Einen schönen guten Abend, meine Damen und Herren, heute hier im Stifterhaus. Mein Name ist Stefan Kögelberger. Ich darf Sie begrüßen zu einer Buchpräsentation von zwei Lesenden, die zum ersten Mal heute im Stifterhaus auf der Bühne lesen werden. Es könnte auch schwerlich anders sein, handelt es sich doch um zwei Debütstücke, die wir heute hören. Zum einen von Erland Maria Freudenthaler, das Buch Die Erzählung, mein Bruder, der Stadtrand und ich, erschienen 2022 im Verlag Am Rande und zum anderen der Debütroman von Anna Silber, Chopinhof Blues, erschienen ebenfalls 2022 bei Pikus. Ich bitte Sie gemeinsam mit mir, die beiden Lesenden Erland Maria Freudenthaler und Anna Silber herzlich willkommen zu heißen. Es wird auch eine musikalische Begleitung durch den Abend geben. Dafür verantwortlich zeichnet Ingmar Feudenthaler. Ich denke, er hat sich für sein Engagement dann auch einen Willkommensapplaus verdient. Außerdem möchte ich Ihnen vorstellen, jemanden, der oft im Stifterhaus ist, aber heute in einer ungewöhnlichen Rolle, den Schriftsteller Rudolf Habringer, der heute die Moderation übernehmen wird. Viele sind gewohnt, ihn als vortragenden und seine Bücher präsentierenden Autor hier zu sehen. Heute übernimmt er die Moderation. Vielen Dank dafür, Rudolf. Herzlich willkommen. Wir sind übereingekommen in den Vorgesprächen, dass Rudolf Habringer die Biografien der beiden Vortragenden heute im Gespräch, denke ich, dann erarbeitet, wie er mir das erklärt hat. Das heißt, von mir werden Sie gar nicht mehr sehr viel hören, sondern ich darf Ihnen nur noch Rudolf Habringer vorstellen. Er wurde 1960 in Desselbrunn geboren, studierte Germanistik und Theologie in Salzburg und schloss dieses Studium mit einer Arbeit über Thomas Bernhard als Journalist ab. Er ist Schriftsteller, Kabarettist, kultureller Tausendsasser, wenn man so will, und immer wieder im Stifterhaus zu Gast, entweder mit der Grazer Autorinnen-Autoren-Versammlung, wo er Mitglied ist, oder zur Präsentation seiner eigenen Werke. Sein letztes Werk ist 2021 im Otto-Müller-Verlag erschienen, Leirichs Zögern, und wurde ebenfalls hier im Stifterhaus vorgestellt. Er ist außerdem, das muss man fast dazu sagen, wenn man hier im Haus ist, er hat das Adalbert-Stifter-Stipendium des Landes Oberösterreich bekommen, 2011, 2012, also vor einiger Zeit, aber nichtsdestotrotz. Also vor einiger Zeit, aber nichtsdestotrotz. Und ganz wichtig zu erwähnen ist, dass er genauso wie ich ein großer Lask-Anhänger ist. Ich darf Sie zu guter Letzt nur noch darauf hinweisen, dass es im Literaturcafé gegenüber Erfrischungen für Sie gibt nach der Veranstaltung und möchte Ihnen auch ans Herz legen, hinten die Bücher zu erwerben am Büchertisch. Ich denke, der Autor und die Autorin sind gerne bereit, nach der Veranstaltung die Exemplare zu signieren, oder? Ja, und damit schon genug von meiner Seite. Ich darf, na, nicht übergeben an Rudolf Habringer, sondern darf Ingmar Freudenthaler um ein bisschen Musik bitten. Vielen Dank. Piano playing Thank you. Applaus Vielen Dank. Ich begrüße Sie auch sehr herzlich, dass Sie gekommen sind an diesem warmen Frühsommerabend. Ich bin öffentlich hergefahren und habe mir gedacht, Wahnsinn, plötzlich bricht die maskenlose Zeit aus. Es ist fast wie früher. Ich will mir hoffen, dass das so bleibt. Also willkommen, dass Sie gekommen sind, weil es ist schon die gefährliche Zeit für Kulturveranstaltungen. So ab Mitte Mai wird es dann schwierig, weil die Gastgärten sozusagen auch mitmischen um diese Zeit. Aber sie sind da, das ist super. Heute zwei Debüts, zwei Romane oder eine Erzählung und ein Roman, die vielleicht verschiedener nicht sein könnten und doch vom Verfahren her etwas gemeinsam haben. Ich habe mir auch gedacht, die Mitwirkenden, wenn ich mir das so überlege, wenn ich das für mich überlege, wie unser aller Leben vernetzt ist über verschiedene Weise, sind wir miteinander verbunden. Und da reiße ich vielleicht sogar die Verfahren der Autorin Anna Silber und Erlan Freudenthalers an, über die wir uns dann unterhalten werden. Wir beginnen aber mit Anna Silber. Willkommen. Wir haben gesagt, wir sprechen einander mit du an. Ist okay, oder? Anna, willkommen, dass du da bist. Anna, willkommen, dass du da bist. Ich möchte dich ein bisschen vorstellen, beziehungsweise dich auch bitten, dass das so drinnen steht am Klappentext, weil Mühdlingen ist ganz exakt definiert, Deutschland ist völlig offen. Daher habe ich zuerst nachgefragt, wo worden das in Deutschland ist, kannst du vielleicht selber sagen? Ja, das steht dort so vage drinnen, weil kein Mensch die Orte kennt. steht da zur Waage drinnen, weil kein Mensch die Orte kennt. Das war zuerst im Westen, in Ingelheim am Rhein und danach in Biberach an der Riss, zwei sehr unbekannte Orte, die eine große Pharmafirma verbindet. Schwaben, oder? Oberschwaben. Oberschwaben, genau genommen. Aber im Gespräch sind wir draufgekommen, du hast auch Wurzeln nach Oberösterreich, ganz dichte und auch ganz dichte Wurzeln ins Müllviertel. Ja, genau. Also die Wurzeln sind auch da, also ganz schön, dass die Wurzeln da sind. Genau, also ich bin zwar in Mödling geboren, aber meine Eltern sind beide aus, stammen beide aus Familien, die aus Mühviertel kommen. Das heißt, ja. Die begrüßen wir dann auch noch mal ganz extra, die gekommen sind. Herzlich willkommen. Ich habe dann gelesen, du hast in Wien studiert und ich muss zugeben, heute, wenn man sich nicht auskennt, dann googelt man einmal. Ich habe gelesen, du hast transkulturelle Kommunikation studiert. Da würde ich mir nachschauen müssen. Was ist das? Also transkulturelle Kommunikation ist da, sage ich einmal, das hört jetzt sicher das Institut für Translation nicht gerne, ah, näher ans Mikro, ja, gern. Entschuldigung. Das ist, das hört das Zentrum für Translationswissenschaft in Wien nicht gerne, wenn man das sagt, aber eigentlich ist es der übertriebene Ausdruck für Übersetzen. Also ich wollte eigentlich Literaturübersetzerin werden. Aber es hat mit Sprachen zu tun, natürlich. Also man wählt Sprachen aus und dann geht es schon viel um Kultur, Wissenschaft und Linguistik und es ist ein Mischmasch aus mehreren Disziplinen. Grundsätzlich wählt man aber eine Erstsprache, eine Zweit- und eine Drittsprache. Und wenn man das weiterführt, dann wird man irgendwann Literatur übersetzen. Und im konkreten Fall, was waren deine Sprachen? Englisch und Spanisch. Englisch und Spanisch, ja, okay. Das heißt, du hast da solche Länder besucht, bereist? Genau, ja. Also ich war nach dem Abitur, also der Matura in Costa Rica ein Jahr und habe mir auch deshalb gedacht, das bietet sich an. Du hast mir im Vorgespräch erzählt, dass auch dieses Studium sozusagen sehr international besetzt ist, also von den Studentinnen her. Studentinnen auch ganz bewusst so gesagt, weil es hauptsächlich Frauen sind, die studieren. Genau. Also wenn man ins Übersetzen hineinschaut, dann sieht man sehr schnell, dass die einzigen Männer, die es gibt, sind die Dolmetscher. Die Übersetzung ist auch sehr, sehr prekär, also sehr schlecht bezahlt. Das sind nur Frauen. Und ich habe mit ganz, ganz vielen Frauen aus ganz unterschiedlichen Ländern studiert, also sehr viele Ungarinnen, Slowakinnen, Tschechinnen. Und da war wirklich eine sehr, sehr interessante, für mich sehr unerwartete Mischung. Da werden wir ja noch drauf zurückkommen, weil es möglicherweise diese Studiererfahrung auch ihren Niederschlag gefunden hat in deinem Text. Du hast dann auch noch Betriebswirtschaft studiert und jetzt wollte ich nur fragen, hast du auch tatsächlich dann übersetzt, beruflich in irgendeiner Weise oder literarisch oder eher anders? Ich habe dann schon, also ich habe das auch verfolgt oder mir das eingebildet, dass das intelligent sei und lange und habe das dann auch bei so einem, wie hieß denn das, österreichisch-lateinamerikanischen Poesie-Festival, glaube ich hieß das, in Wien, von dem gleichnamigen Literaturforum, wo ich lange war, dort habe ich für eine Poetin aus Spanien übersetzt. Das Übersetzen ist, finde ich, ich bewundere jede Übersetzerin und jeden Übersetzer. Es ist nur einfach deshalb die Kehrtwende in die Betriebswirtschaft. Es ist nur einfach wirklich schade, dass das so derartig prekär ist. Und das war dann für mich nicht mehr. Ich habe mich dann gefragt, warum studiere ich fünf Jahre, sechs Jahre und habe am Ende einen Master und kann nicht davon leben. Das heißt auch, du hast im Moment einen Brotberuf gewählt und arbeitest in einem Ministerin hat sich ja gerade verabschiedet, die, genau, also für eine Unteragentur, nicht direkt für das Ministerium, aber die gehören da dazu. Jetzt kommen wir mal ein bisschen zu deinem Schreiben. Wie hast du zu schreiben begonnen? Gab es da irgendein besonderes Ereignis? Waren das Lektüreerfahrungen oder waren das andere Motive, die dich zum Schreiben gebracht haben? Also ich glaube, wie viele Jugendliche habe ich einfach irgendwas geschrieben und mir hat das immer schon Freude gemacht. Und ich habe dann aber wieder aufgehört, weil das nur so eine Phase in einer bestimmten Zeit war und bin dann tatsächlich über die Uni, dort hat eine Professorin, die Deutsch, also die über die deutsche Sprache und vor allem den österreichischen Literaturbereich sehr detailliert berichtet hat, die hat damals gesagt, es gibt einen Exilpreis, den Exilliteraturpreis und die haben einen Jugendpreis und dass sich das anbietet für die Menschen, die mit mir in dem Hörsaal saßen. Und ich habe mir dann gedacht, ja, warum eigentlich nicht und habe einen Text geschrieben und bin dann, also für den Jugend-Exil-Preis und die haben dann, damals hat ihn jemand anderer gewonnen, aber die haben gemeinsam mit dem Literaturhaus Wien eine Werkstatt gehabt, für die Leute, die es fast geschafft hätten. Und da war ich dann dabei. Und so, wenn man ja, dann bleibt man halt bicken. Wie alt warst du da? 20, glaube ich. Also hast du erst nach der Matura dann so schnell begonnen? Genau, genau, ja. In deiner Danksagung am Ende deines Buches ist mir aufgefallen, eine Werkstatt für junge Literatur. Ich habe dich vorhin oben gefragt, ob das die Grazer Werkstatt ist. Du hast bejaht, da gibt es einen, der auch Oberösterreich Kontakte hat. Das ist der Martin Ort, das ist ein Steirer, der immer wieder für junge Leute Werkstätten macht, zum Beispiel in Alberndorf im Müllviertel, aber auch in Graz unten und in Niederösterreich. Und du hast solche Werkstätten besucht, oder? oder große Prosa-Projekte, glaube ich, heißt das, und die heißt Werkstatt für junge Literatur. Und dort war ich mit dem Chopin Plus. Und das hat, glaube ich, ganz, ganz viel ausgemacht. Deshalb ist ein großer Teil der Danksagung dafür, dass die das mit wirklich viel Aufwand jedes Jahr organisieren, also was echt ein Wahnsinn ist. Wieder etwas, was uns verbindet, aber ganz eine kurze private Anmerkung, weil die Anna liest ja hier zum ersten Mal im Stifterhaus. Als ich das erste Mal im Stifterhaus gelesen habe, war es, glaube ich, mein erster Roman, der Fragensteller 1992. Da kam in diesem Zusammenhang, das war bei einem Grazer Verlag, Styria, kam ein junger Mann auf mich zu und sagte, er hätte Kontakte nach Ostdeutschland und würde gern für mich eine Lesereise organisieren. Der Name von diesem Mann war Martin Ort. Also, das ist 30 Jahre her. Ja, so geht es. So klein ist die Welt. So klein ist die Welt. Okay. Gab es dann auch noch formale Vorbilder zum Schreiben für dich? Also Literatur oder Lektüre oder eher dieses Arbeiten am konkreten Text und die Feedbacks durch andere Schreibende? Ich glaube schon, dass man, also ich habe jetzt nicht gedacht, okay, ich versuche so zu schreiben wie. Ich glaube, das kann nicht gelingen oder bei mir ist es nie gelungen. Ich glaube, das kann nicht gelingen. Oder bei mir ist es nie gelungen. Aber es war schon, ich weiß gar nicht, ob das jetzt in dem so präsent ist, aber ja, also schon vor allem Autorinnen, die irgendwie sehr beeindruckend sind in ihrem Schreiben. Eben von Ilse Eichinger angefangen bis anna mitkutsch zum beispiel also hat mich sehr sehr viel sehr beeindruckt auch das muss man dazu sagen weil in wenn man in deutschland zur schule geht dann lernt man keine österreichische literatur also nichts weil man schon in deutschland mit den deutschen überfordert ist das heißt die man schaut da schon irgendwie dass man irgendwie zu Rande kommt. Und das heißt, ich habe auch tatsächlich, obwohl meine Eltern ja aus Müffit sind, ganz viel Literatur erst im Studium entdeckt. Und dann die Mama daheim gefragt, wo sind diese Bücher alle? Und habe dann von Biberach diese Bücher nach Wien mit heimgenommen, um sie dann dort zu lesen. Also das ist ein, glaube ich, ungewöhnlicher Prozess. Gut, bevor ich mich verplaudere, noch eine einzige Frage, bevor du mit der Lesung beginnst. Der Titel ist mir noch aufgefallen, Chopin-Hoff-Blues. Die erste Assoziation, die ich hatte, war der Kaiser Mühlen Blues. Weil auch ein Grätzl in Wien und den Choupin Hof, den gibt es tatsächlich auch. Ja, auch so wie er da drinnen steht. Also es ist ein wahnsinnig hässlicher Ort, der diesen Namen trägt. In welchem Hieb ist er? Im zweiten Bezirk. Im zweiten Bezirk. Im zweiten Bezirk. Okay. Gut. Über die Sprache reden wir im zweiten Set sozusagen. Jetzt bist du dran mit deiner Lesung. Bitte. Also der Chopin-Hofblues hat drei Erzählstimmen und ich würde gerne heute Abend jede Stimme anlesen, damit man sie alle kennenlernt. Und fange gleich an mit der ersten Stimme, das ist die Katja. Kapitel 1 Katja Als Thilo rüber sah, wusste ich schon, dass der Boden der Tatsachen ein Doppelter war. Dass er es schon wieder tat, obwohl wir die letzten anderthalb Tage damit verbracht hatten, genau darüber zu reden, dass er es nicht lassen konnte. Dass er sich genau die Frauen anlachen musste, die ganz sicher Schwierigkeiten bedeuten würden, die verheirateten, die verlobten. Er sah rüber mit diesem Thilo-Blick, obwohl er vor weniger als einer Woche sitzen gelassen wurde, von genau so einer Frau. Thilo. Was, was schaust du denn so? Guck sie dir an, Mann, das ist doch scheiße. Die hat doch sogar den Ring am Finger. Ich meine, guck halt mal da hin. Ich schau halt woanders hin. Du bist ein Arschloch, Thilo. Ja, aber das ist nichts Neues, oder? sagte er. Als wäre das alles ein Spiel. Ich sah ihm fest in die hellen Augen. Ein bisschen grün im Blau. Eine sichere Insel im weiten Meer. Mamas Worte. Hundertmal gehört. Ich will gehen. Ich klang trotziger als gewollt. Wieso denn jetzt? Nur weil ich eine Frau anschaue? fragte Thilo. Ich mache ja sonst gar nichts. Ich gehe nicht hin zu ihr. Ich sage nichts zu ihr. In 20 Minuten bin ich ja aus der Tür raus, bring dich zum Bahnhof und dann sehe ich die nie wieder. Komm schon, Socke, nimm das doch nicht so ernst. Ich sah ihn vor mir an dem Tag, als er ausgezogen war aus dem kleinen Bahnweg, wie er den Rucksack auf den Koffer und die Sporttasche gehievt hatte und beim letzten Winken wieder alles auseinanderfiel. Wir kannten niemanden mit Auto. In Jugendheimen hatte kein Mensch Geld für ein Auto. Also war Thilo Zug gefahren, von Kassel nach Wien, wo er überraschend ein Stipendium bekommen hatte. Weder er noch ich waren damals je in Wien gewesen, überhaupt in Österreich. Die weiteste Reise war an die Ostsee gewesen, in unserem dritten oder vierten Jahr im kleinen Bahnweg. Thilo sah weit herüber zu der Frau mit dem Ring, bis auch sie her sah, ein verwundertes Lächeln auf den Lippen. Sie war schön, ja, alle seine Frauen waren sie schön. Und alle hatten sie diesen Blick, wenn sie Thilo ansahen, Thilo mit dem Lockenkopf und den Inselaugen. Ich sah zwischen ihr und Thilo hin und her, bis es nicht mehr auszuhalten war. Thilo, er drehte sich ein bisschen, sah mich endlich richtig an, sorry. Er nahm meine Hand, drehte sie um und fuhr routiniert die Narbe in meiner Handinnenfläche entlang. Wie klein waren wir gewesen, wie lang war es her, als Mama uns von einer befreundeten Wahrsagerin erzählte, die händelesend alle Geheimnisse aufdecken konnte und uns bald besuchen würde. Thilo und ich wollten nicht, dass irgendjemand unsere Geheimnisse herausfand. Thilo kam auf die Idee mit dem Messer. Ich fing an, weil er sich nicht traute. Ein schneller Schnitt, einmal quer über die Handinnenfläche, damit die Wasigerin ja nichts erkennen würde. Ich schrie nicht, Thilo dafür laut. Mama, die damals schon nicht mehr an Ärzte glaubte, schmierte eine selbstgemachte Creme auf die Schnittwunde, band ein Geschirrtuch darum und setzte mich zwischen Räucherstäbchen. Zwei Tage später fiel ich in der Schule einfach vom Stuhl. Die Lehrerin rief erst den Krankenwagen an, dann das Jugendamt. Du warst so tapfer, Katja, sagte Thilo mit Blick auf die hässliche Narbe, die sich quer über meine Hand zog. Ich hätte das ja nie durchgezogen mit dem Messer. Aber dafür hatte ich dich ja, hab ich dich ja, fügte er hinzu, lächelte, als wäre das alles eigentlich ganz harmlos gewesen. Kein Wort zu Mamas Schweigen, nachdem das Jugendamt zum ersten Hausbesuch gekommen war. Kein Wort zu den Stunden allein, eingesperrt drinnen oder ausgesperrt draußen, weil ich mich in der Schule nicht zusammengerissen hatte, weil ich uns den Start ins Haus geschafft hatte. Kein Wort zu allem, was danach kam. Ich räusperte mich. Pass einfach auf dich auf, sagte ich leiser. Sowieso, sagte Thilo, der es immer schaffte, dass ihm alle wohlgesonnen waren. Ich warf einen Blick auf die Uhr. Komm, wir müssen los. Thilo nickte, fuhr sich durch die Haare und holte sein Drehzeug aus dem Mantel. Ich sah nicht hin, als wir an dem Tisch der schönen Frau vorbeigingen. Der Wiener Bahnhof Meidling war so verschandelt wie eh und je. Ich winkte Thilo aus dem Zug zu. Wieder war ein Notfall kurz Besuch vorüber. Ich saß drin und er stand draußen, fuhr sich durch die Locken, sah unruhig zwischen mir, der Bahnhofsuhr und der Lok hin und her. Ich musterte ihn, blieb an seinen Schuhen hängen, die wir gestern in einem Second-Hand-Laden gekauft hatten. Die Verkäuferin hatte sie extra für Thilo aufbewahrt, weil sie sicher keinem sonst so gut stehen würden. Thilo hatte gelacht, die Schuhe anprobiert, viel zu wenig Geld dafür gezahlt und die alten, mit denen er gekommen war, gleich dort gelassen. Wer traute sich, so zu leben? Der Zug ruckelte los von Wien Richtung Berlin. Es stank nach Bremsen. Draußen winkte Thilo ein letztes Mal, bevor er sich umdrehte und zurück in die Bahnhofshalle ging. Von hinten sah er aus wie ein Fremder. Danke für diese erste Leseprobe. Wir haben jetzt Bekanntschaft gemacht, oder so ist der Einstieg für dein erstes Protagonistenpaar, ein Geschwisterpaar. Und du hast es ja selber gesagt zuerst, es gibt drei Protagonisten in diesem Buch. Wie bist du zu dieser Idee gekommen? Ich bin zu der Idee gekommen, weil es zwei dieser Ideen schon gab. Also die gab es als Kurzgeschichten. Und ich habe mir aber immer mehr von diesen Kurzgeschichten eigentlich erhofft oder habe immer im Kopf gehabt, dass die nicht zu Ende sind, sondern dass die nur so ein Schlaglicht sind und habe dann mir irgendwann gedacht, warum eigentlich nicht, also warum nicht die zusammenführen und die dritte Perspektive ist dann, hat sich wie hineingefügt. Aber ehrlich gesagt weiß ich auch nicht mehr ganz, warum ich zum Beispiel nicht nur zwei genommen habe, sondern gleich drei. Aber das ist sozusagen so ein kompositorisches Prinzip, wie wir es übrigens beim zweiten Buch auch sehen werden und wie ich es natürlich auch aus der Musik kenne. Also eine Art Polyphones-Verfahren, weil diese drei Perspektiven sind zuerst für sich und da spoilere ich jetzt nichts, also da verrate ich jetzt nichts, wenn wir gehört, von den anderen wirst du noch lesen, von einer Esra, einer Krisenjournalistin und noch einem Paar, ein Adam und eine Anniko aus Ungarn. Und daher haben wir auch drei verschiedene Orte sozusagen, oder mehr eigentlich. Hier mal Wien, Berlin, dann mit dieser Esra kommt auch ein südamerikanischer Staat oder mittelamerikanischer Staat dazu, Honduras, und mit Aniko und Adam kommt dann auch noch Ungarn dazu. Daher meine Frage zurück, hat dich da das Studium sozusagen ein bisschen angestachelt, dass du sagst, da habe ich Leute kennengelernt oder bestimmte Eigenheiten oder Eigenarten oder war das Zufall, warum du das gewählt hast? Also es gibt eine Person, also es gibt die Krisenjournalistin, die ist angelehnt an eine Person, die ich kenne. Die war aber jetzt nicht im Studium, sondern die habe ich woanders kennengelernt. Und das hat mich einfach sehr fasziniert, wie ein Mensch das aushält, diesen Beruf auszuüben, ohne daran kaputt zu gehen. Und ich bin mir sicher, dass mich das auch beeinflusst hat mit dem Studium. Es gibt aber jetzt nicht zum Beispiel für den Adam und die Anniko jetzt eine Vorlage in meinem Kopf, sondern das war eher, also die Anniko, die wir gleich kennenlernen, das ist wie ein Bild in meinem Kopf, an der ich einmal vorbeigeradelt bin. Und dann ist die Geschichte entstanden. Aber sprachlich schlägt es sich nieder, die verschiedenen Orte. Also in Berlin kommt vor Haste, Warste, Biste, Mütze, Späti. Ein Späti ist ein Supermarkt sozusagen, der die ganze Nacht eigentlich offen hat. Stuhl kam gerade vor, ist die Frage, sagen wir in Österreich nicht Sessel für einen Stuhl. Dann gibt es Wien, da kommt ganz typisch geschissen, der oder die hat einen Stand auf dich, das Hirnkastl, die Suderei, also Trottel, ein Koffer, aber nicht der zum Reisen, sondern anders gemeint, Speiben. Das heißt, das war schon auch bewusst gewählt, weil es zum Teil im Präteritum ja auch Entscheidung ist. Also da bist du nahe an deiner Profession auch, um zu sagen, in Berlin oder in Deutschland hat etwas gestanden neben irgendetwas und nicht ist. Und wenn es die Wiener Perspektive wäre, hätte es das anders formuliert. Also das kommt in diesem Text vor, würde ich sagen. Mir ist auch noch aufgefallen, es gibt, manchmal habe ich gedacht, du erzählst sehr filmisch, also sehr szenisch. Es kommen viele Szenen vor und auch sehr dialogisch. Also das ist auch eine bewusste Entscheidung beim Schreiben gewesen, dass du weniger über das Beschreiben kommst, wie etwas ist, sondern dass du die Leute miteinander sprechen lässt. Und zum Teil sehr realistisch. Also es ist ein sehr Alltagsrealismus, wie sie miteinander sprechen. Deswegen auch diese Umgangssprache oder auch Scheiße oder mir fällt jetzt der linguistische Begriff für diese Zusammenhänge nicht ein. Gut. zusammen nicht ein. Gut. Ja. Das ist ein besonderes Interesse. Und Süd, also diese mittelamerikanische Geschichte, oder wirst du davon lesen? Wie bist du auf die gekommen? Also das ist eine Journalistin, die die politische Situation in Honduras, die sehr prekär ist für manche Menschen und auch für die Kinder dort, die da leben, die hast du gehört oder hast du das Land auch einmal besucht? Ist es in Costa Rica ähnlich? Nein. Also ich habe das tatsächlich, also das musste ich strategisch fast angehen, weil es einfach einen, also ich wollte einen realen Ort finden, den es so gibt und über den auch so geschrieben wird. blutig sein und es muss tragisch sein und es ist Mord und Totschlag und eigentlich interessiert wenig oder es geht in solchen Artikeln tatsächlich, also ich habe dann ganz viele von diesen Artikeln in unterschiedlichen Sprachen gelesen, es geht ganz wenig darum, wo kommt das her, in welchen sozioökonomischen Abhängigkeiten ist zum Beispiel Honduras seit dem Umbruch in den 70ern. Darum geht es nie, sondern es geht einfach nur darum, wer haut wen, warum, mit welchen Waffen und wo kommen die eigentlich her. Und das ist schon weit. Also eigentlich geht es nur um das wie, so haut drauf Journalismus, dem sich aber ja Journalistinnen und Journalisten, wenn sie in diesem Feld bestehen wollen, irgendwie ausliefern müssen auf eine gewisse Art und Weise. Also darum geht es auch. Das heißt, es hat nur funktioniert mit einem Ort, an dem das auch passiert. Und es ist mir auch wichtig, dass es nicht ganz Honduras, weil das ist ein großes Land, sondern es geht um eine ganz bestimmte Stadt, die tatsächlich auch in den Medien, jetzt ist es ein bisschen abgeflacht, aber als die Hauptstadt des Todes bekannt ist, weil sie die höchste Mordrate der Welt lange hatte. San Pedro Sula. San Pedro Sula, genau. Also eine eigene Stadt, die aber auch die zweitgrößte Stadt ist in dem Land. Das heißt, auch in dieser Stadt gibt es natürlich Menschen, die haben ein Leben, das unserem sehr ähnlich ist. Das ist jetzt nicht, dass diese ganze Stadt im Sumpf versinkt, sondern es gibt einfach bestimmte Viertel, dort ist die Mordrate sehr, sehr hoch und die macht keine aus, also die lässt auch Kinder nicht aus. Darum ist es mir gegangen. Liest du jetzt was von der Esra? Ja. Also jetzt kommt die... Nein, nein, ich kann es aber auch umdrehen. Ja? Ja, dann liest man sie zuerst. Jetzt sind wir dann bei dieser Journalistin. Genau. Also in der Meta-Ebene ist sozusagen auch drinnen eine Kritik eigentlich an dieser Form von Journalismus, weil diese Journalistin ja auch dann, wird einmal Artikel abgelehnt, weil er zu wenig hergibt. Blut hat, ja. Gut, bitte. Bei der Esra steige ich ein, nicht direkt am Kapitelanfang, Gut, bitte. lebt, wenn sie nicht unterwegs ist und sie hat durch eine Visaschwierigkeit ihre Wohnung noch untervermietet. Das ist relevant, weil eine zweite junge Frau vorkommt, die dort noch lebt aus diesem Grund. Esra. Als sie aufwachte, war es stockdunkl um sie. Ein leises Wimmern im Raum. Esra griff automatisch unter ihr Kissen, wo war das Messer. Erst als sie den Tisch erkennen konnte, verstand sie. Sie war nicht mehr in San Pedro Sula, ihre Fenster waren nicht mehr vergittert, kein Messer lag mehr unter ihrem Kissen. sich ruhig zu atmen, alles war gut. Sie war zurück. Langsam rieb sie sich die Schläfen, in denen das Blut pochte. Nichts war gut. Das Wimmern hielt an, Esra stand auf und schlich zur Couch, wo Magda lag, das Gesicht verzerrt. Esra wurde mulmig zumute, sie zwang sich durch zu atmen. Denk ans Jetzt, sagte sie sich, die Welt dreht sich weiter, du bist nur ein kleines Puzzlestück, nichts weiter. Langsam setzte sie sich auf den harten Couchrand. Ihre Hand fand den Weg auf Magdas Stirn von ganz allein. Es fühlte sich gut an, als könnte sie tatsächlich helfen. Sie dachte an den kleinen Jungen, an die ruhige Hand seiner Mutter auf der kleinen Stirn. Wie lange war das her? Drei Wochen? Und wie sollte sie das je vergessen können, den Blick, den ihr Camila zugeworfen hatte, hart und unnachgiebig. Und Esra hatte nicht sagen können, nicht erklären können, warum sie dort war, sie, die reiche Europäerin mit dem Aufnahmegerät inmitten der Capital de la Muerte, der Hauptstadt des Todes. Sie hatte bloß auf die dunkle Hand, auf der kleinen, bleichen Stirn gestarrt und sich gefragt, warum diese Hand nicht zitterte. Wie man das schaffte, dem eigenen Kind, das doch nur Kind hatte sein wollen, beim Sterben zuzusehen. Magdas Wimmern hatte aufgehört, sie atmete tief und ruhig. Esra sah auf den Wecker neben dem Bett vier Uhr. In San Pedro Sula wäre sie jetzt schlafen gegangen. In San Pedro Sula hätte sie jetzt ab und zu Schüsse gehört, gemischt mit leiser Radiomusik aus der Küche der Nachbarn. In San Pedro Sula hätte sie jetzt an Patricia gedacht, die im Nebenzimmer zu einem Gott betete, der nie antwortete. Esra ging leise ins Bad. Im Ganzkörperspiegel sah sie so zerschunden aus, wie sie sich fühlte. Die blauen Flecken am Hals, an der Hüfte, den Beinen. Eingetrocknetes Blut von ihrer Lippe auf den Wangen. Müde Augen, fettige Haare. Schlecht verheilte Kratzer am rechten Arm. Mehr Geist als Mensch. Schnell schloss sie die Augen. nachdem sie wieder geöffnet hatte stieg sie in die dusche brennendes wasser auf ihrer haut die nicht mehr ein heißes wasser gewöhnt war es war unterdrückte einen schrei und setzte sich in die dusche zog die beine an man gewöhnt sich an alles dachte sie während das brennen langsam nachließ sie nahm mag das duschschwamm in die hand und seinen entgeistert an wer kaufte sich einen pinken hello kitty duschschwamm? Mit einer energischen Bewegung fuhr Esra mit dem Schwamm über ihr Bein. Sie biss die Zähne zusammen. Morgen würde sie zuallererst zu ihrer Hausärztin gehen. Sanfter rieb sie sich den ganzen Körper ab. Das Wasser um sie herum färbte sich rotbräunlich. Nach der Ärztin würde sie in die Natur fahren, vielleicht an den See, wo sie in Ruhe nachdenken, sich ordnen konnte. Kurz dachte sie an Patricia. Was sie wohl gerade machte? Esra stand vorsichtig auf und fuhr sich durch das nasse Haar. Lockenweise kam es ihr entgegen nach all den Wochen, in denen sie es nachts straff zusammengebunden hatte. Wenn sie auch nachts kommen, hatte Patricia gesagt an jenem ersten Tag vor zwei Monaten, dann musst du vorbereitet sein. Und Esra hatte stumm genickt, während sie ihre Gastgeberin voller Bewunderung betrachtet hatte, eine Frau, die genauso alt war wie sie, aber bereits fünf Kinder hatte. Und obwohl Esra nicht verstanden hatte, wer genau in der Nacht kommen sollte, hielt sie sich an Patricias Regeln. Messer unter dem Kissen, zusammengebundene Haare, hässlicher Pyjama, nur für den Fall. Morgen nach der Ärztin und der Natur würde sie sich die Haare schneiden lassen und abends würde sie ihre Eltern besuchen. Einen klaren Kopf bewahren, in Bewegung bleiben, nicht stehen bleiben, nicht zu viel in den Spiegel schauen, schließlich war alles wie immer. Die Rückkehr nach Deutschland war immer schwer, Die ersten Tage waren immer ein Schweben zwischen zwei Welten. Es gab kein Medikament dagegen. Nur warten, bis die eine Welt etwas verblasste und man sie beschreiben konnte. Mit jedem Wort wurde es besser. Es war schließlich ihre Arbeit, eine Arbeit, die sie sich ausgesucht hatte. Als Esra aus dem Bad trat, kam ihr die Stille fast schon angenehm vor. Langsam ging sie an Magda vorbei und legte sich wieder ins Bett. Jetzt noch die dritte Perspektive, die ungarische Geschichte, sage ich einmal ganz kurz. die ungarische Geschichte, sage ich mal ganz kurz. Genau. Das ist jetzt die dritte Erzählstimme. Kapitel 2. Adam. Natürlich war Anniko draußen. Adam wusste es genau, wo sie stand, wie sie dreinschaute. Er sah sie vor dem Schaufenster stehen, vor diesem Fenster, hinter dem es stand, das Nilpferd. Und während Adam zu Hause auf sie wartete, sah Aniko bestimmt gerade auf die schimmernde Haut des majestätischen Tieres. Adam wusste, dass es unsinnig war, auf dieses Nilpferd eifersüchtig zu sein. Eigentlich verstand er sich selbst nicht, diese Wut. Aber vor allem verstand er Aniko nicht. Und das war eigentlich das Schlimmste. Wie diese Frau, seine Frau, die Buchhalterin mit dem ernstesten Blick Ungarns, sich so in etwas hineinsteigern konnte. Wegen einer faustgroßen Nilpferdfigur. Adam stand vom Sofa auf und ging ans Fenster. Ein Gefühl der Nähe zu Anniko erfasste ihn plötzlich. Vielleicht, dachte er, weil sie in diesem Moment ganz ähnlich dastanden, beide vor einem Fenster, beide voller Erwartung. Adam hoffte, unten die Tür von der Straße in den Innenhof aufgehen zu sehen und sie zu sehen, wie sie mit ihrem Staccatogang den Innenhof in einer geraden Linie durchquerte. Was Anniko hoffte, konnte er sich denken. Anniko wollte eine Antwort, eine Antwort, die Adam ihr schon hundertmal gegeben hatte. Ja, natürlich, ja, nichts wäre schöner. Aber für Anniko reichte das nicht. Sie brauchte mehr und darum starrte sie jetzt bestimmt schon seit 20 Minuten auf die bronzene Haut des Nilpferds. Weil es schon einmal zu ihr gesprochen hatte, weil es wieder zu ihr sprechen würde. Dessen war Anniko sich so sicher, dass Adam gerne gegen das Wohnzimmerfenster geschlagen hätte. Er ging in die Küche. Alles, was wichtig war in seinem Leben, befand sich in diesem Raum. Die Gewürzdosen, die er von seinem ersten Gehalt in Wien gekauft hatte, der jahrzehntealte Sauerteigansatz den anniko ihm zur hochzeit geschenkt hatte und darüber thronte das foto das alles auf den punkt brachte annika und er vor dem standesamt in wien er lächelte sie lachte mit offenem mund und weiten augen sie lachte und sah nur ihn dabei an und ihr blaues kleid hatte die gleiche farbe wie ihre augen und der wiener himmel über ihn adam sah das bild an und schämte sich für seine Unsicherheit, seinen Trotz. Warum wollte er seiner Frau vorschreiben, vor welchem Fenster sie zu stehen hatte und vor welchem nicht? Als er die Weingläser des Vorabends abtrocknete, hörte er die Wohnungstür leise quietschen. Hey, rief eine Stimme, die für Adam nach Winter klang, nach stiller Kälte. Ich bin hier, rief er zurück, hörte ein Rascheln, Schritte, dann stand Anniko in der Küche. Und, fragte er und versuchte nicht zu ungeduldig zu klingen. Nichts, antwortete Anniko und sah mehr auf das Glas in seinen Händen als auf ihn. Wieder nichts. Adam stellte das Glas auf seinen Platz zurück, ging auf sie zu und nahm sie in den Arm. Was war nun mit ihnen passiert, dass eine solch elementare Entscheidung von der vermeintlichen Reaktion eines Nilpferds abhing? Er räusperte sich. Pasta? fragte er, darum bemüht mit fester Stimme zu sprechen. Nein, geht schon, ich habe keinen Hunger, sagte seine Frau, die sich durch die hellen Haare fuhr und sie zu einem kleinen, chaotischen Zopf zusammenwand. Adam nickte. Er lächelte sie an und sah ihr dabei zu, wie sie Kehrt machte, einen kleinen Seufzer ausstieß, aus der Küche ging und ihn zurückließ. Das Wochenende lag vielversprechend vor Adam. Er hatte Pläne gemacht, die weit weg von Wien und dem Nilpferd führten. Sie würden an den Neusiedler See fahren, die Zugtickets dafür hatte er ausgedruckt, Samstag hin, Sonntag zurück. Als er Aniko in der Früh weckte, drehte sie sich weg. Dragan? fragte er in die dämmerige Stille. In einer Stunde müssen wir los, was magst du denn frühstücken? Aniko? Sie zog sich die Bettdecke über den Zopf, der immer noch auf ihrem Kopf drohte. Aniko, bitte. Nein. Es ist alles gebucht und das Wetter ist schön und wir können machen, was wir wollen am See. Du kannst auch entscheiden, aber fahren wir, bitte. Anniko drehte sich stöhnend zu ihm um, zog sich die Decke bis zum Kinn herunter und blinzelte. Ich mag da nicht hin, es ist zu kalt, sagte sie verschlafen und doch so hart, als hätte sie etwas zu verlieren. zu kalt, sagte sie verschlafen und doch so hart, als hätte sie etwas zu verlieren. Aber wir haben es doch gemeinsam geplant, erwiderte Adam und es ist alles vorbereitet. Dann fahr doch alleine, Mann, sagte Anniko, während sie sich wieder von ihm wegdrehte. Adam stand von der Bettkante auf, atmete durch, ging einmal quer durch die Wohnung, zog Schuhe und Arbeitsjacke an, riss die Tür auf, schlug sie hinter sich zu, so laut es ging, und rannte die sechs Stockwerke nach unten, bis er keuchend im Innenhof stand, sein Herzschlag zählte und sich fragte, wohin mit allem. Keine halbe Stunde später saß er auf Daniels Couch. Felix wankte durch die kleine Gemeindebauwohnung im Chopinhof. Adam schwieg und sah dem Kleinkind dabei zu, wie es versuchte, an die Fernbedienung zu kommen, die auf dem Couchtisch lag. Daniel rauchte und sah müde aus, müde und grau. Danke nochmal, sagte Adam, um die Stille zu unterbrechen. Daniel zog an seiner Zigarette und nickte. Felix wankte auf Adam zu, der das Kind auffing, kurz bevor es auf den Boden gesackt wäre. Er setzte sich Felix auf den Schoß, wippte mit den Knien und strich ihm mit dem Daumen eine der vielen Haarsträhnen aus der Stirn. Ein Wunder, dieses Kind, dachte Adam. Ich weiß es nicht, oder, sagte Daniel. Adam sah ihn fragend an. Ich weiß es nicht, langsam hört es sich geschissen an, fügte Daniel hinzu. Was hört sich geschissen an? Die Anniko, die wird dir langsam narrisch, oder, das siehst geschissen an, fügte Daniel hinzu. Was hört sich geschissen an? Die Anniko, die wird dir langsam narrisch, oder? Die siehst du doch auch, oder? Sie hat einen Stress, das ist alles. Adam fragte sich, wie mir hier etwas vormachte. Was für ein Stress? fragte Daniel. Die Arbeit? Komm, so ein Mist. Sie sitzt dann am Schreibtisch und rechnet irgendwas zusammen. Was soll das für ein Stress sein? Nein, ich meine, emotional ist sie gestresst. Adam. Daniel sah ihn ernst und immer noch sehr müde an. Kollege, ganz ehrlich, ich will nicht, dass du so ein blinder Hund wirst wie ich. Reiß dich zusammen. Du machst jeden Scheiß für sie. Du gehst joggen mit ihr in Schönbrunn, obwohl man komplett deppert sein muss, weil man freiwillig durch einen Haufen Chinesen rennen will. Du willst mit ihr an den See fahren, sie muss keinen Finger dafür rühren. Und was gibt sie dir dafür? Nichts, gar nichts gibt sie dir. Den gleichen Mist wie schon ewig mit dem geschissenen Nilpferd. Ein Nilpferd, Alter, ein Nilpferd, kann ich doch nicht sagen, ob sie Kinder mit dir haben sollt oder nicht. Adam, komm, denk noch, du bist doch ein Gescheiter. Adam sah an ihm vorbei und stattdessen auf den kleinen Menschen auf seinem Schoß. Aber was, setzte er an, nur um gleich wieder zu verstummen. Felix fing an, sich in seinen Arm zu winden. Aber ich will sie auch nicht zwingen oder so, sagte er dann leise, während er das Kind zurück auf den Teppich setzte. Daniel beugte sich nach vorn, drückte seine Zigarette aus und setzte sich seinen Sohn auf die Oberschenkel. Felix quietschte, Adam schwieg. Komm, sagte Daniel, komm wir vorn. Wohin denn? An den See, Euda. Adam widersprach nicht. Daniel konnte man nichts entgegensetzen. Okay, bei diesem Daniel laufen dann zum Schluss die Fäden zusammen. Also kann man es ganz kurz so sagen, drei verschiedene Protagonisten und deren Figuren herum, mit ihrem jeweiligen Plus, also mit den jeweiligen Brüchen oder Schwierigkeiten, die die im Leben haben. Danke Anna Silber für die Lesung, für dein Debüt hier im Stifterhaus. Dankeschön. Applaus Thank you. Thank you. Applaus Ich möchte es genauso wieder ein bisschen, dass wir zuerst über die Biografie ein bisschen sprechen. Du bist in Freistaat geboren, aber ihr seid trotzdem warschächte Linzer, oder? Ja. Ja, war das ein Zufall? Freistaat oder? Meine Eltern sind nach Linz gezogen. Okay, aber du bist in Linz aufgewachsen. Das war ja ein halbes Jahr alt oder so. Ich bin nur nominell ein Müllviertler. Dein Schwerpunkt, Erland, ist ohne Zweifel die Musik. Ja. Ich war auf deiner Homepage, da spielt ein Notationsfeld, also wo die Noten sozusagen nur so durchzischen, eine Rolle. Du hast Komposition studiert und Klavier und Dirigieren in Michigan. Unter anderem, ja. In den USA und in Linz, oder? und bist jetzt selber in einer pädagogischen Funktion sozusagen als Kompositionslehrer an der Bruckner Uni in Linz eh schon länger jetzt, oder? Seit 35 Jahren. Aber als Professor noch nicht so lange. Du unterrichtest, was mich natürlich interessiert, also ich mache ja auch ein bisschen Musik, Komposition und freie Improvisation. Ich mache ja auch ein bisschen Musikkomposition und freie Improvisation. Das ist ja ein heikles Feld. Für klassische Musiker gibt es ja manche, die sagen, was heißt das? Ich kann ja überhaupt nichts frei spielen. Ich muss das spielen, was im Text steht. Ja, genau. Bist du eher für die Klassiker da oder arbeitest du auch viel mit Bläsern? Nein, diese freie Improvisation muss eigentlich jeder machen, jeder Instrumentalist, sowohl Jazz als auch Klassiker. Auf dem jeweiligen Instrument sozusagen? Ja, auf dem jeweiligen Instrument, genau. Und das Element der Improvisation ist für dich dann auch als Komponist interessant? Oder wenn du etwas komponierst, gibt es da vorher Improvisationen? Das kann sein, das kann passieren. Aber freie Improvisation, da können sich die Leute wenig vorstellen. Es gibt einen englischen Ausdruck dafür, den die Chesser verwenden und der heißt Real-Time Composition. Und das ist es eigentlich. Also man erfindet Stücke im Augenblick, ohne Vorbereitung und ohne Plan. Du hast ja ein Zitat auf deiner Homepage, der kommt am weitesten, der nicht weiß, wohin er geht. Das heißt ja auch sozusagen im Augenblick. Der Augenblick spielt eine große Rolle. Und noch ein zweiter Hinweis auf deine Homepage. Das hat mir auch sehr gut gefallen. Ein Gedicht von Jorge Luis Borges. Ich weiß gar nicht, ob ich den richtig ausspreche. Ich bin ja kein Spanier. Das Leben besteht aus Augenblicken. Das ist auch für dich persönlich wahrscheinlich wichtig, dieses Gedicht. Wo es drinnen heißt, wenn ich mein Leben noch einmal leben könnte, im nächsten Leben würde ich versuchen, mehr Fehler zu machen. Mehr riskieren, mehr reisen, viel weniger Dinge so ernst zu nehmen. Und was hat das jetzt mit dem Schreiben zu tun? Gibt es einen Zusammenhang zwischen Komponieren und Schreiben? Du ahnst es schon. Es gibt einen Zusammenhang. Ja, ich meine, das klingt jetzt vielleicht ein bisschen pathetisch, aber das da ist fast wie ein zweites Leben. Oder ein Teil, ein kleiner Teil eines vielleicht zweiten Lebens oder Parallelllebens. Ich habe ja nicht aufgehört zu komponieren. Und ich höre noch längere Zeit nicht auf zu unterrichten, weil ich habe noch ein paar Jahre. Aber das ist es. Das hat für mich auch einen, auch wieder ein bisschen pathetisch gesagt, ein bisschen einen therapeutischen Charakter. Mal was trauen, wo man noch keine Sicherheit hat. Fehler machen, wie es in dem Gedicht auch steht. Ja, das ist ein Teil, deswegen dieses Buch. Möchtest du ein bisschen was erzählen, wie es zu diesem Projekt gekommen ist? Also mir hast du es angedeutet bei einem Gespräch. Corona hat eine Rolle gespielt. Das hat auf jeden Fall eine Rolle gespielt, weil vor zwei Jahren im März, April, wie Corona der erste Lockdown war, ich mehr Zeit hatte und ein bisschen frustriert war, weil keine Aussicht war, Kompositionen aufführen zu lassen, weil für längere Zeit mal alles gecancelt war. Und dann gab es, ja, ich habe dann, nachdem ich immer eine Affinität zur Literatur hatte und sehr viel Gedichte geschrieben habe und kleinere Sachen gemacht habe, auch größere Projekte angedacht, aber dann ist eben nichts worden durch die Vielfältigkeit meiner musikalischen Tätigkeiten. Ich habe mir dann alte Manuskripte hervorgeholt, mehr oder weniger absichtslos, und bin draufgekommen, ein paar davon sind gar nicht so übel, wenn man es umschreibt, weil manche waren schon acht Jahre alt oder so, oder noch älter. Naja, und habe mich versucht nicht frustrieren zu lassen zu sehr von Corona und habe mich einfach da reingeschmissen in das Projekt. Und nach vier Monaten war das erste Buch fertig. Mittlerweile schreibe ich am dritten, also es ist erstaunlich, wie das geht. Und bin draufgekommen, dass Komponieren von Musik und Buchschreiben in wesentlichen Belangen unglaublich ähnlich ist. Von der Konstruktion her, von der Entwicklung her, dranbleiben, reintauchen, wieder zurückgehen. Ich gehe jetzt nochmal zur Konstruktion, weil es ist dreisträngig. Es ist sozusagen, du erzählst auch Polyphon, oder? Ja, kann man sagen. Also es gibt auch hier drei Perspektiven oder drei Protagonisten. Ein Ich-Erzähler, der Klavier lernt. Der Freund dieses klavierspielenden Jugendlichen. Man muss sagen, es ist eigentlich eine Reminiszenz an vergangene Zeiten einmal. Also es spielt nicht in der Gegenwart, sondern in den 70er-Jugendtagen. Der Freund dieses Klavierspielenden, ein Gastarbeiterkind und der Sohn des Klavierlehrers, wenn ich es so sagen möchte, der eingeführt wird als Paarbesitzer. Also das erfährt man erst ganz später, dass der der Sohn von diesem Klavierlehrer ist. Und jetzt gibt es aber im Titel auch drei Protagonisten, nämlich mein Bruder, der Stadtrand und ich. Das sind sozusagen auch drei. Und ich, das sind sozusagen auch drei. Du bist ein Stadtrandkind und insofern ist das auch ein Linz-Buch. Weil es gar so viele Linz-Bücher gibt es gar nicht. Also ich habe dann überlegt, wer kommt aus Linz? Die Eugenie Kain zum Beispiel, der wir im Herbst gedacht haben. Die Margit Schreiner, die kam aus dem Bindermichl und hat einiges schon darüber geschrieben. Deine erkennbaren Orte sind Ebelsberg, also in der Nähe der Kaserne, und dann im zweiten draußen an der Uni. Im Aarhof. Im Aarhof drüben, genau. Im Aarhof, ja. Im Aarhof drüben, genau. Jetzt weiß ich nicht, ob ich noch weiterfragen sollte, oder ob du jetzt einfach einmal zu lesen beginnst. Oder, jetzt sage ich mal so, nein, zur Form reden wir noch schnell. Es ist eine Mischung. Du gehst zwischen zwei Genres hin und her, sozusagen. Das nennt man heute, glaube ich, modern autofiktionales Erzählen, also zwischen Autobiografie und fiktivem Erzählen. Das ist natürlich auch eine bewusste Entscheidung gewesen. Ja, also ich muss sagen, das hat mir wahnsinnig Spaß gemacht. Reaktionen zu hören auf mein Manuskript, stimmt das jetzt so oder hast du das jetzt erfunden? Und ich kann sagen, rat da mal oder so. Und ich kann da vielleicht eine kleine Anekdote erzählen, die meinen Bruder betrifft. Das ist der. Er hat das Manuskript gelesen natürlich, als einer der Ersten, und hat dann gesagt, ich habe mich da erinnert an so viele von diesen Geschichten und so, aber an diese eine bestimmte Geschichte, also irgendwie, da kann ich mich jetzt nicht mehr erinnern. Habe ich gesagt, ja, ist klar, weil die gab es nicht. Also die ist erfunden. Also selbst er hat nicht seine Schwierigkeiten gehabt zu erkennen, was ist fiktional und was ist autobiografisch. Was mir natürlich gefallen hat, oder weil ich ja euch beide kenne, die Hauptfigur ist ja ein klavierspielender Mensch, junger, und der hat einen Bruder und das ist der Gitarrist. Und das war in der damaligen Zeit aber ein entscheidender Unterschied, weil die gitarrespielenden Jugendlichen haben gewisse Vorteile gehabt den Mädels gegenüber. Darum geht es in meinem Ausschnitt. Ach so, okay. Gut, dann sage ich noch zum Schluss, Adalbert Stifter spielt eine gewisse Rolle. Ja. Zufall oder Absicht? Einige Leute, die das Buch gelesen haben, sind überzeugt davon, dass ich ein Adorbert Stifter-Fan bin, weil der Protagonist das ist. Darf ich das im Adorbert Stifter-Haus überhaupt sagen? Aber es stimmt so nicht. Zumindest nicht zur damaligen Zeit. Also ich behaupte, ich hätte als 15-jähriger Adorbert Stifter gelesen und das hätte mich so fasziniert und das wäre der Grund, warum ich zum Schreiben begonnen hätte. Das stimmt ganz und gar nicht. Aber ich habe Adorbet Stifter natürlich dann später sehr wohl gelesen und schätzen gelernt. Das ist schon richtig. Und ein Element, ich weiß ja nicht, was du lesen wirst, ist auffallend sozusagen ein magisches Element. Also der Protagonist entdeckt an seinem Bruder etwas Besonderes. Ich will nicht mehr verraten, weil vielleicht liest er eh davor. Das könnte ich vielleicht kurz zusammenfassen, damit man es weiß. Gut, dann bitte ich dich um die Lesung. Ja, also ich will gar nicht zu viel vorher erklären. Es geht um, also es ist eigentlich eine, man nennt das glaube ich magischen Realismus oder so. Es gibt so Dinge, die realistisch klingen, aber reine Magie sind. Die kommt aus der Erinnerung. Alkohol ist auch manchmal im Spiel, in der Zeit noch, und es ist kein Wunder, dass das Buch dann die Aufzeichnungen, die sogenannten, die es ja auch in Wirklichkeit nicht gab, mit 15 aufhören, weil da ist spätestens das magische Denken vorbei. Und es wird behauptet, dass die Wunde am Kopf meines Bruders, die er sich zugezogen hat, wie er in die Glastüre gefallen ist, in der Küche, nicht zuwächst, sondern magische Kräfte hat. Aber mehr will ich gar nicht sagen. Ich mache allerdings jetzt einen Sprung. Ja. Ich bin mir sicher, dass seit dem Ereignis mit dem Professor bis zum Sommer 1978, also etwa sechs Jahre lang, nichts Außergewöhnliches mehr passiert war. Jedenfalls nichts, das mit dem Loch im Kopf meines Bruders in Zusammenhang zu bringen wäre. Wir waren nun beide Teenager, er 13, ich bald 15 Jahre alt. Dass in diesem Alter wieder Situationen auftauchen, die man später als mystisch oder zumindest unerklärlich und außergewöhnlich benennen kann, liegt in dieser ganz besonderen Zeit begründet. Man ist kein Kind mehr, aber auch kein Erwachsener. Man glaubt schon lange nicht mehr an das Christkind oder den Osterhasen, aber auch noch nicht an all die Götter der Erwachsenenwelt, wie Disziplin, Macht und Streben nach Geld. Es war also eine noch unschuldige Zeit, in der die Fantasie eine ganz besonders starke Rolle spielte. Mein Bruder hatte sich zu einem ganz normalen Jungen entwickelt. Mit seiner brünetten Virenhaarpracht, seiner kräftigen, aber keinesfalls rundlichen Figur und seinen blitzenden, spitzbübischen, strahlend blauen Augen brachte er, wie schon die Jahre zuvor, die Großmütter und Mütterherzen zum Schmelzen. Ich sah ihn etwas differenzierter. Er war dickköpfig, streitsüchtig und nervig. Ein ganz normaler kleiner Bruder eben. Ich aber war brav und angepasst, unspektakulär, langweilig. Meine Klavierkenntnisse hatten sich ausgezeichnet entwickelt. Mein Bruder spielte inzwischen Gitarre. Ich lernte nach hunderten schweißtreibenden Unterrichts- und Übungsstunden Meilensteine der Klavierliteratur von Bach, Chopin und Beethoven meisterhaft vorzutragen. Er brachte sich selbst in kürzester Zeit Gitarrenriffs von Rockbands wie zum Beispiel Deep Purple bei. Ich spielte die Ergebnisse meiner jahrelangen Studien regelmäßig meinen Eltern und Verwandten vor, die andächtig zuhörten und dann dezent und angemessen zurückhaltend applaudierten. Bruder gab seine selbst erlernten Songs in einer bunten Runde von gleichaltrigen jungen Leuten zum Besten, die ihn im Anschluss wie einen Popstar feierten und sich dabei vor Begeisterung überschlugen. Ja, ich war eifersüchtig. Er wurde gefeiert, wie ich es ebenfalls verdient zu haben glaubte. Mein Bruder sieht die Angelegenheit in der Rückschau, wie er mir immer wieder versichert, naturgemäß anders. Er sagt, in Wahrheit sei er eifersüchtig auf mich gewesen, weil ich der Begabtere von uns beiden gewesen sei, was keinesfalls der Wahrheit entspricht. Nun, diese aber, die Wahrheit, sei ins Reich der Fiktion verwiesen. Wir befinden uns, so hoffe ich, wenigstens genau in der Mitte beider Welten. Es war zu dieser Zeit, als ich beschloss, kein ausschließlich klassischer Musiker zu werden, sondern parallel dazu ebenfalls die populäre Schiene zu bedienen. Das tat ich dann auch. Denn ich wollte dieselbe Aufmerksamkeit wie mein Bruder, nicht nur höflich distanzierten Applaus. Ich wollte ebenfalls gefeiert werden, das Publikum in Begeisterung ausbrechen sehen. Bald hatte ich mich in der Rockmusik hochgearbeitet. In kürzester Zeit war mein Bruder, Richie Blackmore, ich John Lord. Aber das war mir nicht genug. Ich begann, vermutlich durch die langjährige Beschäftigung mit längst vergangener Musik, des Barock bis hin zur Romantik, mich für meine eigene Vergangenheit zu interessieren und begann zu schreiben. All das hatte sicherlich nicht zuallererst mit der Eifersucht auf meinen Bruder zu tun oder mit dem eitlen Wunsch, ihn in einem weiteren Gebiet zu übertrumpfen, sondern mit der Unzufriedenheit eines beinahe 15-Jährigen, der in den letzten Jahren immer nur brav angepasst und wenig eigenständig gewesen war. Ich hatte Klavier geübt und geübt und geübt und damit alles getan, was meine Eltern von mir erwartet hatten. In der Freizeit ging ich nicht etwa Fußball spielen oder Mädchen aufreißen, geschweige denn zu den Schlammschlachten gegen die spärlich verbliebenen Neubauten, sondern in den nahen Park, um zu lesen. Adalbert Stifter und andere für einen gerade der Kindheit entwachsenen Jungen interessante Schriftsteller. Denn meine Mutter sagte, dass es gut für mich sei, viel zu lesen. Wenn das jetzt meine vorherigen Aussagen relativiert, wenn man daraus schließen wollte, ich sei immer noch brav und angepasst, unspektakulär und langweilig, wenn man denken würde, ich täte immer noch nur das, was andere von mir verlangen, nun, dann sollte es so sein. Ich hatte jedenfalls ein Gebiet entdeckt, das mir half, mit meiner nicht gerade befriedigenden Lebenslage kreativ umzugehen. Und Fantasie hatte ich genug. Der Bruder war viel geschickter als ich. Er konnte sich die Buchstaben merken, er konnte Silben verbinden, er konnte deutlich und in Absätzen lesen. Ihm kam in der Rechnung immer die rechte Zahl. Und seine Buchstaben standen in der Schrift gleich und auf nämlicher Linie. Bei mir war das anders. Was für eine Bestätigung meiner Frustration. Adalbert Stifter sprach mir aus der Seele. Auch wenn das Ganze überhaupt nicht der Wahrheit entsprach, denn mein Bruder war nicht besser oder schlechter als ich, dennoch las ich als älterer Bruder die Passagen aus der Erzählung Bunte Steine mit einer Mischung aus Staunen und bestätigter Befriedigung. Die Buchstaben wollten mir nicht einfallen, dann konnte ich die Silben nicht sagen, die sie mir vorstellten und beim Lesen waren die großen Wörter sehr schwer und es war eine Pein, wenn sehr lange kein Beistrich erschien. Bei dem Schreiben hielt ich die Feder sehr genau, sah fest auf die Linie, fuhr gleichmäßig auf und nieder und doch standen die Buchstaben nicht gleich. Sie senkten sich unter die Linie, sie sahen nach verschiedenen Richtungen und die Feder konnte keinen Haarstrich machen. Das musste ich ändern. Ich musste besser werden, schreiben lernen, ein Schriftsteller werden. Die Zeit für Gedichte, die ich ein Jahr später verfassen sollte, war noch nicht reif, da die Voraussetzungen dafür, die erste Verliebtheit, sich noch nicht eingestellt hatte. Aber der Drang, das Schreiben zu lernen, etwas zu Papier zu bringen, mich zu erinnern und es dann niederzuschreiben, war in jenem Sommer geweckt. Nach ein paar euphorischen, wenn auch unbeholfenen Versuchen erinnerte ich mich während eines Lesenachmittags im Park plötzlich wieder an die wundersamen Geschichten rund um das Loch im Kopf meines Bruders. rund um das Loch im Kopf meines Bruders. Die eigenen Erinnerungen daran, sowie die Erzählungen der Eltern und Verwandten, wollten erst nur vage und bruchstückhaft auftauchen. Da aber die Narbe an seinem Kopf immer noch, wie ich natürlich wusste, vorhanden war, wurde mir bald klar, dass ich genau darüber schreiben wollte. Sie sollte zum Zentrum meiner Geschichten werden. schreiben wollte. Sie sollte zum Zentrum meiner Geschichten werden. Ich würde sie so akkurat und detailliert wie möglich beschreiben. Ich würde, so der Plan, eine scheinbar nebensächliche Kleinigkeit in den Mittelpunkt meiner Betrachtungen rücken. So wie es Stifter 125 Jahre zuvor gemacht hatte. So wie mein Idol über viele Seiten einen einfachen Gegenstand wie einen simplen Stein penibel beschrieben hatte, so wollte ich es mit dem Loch im Kopf meines Bruders versuchen. Wenn möglich über noch mehr Seiten, als es stief damit es deinen Steinen gelungen war. Es war ein guter Plan. Kurz vor dem 13. Geburtstag meines Bruders machte ich mich an die Arbeit. Ich würde vielleicht eine kleine Zäsur machen. Ja, sicher. piano plays softly Thank you. O que é isso? Thank you. Come on, let's sing. Ich wiederhole vielleicht nochmal den letzten Satz von vorhin. Es war ein guter Plan. Kurz vor dem 13. Geburtstag meines Bruders machte ich mich an die Arbeit. 16. Juni 1978, 23.30 Uhr. Beginn meiner literarischen Aufzeichnungen. 24.30 Uhr. Beginn meiner literarischen Aufzeichnungen. Betreffend eine ausführliche und umfassende stifterische Beschreibung der Wunde am Kopf meines Bruders. Sie liegt etwa fünf Zentimeter neben dem Mittelscheitel über seinem linken Auge. Ziemlich genau dort, wo ein Linksscheitel gezogen werden würde. Die Narbe verläuft von der Stirn zum Hinterkopf und ist von beiden Positionen etwa gleich weit entfernt. Sie ist 9,4 cm lang und 8 mm breit. Der Spalt in ihrer Mitte, jener Bereich, der sich in die Tiefe des Kopfes wölbt wie ein Krater, ist 8,3 cm lang und 4 mm breit. Die gesamte Narbe verläuft an den jeweiligen Enden spitz zu, ähnlich den Spitzen eines Blattes. Die Form ist in der Tat einem 9,4 cm langen Grashalm ähnlich. Die Tiefe der Wunde, ein dunkler Kraterschlund, ist nicht festzustellen, da ich mich, obwohl mein Bruder schläft, nicht getraue, sie zu vermessen. Ich muss ohnehin sehr vorsichtig sein, seine Haare, die darüber liegen, beiseite zu klemmen, um das Loch im Kopf meines Bruders einer eingehenden Betrachtung unterziehen zu können. Und ein unbestimmtes Gefühl der Angst erfüllt mich, da ich mich dunkel an die Unheimlichkeiten erinnere, die mit dem Loch in Zusammenhang stehen. Soweit ich es trotzdem sehen kann, ist der Wundkanal außergewöhnlich glatt und rotbraun, wobei die Farbe immer dunkler wird, je weiter man versucht, hinunterzusehen. So als würde man sich über einen tiefen Brunnen beugen, verliert sich die Farbe in der Tiefe immer mehr in Richtung schwarz. Daher kann ich auch nicht genau sagen, ob die Wunde tatsächlich so tief ist, wie in den mysteriösen Geschichten darüber immer behauptet wurde. Die Wundränder sind in einem etwas dunkleren Braun gehalten als die Haut nahe dem Wundkanal und ein klein wenig gewölbt. Ein bisschen sieht seine Verletzung wie ein halb geöffneter Mund aus, mit dunkelbraunen Lippen und einer rotbraunen Mundhöhle, die in einen unergründlich tiefen Rachen führt. Aus diesem Schlund sind seltsame Geräusche zu hören. Der Wundkanal verstärkt offenbar die Laute, die der Körper des Schlafenden von sich gibt. So meine ich, daraus seinen Atem verstärkt hören zu können. Auch das Blubbern seiner Verdauung kann ich wahrnehmen. All das beunruhigt mich. Welches Geheimnis scheint dieser Kanal ins Innere meines Bruders noch für mich bereit zu halten? Ich muss meine Erkundungen so bald wie möglich fortsetzen. 18. Juni 1978, Sonntagmittag. Ich unterbreche meine Erzählung, die Beschreibung, die Wunde meines Bruders betreffend und wechsle in einen Tagebuchmodus. Ob ich die Schilderung des gestrigen Tages in die Erzählung einbauen werde, kann ich noch nicht sagen, vielleicht nicht. Das Erlebte ist zu aufregend und passt nicht so recht zu einer stifterischen Betrachtung. Gestern hat mein Bruder seinen Geburtstag gefeiert. Er wird zwar erst in ein paar Tagen 13, aber da gestern Samstag war, hatten wir beschlossen, mit ein paar unserer Freunde vorzufeiern. Wir sitzen also gestern am Schlossberg unter einer großen Eiche und trinken Riebisselwein. Mein Bruder hat seine Gitarre mit und wir singen all die Songs, die sich dafür eignen, in einer feiernden Runde auf einer Decke in der Wiese gesungen zu werden. Es sind deutschsprachige Lieder, hauptsächlich jene von Wolfgang Ambross. Es wird dunkel und wir alle sind schon ein bisschen betrunken, nur ein kleines bisschen. Wir zelebrieren Texte wie Es lebe der Zentralfriedhof und Heid drei Miham mit besonderer Gänsehaut provozierender Inbrunst. Gänsehaut provozierender Inbrunst. Klammer auf, mit Gänsehaut provozierender Inbrunst. Was für ein eleganter Satz. Muss ich irgendwo in meiner Erzählung einbauen. Klammer zu. Dann wird es Nacht. Mein Bruder hat sich in der Zwischenzeit an die große Eiche gelehnt und schläft mittlerweile tief und fest. Wir anderen sind in dieser seltsamen Stimmung, die wir vom Jungschar oder Ministrantenlager kennen, wo wir ums Feuer gesessen sind und uns Gruselgeschichten erzählt haben. Die spektakulärste Geschichte habe natürlich ich erzählt. Ich habe in leisen, aber eindringlichen Worten von der magischen Wunde am Kopf meines Bruders erzählt. Dass sie eine Hexe eingesaugt hat und vermutlich auch unseren bösen alten Musikprofessor. Und dass ich gestern versucht habe, sie zu inspizieren und zu beschreiben, um ihrem Geheimnis auf den Grund zu gehen. Die anderen haben nur so geschaut. Wir sind uns sofort einig gewesen, dass wir augenblicklich hier und jetzt das Wunder untersuchen müssen. Hier, mitten in der Nacht, an diesem unheimlichen Ort. Mit einem wohligen Schauer, der wohl echte Geisterjäger antreiben würde, machen wir uns also an das Vorhaben. An dieser Stelle muss ich in meine Aufzeichnungen eingreifen, um sie ein wenig zu revidieren. muss ich in meine Aufzeichnungen eingreifen, um sie ein wenig zu revidieren. Ich habe schon den Eintrag des 16. Juni sprachlich etwas optimiert, aber jener des 18. Juni driftete nach und nach vollends ins Absurde ab. Der Restalkoholpegel war tags darauf mit Sicherheit noch hoch genug, was als schlüssige Erklärung dafür gelten mag. Die sprachlich ohnehin ungeschickte Schilderung wurde inhaltlich so wirr, dass ich die Geschichte wohl besser mit meinen heutigen Worten fortsetze. Ich versuche im Folgenden den Inhalt der Aufzeichnungen mit meiner heutigen Erinnerung zu verknüpfen, ohne jedoch das Magische meiner damaligen Wahrnehmung gänzlich zu ignorieren, um, wie anfangs versprochen, in der Mitte der erwähnten Pole zwischen Fiktion und Realität zu bleiben. Ich knüpfe also an den letzten Satz meiner Aufzeichnungen an, den ich zuletzt zitiert habe. Mit einem wohligen Schauer, den hier im Original folgenden Nebensatz möchte ich streichen, machten wir uns also an das Vorhaben. Machen wir uns also anders vorhaben. Wir beugten uns über den schlafenden Körper meines Bruders und fixierten seine Haare seitlich mit einer Haarspange, die eines der Mädchen aus ihrem Haar gezogen hatte, sodass wir das Objekt unserer Neugier betrachten konnten. Die mit nur wenigen diffusen Parklaternen recht spärliche Beleuchtung des Schlossparkes bedingte, dass die Narbe nur sehr undeutlich zu erkennen war. Wir beratschlagten mit schon recht schwerer Zunge, wie wir vorgehen sollten. Ein Mädchen berührte ganz vorsichtig das Loch und zuckte schaudernd zurück. Ein Freund meines Bruders war ein wenig mutiger und versuchte, ein Eichenblatt in den Spalt einzuführen. Die anderen kicherten und meinten, es sei doch ganz und gar unmöglich, dass der Wundkanal tatsächlich tief genug sei, um irgendetwas darin einführen zu können, geschweige denn einen ganzen Menschen, ob Hexe oder nicht, ob Geisterwesen oder realer Mensch. Da meinte ein älterer Junge, der erst kürzlich zu uns gestoßen war und sich schon als Anführer betrachtete, mit verschwörerischer Miene, dass das natürlich sehr wohl möglich sei und er werde es uns allen beweisen. Dieser Junge, ein Jahr älter als ich, sollte im nächsten Jahr mein bester Freund werden. Ob das seltsame Schauspiel dieser Nacht der Grund dafür war, ist nicht sicher, aber es wäre durchaus möglich. Der mir damals also noch kaum bekannte Bursch nahm eine lange Paketschnur aus seiner Tasche und meinte, diese werde er jetzt quasi als Echolot benutzen. Er zerdrückte den Kronenkorken der Riebisselweinflasche mit einem herumliegenden Stein, sodass dieser ganz flach wurde. Dann stach er mit der Ahle seines Taschenmessers am Rand der Blechscheibe ein kleines Loch, zog die Schnur durch und fixierte sie mit einem kleinen Knoten. Mit feierlich pathetischer Miene hielt er die Schnur über den Kopf meines Bruders, ließ sie hin und her pendeln und befahl uns, Abstand zu nehmen, denn jetzt werde es gefährlich. Wir taten, wie uns geheißen, und blickten gespannt auf die Szene. Ein paar Meter vor uns stand in gespenstisch fahlem Licht der Magier an der Eiche. Im Profil sah er unheimlich und bedrohlich aus. Rechts daneben lehnte mein Bruder an dem Baumstamm. Man konnte seine Gestalt kaum erkennen. Sie schien mit der dunklen Rinde der Eiche zu verschmelzen. Ein sanfter Lichtstrahl von einer der Parklaternen ließ jedoch das entspannte Gesicht des nichtsahnend Schlafenden erkennen. Dann wedelte der Magier mit seiner rechten Hand vor ihm herum, als würde er einen Zauber beschwören. Mit der von seinem Körper fast verdeckten linken Hand ließ er, wie wir ganz deutlich sahen, die Schnur langsam, aber stetig in die Wunde gleiten. Wir saßen ungläubig staunend da und wagten uns nicht zu rühren. Nach einer gefüllten Ewigkeit flüsterte eines der Mädchen, wie weit bist du drin? Ha, sind sicher schon zwei Meter. Echt? Wahnsinn. Ihr glaubt mir nicht. Ich werde es euch beweisen. Er zog nun in die Gegenrichtung, fischte langsam und mit feierlichen Bewegungen die Schnur heraus, so wie ein Zauberer eine Kette aus verschnürten Tüchern aus dem Zylinderhut zieht. veränderte der Zauberer seine Mähne. Er lächelte geheimnisvoll und kam auf uns zu. Dann legte er die Schnur vor uns aus und wies uns an, sie abzuschreiten, um festzustellen, wie lang sie war. Wir taten es. Sie war ungefähr vier Schritte lang. Da eine Schrittlänge circa 60 bis 70 Zentimeter beträgt, musste die Schnur ungefähr zweieinhalb Meter in den Körper meines Bruders eingedrungen sein. Wir waren fassungslos. Ein Mädchen begann leise zu weinen, ein Freund meines Bruders atmete schwer, sonst war es ganz still und es rührte sich niemand. Dann fing der Magier plötzlich an zu lachen, ein diabolisches, unheimliches Lachen, nahm die Schnur an sich, wickelte sie schnell zusammen, ließ sie in seiner Tasche verschwinden. Dann drehte er sich um und lief davon. Wir saßen noch einige Zeit zusammen und versuchten in stockenden und leisen Worten das Geschehene zu begreifen. Es gelang uns nicht. und leisen Worten das Geschehene zu begreifen. Es gelang uns nicht. Irgendwann weckten wir meinen Bruder auf, verstauten seine Gitarre in dem Koffer, packten die Decke und alle anderen Utensilien zusammen und machten uns auf den Weg zur Haltestelle, um die letzte Straßenbahn Richtung nördliches Barbarenland nicht zu verpassen. Dort wären wir, da waren wir uns einig, vor Hippolyt, dem antiken Magier der Neubauten, sicher. Ich beende diese Geschichte mit dem Originalzitat des letzten Absatzes meiner Aufzeichnungen vom 18. Juni. Stifter schreibt, der Vater sagte, wer leben soll, muss das Leben kennen, das Gute und das Böse davon, muss aber von dem Letzteren nicht angegriffen, sondern gestärkt werden. Ich werde es versuchen. Danke. Ich sage nur, mein Bruder, der Stadtrand und ich, Erzählung von Erland Maria Freudenthaler, ein Text über Kindheit, Pubertät, Stadtrand, erste Liebe, Jugendfreundschaften, Kleinkriminalität und letztlich doch auch das Faszinierende an der Erinnerung an die eigene Kindheit und Jugend, oder? Ja, sicher. Gut, danke dir für die Lesung. Wir hören noch einmal zum Schluss Ingmar Freudenthaler an der Gitarre. Guds Thank you. Thank you. O que é isso? Ich möchte vielleicht noch anmerken, dass die Stücke, die Sie heute gehört haben, vom Ingmar komponiert wurden, nicht von mir, sondern vom Ingmar selber. Und nachdem ich immer gern das letzte Wort habe als Lehrer und es in der Musik üblich ist, die Leute mit einer Zugabe zu beglücken, ob sie es nun wollen oder nicht. Ich weiß, dass das in der Literatur nicht üblich ist, aber ich tue es trotzdem. Ein ganz kurzes Gedicht zum Abschluss, weil es so gut passt. In der Stadt. In der Stadt ist allbei so höh. Allbei so höh. Rote, gelbe, grüne, blaue Lichter überall. Das war etwas. Eine schwarze Glühbirne. Träst das auf, wird es finster. Danke. So formal habe ich das letzte Wort. Ich schließe den Abend, nicht ohne hinzuweisen darauf, dass wir beim Ingmar seinen Beitrag ja gehört haben, sehr blusige Töne. Es war kein lupenreiner Blues, aber es war doch sehr bluesig und damit wieder die Brücke zu unserem ersten Buch. Ich danke Anna Silber und Erland Freudenthaler für die Lesungen und Ingmar fürs Spielen. Danke Ihnen fürs Zuhören. Applaus