Ich freue mich, dass alle hier sind und dass auch so viele online teilnehmen. Es geht heute um eine Antrittsvorlesung. Es ist eigentlich schon nicht mehr der antritt der professur es ist ja schon fast drei jahre danach das erste mal haben wir darüber gesprochen im würde meinen frühling 2020 also auch das ist jetzt zwei jahre her dazwischen waren so ein paar kleinigkeiten die wir alle erlebt haben hier nicht speziell jetzt von mir thematisiert haben wollen jedenfalls freue ich mich sehr dass wir heute deine Vorlesung, deine Work in Progress Vorlesung, wenn ich so sagen darf, erleben dürfen. Herzlich willkommen, Gloria Meinen. Magst du kurz bei mir bleiben einfach? Nein, nein, nein, du bleibst bei mir. Gloria, komm her zu mir, komm. Dasst bei mir. Gloria, komm her zu mir. Wir machen das so. Gloria Meinen, du schaust hinein und nickst bedeutungsvoll und zwickst mich, wenn es nicht stimmt. Gloria Meinen ist bei uns Professorin für Medientheorie und hat die Abteilung Medientheorien am Institut für Medien und leitet diese Abteilung. Zusätzlich bist du Leiterin des MKKD-Studienganges, also Medienkultur und Kunsttheorien, ein Masterstudiengang und Vorsitzende der Curricula-Kommission unserer Universität. Also seit dem Antritt ist schon sehr viel passiert. Also ich würde meinen, der Antritt muss gelungen sein, sonst wärst du nicht schon so vielfältig bei uns aktiv. Du hast an der Humboldt-Universität Berlin promoviert und zwar über die Zweidimensionalität der Tafel und du wurdest mit einer Monografie über das Verhältnis von Wissenschaft und Fiktion mit einer Doppelvenia, man höre und staune, mit einer Doppelvenia für Kulturwissenschaft einerseits und Medienwissenschaft andererseits an der Leuphana-Universität in Lüneburg habilitiert. Also schon eine sehr, sehr große Leistung. Du warst wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Forschungsgruppe Bild, Schrift, Zahl der Humboldt-Universität zu Berlin und am bildwissenschaftlichen Schwerpunkt Icones der Universität Basel. Und du hast Dozenturen zum Beispiel an der ETH Zürich und an der ZHDK sowie eine Gastprofessur an der Bauhaus-Universität in Weimar innegehabt. 2012 bis 2019 hattest du einen Lehrstuhl für Kulturgeschichte und Medientheorie. Ich frage dich danach, wie es denn so ist, wenn man nebenbei stehend das eigene Leben erzählt bekommt. Und zwar einen Lehrstuhl für Kulturgeschichte und Medientheorie an der Zeppelin Universität Friedrichshafen und eben 2019 im September, der 1. September, bist du bei uns an Bord gegangen. Deine Schwerpunkte sind Theorie und Geschichte technischer Bilder, Mediengeschichte der Medienteorie, Anthropozän, Narrationen, Theorien und Kritik, Digitale Kulturen, Critical Data, Medienteorien, synthetische Geschichte, Science and Fiction zum Wechselverhältnis von Wissenschaft und Fiktion und Essayistik, experimentelles Schreiben. Darüber haben wir heute Vormittag schon gesprochen im Zusammenhang mit einem CoLab. Medienteorien sind auf vielfache Weise mit Fragen künstlerischer und experimenteller, technologischer, politischer und kultureller Praxis befasst. Ich zitiere eben deine, eure, die Abteilungswebsites, nämlich wir reagieren zunehmend auf eine unheimliche Begegnung der dritten Art. Ubiquitous Computing, Responsive Environments, Wearable Computing, Sonic Interfaces, das Internet der Dinge, all diese Schlagworte, auch die allgegenwärtigen Enden der KI-Forschung sind Anzeichen einer neuen digitalen Magie. Ihre Interfaces agieren meist unterhalb der Wahrnehmungsschwelle. Und damit sind wir schon sehr hart am heutigen Vortrag. Nämlich ganz in dieser Linie ist nicht nur die Abteilung und deine Professur angesiedelt, sondern auch heute die Antrittsvorlesung mit dem Titel Nach den Medien. Es geht um die Wirkungsmacht von digitalen und meist unsichtbaren Medien. Gloria, wir freuen uns auf deine Ausführungen. Jetzt ist es so weit. Sehr herzlichen Dank, liebe Brigitte. Ausführungen. Jetzt ist so weit. Sehr herzlichen Dank, liebe Brigitte. Ich war ein wenig verwirrt, weil du sagtest, ich mache eine ganz kurze Vorstellung und da dachte ich, oh, genau. Deshalb bin ich gleich nach vorne gestürmt, aber sehr herzlichen Dank für die liebe Begrüßung und das Willkommen und ich freue mich auch sehr, dass bei diesem schönen Wetter hier an der Donau so viele den Weg hier in den Saal gefunden haben. Und ich begrüße natürlich auch alle jenseits oder auf der anderen Seite der Bildschirme zu Hause in ihren Arbeitszimmern und Wohnzimmern. Ich hoffe, dass ich die Erwartungen erfüllen kann, weil ich auch ein wenig dafür bekannt bin, immer so ein bisschen auch in die Kultur oder in die Mediengeschichte auch nochmal die Perspektiven zu verlängern. Nichtig scheint, Theorien, die häufig etwas Ahistorisches haben, zurückzuverfolgen zu ihren historischen Kontexten, um darzulegen, wie möglicherweise scheinbar arbiträre Theorieentscheidungen zustande gekommen sind. Und in diesem Umfeld ist auch mein Vortrag nach den Medien angesiedelt. Ich glaube ich muss das ein bisschen erhöhen. Der Titel des Vortrags nach den Medien ist zunächst einmal mehrdeutig. Man kann ihn entweder temporal oder final lesen, so wie man etwas nach der Natur malen kann oder meinen könnte. Die Kinder seien den Eltern wie aus dem Gesicht geschnitten, was man als Kind im Übrigen überhaupt nicht gerne hört. So kann man die Welt nach den Medien zeichnen, die Medien als Ursprung an den Anfang stellen. Diese temporale Lesart nimmt an, dass alles, was wir sehen, hören, meinen oder fühlen können, was wir träumen, erzählen oder gestalten können, von Medien bestimmt sei. Sie nimmt an, dass die Konzepte von Freundschaft, Familie, Staat, Kultur und Gesellschaft und vieles mehr aus der Gussform spezifischer Medien hervorgegangen ist. Eine finale Lesart interpretiert das Nach dagegen als eine zeitliche Nachträglichkeit, Postmortem. Sie legt die Aufmerksamkeit auf ein Ende. Birkenstock, Modell Boston, abwaschbar. Metall schlägt auf Metall und Rums die Türen zu. Wir betreten eine Halle, eine Hand hebt das Leichentuch. Und ja, das war es, das digitale Zeitalter ist vorbei. liegt die Aufmerksamkeit auf ein Rauschen, dem Staub und Schmutz, kurz den analogen Enden digitaler Medien. Ein Titel, zwei Perspektiven, auf der einen Seite die temporale Lesart, die alle Lebensläufe, Artefakte, Institutionen und Gesellschaften, Regionen, Kulturen und vieles mehr auf eine einzige mediale Grundkonstellation reduzieren will und auf der anderen Seite der Blick vom Ende auf eine Zäsur, hinter die wir nicht mehr zurückkehren können. Mein Vortrag wird die beiden Lesarten aufnehmen und sie versuchen, in ein Gespräch zu bringen. beiden Lesarten aufnehmen und sie versuchen, in ein Gespräch zu bringen. Ich beginne mit der ersten, der temporalen Lesart der Medien, mit der auch die Media Studies oder die Medienwissenschaft als Disziplin entstanden ist. Sie ist mit zwei Namen verbunden, nämlich mit dem kanadischen Philologen und Medienteoretiker Marshall McLuhan und mit dem deutschen Romanisten und Medienwissenschaftler Friedrich Kittler. Zwei Männer, die in diesen Jahren in zwei Publikationen verstärkt in die Kritik gerieten, doch darüber will ich später ausführlicher eingehen. eingehen. Die temporale Lesart betont die Homogenisierung. Eine wesentliche Operation der Homogenisierung ist die Übertragung, auf der McLuhan den Begriff des Mediums gründet. Im Umfeld der Kubakrise, im Schatten der Missilraketen, leitet McLuhan den Begriff Medium vom Wort Metapher ab. Er übersetzt Metafereien, Meta, Übervereien, Tragen. Metafereien heißt anderswo hin tragen, hinübertragen, übertragen. Medien sind, davon war McLuhan überzeugt, in einem sehr konkreten technischen Sinne. Sie tauchen als Übertragung auf, als ihre Mittler und Mittlerinnen aus dem Blickfeld verschwanden, die Botschaft die Boten und Botinnen überholte. McLuhan erwähnt in Understanding Media vor allem die Telegrafie, um sein Argument zu entfalten. Aber entwickelt hat er es mit einem anderen Medium, das Ende der 50er Jahre, Zukunft und Fortschritt verhieß. Vor einigen Rundfunkfunktionären in einem Kongress der National Association of Educational Broadcasters buchstabierte er 1958 zum ersten Mal den Satz »The medium is the message«. Er sprach über das Fernsehen. Flimmernde, grobkörnige Lichtteilchen ließen ihn formulieren, das Medium, die Form, sein, die Botschaft. Die Wirkung der Fernsehübertragung formuliert McLuhan in Understanding Media vor allem mit dem Kommunikationssatelliten Telstar und der ersten interkontinentalen Live- und Direktübertragung vom 11. Juli 1962. Die erste globale Direktübertragung verbannt die Sendeanstalten in London, Paris, Luxemburg, Fieberg, Frankfurt, Madrid und vielen anderen Städten live miteinander. Übertrug zwischen den Sendestationen viele Bilder und Symbolhandlungen, beschwor mit vielen Bildern, Filmen das Wunder der Direktübertragung, um die eigentliche Tatsache zu überspielen, dass es eigentlich nichts zu übertragen gab. An zentraler Stelle der Live-Übertragung sollte die Demokratie bei der Arbeit gezeigt werden. John F. Kennedy im Kongress. Telster war in Position, aber der amerikanische Präsident noch nicht am Rednerpult. Seine Rede verspätete sich. Man war auf Sendung, man war ratlos. Es gab nichts zu übertragen. Kurz entschlossen speiste man ein Baseballspiel aus Chicago ein. informiert wurde, machte eine Durchsage im Stadion. Das Spiel werde weltweit über Telstar übertragen. Es sei im Übrigen das erste Sportereignis, das weltweit live empfangen werden könne. Kaum war die Durchsage vorbei, ein Gemurmel, ein Raunen, eine Welle ging durch das Publikum. Die Menschen erhoben sich im Stadion von ihren Rängen. Sie wandten sich zur Kamera und winkten. Nicht das Spiel, die Übertragung war die Botschaft. In Understanding Media wird Telstar viermal erwähnt. Indem wir diese Satelliten, so schreibt McLuhan, als eine Erweiterung des Nervensystems ansehen, der eine automatische Reaktion in allen Organen des menschlichen Körpers hervorruft. Der Satz ist falsch. Das in dem zumindest. Auf jeden Fall sagte McLuhan, es sei eine Erweiterung des Nervensystems, das zu einer automatischen Reaktion in allen Organen des Körpers kommt, hervorruft. allen Organen des Körpers kommt, hervorruft. Und die neue Intensität der Nähe, das ist wiederum McLuhan, Zitat, die durch Telstar hergestellt wird, verlangt nach einer Reorganisation aller Organe, um an der Macht und im Gleichgewicht zu bleiben. McLuhan spricht an dieser Stelle von dem Verschwinden der Ferne, der Implosion und dem Global Village. Walter Crandite, Kriegsberichterstatter im Zweiten Weltkrieg, der Korrespondent bei den Nürnberger Prozessen war und die erste Live-Sendung, die ich eben erwähnt habe, moderierte, wurde ein wenig konkreter. Er sagte, tatsächlich ist im elektronischen Zeitalter Washington vom Kreml aus in Lichtgeschwindigkeit zu erreichen, zumindest in technischer Hinsicht. Washington und der Kreml? CBS feierte die erste Live-Sendung nahezu simultan, begann die Sowjetunion nur einen Tag später auf Kuba 64 Interkontinentalraketen mit atomaren Sprengköpfen zu stationieren, die Ziele in den USA bis zur kanadischen Grenze erreichen konnten. Was haben diese beiden Ereignisse gemein? Die zwei Mittelwellen, die Sputnik vom Orbit zur Erde übertrug, waren darum so schockierend, weil sie die Möglichkeit experimentell bestätigten, dass jeder Punkt vom Orbit aus beschossen werden kann. Sie schienen die Möglichkeit eines atomaren Angriffs zu bestätigen. In diesem Sinne ist auch die Botschaft von Telstar durchaus unheimlich und mehrdeutig. McLuhan's Medienteorie muss mit der Wasserstoffbombe gedacht werden. Sie ist eine Theorie des Kalten Krieges. Der Medienwissenschaftler Friedrich Kittler hat das Argument der Synchronisierung und Homogenisierung aufgenommen und es vom Fernsehen auf den Computer übertragen. knapp 20 Jahre später, vor dem Ende geht etwas zu Ende. In der allgemeinen Digitalisierung von Nachrichten und Kanälen verschwinden die Unterschiede zwischen den Medien. Nur noch als Oberflächeneffekte, wie der unterm schönen Namen Interface bei Konsumenten ankommt, gibt es Ton, Bild, Stimme und Text. Die Implosion der Ferne hat Kittler in die Innenwelt der Medien verlagert. Die Unterschiede sind implodiert, die Menschen aus dem Bild entfernt. Extension der Sinne, vielmehr erlaubte der Computer nach Turing einen Kurzschluss. Zitat, Modulation, Transformation, Synchronisation, Verzögerung, Speichern, Umtastung, Scrambling, Scanning, Mapping, ein totaler Medienverbund aus Digitalbasis wird den Begriff Medium selber kassieren. Statt Techniken an Leute anzuschließen, läuft das absolute Wissen als Endlosschleife. Das hat zweifellos Auswirkungen auf die Frage, wie wir Theorie betreiben können. Wenn Menschen lediglich als Peripherie und Oberflächeneffekte angeschrieben werden, kann man soziale, politische und ästhetische Fragen nicht stellen. Wenn der Computer in den Nullpunkt der Betrachtung gelegt wird, wundert es etwa nicht, dass Bilder nur als Oberflächen ohne ihre materialen oder ästhetischen Eigenschaften, ohne Sprache für ihren Eigensinn und ihre Mehrdeutigkeiten in den Blick fallen können. Hier möchte ich auf eine zweite und letzte Eigenschaft der temporalen Lesart von Medien hinweisen, das Lob der Tiefe, die Entwertung der Oberfläche. Das Wort Oberfläche ist erst in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts in die deutsche Sprache eingegangen. Von Schottels ausführlicher Arbeit an der deutschen Hauptsprache von 1643 macht es eine rasante Karriere. Kant spricht vom Recht der Oberfläche und meint damit den gemeinschaftlichen Besitz der Oberfläche der Erde, auf das er das Besuchsrecht der Menschen auf der Erdoberfläche gründet. Dass so selbstverständlich sei, so Kant, dass es keinen Vertrag festschreiben müsse. Eine Oberfläche sei, Zitat, das obere oder die oberste Fläche eines Dings im Gegensatz der Unter- oder Grundfläche, schreibt Johann Georg Grünitz 1797 in der ökonomischen Enzyklopädie. Schon mit der Entgegensetzung von oberer Fläche und Grund kann man ahnen, in welchen Misskredit die Oberfläche geraten kann. Jopron hat in der Auswahl aus des Teufels Papieren die Oberfläche mit der Haut gleich und spricht, Zitat, von der schimmernden Oberfläche des Weibes und der Lockspeise in ihren Augenhöhlen. Er setzt die Oberfläche mit dem Schein gleich. Kein Jahrhundert nach Schottel ist die Oberfläche eine Synonym für Trug. Sie ist über ihre Derivate regelrecht auf den Hund gekommen. sich die Oberflächlichkeit. Das Wort Oberfläche wird mit Putz, Trugbildern, Eitelkeit und Seichtigkeit assoziiert. Friedrich Kittler hat offenbar ganz in dieser Tradition in dem Aufsatz »Es gibt keine Software« mit der Erfindung der Software ebenso die Geschichte eines Zerfalls erzählt. Er setzt die Software als Oberfläche der Hardware entgegen. Die Software löse das alte Monopol, so schreibt Kittler, der natürlichen Sprachen ab. Sie könne im Gegensatz zu den Alltagssprachen nicht zugleich auch ihre Metasprache sein, denn Programmiersprachen können nicht ihre eigenen Gebrauchsanweisungen nach Kittler enthalten. Ihre Hochsprache muss in eine maschinennahe Sprache übersetzt werden. Auf dem Weg von der Software zur Hardware, der Oberfläche zur Tiefe, kann der Programmcode immer noch nach Kittler auf jeder Stufe abstürzen. Die Software diktiert den Zugriff auf die Hardware, aber zugleich wird unser Blick auf die Hardware durch die Arbeit der Compiler, Linker oder Interpreter verstellt. Die Medienteorie muss darum zur Archäologin nach Kittler werden, die Oberflächen abtragen und hardwarenah argumentieren. Doch die Anfänge für den Kult der Tiefe und die monokausalen Begründungen finden sich weitaus früher. Das deutsche Wort Oberfläche ist eine Übersetzung von Superficies. Super meint oben, oben auf und darüber. Facies bezeichnet die männlichen Genitalien. Superficies meint demnach zunächst sehr konkret den Teil über den Genitalien, nämlich den Kopf und den Oberkörper. Allgemeiner das Oberteil, die Oberfläche. Allgemeiner das Oberteil, die Oberfläche. Verweist das Lob der Tiefe also vor allem auf die männlichen Genitalien? Superficies sind die Teile der Bäume und Gewächse, die über der Erde hervorstehen. In einem allgemeineren Sinn das mit dem Grund und Boden unmittelbar zusammenhängende und über die Oberfläche hinausragende Gebäude. ein Gebäude, das man auf Zeit pachten und bewohnen darf. Neben dem universalen Potenzial des Bodens, auf dem jedes Gebäude entstehen kann, bezeichnet das Wort Superficius vor allem die ebenen Flächen in der Geometrie. Die Fläche ist unsichtbar und fiktiv. Die Fläche ist unsichtbar und fiktiv. Eine Fläche, so schreibt der griechische Mathematiker Euc In der Elementargeometrie nimmt sie den Platz von Kittlers Hardware ein. Die kausale Lesart, die ich mit McLoons Medienbegriff skizziert habe, findet hier ihre Vorläufer. Die Übertragung, die McLoon in dem Wort Metaphoreien der Telegrafie, dem Fernsehen oder dem Kommunikationssatelliten Telstar darlegt, findet in der Geometrie über das Fällen des Lots statt. Eine Operation, die Probleme des Raums auf die Fläche übertragen kann. Unbegrenzte Gerade ist von einem Punkt, der nicht auf ihr liegt, das Lot zu fällen, so lautet eine einfache Aufgabe, die man am Anfang dieses elementaren Geometriebuchs von Euclid findet, den Elementen. Die senkrechte Linie nennt Euclid Kathetos. Der Name verweist auf eine Tätigkeit. Kathemie heißt herunterlassen, hinabwerfen und sinken lassen. Das Lot oder Senkblei bezeichnet also eine Operation im Raum. Fällt man das Lob, reduziert man den Raum auf die Fläche. Alle Beweise und Konstruktionen lassen sich auf das Operieren auf einer ebenen Fläche zurückführen. Auf die Tafel, einen staubbedeckten Boden. Sie sind das Grundmedium der Geometrie und gehen auch allen Konstruktionen und Beweisen voraus, wie bei Kittler die Modulation der Zahlen oder der Turing-Maschine, die alle anderen Maschinen durch ihre Büroarbeit, Officework heißt es tatsächlich bei Turing, imitieren kann. Die gleichmachende Wirkung durch die Fläche ist für ein ganzes Bündel von Normierungen verantwortlich. Die prominenteste und fundamentalste ist neben der Beschränkung auf zwei Instrumente, nämlich Zirkel und Lineal, eine besondere Anordnung der Leersätze und Konstruktionen, die unser Wissen bis heute prägt. Die Unterscheidung zwischen Ursachen und Wirkungen. Euclid unterscheidet zwischen Lehrsätzen und Konstruktionen, Prinzipien und Folgerungen, Erstsätzen und Zweitsätzen. Er beginnt bei den einfachsten Sätzen, den Aktionen, die Aristoteles schreibt, aus sich selbst heraus selbst notwendig wahr sind. Die einfachen Sätze oder Prämissen sind wahr, schreibt Aristoteles, weil sie bekannter und früher sind als der Schlusssatz und die Ursache von ihm. Die kausale Lesart der Medien geht davon aus, dass die Medien ein Vorbild sind. Sie sind immer die Ursache, gehen allen Figuren voraus. Und letztendlich sind sie ebenso wie die Prinzipien aus sich selbst heraus wahr. Das bewirkt also dieses abendländische Erbe. Die temporale Lesart legt die Medien in den Nullpunkt. Buchdruck, Telegrafie, Film, Grammophon, Computer können Zusammenhänge erklären, ohne selbst erklärt zu werden. Sie sind als Erstdinge selbstevident und entziehen sich jeder Erklärung. Die Theorieerzählungen der Medienteorie werden nicht geklärt. Wer spricht und von welchem Standort, wer stellt den Kanon auf? Wer die Narrative des Anfangs und Ursprungs? McLuhan und Kittler sind in diesen Jahren zwei Publikationen, und zwar einerseits im jüngsten Themenheft der Zeitschrift für Medienwissenschaft, dem White Album, das mit einer schwarzen Seite beginnt, und in einem Sammelband von der ehemaligen Leiterin des McLuhan Center for Culture and Technology, Sarah Chama, Re-Understanding McLuhan, fundamental kritisiert wurden. Kritisiert wird der inhärente Rassismus vieler Formulierungen und Argumente, die maskulinen Narrative von Fortschritt und Dienstbarkeit, der Personenkult, der sich Kritik oder kreativen Aneignung der Texte verweigere. Die Gründe für die Billigtheit dieser Medientheorie und der Immunisierung gegen Kritik könnten in ihren hierarchischen Begründungsstrukturen liegen. Die kausale Lesart der Medien ist, wie ich eben zeigte, strukturell mit der genealogischen oder axiomatischen Methode, das sind beides sozusagen Namen für dieses Vorrücken von den einfachsten, von den Erstsätzen zu den Zweitsätzen, von den Ursachen zu den Wirkungen verwandt. verwandt. Und diese genealogische Methode der Geometrie, auf die man auch die monokausale aus sich selbst notwendig war, gibt es so wenig in der Mathematik wie in der Medientheorie. Ich komme zur zweiten, finalen Lesart von einem Ende aus und zu einigen offenen Fragen. Und zwar etwa, wie kann man digitale Medien analysieren und kritisieren, die unterhalb jeder Wahrnehmungsschwelle operieren? Wie Medien gestalten, die den Alltag nahezu vollständig beherrschen? Und was bedeutet das alles für eine Medientheorie? Perspektive um. Die Berechenbarkeit ersetzt sie durch die Unberechenbarkeit des Rauschen und den Fehler. Sie argumentiert nicht nur von einem Ende aus, sondern erstens von den physikalischen Enden der Medien und zweitens von ihren Störungen und Interferenzen. Kim Kaskone, der als Musiker und Komponist mit David Lynch bei Twin Peaks und Wild at Heart zusammenarbeitete, hat mit einem viel zitierten Aufsatz diese Lesart popularisiert. Das digitale Zeitalfter, Laserdrucker, die Dokumente ausspucken, die Sonifikation von Benutzeroberflächen, das tiefe Rauschen der Festplatten sind das Rohmaterial für die heutige Musik. Zunächst fällt die Verweigerung jeder Virtuosität auf. Dann die Vorliebe für faule, phlegmatische Maschinen, die lieber nicht arbeiten. Sie sind die Quelle künstlerischer Arbeit bis heute geblieben. Pannen, Bugs, Anwendungsfehler, Systemabstürze, Clipping, Lising, Verzerrungen, Rundungsfehler, das Grundrauschen von Soundkarten. Kurz die analoge Seite digitaler Medien. Die immer sieben Bürolandschaften wurden zuerst in einer Arbeitsgruppe um den amerikanischen Informatiker Mark Weiser in den Laboren von Xerox PARC gezüchtet. Die machtvollste Technologie, so beginnt einer seiner bekannten Aufsätze, Computer in the 21st Century, sei unsichtbar. Sie verschwinde im Dschungel des Alltags. Die Computer der Zukunft seien überall zu finden, preiswert, unzuleicht zu bedienen. Das schreibt er 1991, dass sie nicht in den Blick fallen. Die Screens, die die Wände besiedelten, waren so einfach wie Tafeln zu bedienen. Die Screens, die die Wände besiedelten, waren so einfach wie Tafeln zu bedienen. Daneben gab es Devices, die die Größe von Computerbildschirmeinnahmen oder Notizbücher simulierten. Sie ähneln entfernt den iPads, nur sollten sie keine Statussymbole sein. Gadgets, die für Weiser einen Unterschied machen, waren billig, klein, unauffällig. Computer, die unsichtbar in Lichtschaltern, Thermostaten, Stereoanlagen verborgen sind, liegen unterhalb unserer Wahrnehmungsfläche, schrieb Weiser. Er dachte weniger an eine Erweiterung digitaler Medien, wie sie McLuhan zuvor mit dem Global Village angedacht hat und Kittler mit der Redundanz der Menschen. Bei Wiser sollten die Körper in der virtuellen Welt verschwinden. Im Gegenteil, digitale Technologien sollen möglichst schwellenlos und unmerkbar mit unserem Alltag verschmelzen. Die Geräte von Wiser waren noch screenbasiert, aber die Allgegenwart der Computer, die er vorhersagte, hat sich längst vom Screen verabschiedet. Sie sucht nicht selten, den Sehsinn durch andere Sinne zu ersetzen. Auf diese Art und Weise sind digitale oder postdigitale Medien heute allgegenwärtig. Die digitalen Assistenten plaudern in unserer Muttersprache, sie wohnen in jeder Körperspalte und von dort die Unterscheidung zwischen Natural Speech und Programmiersprache zielstrebig zu unterlaufen. Sie folgen uns, wohin wir auch gehen. Jeder Schritt wird registriert. GPS, Field Communication, RFID-Chips und Körpersensoren stehen für Technologien, die unterhalb der Wahrnehmungsschwelle agieren. Sie tauchen auf, wenn sie straucheln. Hannes Bayor schreibt, wenn das Digitale ein Wirklichkeitsbegriff und eine Temporalität ist, die beide immer weniger wahrnehmbar werden, die beide immer weniger wahrnehmbar werden, dann ist das Postdigitale vielleicht das, was jenen plötzlichen Ruck vollzieht, der sie wieder in Erscheinung treten lässt. Bayor beschreibt zwar an dieser Stelle die Glitches in der Literatur, postdigitale Unfälle in Kunst und Literatur, aber unbemerkt auch die Möglichkeit von Medientheorie unter immersiven postdigitalen Bedingungen. Die Medientheorie befindet sich nach den Medien, die alten Narrative der temporalen Lesart sind ins Straucheln geraten. Aber gerade in dieser tektonischen Verschiebung zeigt sich ein unmerklicher Drift, ein Luftzug, eine Möglichkeit. Sarah Schama erklärt, ich bin nicht daran interessiert, McLuhan in irgendeiner Weise zu erhöhen. Und sie sagt unter anderem auch, Hagiographie ist eben keine Wissenschaft. Aber ich sehe in McLunes Werk eine Art und Weise, über Technologie und Differenz nachzudenken, die die Grenzen der Repräsentation überwindet. Gerade weil sein Werk nicht von einzelnen Identitätskategorien abhängt. Und später erklärt sie, es geht nicht um Gender und Tech oder Race und Tech. Und später erklärt sie, es geht nicht um Gender on Tech oder Race on Tech, wir sprechen hier von einem umfassenderen materiellen Verständnis, wie sich unser Leben rekursiv in Medien entfaltet. Das Soziale ist nicht medial verfasst, es wächst rekursiv in und zwischen den Medien. Die Geschichte der Medientheorie hat gerade erst begonnen. Die digitalen Dinge sind in Massen in unseren Alltag eingewandert. Folgt man diesen Dingen nicht den Menschen, dann kann die postdigitale Lesart vor allem eine Migration beschreiben. Partnerschaften, Interferenzen, Rückkopplungen, Störungen, Symbiosen und vieles mehr. Welche neuen Geschichten müssen wir erfinden, um mit Blick von den Nullpunkten der Medien, ihren Anfängen und Enden auf die rekursiven Beziehungen zu lenken? Welche Medien erfinden, um die unberechenbaren Zukunfte zu bereisen, die wir weder berechnen noch vorhersagen können, sondern nur in ihren Interferenzen, Rückkopplungen und Störungen wahrnehmen können. Die Abteilung Medientheorien hat ein Beruf für nützliche Fiktion gegründet, das in Narrationen, Spekulationen und Gedankenexperimenten sich im Zwiegespräch mit den Künsten auf diese Reise begeben will. Ich danke euch sehr herzlich für die Aufmerksamkeit und diesen schönen, aber auch heißen Tag.