich Malika Musliwe, einer von unseren Multiplikatoren, beigetragen. Und alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer, auch einige von denen sind da, ich hoffe, viele. Weil du natürlich richtigerweise die soziale Initiative angesprochen hast. Das ganze Projekt hat ja länger gedauert, im Grunde genommen ja fast ein Jahr gedauert. Und die Besonderheit ist ja auch, dass es soziale Unterstützung gab. Wie darf ich mir das vorstellen? Ja, also das Projekt ist in erster Linie ein Kunstprojekt. Unsere Idee war, durch verschiedene Ausdrucksformen diese jungen Menschen anders zu präsentieren. Ihr Potenzial, ihre Stimmen, ihre Gesichter, ihre Vorstellungen, Lebensformen etc. Ein Teil davon war ja auch, dass wir die Familien begleiten, je nach Bedarf natürlich. Nicht bei jeder Familie gab es Bedarf. begleiten, je nach Bedarf natürlich, nicht bei jeder Familie gab es Bedarf, aber auch die Familien, aber auch die Teilnehmerinnen und Teilnehmer auch therapeutisch begleiten können, sozialarbeiterisch begleiten können, weil eben wenn man mit eigener Geschichte auch mit dem, was verdrängt wurde, diese jungen Menschen haben Krieg erlebt, die haben Flucht erlebt, die haben unzählige Umzüge auch innerhalb des Fluchtes erlebt. Und wenn sie damit konfrontiert sind, kommt ja einiges, was bis jetzt verdrängt wurde, raus. Und das kann auch schmerzhaft sein, es kann kompliziert sein. Und unser Anliegen war auch, dass die dabei halt begleitet werden, auch therapeutisch. Anliegen war auch, dass die dabei halt begleitet werden, auch therapeutisch. Und das war diese Therapie oder therapeutische Unterstützung war ein ganz, ganz wichtiger Teil vom Projekt. Und das hat auch dieses Projekt auch einzigartig gemacht. Oder eben auch sozialarbeiterische Unterstützung für Familien, für das Umfeld, je nachdem wie wann Familien das gebraucht wurden. Wir haben hier heute drei Schriftstellerinnen, drei junge Schriftstellerinnen. Wie viele waren insgesamt im Projekt beteiligt? Also 17 junge Menschen waren das insgesamt bei unterschiedlichen Modulen. Wir hatten Schreibwerkstatt, wir hatten Fotografie, Sprach- und Sprechtraining und genau, die waren so ein bisschen aufgeteilt auf verschiedene Module. Am Ende, also einige sind dann halt nach einigen Modulen sind dann halt wieder abgesprungen, beziehungsweise waren durch die Arbeit oder Studium oder Ausbildung verhindert. Und am Ende waren es zwölf. Du wirst heute selbst lesen, du wirst uns eine Kostprobe geben. Doch vorher würde ich zu deiner Person auch noch ein paar Dinge sagen. Du bist ja selbst in Krosny geboren. Du bist Autorin, du bist aber auch Journalistinny geboren, du bist Autorin, du bist aber auch Journalistin, warst als Journalistin auch tätig, hast einige Probleme in dieser Tätigkeit erlebt? Das kann man so sagen, ja. Kannst du uns ein Beispiel geben? Nun, ich war nicht nur Journalistin, mein Schwerpunkt war Kriegsberichterstattung. Ich habe hauptsächlich über den Krieg in Tschetschenien erzählt. Nebenbei habe ich ein paar andere Kriege an anderen Ecken besucht und von dort auch berichtet, aber immer wieder mein Hauptfokus war natürlich logischerweise Tschetschenien. Und ich beschreibe im Buch, wie groß bzw. wie klein Tschetschenien ist. Tschetschenien ist gerade so groß wie Steiermark. Und da irgendwie anonym diese Tätigkeit auszuüben in einer Situation, wo eine totale Zensur seitens russischen Militär herrscht, die russische Regierung, war ziemlich kompliziert oder irgendwann war das auch unmöglich, das ist einem bewusst, aber man macht das halt solange es geht. Und ich habe schon ziemlich lange durchgehalten, im ersten Krieg, dann dazwischen gab es eine kleine Pause, zweieinhalb Zeiten Zwischenkriegszeit und dann im zweiten Krieg wieder halt. Irgendwann kam, ich werde es jetzt heute nicht detailliert darstellen, wir haben eine Lesung, wir wollen diesen Abend schön genießen, aber irgendwann kam der Punkt, wo ich dann halt in einer Nacht-und-Nebel-Aktion mit meinem dreieinhalbjährigen Kind das Land verlassen musste und dank internationalen Reporterorganisationen und Schriftstellerverbände wurde ich da rausgeholt. Reporter ohne Grenzen von Deutschland, die waren daran beteiligt und ich habe ein Stipendium für verfolgte Journalistinnen und Autoren von dem Deutschen PEN-Zentrum, das ist eine internationale Organisation für Schriftstellerinnen und Journalistinnen und Journalisten. Genau, und so durfte ich nach Deutschland kommen und nach einigen Jahren in Deutschland bin ich in Österreich gekommen. Du hast im konkreten Fall die Schreibwerkstatt geleitet, du hast viele verschiedene Projekte, bist sehr, sehr aktiv, unter anderem für geflüchtete Frauen, für Jugendliche und noch vieles mehr. Darf ich dich bitten jetzt um deinen Text? Gerne. Ich werde auch nicht jünger, ich muss meine Lesebrille, und die muss ich jetzt auch unattraktiverweise putzen. Dann frage ich dich gleich noch einmal, war es sehr schwer, hier in Österreich Fuß zu fassen, während du deine Brille guckst? Ja. Jein. Also ich weiß es nicht. Ich bin irgendwie, die ersten paar Jahre habe ich hauptsächlich von zu Hause gearbeitet. Ich habe immer noch für russische Online-Webseiten, Medien gearbeitet und irgendwann da war ich mittendrin. gearbeitet und irgendwann da war ich mittendrin. Also ich habe es auch nicht selber realisiert, wie ich da einerseits ein bisschen so zum Sprachrohr für die tschetschenische Community wurde, so mehr oder weniger ungewollt. Ich weiß ja auch sogar, wie es angefangen hatte. Ich wurde als Autorin vorgestellt im Literaturhaus in Wien und da, und jetzt putze ich ziemlich lang, und da hat mich eine Journalistin bei dieser Pressekonferenz gefragt, Frau Kurbanova, warum hat die tschetschenische Community in Österreich so einen schlechten Ruf? Ich wusste von einem schlechten Ruf der tschetschenischen Community überhaupt nichts. Ich war irritiert, ich wusste nicht, was ich da antworten muss. Ich kannte das aus Deutschland nicht, ich kannte das aus Italien oder aus Tschechien, wo ich gearbeitet habe. Ich kannte das einfach nicht. Also im Gegenteil, Tschetschen waren so ein großer Widerstand, die haben gegen ein großes Imperium gekämpft und ein bisschen romantisches Flör war da, schon ein Bild war da. Und jetzt komme ich nach Österreich und bin dann mit dieser Frage konfrontiert. Und da habe ich angefangen, mich damit zu befassen. Ziemlich bald wurde mir klar, was sie damit gemeint hat. Und heute sind wir hier. Und heute sind wir dann hier. Es ist in diesem Buch so ein Begleittext von mir. Das heißt, jeder Text von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern wird von einem kleinen Text von mir begleitet. Das ist ein brauner Hintergrund. Das heißt Tschetschenien, wie du es nicht kennst. Ich werde ein paar Aufschnitte lesen. Ich hoffe, ich komme mit der Zeit gut zurecht. Es sind ein paar allgemeine Informationen über Tschetschenien und dann will ich unbedingt über seltsame tschetschenischen Sitten und Traditionen auch noch lesen. Kommt frei! So begrüßt man einander in Tschetschenien. Ähnlich wird man auch verabschiedet, geht frei oder bleibt frei. Man sieht, das Streben nach Freiheit, da ist die Freiheit von Russland gemeint, ist dermaßen verinnerlicht worden, dass es selbst die Grußformel geprägt hat. Tschetschenien liegt im Nordhang des großen Kavkasus-Kette und grenzt dort an Georgien. In allen anderen Seiten grenzt es an die russischen Teilrepubliken. Tschetschenien gilt auch seit einigen Jahren wieder selbst als russische Teilrepublik. Das hat eine lange Vorgeschichte, dazu aber später. Also, Tschetschenien liegt im nördlichen Kaukasus am Fuße der großen Gebirgskette. Und wenn ich als gebürtige Tschetschenin über Berge spreche, so kann ich auf gar keinen Fall unerwähnt lassen, dass der höchste tschetschenische Berg höher als die Alpen ist. Wir geben nämlich gern damit an. Wir alle kleinen Völker neigen auch Tschetscheninnen und Tschetschenen dazu, das eigene Land und seine Schönheit bei jeder Gelegenheit zu lobpreisen. Prahlerei hin oder her, es sind tatsächlich sehr majestätische Gipfel mit eisigen Gletschern und steilen Schluchten, die im Süden Tschetschenien in den Himmel ragen. Den höchsten von ihnen nennt man Dacokort und er ist 4.493 Meter hoch. Damit lässt sich es gut in Österreich und in der Schweiz angeben, denn der Dacokort ist höher als der Großglockner und das Matterhorn. Neben den hohen Bergen, die früher von den beiden Kriegen der letzten Jahrzehnte viele Touristinnen und Touristen aus der ganzen ehemaligen Sowjetunion angelockt haben, ist die Landschaft Tschetscheniens durch Täler und Ebenen gekennzeichnet, mit vielen Flüssen und Strömen. Tschetschenien und Tschetschenen selbst nennen sich Noch-Tschi und ihr Land Noch-Tschi-Tschu. Noch ist auf Tschetschenisch der Name des Propheten Noas und Tschi ist ein Suffix, das auf eine Zugehörigkeit deutet. Und Chi ist ein Suffix, das auf eine Zugehörigkeit deutet. Deswegen glauben Tschetscheninnen und Tschetschenen daran, dass sie direkte Nachfolgerinnen des Propheten Noah seien. Der eine oder andere Streber wird an dieser Stelle anmerken, dass wohl alle Menschen irgendwie als Nachfolgerinnen von Noah zu betrachten sind. Ich lasse das einfach so stehen. Jedenfalls die Bezeichnung Tschetschenien ist ein Fremdname, erfunden von russischen Eroberern im 16. Jahrhundert, die den Namen eines Dorfes Tschetschen, den sie übrigens auch verbrannt haben, südöstlich von Grosny auf das ganze Land der Nochi übertragen haben. Jetzt noch eine Stelle. Die schreckliche Stadt. Auch der Name der tschetschenischen Hauptstadt Grozny ist kein aftachtoner Name. Sie kommt vom russischen Wort Grozny, was so viel bedeutet wie schrecklich oder angsteinjagend. bedeutet wie schrecklich oder angsteinjagend. Und diese Entschreckung und diese Angst sollte Grosny ursprünglich als russische Festung im Herzen Tschetscheniens gebaut, den Tschetscheninnen Tschetschenen machen, damit sie sich der Festung der Eroberer nicht näherten. Sie wurde im Jahr 1918 gebaut, von dem für seine unmenschliche Grausamkeit gegenüber der einheimischen Bevölkerung berühmten General Alexej Jermolov, der die russischen Truppen zur Unterwerfung Tschetscheniens befehlte und die Devise ausgab, der leiseste und gehorsam und eure Häuser werden zerstört, eure Familien verkauft, eure Dörfer in Arsche gelegt, eure Frauen und Kinder niedergemetzelt. So kam es auch. Um die Festung Grozny zu bauen, ließ der russische General etwa 20 tschetschenische Dörfer vernichten und deren Einwohnerinnen eliminieren. Die wenigen, die überlebt haben, wurden vertrieben. Die wenigen, die überlebt haben, wurden vertrieben. Und auch sonst war der Jermolov ein furchtbarer, aber bei der Bekämpfung der ungehorsamen Tschetschenen und Tschetschenen äußerst erfolgreicher Mann. Denn er hatte in den Jahren der Zivilisierung der Tschetschenen und Tschetschenen mehrfach verkündet, dass es, Zitat, unter Himmel und Sonne kein heimtückischeres und gemeineres Volk als dieses gäbe und schwor mehrmals das Volk zu vernichten, um das russische Imperium, um Kaukasus zu festigen. Er hat das auch detailliert in seinen Memorien geschrieben. So wie Grosny zum Zweck des Schreckens erbaut wurde, so grausam und beängstigend verlief auch seine Geschichte, dem eigenen Namen allerift mit den Worten Willkommen in die Hölle, die zwar an die russischen Soldaten adressiert war, aber sehr wohl für alle gegolten hat, die diese Stadt damals besuchten. Viel schöner hingegen ist die Geschichte der Entstehung Tschetschens. Genauer gesagt, ihre Legende. Als Gott die Erde erschuf und Länder an verschiedene Völker verteilte, haben die Tschetscheninnen und Tschetschenen sich so darüber gefreut, dass sie ein Fest zur Feier des Tages veranstalteten. Es wurde reichlich gegessen und getrunken, gesungen und getanzt. Als das Fest irgendwann zu Ende war, kamen die Tschetscheninnen und Tschetschenen zu Gott, um das ihnen zugeteilte Land in Anspruch zu nehmen. Doch es war zu spät. Gott hatte alle Länder bereits vergeben und das kleine feierfreudige Volk musste leer ausgehen. freudige Volk musste leer ausgehen. Gott aber, da er Mitleid mit dem lustigen Volk hatte, schenkte ihm als Trost ein kleines, aber wunderschönes Stück Land, das er für sich behalten hatte. So bekamen die Tschetschenen ihr Land, das schönste auf der Erde. Das besagte die Legende, das behaupte ich auch. Und die Tschetschenen glauben gerne an Legenden und Mythen. Jetzt ein bisschen über die Bräuche und Sitten und dann bin ich fertig, versprochen. Tschetschenien ist ein Land der seltsamen, unerklärlichen, wundersamen und schönen Sitten und Traditionen. Die meisten von den Bräuchen sind so alt, dass kaum jemand Ursprung oder Bedeutung erklären kann. So zum Beispiel ist die Tradition der Namenschonung, Zechaber. Diese besagt, dass eine Braut die Verwandten des Ehemanns nicht bei Namen nennen darf. Und das ihr Leben lang. Statt deren echten Namen denkt sie sich neue schöne Spitznamen für die ganze Verwandtschaft aus. Keine leichte Aufgabe, wenn man bedenkt, wie groß die Familien meistens sind und neben Vater, Mutter, Geschwister, Konstellationen auch noch die weiteren Verwandtschaften inkludieren. So heißt meistens die Schwägerin, einige hier kennen das schon, denke ich, die Schwägerin heißt meistens schönes Mädchen, der Schwager schöner Junge. Es lassen sich noch die Gute, die Lustige, der Tapere, der Großzügige, der schöne Onkel, die Frau des schönen Onkels, der Stolze, die Mutter der Stolzen und so unendlich viele weitere Namen aufzählen. Es gibt viele Versionen, die erklären, wo diese Tradition entstanden ist und warum. Eine der plausibelsten Erklärungen ist folgende. Früher, als Tschetscheninnen und Tschetschenen noch heidnisch waren und an die Geister glaubten, und an die Geister glaubten, waren sie davon überzeugt, dass sobald ein Mädchen sich verliebt und beschließt zu heiraten, die bösen Geister eifersüchtig werden. Sie wollen das Glück der Braut zerstören. Dafür wollen sie ihre Schwiegerfamilie gegen sie aufbringen, damit sie sich bald scheiden lässt und zum Elternhaus zurückkehrt. Deswegen denkt sich die Braut für ihre neue Verwandtschaft andere Namen aus, damit die bösen Geister diese nicht identifizieren können. Den Wettbewerb der seltsamsten Bräuche könnte die folgende Tradition gewinnen. Tschetschenien ist ein sehr gastfreundliches Land, Gäste sind heilig, das Beste, was man hat, wird den Gästen serviert. Und das reichlich. Wenn du ein Gast bist, wirst du ernährt, als wenn du am Verhungern wärst. Aber, und jetzt kommt dieses große Aber, wenn du als Gast zum Essen gebeten wirst, gehört es sich, zuerst Bescheidenheit zu zeigen. Und sowas wie, nein, danke, bitte keine Mühe wegen mir, habe keinen Hunger zu sagen. Die Aufgabe des Gastgebers ist hingegen, darauf zu bestehen, dass der Gast einwilligt. Ein Spiel, bei dem jeder seine Rolle hat und diese Rolle auch erfüllt. Als ich frisch in Deutschland war und die dortigen Sitzen nicht kannte, war ich mal bei einer Freundin eingeladen. Sie hat mich gefragt, ob ich etwas essen will. Selbstverständlich habe ich Nein, Danke gesagt. Ich bin ja eine gut erzogene Frau mit besten Manieren. Wie groß war meine Irritation als meine Gastgeberin, ohne jeglichen Versuch mich zu überreden, sich selbst etwas zum Essen nahm. Gott sei Dank hat sie mich gefragt, ob ich den Kaffee oder Wasser möchte. Ich habe Kaffee gewählt, um meinen Hunger wenigstens etwas zu stillen, während ich enttäuscht zusah, wie sie sich einen herrlich duftenden Karreeintopf aß. So etwas würde in Tschetschenien niemandem passieren. Selbst wenn der Fall eintreten würde, dass der Gast trotz der Überredungskunst des Gastgebers nichts essen will, würden sich die Gastgeber niemals alleine an den Tisch setzen und essen. Sie würden in diesem Fall abwarten, bis der Besuch weg ist. Denn vor dem Gast zu essen, während er nicht isst, gilt als äußerst respektlos. Also wenn ihr bei Tschetschenen eingeladen seid, zuerst Nein sagen, aber dann einwilligen. Ganz vielen Dank für diese wunderbaren Einblicke. Ganz vielen Dank für diese wunderbaren Einblicke. Ich habe soeben festgestellt, dass Österreicher offensichtlich und Österreicherinnen mehr mit Tschetschenen und Tschetscheninnen gemeinsam haben als Deutsche. Ich kenne auch viele Situationen in Österreich, wo sehr insistiert wird, dass man isst. Damit kommen wir zu unserer jüngsten Literatin, Emma. Darf ich dich bitten, dass du zu uns herauskommst, zu mir herauskommst in diesem Fall. Emma Garnieva, da habe ich es halbwegs richtig ausgesprochen. Ja, geht in Ordnung. Geht in Ordnung. Ja, einen Applaus würde ich sagen. Du bist ebenfalls aus Grosny, habe ich aus den Unterlagen entnehmen können. Du bist 2004 geboren, ist das richtig? Im Februar. Und ja, an dieser Stelle vielleicht, wir haben jetzt sehr viel gehört über Entstehung, auch Entstehungsmythos des tschetschenischen Volkes. Entstehungsmythos des tschetschenischen Volkes. Wir haben ein bisschen schon über Geografie, Historie gehört davon, dass Gäste heilig sind, über die Eifersucht der Geister und so weiter, über die Bedeutung der Freiheit. Aber trotzdem noch einmal, ich glaube, das ist wichtig, dass man sich das noch einmal vorstellt, wie klein eben Tschetschenien letztlich ist. Ich habe gefunden, dass es ein bisschen so wie Oberösterreich ist, ein bisschen größer, würde ich sagen. 16.000, stimmt das, 16.000 Quadratkilometer und 1,3 Millionen Einwohner. Sehr optimistisch. Das heißt, es gibt einen Exodus, der weiter anhält, wie in sehr vielen Ländern leider. Oberösterreich, habe ich auch gelernt, hat 1,5. Dass das Land auf eine sehr schwierige Vergangenheit. Das heißt, du, Emma, bist eigentlich mitten im Krieg geboren worden. Ja. Du bist mit sieben nach Linz gekommen, besuchst derzeit das Gymnasium. Welche Klasse besuchst du gerade? Wo bist du? Ich bin am BAG Fadingerstraße, das ist gleich gegenüber von dem Elisabethinen-Krankenhaus, also damit man sich auskennt. Und ich besuche gerade die siebte Klasse. Du schreibst sehr gerne, nona net, würden wir jetzt sagen an dieser Stelle. Du hast deinen Lieblings-Superheld, Spider-Man. Genau. Wieso der? Weil er einfach am coolsten ist von allen. Okay. Wer wären die anderen? Auch fast so cool? Nein, es gibt niemanden, der nahe kommt. Verstehe. Gut. Also ein Alleinstellungsmerkmal. Genau. Gut. Und du liebst, und damit sind wir schon mitten in deinem ursprünglichen Heimatland und auch in deinem Textstück Du liebst die Maulbeere. Ich kann sie durch die Lichter, ich kann gar nicht sehen, wer da jetzt wirklich sitzt, aber kennen alle Maulbeeren? Ja, mittlerweile schon. Wer hat schon Maulbeeren gegessen? Ja, doch schon ein paar, wenn ich das richtig sehe. Jedenfalls, du bist so, darf ich das sagen, so verliebt in die Maulbeere, dass du eine Hommage an sie geschrieben hast. Darf ich dich bitten? Danke. Eine Hommage an Maulbeeren. Kennen Sie Maulbeeren? Falls Sie mit Ja geantwortet haben, gehören Sie definitiv einer Minderheit an. Falls Sie mit Nein geantwortet haben, verpassen Sie einiges. Denn Maulbeeren sind nicht einfach nur Beeren. Sie sind ein Gefühl. Ein Gefühl von Glückseligkeit, Geborgenheit und Heimat. Wenn ich Maulbeeren in einem Wort beschreiben müsste, wäre es Liebe. Wenn ich Maulbeeren in einem Wort beschreiben müsste, wäre es Liebe. Ich liebe Maulbeeren. Ich liebe sie so sehr, dass ich eines Tages eine Tasche voll Maulbeeren gesammelt und mit nach Österreich mitgenommen habe. Ich liebe Maulbeeren aber so sehr, dass ich die Tasche innerhalb von 20 Minuten komplett leer gegessen habe. Meine Oma hatte einen Maulbeerbaum. Maulbeerbäume können ganz schon groß sein. Das hinderte aber weder mich noch die anderen Kinder daran, diese zu erklimmen. Maulbeerbäume wuchsen überall in Tschetschenien. Zur Blütezeit der Maulbeeren standen mindestens ein halbes Dutzend Kinder um jeden Einzelnen davon herum. Und man sah den Kindern später auch an, wo sie gewesen waren. Denn der einzige Nachteil an Maulbeeren ist, sie hinterlassen dunkellila Flecken an allem, was sie berühren. Im Gesicht, an Lippen, an Händen und wenn man besonders geschickt war, auch in der Kleidung. an Lippen, an Händen und wenn man besonders geschickt war, auch an der Kleidung. Und kaum war die Farbe an Händen und Mund verblasst, war man schon wieder beim Maulbeerbaum gewesen. Man konnte diesem Genuss nicht widerstehen, deshalb nahm man es in Kauf. Können Sie sich jetzt vorstellen, wie enttäuscht ich war, als ich nach Österreich kam und nirgendwo Maulbeeren gesehen habe. Auf keinen Straßen, in keinem Supermarkt und überhaupt schien niemand irgendwas von Maulbeeren gehört zu haben. Dann entdeckte ich sie in einem türkischen Supermarkt, aber getrocknet. Wenn Sie jetzt nach dieser Liebeserklärung türkische Supermärkte stürmen und Maulbeeren homstern wollen, rate ich Ihnen dringend davon ab. Denn in keinster Weise schmecken getrocknete Maulbeeren so wie die frischen. Zu sagen, dass Maulbeeren schlecht schmecken können, würde ich nie im Leben sagen. Aber getrocknete Maulbeeren schmecken, sagen wir, nicht gerade lecker. Einmal habe ich sie eingelegt, mit Schafskäse gegessen. Ich würde Ihnen gerne erzählen, wie sie geschmeckt haben. Aber um ehrlich zu sein, weiß ich es selber nicht mehr. Aber das sagt schon alles, wie ich finde. Ja, ich war verzweifelt. Aber ich ließ das nicht so auf mir sitzen. Und so bin ich an einem kühlen Frühlingstag im Jahr 2019 mit leeren Händen in einen Gartenfachladen hineingegangen und mit einem Maulbeerbaum im Topf hinaus spaziert. Mit dem Baum kam auch die Erkenntnis. Maulbeerbäume werden doch nur einige Meter groß und man kann sie ganz gut im Topf aufziehen, in den ersten Jahren zumindest. Mein Baum ist mittlerweile drei Jahre alt, doch immer noch wachsen nur kleine Maulbeeren drauf und übrigens viel zu wenige davon. So recht gewachsen ist er selbst auch nicht. Irgendwie ist alles nicht das Gleiche. Alles nur eine dürftige Notlösung. Dabei würde ich so gern wieder richtige Maulbeeren essen. Vielleicht sollte ich meinen Maulbeerbaum endlich mal umpflanzen. Danke Emma, du hast es mit sehr viel Werf, mit sehr viel Leidenschaft vorgetragen. Man spürt die Liebe zur Bäre. Ja, und ich darf mich outen als Teil einer Minderheit, denn ich war zwar noch nie in Tschetschenien, aber ich war schon mal in Armenien und das liegt ja irgendwie fast um die Ecke und da hatte ich auch das Glück, wir sind dann in den Norden gefahren und ich habe alle möglichen Sujets, also als Journalistin gecovert und ja, landete dann auch auf einem Bauernhof und dort führte man mich zu einem riesigen Maulbeerbaum, wo man gerade geerntet hat und da wurde ein ganz großes Tuch darunter gelegt und gespannt und ja, vier, fünf Leute haben fest an den Baum gerüttelt, damit eben die Früchte herunterfallen und ich habe auch genau diese Erfahrung gemacht, weil ich musste natürlich essen, ich wurde mehrfach aufgefordert, diese Früchte frisch vom Baum zu kosten und ich habe genauso ausgesehen, wie du es geschildert hast, einschließlich Flecken auf der Kleidung. Ja, wie geht es deinem Baum heute? Du hast das ja schon vor einiger Zeit geschrieben, wächst er weiter? Oder ist das schon zu indiskret? Witzige Geschichte. Ich habe meinen Maulbeerbaum jetzt... Wir sind umgezogen und ich habe meinen Maulbeerbaum auf meinen Balkon gegeben. Ich habe ihn noch nicht umgepflanzt. Und da hat sich eine Taube eingenistet. Jetzt hat mein Maulbeerbaum Taubenbabys statt Maulbeeren. Also er trägt Früchte, nach der unerwarteten Art, aber immerhin, er trägt Früchte. Ein Maulbeerbaum ist natürlich viel mehr als auch Zeichen der Identität. Ich habe auch nachgelesen, also Maulbeerbäume sind ja in einer Großregion, nicht im Kaukasus, auch weiter dann noch östlich, dienen ja für vieles, das Holz für Instrumente, die Blätter für Tee, die Früchte sind eben Marktobst und so weiter. Das ist ein ganz wichtiger Baum, eben auch identitätsstiftend. Steht er auch für Heimweh? Ich glaube schon und ich glaube, man kann das im letzten Absatz auch ziemlich gut raushören. Und es war mir ziemlich wichtig, weil das ist das, was ich, also wenn ich jetzt sagen würde, das vermisse ich am meisten von Tschetschenien, das wäre ein bisschen, Ich glaube, meine Familie würde sich nicht so darüber freuen, aber das ist etwas, was ich sehr stark mit meiner Kindheit verbinde und was mich glücklich macht, zurückzudenken. Du gehst ja noch in die Schule. Redest du zum Beispiel mit deinen Freundinnen, mit deinen Mitschülerinnen auch darüber? Wird deine Herkunft oder deine Sehnsüchte, werden die ausgesprochen? Ja, also ich habe kein Problem zu kommunizieren, was mich so stört oder was ich so haben möchte. Und ich glaube, meine Freunde wissen ganz genau, wie ich bin und sie finden das auch so gut, glaube ich. Sonst wären sie nicht meine Freunde. Du hast ja an diesem Projekt teilgenommen. Ich glaube, du bist die Jüngste oder eine der Jüngsten. Ist sie die Jüngste, glaube ich? Ja, eine der Jüngsten. Dich auszudrücken, also schriftlich auszudrücken, was bedeutet das für dich? Warten Sie, ich rutsche einfach näher. Ich drücke mich generell gerne aus. Ich schreibe viel, aber auch rede viel und ich lese auch sehr viel. und mir ist Schreiben sehr wichtig, da ich einfach anderen Leuten vermitteln kann, was mir wichtig ist und was ich auch als wichtig empfinde. Und generell ist Schreiben so viel mehr als nur Worte und zwischen den Zeilen steht immer etwas. Und Literatur im Allgemeinen wird heutzutage von jungen Leuten ziemlich vernachlässigt, aber ich finde, das ist eigentlich das, was eine Gesellschaft prägt und das, was eine Gesellschaft besonders macht und von anderen abgrenzt, da die Gesellschaft oder ein Land verschiedene Geschichten zu erzählen hat. Liest du auch tschetschenische Autoren und Autorinnen? Nein, leider nicht, da ich mit sieben nach Österreich gekommen bin und erst in der ersten Klasse war, als ich nach Österreich kam und somit kaum tschetschenisch lesen kann. Du sprichst es, aber du schreibst nicht. Ja, voll. Sag, in einem Jahr wirst du die Matura machen. Ja, hoffentlich. Gehe ich mal davon aus. Was hast du für Berufswünsche? Möchtest du in diese Richtung gehen? Kannst du dir vorstellen, weiter zu schreiben oder vielleicht überhaupt als ein Literaturstudium oder Schriftstellerin zu werden? Ja, es ist ein großer Wunsch von mir, Schriftstellerin zu werden. Stimmt. Und ich fände es auch interessant, etwas in Richtung Kommunikation und Journalismus zu machen. Aber ich habe sehr breite Interessen. aber ich habe sehr breite Interessen. Und da ist halt jede Woche, was mich wieder begeistert, was mich inspiriert, was ich machen möchte. Das wird sich noch herausstellen. Und manchmal muss man einfach probieren. Gut, ganz herzlichen Dank. Danke. Gut, ganz herzlichen Dank. Danke. Ich darf nun Linda Zadeva zu mir bitten. Wir machen einen fliegenden Wechsel. Danke sehr. Danke. Das ist sehr lieb, danke. Ja, Wasser immer gerne. Ja, ein paar Worte auch zu dir, wenn ich so sagen darf. 1996 geboren, ebenfalls in Tschetschenien. Wo, habe ich nicht gelesen. Auch in Grossen. Auch in Grossen, ja, gut. Und du lebst seit fast 20 Jahren hier in Österreich. Das heißt, du warst auch ein Kind, du warst sechs, als du hierher oder... Ich wurde acht. Auf dem Fluchtweg hierher wurde ich acht. Das heißt, der Fluchtweg hat länger gedauert. Ein paar Monate, genau. Ein paar Monate. Wir sind ein paar Monate in Polen gewesen und dann in Österreich und seitdem in Österreich. Du bist seitdem in Österreich. Als Beruf Grafikerin, aber eine leidenschaftliche Fotografin, habe ich auch gelesen, Hobbyfotografin, aber auch eine leidenschaftliche Köchin. Da wären wir weder bei der Küche als vor. Ich bin kein Profi, aber das war das Gute. Aber eine Hobbyküche, eine begeisterte. Und du liebst die Treffen mit deiner Familie, mit deinen Freunden. Das heißt, die Familie ist generell in Tschetschenien, das haben wir jetzt schon etwas mitbekommen, ganz, ganz, ganz wesentlich. Ein zentraler Anker wird groß geschrieben. Das erinnert mich, ich war ja lange Zeit in Italien, das erinnert mich auch ein bisschen an die Mentalität, die es ja auch im Mittelmeerraum gibt, wo nach wie vor Familie einfach wichtig ist. Ich glaube, wichtiger als in Mitteleuropa. Du schreibst Kindergeschichten und Essays. Ja, ich habe im Rahmen vom Stimmraum eine sehr tolle Schneckengeschichte geschrieben. Die ist leider nicht im Buch drinnen, aber das wird extra veröffentlicht. Das kommt noch. Also gespannt bleiben. Der Titel ist Die fliegende Schnecke. Also lasst euch überraschen. Hingegen heute hören wir einen Tag in Tschetschenien. Genau, das ist eine leichte Erinnerungsgeschichte mit ein paar Szenen, die wirklich passiert sind, als ich meine Großeltern vor vier Jahren besucht habe in Tschetschenien, weil die dort noch leben. Und ich habe eine sehr tiefe Beziehung, beziehungsweise eine sehr starke Beziehung zu meinen Großeltern, weil ich zwei, drei Jahre bei ihnen gelebt habe, während meine Familie eben auf der Flucht war. Und weil ich im Schulalter war, also ich wurde sechs sechs und damit ich noch Schulbildung eben genießen konnte, hatte ich die Möglichkeit, bei ihnen zu leben. Deshalb waren sie quasi dieser Elternersatz da und die Verbindung ist eben somit stärker. Und deshalb, die Geschichte ist ihnen gewidmet. Ist es eine rein autobiografische oder auch eine teils fiktive Geschichte? Ist das eine rein autobiografische oder auch eine teils fiktive Geschichte? Man könnte schon sagen, alle Erlebnisse sind passiert, jetzt zeige ich jetzt vielleicht nicht an demselben Tag, natürlich ein bisschen eben ausgeschmückt, aber die Tage verliefen so und man könnte sagen, eine Autobiografie, genau. Bitte. Passt, danke schön. Okay, ein Tag in Tschetschenien. Die Uhrzeit ist unbekannt, aber vermutlich ist es früher Vormittag. Durch die Helligkeit der Sonnenstrahlen, die so grell sind, dass sie mich trotz der Vorhänge blenden, wache ich auf. Schlaftrunken versuche ich, meine Umgebung wahrzunehmen. Die Sommersonne erhält ohne Mühe den ganzen Raum. Draußen ist ein Hahn zu hören, der laut Krähen seinem morgendlichen Ritual nachgeht. Ich liege noch eingekuschelt im großen Bett, das mitten im Zimmer steht. Es befindet sich noch ein Kleiderschrank rechts vom Bett sowie ein Kosmetiktisch mit großem Spiegel in Holzoptik in diesem Raum. Die hohen Wände sind klinisch weiß. Es ist ein sehr simples und funktional eingerichtetes Zimmer. Die Tür ist geschlossen, aber meine Großmutter ist trotzdem in der Küche zu hören. Nun sind alle Sinne wieder bei mir. Ein Geruch lockt mich in den Kochbereich. Sinne wieder bei mir. Ein Geruch lockt mich in den Kochbereich. Am Herd steht meine Großmutter mit der Schürze um ihre Hüften, summt sie vor sich hin, während sie Pielerski, Teigtaschen mit Kartoffelfüllung, in der Pfanne brät. Der Geruch von kochendem Öl, Kartoffeln und Backpulver erfüllt den Raum. Großmutter freut sich, mich zu sehen. Ohne jegliche Aufforderung mache ich mich an die Arbeit, ihr beim Decken des Tisches zu helfen, welcher in der Mitte des Raumes steht. Der Tee in Tschetschenien wird hauptsächlich Schwarztee getrunken, wird gekocht, frische Tomaten und Gurken aus dem Garten auf den Tisch platziert, platziert. T'urberam, eine heimische Topfensauce, wird mit Sahne verrührt und zu guter Letzt die Teigtaschen hingelegt. Mein Großvater kommt herein. Sein verschwitztes Gesicht hat einen gebräunten Teu, wie es bei Arbeitern im freien Gang gäbe ist. Seine Schritte waren schon bei der Eingangstür zu hören. Er war seit Sonnenaufgang im Garten und hat seine Stallarbeit verrichtet. Wie es für Bauern so üblich ist, fängt der Großvater gleich nach dem Morgengebet an, sich um sein Vieh zu kümmern. Auch wenn er schon über 80 Jahre alt ist, erfüllt ihn diese Arbeit mit viel Freude. Seine Kleider sind etwas schmutzig und haben diesen typischen Kuhstallgeruch, was für manchen vielleicht als unangenehm wahrgenommen wird, aber für mich so vertraut riecht. Er macht sich frisch und zieht sich um, bevor er sich zu uns an den Tisch gesellt. Großmutter schimpft ihn liebevoll, dass er die Arbeit langsam an jemand Jüngeren weitergeben sollte. Sie macht sich Sorgen, dass Großvater stürzen und sich verletzen und dass das Heben der schweren Heuhaufen seinen Rücken strapazieren könnten. Keine Sorge, antwortet Großvater, du wirst mich so schnell nicht loswerden. Er schaut mich dabei an und wir lachen. Es ist ein schöner, friedlicher Tag in Vedenau, einem Dorf im Südosten von Tschetschenien. Tschetschenien, oder wie wir selbst sagen, Dei Mok. Das bedeutet übersetzt Vaterland. Ein Land der hohen Berge, schöne Landschaften und einer langen Geschichte des Krieges. Vor über 20 Jahren wäre so ein gemütliches Frühstück nicht möglich gewesen. Für meine Großeltern ist es, wenn man es nimmt, ein Segen, die Kriege überlebt zu haben oder ein Fluch, Verluste und Grauen erlitten zu haben. Vor Jahren haben wir noch die Tage und Nächte im kalten, feuchten Keller des selben Hauses verbracht. Wenn die Panik auf den Straßen ausbrach, war klar, dass man so schnell wie möglich Zuflucht im Keller oder Bunker suchen sollte. Ich kann mich an die kleine Tür mit dem engen Eingang erinnern. Der Raum bestand hauptsächlich aus Beton und bot nicht viel Platz. Strom gab es keinen, man musste Öllampen benutzen. Der Keller war klein, mit einer niedrigen Decke. Man konnte darin entweder sitzen oder sich gebückt aufhalten. Der ganze Raum bebte, wenn draußen die Bomben fielen. Verängstigt saßen wir stundenlang da, eng beieinander und beteten zu Gott, dass der Krieg endlich vorbeigehe. Manchmal haben unsere Nachbarin Hamad und ihre Tochter Taos in unserem Keller Zuflucht gesucht. Dann wurde es zwar noch enger im Keller, aber irgendwie wirkte ihre Anwesenheit beruhigend auf mich. Ich kann mich noch gut erinnern, wie Daos und ich uns in diesem dunklen, feuchten Keller immer gegenseitig Zöpfe flochten. Damals hatte ich noch lange Haare bis zu den Hüften, ein Schönheitsideal in Tschetschenien. Als Kind versteht man nicht viel vom Krieg. Man sieht nur die Zerstörung und das Leid auf den Gesichtern der Erwachsenen. Manchmal sieht man, wie die Erwachsenen laut schreien oder weinen und wie sie immer einen bestimmten Namen nennen. Dann versteht man als Kind, dass man diesen Menschen nicht mehr sehen wird, dass er tot ist und stellt sich den Tod als einen bösen Menschen vor, der andere zum Weinen und Schreien bringt. Großvater hat sich nach dem Mittagsgebet und seinem Gottesdienst zurückgezogen, um einen Boxkampf anzuschauen. Währenddessen ist er eingeschlafen. Großmutter und ich machen uns auf den Weg zum Markt, der ungefähr zwei Kilometer entfernt ist. Die Grünanlage vor unserem Haus ist erblüht mit pinken Dahlien und roten Nelken. Sie wehen leicht in der Sommerbrise, was die Bienen die Bestäubung erschwert. Ein Gefühl der Geborgenheit überkommt mich. Wie es in Tschetschenen üblich ist, haben auch wir ein riesiges braunes Metalltor, das die Sicht und den Weg zur Straße versperrt. Es ist ein recht neues Tor. Ich kann mich noch an den Vorgänger erinnern. Dieser hatte eine grün-blaue Farbe und ein wiederkehrendes Muster auf der Außenseite. Es war gekennzeichnet durch Kratzer, Dellen, Farbverluste und vor allem Einschlusslöcher aus der Kriegszeit. Für einen fragebildigen Kontrast sorgten meine Aufkleber. Ich hatte das Tor mit Tattoo-Stickern von Kaugummis beklebt. Man könnte sagen, das alte Tor war ein historisches und künstlerisches Artefakt, das sehr viel über die unweit zurückliegende Geschichte Tschetscheniens und seine Kinder erzählen könnte. Aber vermutlich wollten meine Großeltern nicht mit solchen Artefakten an die Kriegszeit erinnert werden. erinnert werden. Hinter dem Tor fängt gleich die Straße an. Es ist heiß. Auf der Straße spielen viele Nachbarskinder Fußball oder fangen. Durch das Stampfen und Laufen bilden sich Staubwolken, da die Straße nicht asphaltiert ist. Wie auch unsere Großeltern besitzen alle Familien aus der Umgebung riesige Tore aus Metall in den verschiedensten Farben. Dahinter sind die Häuser zu sehen. Es ist ein angenehmer Spaziergang zum Markt. Die Aussicht ist schön, man sieht die Berge, die grünen Gräser und die Schafe, die gelangweilt das Gras kauen. Entlang der Straße verläuft die oberirdische Wasserrohranlage. Woher sie kommt und wohin sie geht, ist ein Rätsel. Da es keinen Gehsteig gibt, benutzen wir den Straßenrand als Pfad. Wir müssen aufpassen. Geschwindigkeitsbeschränkungen und Straßengesetze sind Fremdwörter für die Fahrer. Alte Ladeautos, die ihre besten Jahre schon längst hinter sich gelassen haben und den österreichischen TUV mit Sicherheit nicht bestehen würden, tauchen blitzschnell auf und rasen, so schnell wie sie gekommen sind, davon. Ab und zu hupt mal jemand beim Vorbeifahren. So drücken die Burschen ihre Komplimente aus. Am Markt werden alle Verkäufer und Käufer begrüßt. So ist es nun mal in einem Dorf. Jeder kennt jeden. In Tschetschenien nicht anders als in Österreich. Später zu Hause sehen wir Großvater, wie er das Futter für seine geliebten Kühe zusammenstellt. Zum Abendessen gibt es eine Bohnensuppe. Das ist die Spezialität aller Asiat, meine Großmutter. Die Zutaten kommen frisch aus ihrem Garten. Feuerbohnen, Kartoffeln, Zwiebeln, Petersilie und Gewürze. Wir haben unsere Verwandten eingeladen. Damals gab es noch keine Handys. Die Nachbarn und Verwandten sind einfach spontan vor der Haustür aufgetaucht. Als Kind habe ich das ziemlich nervig gefunden. Denn die Gäste kamen immer genau dann, wenn du beschlossen hattest, dich zu entspannen. Kaum hat man ein Buch in die Hand genommen und sich auf dem Sofa gemütlich gemacht, ging das Tor auf und man hat jemanden, seid ihr zu Hause, schreien gehört. Ohne Vorwarnung und Anmeldung. Das ist vermutlich der Grund, warum sich die ältere Generation nie zu entspannen weiß. Sie sind ja ständig bereit, Gäste zu empfangen. Der Besuch ist da, das Essen ist fertig und der Tisch gedeckt. Heute wird auf der überdachten Terrasse gegessen. Der Abend ist schön warm. Der Himmel ist voll von leuchtenden Sternen. Man sieht die Sterne so klar, dass man einen Teil der Milchstraße bewundern kann. Die Nacht ist schön, friedlich, unsere Gespräche lang, die Stimmung heiter, wir lachen viel und sind sehr glücklich. Es wird reichlich schwarz deserviert. Nachwort. dieser wird. Nachwort. Meine Generation hat nicht viel bewusst vom Krieg mitbekommen, aber wir wissen sehr wohl, wie es damals unseren Eltern und Großeltern ergangen ist. Sie lebten in ständiger Angst. Angst war wie ein Schatten, der immer da ist. Angst, bei Bombenanschlägen getötet zu werden oder unter den Trümmern zu ersticken. Angst, behaftet zu werden oder gedemütigt, Angst, die Liebsten zu verlieren oder verletzt zu werden. Jede Nacht könnten Soldaten ins Haus hineinstürmen, dich berauben, dich verprügeln oder entführen. Und wenn du nur beraubt oder verprügelt wurdest, könntest du dich als glücklich schätzen. Denn die Entführten kamen meistens nie zurück, sie verschwanden spurlos. Ich denke oft an diese Zeit zurück. An die Zeit, wo ich das, was um mich herum geschah, nicht verstanden habe. Aber immer wieder die Angst der Erwachsenen aus meiner Familie gespürt habe. Ich denke an die Nächte zurück, in denen Großmutter mit mir in einem Bett schlief. Sie umschloss mich mit ihrem ganzen Körper wie ein Koale seinen Jungen. Es gab weder Strom noch Heizung und die Nächte waren eisig. Abwechslungs schlief ich in den Armen meiner Großmutter und in den nächsten nach den Armen meines Großvaters. Das sind die schönsten Kindheitserinnerungen. Danke, Linda. Du hast uns sehr lebendige, auch sehr herzerwärmende Einblicke gegeben in das Leben deines Dorfes, in deine Familie, auch in deine Seele, würde ich sagen. Du hast vor dem Beginn deiner Lesung schon die Großeltern erwähnt und hast gesagt, dass sie so bedeutsam für dich sind. Was sind die Großeltern genau für dich? Was haben sie dir mitgegeben oder was geben sie dir heute noch? Also ich kann mich ja leider an meine Kinder erst ab dem sechsten Lebensjahr ungefähr erinnern, also eben in diesem Zeitraum, wo ich bei ihnen gelebt habe. Von ihnen habe ich das erste Mal Liebe und Zuneigung verspürt. Das hat mich so tief verankert. Das macht mich traurig, dass sie nicht hier sein können, beziehungsweise dass ich mit ihnen sein kann. Und weil sie auch schon älter sind, die Angst, sie zu verlieren, ist dann auch dementsprechend groß. Ihr beschreibt ja alle auf verschiedene Art und Weise auch durchaus traditionelle Werte. Was können denn wir hier in Mitteleuropa zum Beispiel von Tschetschenien und von den Tschetschenen und Tschetscheninnen lernen? Okay, also da bin ich vielleicht nicht die richtige Ansprechperson, weil ich nicht gerade sehr viel von der Kultur und so weiß. Du sprichst ja viel von Zusammenhalt zum Beispiel. Von Familie. Ja, genau, sehr Offenheit und Zusammenhalt, einfach viel mehr Verständnis und Toleranz auf jeden Fall. Das wäre sicher was Gutes. Die brauchen wir immer. Egal wo man ist. Egal wo man ist, genau. Du hast gesagt, du warst dann letztlich acht, als du in Österreich angekommen bist. Das heißt, du hast die Schule eigentlich hier in Österreich begonnen. Genau, ich habe sie hier begonnen. Also ich durfte, es war ungefähr August, September als wir hier waren und ich konnte dann auch gleich in die erste Klasse gehen. Inzhi Zhenen hatte schon zwei Jahre die Schule eben besucht, beziehungsweise eineinhalb und dann durfte ich hier nochmal von vorne. Von vorne beginnen. Und wie war das mit der deutschen Sprache? Hast du gar nichts wahrscheinlich gekonnt? Ich habe gar nichts gekonnt. Ich habe im Vergleich zu den Kindern dort natürlich schreiben können. Also da hat mich auch meine Lehrerin immer gelobt, dass ich schön Schreibschrift schreiben kann. Das ist eh klar, wenn man weiß, wie man Kyrillisch Schreibschrift schreibt, das ist dann sehr bewundernswert. Also ich denke, ich habe die Sprache sehr schnell gelernt. Das ist auch keine Komplikation gehabt, aber das ist auch einfach, wenn man eben von der ersten Klasse an anfangen kann, würde ich sagen. Aber ob es schwer war oder nicht, vermutlich nicht so, weil als Kind fällt das einem leichter. Im Normalfall ja. Nicht immer, aber wenn du dich nicht erinnerst, dass es dir schwer gefallen ist, dann war es sicherlich auch nicht so. Das kann nicht so sein, genau. Hast du literarische Vorbilder? Ich nehme wohl an, wenn dann, vielleicht im deutschen Sprachraum oder würdest du dich auch woanders anlehnen? Also ich lese viel, ja, aber ich habe jetzt keine Vorbilder oder Leute, die mich inspirieren, wenn man das so sagen kann. Ich schreibe ja hauptsächlich Tagebuch, wenn schon, denn schon, Tagebuch, wenn schon, denn schon, eben um meinen Gefühlen einen Platz zu geben, wenn ich sie mal nicht so äußern kann und wie man es vielleicht an meinem Text erkennen kann, das ist ja auch sehr persönlich und sehr intim gewesen und von dem her ja, also literarisch fand ich mich immer selbst eigentlich sehr nicht so gut, weil vermutlich, weil das Gefühl in der Schule so vermittelt wurde von Deutschlehrern und Co. Deshalb habe ich das nicht mal angefasst. Erst durch Stimmraum eben habe ich da quasi das ausprobiert und ein Talent gefunden, wenn man das so sagen kann. Und genau, ja. Ja, da sieht man, dass man manchmal eben wirklich die richtige Unterstützung braucht, um eigene Schätze auch heben zu können. Lina, du hast ja an einer Stelle geschrieben, meine Generation hat, und auch vorgelesen, nicht viel bewusst vom Krieg mitbekommen, aber wir wissen sehr wohl, wie es damals unseren Eltern und Großeltern ergangen ist. Sie lebten in ständiger Angst. Eltern und Großeltern ergangen ist. Sie lebten in ständiger Angst. Jetzt gibt es wieder einen Krieg, den Krieg in der Ukraine. Wir werden überflutet mit Bildern, mit Nachrichten Tag für Tag. Ein Ende ist nicht abzusehen. Der Aggressor ist ein und dasselbe. Wie geht es zum Beispiel deiner Familie mit diesen, wie gehst du mit diesen Nachrichten um? Könnt ihr das hören? Macht euch das Angst? Ich vermeide bewusst, dass ich diese Nachrichten überhaupt höre. Also ich versuche mich generell überhaupt nicht damit zu befassen, weil ich mit solchen Informationen leider nicht positiv umgehen kann. Die belasten mich sehr stark und vor allem in dieser Situation, wo ich keinen direkten Einfluss habe, also außer eben indem man spendet und wo natürlich, aber wo einem die Hände gebunden sind, also ich bewusst vermeide es, darüber zu lesen oder mich damit zu beschäftigen. Meine Familie und also mit denen gehe ich auch keine Gespräche. Ich distanziere mich komplett von dem zurück. Eher zu viel von meiner Seite. Danke sehr. Danke. Wir machen noch einmal einen Wechsel. Bitte, Malika Musliewak. Bitte sehr. Ja, bitte. Das stellen wir zur Seite. Das stellen wir zur Seite. Danke. Ja, ich darf auch dich logischerweise kurz vorstellen. Du lebst ebenfalls hier in Linz seit 15 Jahren, stimmt das? Das sind die Infos, die ich bekommen habe. Du bist 28, das heißt, wenn wir rechnen, warst du 13. 14. Ja, warst du 13. 14. Ja, warst du schon 14. Du arbeitest als Programmiererin. Genau, ja. Das heißt, du hast mit 14 die höhere Schule sozusagen, die höhere Schulausbildung hast du hier in Linz gemacht. Wo warst du vorher? Genau, ich war mit 14 sind wir nach Vöcklerbruck beziehungsweise in die Nähe von Vöcklerbruck gekommen und da hat man mich in die Hauptschule geschickt, wobei dann bald entschieden wurde eigentlich, ich bin schon 14, ich sollte ja nicht dort sein, aber wir haben es dann mit dem Direktor abgesprochen, dass ich doch das machen darf. dass ich doch das machen darf. Dort eineinhalb Jahre, das war Mitte des Jahres, dort eineinhalb Jahre in die Schule gehen kann, damit ich auch entsprechend ein Zeugnis bekomme und auch eine Weiterführende machen kann. Also wir hatten das Glück, dass meine Cousine da war und sie hat sich ein bisschen ausgekannt. Also auf ihre Empfehlung haben wir das so gemacht. Und nach eineinhalb Jahren bin ich dann hier in Linz in die Handelsakademie gegangen. Seid ihr sozusagen direkt aus Tschetschenien gekommen oder auch den Umweg über Deutschland oder ein anderes Land? Wir waren zuerst in Polen drei Jahre. Also ich bin mit elf dann ausgewandert und danach sind wir hergekommen. Hast du auch Polnisch gelernt? Ja, dort bin ich auch in die Schule gegangen. gekommen. Hast du auch Polnisch gelernt? Ja, dort bin ich auch in die Schule gegangen. Wobei Polnisch ist dann leichter, weil das eine slawische Sprache ist. Wenn man Russisch spricht, kommt man da schnell rein. Das ist richtig, aber es ist eine komplexe Sprache. Definitiv, ja. Und auch eine sehr schöne Sprache. Du malst gerne, du liest gerne. Das habt ihr alle sozusagen gemein. Aber du studierst auch parallel zu deiner beruflichen Tätigkeit. Du interessierst dich für künstliche Intelligenz? Das ist mein Studium, wobei, wenn man das nebenberuflich macht, habe ich fast ein schweres Gewissen zu sagen, dass ich es studiere. Aber ja, das studiere ich. Was fasziniert dich daran so? aber ja das studiere ich. Was fasziniert dich daran so? Es ist ja im Grunde genommen, da ist sehr viel Statistik und eigentlich Analyse von Prozessen und dann der Versuch das irgendwie dann auch in der Software zu implementieren und ich ich analysiere gerne allgemein, egal in welchem Kontext, ich analysiere gerne. Und Mathematik war etwas, was ich unabhängig von der Sprache immer konnte. Und das ist dann mir. Also ich habe sehr positive Gefühle mit Mathe eher, weil ich, ob in Polen oder Tschechien oder in Deutschland, auch in Österreich, auch wenn ich die Sprache nicht konnte, konnte ich Mathe schon. Also von dem her ist es mir entgegen. Als universelle Sprache. Richtig, ja. Sehr schön. Du schreibst Prosa und Gedichte, ja? Ja, wobei heute wollte ich was anderes vorlesen. Genau, und das heißt, für Stimmraum gemacht, heißt aber Stimmlos. Genau, das, was ich vorlesen möchte, heißt Stimmraum gemacht, heißt aber Stimmlos. Genau, das, was ich vorlesen möchte, heißt Stimmlos. Okay, ich muss das leider so halten, sonst sehe ich nichts, auch wenn ich nicht so alt bin wie mein Mann, brauche ich auch eine Brille. So, Stimmlos. Ich teile meine bisher gelebte Zeit gerne in zwei Abschnitte. Eines Tages wachte ich auf und ging meiner täglichen Routine nach. Woraus diese Routine an dem Tag bestand, ist unwichtig. Wichtig ist die Tatsache, dass ich an dem Frühlingstag das erste Mal seit einer Ewigkeit wieder Vögel zwitschern hörte. Ich konnte Straßengeräusche wahrnehmen, ich konnte Schritte der Passanten registrieren und konnte im Kaffeehaus bewusst den Plaudern der Gäste lauschen, ohne zu versuchen, die einzelnen Wörter auseinanderzunehmen. Dabei war mir gar nicht bewusst, dass ich sie davor nicht wahrgenommen habe, denn ich war nie taub, wie man es vermutlich angenommen hat. Ich war lediglich im mir von klein auf beigebrachten Verdrängungsmodus. An dem Tag war die Zeit endlich gekommen, wo mir mein Gehirn signalisierte, ich sei nicht mehr in Gefahr. Aus diesem Grund konnte es die Informationen, die in meine Sinnesorgane lieferten, so wie es sich gehört, verarbeiten. Also teile ich mein Leben gerne in den Abschnitt vor diesem Tag und den Abschnitt danach. Ich muss leider. Ja, ja, ja. Mein Schicksal brachte mir verschiedene Geschenke. Begonnen mit gesundheitlichen Schwierigkeiten, bevor ich diese Welt betrat. Kurz nachdem ich gehen lernte, wurde der Sturmbefehl meines Heimatdorfes ausgesprochen. Die Absicht bestand darin, es auszulöschen und alle Bewohner, ob jung oder alt, zu eliminieren. Anschließend kam die Hungersnot mit dem Tod, der über unsere Schulter blickte. mit dem Tod, der über unsere Schulter blickte. Schließlich kam die Flucht nach Europa, die einen Obdachlosen- und Kinderheim als Highlights vorweist. Während dieser Reise hat es mich verschiedene Arten der Diskriminierung, vorwiegend aufgrund meiner Herkunft, meines Glaubens oder meines Geschlechts, kosten lassen. Es rieß mich aus einer Umgebung in die andere. Das Schicksal brachte mich dazu, die menschliche Natur verpackt in verschiedene Körper und Kulturen kennenzulernen. Es beanspruchte meine Zunge, indem es mich in Gegenden zog, wo meine Sprache fremd war und ich schnell eine neue beherrschen musste. Der ständige Systemwechsel forderte meinen Verstand heraus. In einem neuen System angekommen, musste ich mich schnellstens anpassen, bevor meine Mitmenschen merkten, ich sei ein Fremdkörper für dieses System. Ich kann zwar die einzelnen Stationen aufzählen, die ich durchlief, kann mich jedoch an die wundersame Kindheit fast nicht erinnern. Die wenigen Erinnerungen, zu denen ich noch Zugang habe, sind wie im Nebel verschwommen. Der Grund dafür sei höchstwahrscheinlich Verdrängung, so die Psychologie, die Wissenschaft der Seele. Die Zeit, in der ich eifrig nach den Ursachen meines Zustandes geforscht habe, würde bestimmt mein halbes Leben ergeben. So geht es vermutlich jedem Vertreter der menschlichen Spezies. So wie es für eine Katze eine Naturgegebenheit ist, zwei Drittel des eigenen Lebens durchzuschlafen, scheint der Mensch dazu bestimmt zu sein, sich einen Großteil seiner Lebenszeit mit Fragen wie, aus welchem Grund geschieht das Ganze, warum benehme ich mich so, Warum benimmt sich der dort anders? Zu beschäftigen. Bis er mehr oder weniger an dem Punkt ankommt, wo ihm auf der Stirn mit einer stumpfen Nadel eingraviert steht, lasst mich doch einfach meine Zeit halbwegs würdevoll absitzen und gönnt mir bitte ein stressfreies Ableben. Die Augen verraten stets den Schmerz, den diese Gravur verursacht hat. Manche Augen schneller und manche erst auf den zweiten Blick. So als ob ständige Konfrontationen mit der äußeren Welt nicht mühsam genug wären, hat sich die Natur einen Scherz erlaubt und die Menschheit mit einem großen Potenzial für innere Konflikte ausgestattet, sodass uns Frieden nicht einmal im Schlaf gegönnt wird. Wenn man mir damals vor vielen Jahren gesagt hätte, wir seien in einer Hölle oder die Erde sei ein Gefängnis, hätte ich mich als Kind nicht so hilflos gefühlt. Es ist für eine Sechsjährige nämlich nicht greifbar, warum sie sich in einem Bunker verstecken muss. muss. Warum sie nicht verstehen kann, ob ihr das heftige Geräusch des Bombardements mehr Angst einjagt oder die Schritte der Soldaten, die sie über dem Bunker hin und her gehen hört. Sie schienen sich in der eisernen Kälte draußen genauso vor uns zu fürchten, wie wir uns hier unten vor ihnen. Ich zweifelte stark daran, dass sie seit einer Viertelstunde auf dem Holzboden über dem Bunker herumirrten, ohne zu realisieren, dass unter ihren Füßen ein paar Dutzend Menschen in einem schweigsamen Gebet unter der Decken versteckt sich gegen sie vereinten. Eher war ich der Meinung, sie wollten uns nicht finden, also saß ich und fragte mich insgeheim, was wohl passieren würde, wenn wir einfach rausgingen. Diese kalten, von Waffen durchlöcherten, hungrigen Tage werde ich ewig verfluchen und mich an die vergleichsweise ruhigeren Nächte, die uns in ihre schützenden Armen nahmen, mit Dankbarkeit erinnern. Meine Verwirrung war maßlos, als ich im Erwachsenenalter auf andere traf, die aus einer anderen Ecke der Welt kamen und Ähnliches erlebt hatten. Denn Kriege gibt es seit dem Beginn der Menschheit. So lehrt uns die Geschichte. In der Kindheit glaubten wir an Superhelden und an ihre heroischen Taten. Als Jugendliche trafen wir auf eine erschütternde Enttäuschung, weil die Abenteuer, die uns geliefert wurden, im besten Fall dem Alltag eines Durchschnittsbürgers aus Gotham City ähnelten. Wir kamen uns wie von unsichtbaren Handschellen der Ausweglosigkeit gefesselt vor. Somit begaben wir uns alle auf die verzweifelte Suche nach Wegen, die uns eine Flucht aus dieser Wirklichkeit ermöglichten. Ob Drogen, Alkohol, Spiele oder Liebesversuche, die kapitalistische Konsumgesellschaft hat ein All-You-Can-Eat-Buffet für jeden Geschmack noch lange vor unserer Geburt zur Verfügung gestellt. Im Laufe der Erwachsenwerdens jedoch realisierten wir, dass wir dem Leben nicht hilflos ausgeliefert sind. Wir lernten, unsere Handlungsmacht zu erkennen. Wie und wo, fragt man sich. Manche lernten es in der Schule und die anderen im Gefängnis. Manchen brachte es Erich Fromm durch sein Werk Die Furcht vor Freiheit bei. Die anderen begriffen es an einem sonnigen Tag beim Überqueren einer Straße, die sie zigtausend Mal davor bereits überquert hatten. Wie dem auch sei, kamen wir gemeinsam zu bahnbrechenden Schlussfolgerungen. In dem Versuch, uns unsere Kindheit zu nehmen, hat man sie für uns lebenslang ausgedehnt. Denn jene, die in der Kindheit keine Kinder sein durften, sind es umso mehr, solange sie atmen können. Mit der Absicht, uns das Leben zu nehmen, hat man uns mit einer unerschöpflichen Lebenskraft ausgestattet, die uns beinahe beflügelt. In der Hoffnung, uns auszulöschen, hat man zu unserem größten Entwicklungssprung beigetragen. Danke. Malika, du beschreibst und schreibst sehr, sehr eindrücklich von den Leiden, vom Schmerz von Menschen auf der Flucht, auf der Flucht vor Krieg und Vertreibung. auf der Flucht vor Krieg und Vertreibung. Eine Flucht, die oft, du sagst ja auch, über viele Länder führt, in verschiedenen Etappen, bevor man letztlich irgendwo tatsächlich sesshaft werden kann. Du sagst an einer Stelle, der ständige Systemwechsel forderte meinen Verstand heraus. Das könnte man ja auch, oder das kann man ja auch positiv bewerten. es ist ein Stimulus, es hat dich ja auch angeregt, aber wie viel Stress steckt da wirklich dahinter, wie hoch ist der effektive Stresslevel, den ein Mensch ja haben muss, wenn er sich ständig verändern muss, verändern muss, auch irgendwie anpassen muss, mit Neuem konfrontiert ist. Das kann ich jetzt irgendwie schwer einschätzen, aber ich glaube, jeder kennt es, wenn man aus der Komfortzone gerissen ist und dann weiß ich nicht, was ein gutes Beispiel wäre, wenn jemand, der ungern präsentiert, plötzlich präsentieren muss und zehn Minuten lang durchgehend gestresst ist, wenn jemand, der ungern präsentiert, plötzlich präsentieren muss und zehn Minuten lang durchgehend gestresst ist, wenn man das selber auf ein paar Jahre aussehen kann. Ist aber jetzt nicht der Fall, oder? Bei mir nicht, aber ein besseres Beispiel ist nicht. Du hast ja auch an einer Stelle vom Verdrängungsmodus gesprochen. Man sieht aber, dass du sehr, sehr aktiv bist. Ich würde den Schluss jetzt ziehen, sozusagen weniger Psycho-Couch, mehr Aktivitäten. Ja, richtig. Ja, du bist sehr, sehr aktiv, auch sehr, sehr kreativ. Wie sehr hilft dir da auch das Schreiben? Also Linda hat ja zuerst eigentlich sozusagen den Terminus, ohne ihn auszusprechen, Script Therapy. Man kann sich auch selbst therapieren, indem man schreibt. Es gibt auch die, ich weiß gar nicht, wie es auf Deutsch heißt, die Italiener sagen La Scrittura Automatica. Also es würde sozusagen das automatisch aus der Hand fließen. Hilft dir das Schreiben? Lädst du da etwas ab? aus der Hand fließen. Hilft dir das Schreiben? Lädst du da etwas ab? Ich muss ehrlich sagen, das ist das erste Mal, dass ich irgendwas in der Richtung aufgeschrieben habe. Aber was hast du empfunden? Hilft dir das? Schreiben an sich hilft schon. Schreiben sowie Reden hilft durchaus. Denkprozess ist einfach besser, finde ich. Du hast an einer Stelle deines Textes, das habe ich mir auch aufgeschrieben, der Text ist ja auch länger, Du sprichst da eben auch von den Herausforderungen durch die kapitalistische Konsumgesellschaft. von Spielen und so weiter. Wir wissen zum Beispiel gerade im Fall von Tschetschenen und Tschetschenien, Tschetscheninnen ebenso wie bei Afghaninnen und Afghanen, dass es wahnsinnig schwer ist, einen Aufenthaltstitel zu bekommen. Also die Menschen müssten oft sehr, sehr lange warten können, in der Zwischenzeit nichts tun. Sie können ja nicht arbeiten, also sind zur Untätigkeit gezwungen. Sind all diese Dinge aus deiner Sicht ein großes Problem bei Jugendlichen? Auch vielleicht eine gewisse Desorientiertheit? Ich finde, egal ob bei Jugendlichen oder bei einem erwachsenen Menschen, wenn man jahrelang nichts tut, in der Entwicklung gibt es ja, soweit ich weiß, keinen Stillstand. Man entwickelt sich automatisch zurück, wenn man nicht beschäftigt ist. Und es macht erstens, also warten zum Beispiel, das weiß ich, wir mussten drei Jahre lang warten in Österreich, bis wir gewusst haben, ob wir hier bleiben dürfen. Und davor auch in Polen eine Zeit lang. Und ich für meinen Teil weiß, dass ich warten nicht aushalte. Also deswegen, ich nehme mal an, das hat auch irgendwie dazu beigetragen, dass das jetzt nicht unbedingt das ist, was ich am meisten, also am besten kann. Finde ich ganz destruktiv für die Gesellschaft im Nachhinein auch. Ich bin auch kein sehr geduldiger Mensch, es muss auch immer alles schnell gehen. Wir haben eingangs gehört, dass ein Grund, warum dieses Projekt eben auch zustande gekommen ist, dieses negative Bild war, vor allem der tschetschenischen Jugendlichen. Warst du dir dessen bewusst? Meiner sagte nein, sie war irgendwie überrascht von dieser Geschichte. War dir das bewusst, war das auch mit ein Ansporn, dass du sagst, du möchtest da mittun, um ein anderes Bild von deiner Community zu geben? gehört habe, hat es mir sehr gut getan, zu wissen, okay, nicht in jedem Land ist das so. Ja, ich habe schon gewusst, da ich ja hier seit 14 da bin und hier und dort, je nachdem, was in den Medien veröffentlicht wird, ich glaube, das kennen eh alle, die ständische Herkunft haben, wenn irgendetwas Schlechtes in den Medien geschrieben wird, das ist durchaus, falls es in der Schule erwähnt wird, wird man da zu der Meinung gefragt, beziehungsweise einfach wird darauf angesprochen oder selber auch in der Arbeit. Oder allgemein Arbeitssuche, wenn man ständig im Lebenslauf stehen hat und so. Also mir, das habe ich schon gewusst. Das war für mich, ja, war, ist halt so. Du schreibst auch zum Schluss, von hier aus betrachtet sind keine Ziele zu hoch und keine Schwierigkeiten zu groß. Ich finde, das ist ein wundervoller Abschlusssatz für deinen Part. Ich danke dir ganz herzlich für deine Geschichte und ich glaube, alle haben sich einen großen Applaus verdient. Ich habe ja von den Veranstaltern strenge Zeitvorgaben und mir wurde auch eine, weil ich selber keine Uhr mit hatte, eine Uhr hergelegt. Wir haben ganz wenige Minuten, ich würde Sie aber trotzdem bitten, haben Sie keine Scheu, wenn Sie Fragen haben an die Literatinnen, was auch immer, dann darf ich einfach bitten, dass Sie aufstehen. Ich kann Sie leider wirklich kaum sehen. Ja, und einfach fragen. Falls es ein Mikrofon gibt, weiß ich nicht, vielleicht auch mit Mikrofon, bin ich jetzt überfragt. Hat jemand? Ja, da ist eine Hand. Ja, da ist eine Hand. Ja? Mir ist gar nicht bewusst, dass es so ein Wert und das Vorurteil gegenüber Ihnen gibt. Das war mir gar nicht klar. Das erwähnen Sie immer. Vielleicht kann man dazu passend sagen. Bitte, Meinhard, bitte. Ich habe heute Vormittag einen Workshop gehabt in Wien, in einer Lehranstalt, in einer Ausbildungsstätte. Gerade mit tschetschenischen Jugendlichen und die haben erzählt, die Mädchen vermeiden es überhaupt zu sagen, dass sie aus Tschetschenien kommen, wenn das Erste, das sie hören, ist, deine Brüder kommen sie gleich mich abstechen, Cousins und so weiter. Das ist das eine, dass sofort selbst unter Peers gesagt wird, dass sie mit diesem Vorurteil kommen, woher auch immer. die mit diesem Vorurteil kommen, woher auch immer. Dann, dass die Jugendlichen, dass die Burschen zum Beispiel, nicht tschetschenische Herkunft, die vehement vermeiden würden, nicht einmal sich begrüßen würden, weil die eben Angst von diesen vermeidlichen, imaginären Cousins und Brüdern haben. Das ist schon sehr, sehr. Oder eben Österreich ist ein Land, leider Gottes, im Gegensatz zu den anderen benachbarten Ländern, wo die sogenannten Boulevardmedien einen wahnsinnig starken Einfluss auf die Menschen, aber auch auf die Politik, wie wir in den letzten Monaten auch das erleben durften, hier in Österreich haben, das in der Stimmung gemacht. Und wenn man diese Gratisblätter oder eben halt die größte Boulevardzeitung anschaut, ich mittlerweile tue das nicht, ich rate auch meinen Landsleuten, das nicht zu machen, nicht dass die anderen hier in Österreich leben das. Und da sind mit so großen Titeln die banalsten Geschichten, wenn irgendein Halbwüchsiger irgendeinen Blödsinn auf der Straße gemacht hat, wird das dann tschetschenische Bande, tschetschenische Jugendliche und das und das und das. Natürlich ist das eine große Hetze und Stimmungmache gegen diese Menschen, die übrigens, ich glaube, eine der wenigen, wahrscheinlich auch die Palästinenser kann man dazu zählen, eine der wenigen, die überhaupt kein Lobby, keine Fürsprecher, keine Unterstützer haben in der Gesellschaft oder auch in der Politik, die keine eigene Botschaft haben. in der Gesellschaft oder auch in der Politik, die keine eigene Botschaft haben. Die sind alle russische Staatsbürger und wie russische Botschaft hier in Österreich oder Konsulat sich darüber freut oder Tschetscheninnen und Tschetschenen zur Hilfe eilt, wenn was passiert. Das kann man ja aus den Texten oder aus der Vergangenheit oder aus der Gegenwart auch sich erahnen. Das heißt, die Tschetschenen sind ziemlich ausgeliefert, diese Herzemacher. Sie werden eigentlich immer mit Gewalt gleichgesetzt. Das ist das Problem. Bitte. Und zwar vorher, das muss jetzt schon sicher mehr als zehn Jahre her sein, ich war Jugendfußballtrainer. Und da waren auch tschetschenische Kinder, einer ist Beisangur. Und ganz ein süßer Junge, der war 10 Jahre alt. Und was wollten wir werden? Und der Beisangur, das werde ich nie vergessen, hat geantwortet, ich bin böse, ich komme ins Gefängnis, ich bin Tschetschenin. Mit zehn Jahren, alle haben gelacht. Was ich sagen möchte, ist das so, dass diese Meinung oder dieses Vorurteil, mit dem die Kinder dann hier aufwachsen, spielt das eine Rolle? Aber natürlich spielt das eine große Rolle. Apropos Gefängnis, morgen bin ich übrigens in einem Gefängnis, in Gerersdorf, in der einzigen österreichischen Jugendanstalt, wo ich ja auch arbeite, mit eben diesen tschetschenischen Jugendlichen, die dort sind. Es ist ständig, ich muss ja immer feststellen, dass diese jungen Männer, junge Menschen, weil sie, wenn ständig gesagt wird, du bist brutal, du bist gewalttätig, wenn Jugendliche, wenn Kinder in den Schulen in den Pausen sich austoben, dann heißt das, wenn ein normales, das ist ein schlechtes Wort, okay, das darf ich nicht benutzen, wenn ein 0815-Jugendlicher, also ein Kind, sich austopft, das heißt, er ist hyperaktiv. Das ist so lübbelnd, aufgeweckt. Wenn das ein tschetschenisches Kind ist, ist es aggressiv. Also diese Zuschreibung, diese Klischees, mit denen wachsen sie schon von sehr, sehr klein auf. Und natürlich glauben sie irgendwann, dass sie im Gefängnis landen. Dann landen sie eben im Gefängnis. Das war der liebste Junge überhaupt. Also ich glaube nicht, dass der ins Gefängnis geht. Das hoffe ich auch nicht. Aber eben auch die, die dort gelandet sind, sind so aufgewachsen. Ich würde, sonst hätte ich noch eine Frage, das war eine sehr große Frage. Ich habe mich jetzt hier vorgedrängt, aber wenn die Autorin gefragt werden würde. Um das vielleicht, das ganze Dilemma auch noch ein bisschen besser einordnen zu können. Dilemma auch noch ein bisschen besser einordnen zu können. Die Menschenrechtslage in Tschetschenien ist katastrophal. Um auch noch einmal zurückzugehen, warum gehen denn die Menschen weg, immer noch weg? Warum gehen sie weg? Die Menschenrechtslage ist katastrophal. Kannst du ein paar Worte sagen, damit das noch veranschaulicht wird? Kann ich, ich darf nicht, ich muss immer wieder versprechen, dass ich meinen Mund halte, kann ich nicht. Okay, also die Situation in Tschetschenien, ich vergleiche es immer mit einer Nordkorea, aber sehr kapitalistischen Nordkorea. Wenn wir uns vorstellen, dass in Nordkorea auf den Straßen Lamborghinis herumfahren, gelbe, rote und so weiter. Auf der einen Seite, auf der anderen Seite unglaubliche, unvorstellbare Armut. Und natürlich keine Pressefreiheit, keine Meinungsfreiheit, nicht einmal am Telefon können Menschen, nicht einmal in der Küche. In der Sowjetunion durfte man ja in der Küche ein bisschen freier reden. Da ist es ausgeschlossen. Da redet man ja auch untereinander nicht. Natürlich ist das dann, Menschen versuchen da um jeden Preis da rauszukommen, zu fliehen. Auf der anderen Seite, wer will ja schon Tschetschenen Asyl geben oder Zuflucht geben. Ich kenne, wenn wir heute, ich bin selber in der Flüchtlingshilfe für die ukrainischen Kinder tätig, aber wir sind gerade so stolz auf uns, dass wir so solidarisch mit der Ukraine sind, dass wir den ukrainischen Geflüchteten, wir sagen nicht einmal Flüchtlinge zu Menschen, die aus der Ukraine geflüchtet sind. Auch selbst die Politik achtet darauf, dass diese Menschen als Vertriebene genannt werden. Während die anderen ein bisschen verniedlichen, ein bisschen Flüchtlinge genannt werden. Oder illegale Migranten. Und da, wo wir so stolz auf uns sind und wo wir uns sehr gerne auf den Schulter klopfen, auch die Politik, das unterstreicht aber gerade, wie ungerecht, wie grausam wir zu den anderen Vertriebenen und Geflüchteten sind. Ich kenne eine Familie aus Tschetschenien und jetzt Polen macht einen super Job jetzt bei dem Ukraine-Krieg. Die Menschen werden aufgenommen, es ist alles unkompliziert. Polen ist ja sogar so ein Paradebeispiel für die ganze Europa. Aber 42 unglaubliche Male hat diese Familie die Grenze zwischen Weißrussland und Polen durchquert, sich in Zug gesetzt, Ticket gekauft, das ganze Geld dafür ausgegeben. 42 Mal wurde die Familie von den polnischen Polizisten an der Grenze zurückgeschickt, unrechtmäßig, weil die haben wenigstens laut europäischen Gesetzen, die Europa selbst ausgedacht und in Genf und so weiter festgelegt hat. Nicht Tschetschenen, Tschetschenen haben diese Gesetze ausgedacht, Europäer, die Fortgeschrittenen. Die haben Recht, einen Antrag zu stellen und darauf, dass dieser Antrag fair behandelt wird, fair angeschaut wird. der Antrag fair behandelt wird, fair angeschaut wird, falls diese Familie kein Recht darauf hat, ein Asyl zu bekommen, dann darf sie zurückgeschickt werden. Aber sie durften das nicht. Die wurden einfach von den Polizisten weiter zurückgeschickt, 42 Male. Irgendwann ist das Geld alles vorbei. Sie sind dann nach Tschetschenien zurückgekehrt. Was sollten sie denn machen? So gehen wir mit den anderen Geflüchteten um, vor allem wenn sie aus Ländern, die noch dazu muslimisch sind, weil ich sage auch dazu ganz offen, muslimisch zu sein ist kein Verbrecher per se, aber immer ein erschwerender Umstand. Und das wollen wir nicht gerne hier haben. So ist es. Das Ähnliches gilt für Flüchtlinge auch aus Afrika. Und es darf keine Flüchtlinge erster, zweiter, dritter Klasse geben. Also im Sinne der Menschenrechte. Theoretisch ja. Theoretisch ja, Darf es nicht sein. Meinert, wie war die Verabschiedungsformel auf Tschetschenisch? Bleibt frei. In diesem Sinne ganz herzlichen Dank. Danke, dass Sie heute dabei waren.