Herzlich willkommen an diesem sommerlich heißen Montagabend bei einer weiteren Ausgabe der Sendereihe Wassermeyer sucht den Notausgang hier aus dem Studio von DorfTV in der Kunstuniversität Linz. Ja, die Medien führen zu uns ja eigentlich schon seit Jahren und das täglich vor Augen die dauerhafte Krise, der dauerhafte Krisenmodus, an den wir uns gewöhnen mussten. Ich beginne mal vielleicht 2008, 2009, Finanz- und Wirtschaftskrise, dann kommt die große Migrationskrise in weiterer Folge. Das ist uns ja bis heute noch sehr leidlich, eine Erfahrung, die Pandemie, die Corona-Krise und jetzt natürlich auch in diesem Jahr mit dem Krieg gegen die Ukraine, die große Energiekrise und der damit verbundenen Teuerung, unter der wir alle aktuell sehr, sehr stöhnen. Wir müssen uns zugleich eingestehen, dass bei dieser Betrachtung der Krise, die ja oft sehr sachlich, abstrakt erfolgt, die vielen Schicksale viel zu wenig beleuchtet werden, die vielen Brüche und auch Wunden im Leben von Menschen, die oftmals und das auch tatsächlich in größer werdender Zahl in ihren Schicksalen, in ihren Existenzen gefährdet sind. Und jemand, eine Person, die tatsächlich diese Aufmerksamkeit erhöhen will und dem Thema auch mehr Beachtung schenken will, sitzt heute bei mir im Studio. Und ich freue mich sehr, Maria Katharina Moser bei uns hier bei DorfTV begrüßen zu dürfen. Die Direktorin der Diakonie Österreich, dem evangelischen Hilfswerk, ist ja ohnehin auch vielen bekannt aus Funk und Fernsehen. Ja, ich freue mich sehr, dass Sie heute hier sind. Ich freue mich auch sehr, dass ich hier bin. Schönen guten Abend. Wir haben 50 Minuten vor uns meiner Politikgespräche zu Kultur und Politik in Krisenzeiten. Ich darf ganz kurz, wie immer einleitend, ein bisschen was zu Ihrer Person sagen. Ich habe schon gemeint, dass Sie sind ohnehin vielfach bekannt. Aber ganz kurz, Sie sind Theologin, haben in Wien studiert, was auch wahrscheinlich viele gar nicht wissen. Sie haben auch in Manila studiert, interkulturelle Frauenforschung. Seit September 2018 sind Sie Direktorin der Diakonie Österreich. Davor waren Sie Pfarrerin in Wien-Simmering und wissenschaftliche Referentin am Institut für öffentliche Theologie und Ethik der Diakonie. Und ja, Sie blicken tatsächlich auch schon auf eine langjährige Berufserfahrung im Religionsjournalismus zurück. Das sind quasi journalistische Kolleginnen, Kollegen, waren Redakteurin beim ORF und ja, auch natürlich in der universitären Forschung, Lehre und Erwachsenenbildung. Haben eine ganze Menge Schnittmengen auch hier zu DorfTV. Frau Moser, ich halte es in dieser Senderei immer so, dass ich beginne mit einer sehr persönlichen Frage und habe mir vorgenommen, ich möchte heute ein Missverhältnis, das ich seit vielen, vielen Jahren beobachte, bei Ihnen mal gerne ansprechen. Gerade im Zeitalter der Globalisierung und Österreich ist ja schon lange keine Insel der Seligen mehr, verweisen wir hier in Österreich, wobei das ist wir es natürlich zu problematisieren, aber verweist auch Österreich in der Frage, wer sind wir eigentlich, in der Identitätsfrage, sehr, sehr gerne auf christlich-kulturelle Wurzeln. Da kann man auch im Diskurs sehr oft hören, wir verweisen auf das christliche Abendland, dem wir uns zugehörig fühlen. Das ist dann auch oft in Abgrenzung zu anderen. Gleichzeitig aber machen wir, und die Krise ist ja ein hochinteressanter Spiegel dafür, immer wieder Erfahrungen, die eigentlich Zeugnis sind von sehr unchristlicher Realität. Wir leben in einer eigentlich sehr brutalen kapitalistischen Welt, wo das Leistungsprinzip hochgehalten wird, wo die Schwachen kaum noch Achtung finden. Es geht immer nur darum, dass die Stärkeren die Leistung erbringen, Leistungsträger sind und sich durchsetzen. Bis hin natürlich dann auch, wenn Menschen, und das natürlich auch der Medizin zu danken, heute auch die Möglichkeit haben, immer älter zu werden, dadurch auch schwächer werden und hilfsbedürftiger. und wir dem eigentlich kaum entsprechend, nämlich eben in einem Nicht-Verhältnis zu den christlichen Werten, auf die wir uns so gern berufen, eigentlich dem Rechnung tragen. Wie nehmen Sie dieses Verhältnis wahr? Teilen Sie meine Einschätzung? Oder ist das etwas, womit man eigentlich leben muss? Also ich glaube, wir sehen das irgendwie quer durch die Geschichte des Christentums und auch schon länger in der jüdisch-christlichen Tradition in der Bibel, dass so ansprechen, ganz besonders spannend ist, dass wir hier viel Tradition von Statusumkehr haben. Die Letzten werden die Ersten sein. Oder das berühmte Magnificat im Neuen Testament, dass Maria die Mutter Jesus singt. Gott stürzt die Mächtigen vom Thron. Also ich glaube, das zeigt uns schon, dass so diese Fragen nach gesellschaftlichem Status Fragen sind, die sich immer durch die Geschichte ziehen. Und was das Christentum schon besonders auszeichnet, ist, dass das Gebot der Nächstenliebe im Neuen Testament auch ganz viel mit so etwas wie Statusverzicht verbunden ist. verbunden ist und auch mit dieser Frage, was haben denn die, die wir in der Gesellschaft als schwach verstehen, was haben die eigentlich zu geben? Und sie haben viel zu geben. Also das berühmte Schärflein der Witwe im Neuen Testament, eine arme Frau, die auch was in den Opferkasten legt und Jesus sagt, sie hat viel mehr gegeben als alle anderen. Also für mich gehört irgendwie zum Christentum immer beides dazu zu sehen, wo sind Menschen benachteiligt oder in einer schwachen Position und brauchen Unterstützung, aber auch was haben alle Menschen zu geben. Aber trotzdem, ich tue mir schwer, wie diese Metaphorik auch konkret Anwendung finden kann, wenn ich mir vor Augen führe, Österreich ist eines der reichsten Länder dieser Welt und wir haben bei einer mittlerweile gestiegenen Anzahl von 9 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern, also Menschen, die hier leben, haben wir eine Anzahl von, glaube ich, 1,4 Millionen Menschen, die armutsgefährdet sind. Was läuft denn da falsch? Ja, die Armutsgefährdung in Österreich ist schon ein langes Thema. Sie wird jetzt massiver durch das Thema der Teuerung. Und ich glaube, was wir wirklich in den letzten Jahren, man kann irgendwie sagen, schon Jahrzehnten inzwischen gesehen haben, ist im Zuge einer neoliberalen Politik eine Schwächung und eine Aushöhlung des Sozialstaats. Der letzte große, wirklich schwierige Schritt war die Abschaffung der bedarfsorientierten Mindestsicherung, die mal wirklich eine große Errungenschaft war. 2018, 2019, gerade zu der Zeit, wo ich das Amt der Diakoniedirektorin übernommen habe, ist die bedarfsorientierte Mindestsicherung abgewandelt worden in eine viel schlechtere Sozialhilfe. Und jetzt im Zuge der Teuerungen sehen wir, dass das irgendwie voll zuschlägt. Also so dieses Bewusstsein dafür, dass es gut ist, in einem Sozialstaat zu leben, dass der Sozialstaat allen hilft, dass soziale Ungleichheit auch ein Problem ist, das alle betrifft, weil viele Problemlagen in einer Gesellschaft einfach mehr werden bei sozialer Ungleichheit, dass es für alle besser ist, in einer sozial gleicheren Gesellschaft zu leben. Ich glaube, dieses Bewusstsein geht uns schon manchmal auch tatsächlich verloren. Also ich würde sagen, es geht um Armut, aber es geht auch ganz viel um die Fragen der sozialen Gleichheit und Ungleichheit. Stehen Sie das nicht irgendwie unzufrieden, dass die Diakonie als Hilfswerk kann ja im Grunde nichts anderes tun, als sozusagen immer ein bisschen auch Hansa Plast aufzutragen, Pflaster aufzutragen auf die Wunden dieser Gesellschaft? Ja, wir hoffen schon, dass wir mehr tun als Pflaster auf Wunden zu kleben. Weil natürlich Menschen, die unmittelbar von Armut betroffen sind, brauchen unmittelbar Unterstützung, brauchen unmittelbar Hilfe in verschiedenen Formen. Aber das wäre natürlich zu wenig. Und darum, glaube ich, ist es so wichtig, Sie haben es in Ihrer Anmoderation ein Stück erwähnt, dass die Diakonie auch die Aufgabe hat, zu benennen, wo die sozialen Problemlagen liegen und auch Vorschläge zu machen, wie wir sozialstaatlich jetzt zum Beispiel die Teuerungsfragen gut abfedern könnten. Haben Sie das Gefühl, und Sie sind ja nicht alleine, haben Sie nicht das Gefühl, da irgendwie trotzdem als Rufer und Ruferinnen in der Wüste ungehört zu verhallen oder haben Sie das Gefühl, doch Gehör zu finden und ich meine Politik und Veränderung ist natürlich mal das Bohren von dicken und harten Brettern. Was stimmt Sie da zuversichtlich? Zuversichtlich stimmt mich in erster Linie, dass ich irgendwie merke, dass es für die Menschen, die es betrifft und für unsere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen wichtig ist, dass wir als Ruferinnen in der Wüste sozusagen auftreten. Aber wenn wir jetzt irgendwie bei dem Beispiel der Teuerungen bleiben, eine Maßnahme, die jetzt in dem Paket drinnen ist, das gegen die Teuerungen wirken soll, ist mit Jahreswechsel dann als strukturelle Maßnahme die sogenannte Indexierung der Sozialleistungen. Das heißt, dass die Sozialleistungen an die Teuerung, an die Inflation angepasst werden. Das ist die letzten 20 Jahre nicht passiert. Hat dazu geführt, dass die Sozialleistungen massiv an Wert verloren haben. Um die Familienbeihilfe als Beispiel zu nennen, die hat 30 Prozent an Wert verloren seit den 2000er Jahren. Das heißt, Soziales war uns schon einmal mehr wert. Und dass jetzt so strukturelle Maßnahmen neben den Einmalzahlungen auch gesetzt werden, ob das jetzt irgendwie wirklich unmittelbar unser Erfolg ist, aber ich glaube schon, dass da auch Stimmen gehört werden und denke schon, dass man die Punkte, wo sich was positiv entwickelt, durchaus auch benennen kann. Also es ist, ich würde sagen, die Bilanz ist durchwachsen. Also manchmal denkt man sich, eben Beispiel Sozialhilfe, gar niemand hört irgendwie, was haben wir wirklich 2018, 2019, gebetsmühlenartig alles wiederholt. Was jetzt irgendwie eintritt, hat man immer so getan. Na, das wird irgendwie die Österreicher, Österreicherinnen nicht treffen. Das trifft irgendwie ein paar afghanische Familien mit wahnsinnig vielen Kindern. Wir haben damals irgendwie schon gesagt, das trifft alle. Und wenn Krisenzeiten kommen, dann merkt man es ganz besonders, wenn der Sozialstaat zurückgebaut ist. Und das wirklich für viel und immer mehr Menschen schlagend. Auch für Menschen, die arbeiten, können wir vielleicht noch darauf zu sprechen kommen. Das Problem der Working Poor, dass die Arbeit nicht dazu reicht, dass man irgendwie genug Geld hat fürs Wohnen und fürs Essen, das schlagt jetzt alles voll zu. Ja, da fühlt man sich manchmal als Ruferin in der Wüste, die nicht gehört wird und dann aber auch eben mit dem anderen Beispiel der Indexierung, denke ich mir, gibt schon Punkte, wo auch gute Schritte gesetzt werden. Die Bundesregierung hat jetzt mal ein 30 Milliarden Antiteuerungspaket vorgelegt, aber trotzdem viele, die darüber sehr genau Bescheid wissen, warnen, das wird nicht ausreichend sein. Das sind natürlich jetzt mal Einmalzahlungen, die dann erst im Oktober ausbezahlt werden, abgesehen von der Familienbeihilfe, die einmalig Anfang August doppelt ausbezahlt wird. Die strukturellen Maßnahmen greifen erst ab 2023. Das ist natürlich auch etwas, was jetzt viele auch treffen wird. Sie haben schon von dem Working Poor gesprochen. Der Aufschrei wird immer dann groß, wenn es den Mittelstand betrifft, weil die Menschen, die ohnehin schon in bitterer Armut leben, die es jetzt noch mehr trifft, auf die wird ja selten gehört und die haben ja auch keine Interessenvertretung, geschweige denn eine Lobbygruppe. Aber haben Sie eine Vorstellung, gibt es Prognosen, was da jetzt auf uns zukommen wird? Vielleicht auch ein neuer, nochmals breiterer Armut, weil ein Ende der Teuerung an sich und der Krise ist ja nicht in Sicht. Ich glaube, das ist genau der Punkt, auf den uns auch die Wirtschaftsforschungsinstitute hinweisen, was jetzt genau kommen wird. Man weiß es nicht. Man weiß, dass die Teuerung sicher nicht irgendwie in ein paar Monaten vorbei sein wird, dass das ein länger anhaltender Trend ist. Was wir jetzt schon sehen, also bis jetzt war es so in Österreich, dass die 25 Prozent der einkommensschwächsten Haushalte nicht genug Geld hatten, um ihre Konsumbedürfnisse, ihre ganz normalen, also keine übertriebenen, ganz normalen Konsumbedürfnisse zu befriedigen. also keine übertriebenen, ganz normalen Konsumbedürfnisse zu befriedigen. Das waren um die 40 Prozent Haushalte mit Pensionisten, Pensionistinnen. Dann sind ein Drittel dieser Haushalte Haushalte, wo es ein Erwerbseinkommen gibt und so zu zwölf Prozent Haushalte, deren Einkommen sich aus Sozialleistungen speist. Also da sehen wir schon das angesprochene Problem der Working Poor. Also 25 Prozent der Haushalte in Österreich haben zu wenig Einkommen, um die Konsumbedürfnisse zu stillen, da genug Geld dafür zu haben. Und das ist jetzt schon gestiegen auf 35 Prozent. Also das ist schon wirklich sehr viel, dass 35 Prozent der Haushalte in Österreich für das Alltägliche zu wenig Geld haben. Und was besonders auffällig ist, dass in dieser Steigerung hauptsächlich Haushalte enthalten sind, die auch ein Erwerbseinkommen haben. Also das zeigt uns irgendwie schon sehr deutlich, wohin der Trend geht. Interessanterweise machen viele Menschen die Erfahrung, und ich kenne auch tatsächlich viele, die sagen, die Teuerung und auch sozusagen diese steigende Existenznot spüre ich gerade an einem Punkt, mit dem ich eigentlich so nicht gerechnet hätte, nämlich wenn plötzlich in der Familie jemand da ist, der pflegebedürftig ist, wenn man sozusagen pflegen muss und dann vor dem Punkt steht, man kann sich das eigentlich gar nicht leisten und auch sozusagen diese Pflegegeldmodelle dann vielleicht nicht immer ausreichen. Jetzt führt mich das zu einem nächsten Thema mit Ihnen, nämlich diesem großen Thema der Pflege, der Betreuung von Menschen. Sie haben als Diakonie Österreich in diesem Jahr die K-Woche zur Care-Woche erklärt, also zur Woche der Sorgearbeit, um es ein bisschen übersetzt. Wo befinden wir uns da tatsächlich? Wir sind in einer Gesellschaft, die durch die demografische Entwicklung immer älter wird. Wir wissen, die Anzahl der pflegebedürftigen Menschen wird rasant anwachsen. Die Bundesregierung hat jetzt mal reagiert, spät aber doch, auch mit einem Reformpaket, eine Milliarde Euro, um hier neue Wege zu gehen, Abhilfen zu schaffen. Sie waren damit nicht zufrieden, wenn ich die Kritik bei meinen Recherchen richtig verstanden habe. die Kritik bei meinen Recherchen richtig verstanden habe. Was braucht es denn? Können Sie mal ganz kurz analysieren, wo stehen wir eigentlich in der Pflegesituation? Manche sprechen ja von einem Pflegenotstand. Und was braucht es, um der Zukunft einigerweise gegenzusteuern? Der Pflegenotstand ist hauptsächlich dem Problem geschuldet, dass wir zu wenige Pflegekräfte haben. Also wirklich Personen, Frauen und auch Männer, die diese Sorgearbeit, die Pflegearbeit übernehmen und das professionell. Diesem Fachkräftemangel steht gegenüber, dass wir in Österreich ungefähr eine Million pflegende Angehörige haben. Das sehen wir schon, das betrifft wirklich breite Bevölkerungsgruppen und von diesen pflegenden Angehörigen sind doch die Hälfte über 60. Und auch die Hälfte nimmt überhaupt keine professionellen Unterstützungsleistungen in Anspruch. Also wo wir uns Sorgen machen können, ist schaffen das die pflegenden Angehörigen weiter. Unser Pflegesystem ist auf dieser Säule aufgebaut. Wir müssen schauen, dass die nicht zusammenbricht. Was brauchen pflegende Angehörige? Professionelle Unterstützung. Und das ist etwas, was im Pflegepaket überhaupt nicht enthalten ist. Also der Ausbau der sogenannten Dienstleistungen ist hier noch überhaupt kein Thema und das ist unser Hauptkritikpunkt daran. Erleichtert, dass es mal irgendwas gibt. Also über die Pflege reden wir seit 15, 10 Jahren, dass da was passieren muss und es gar nichts passiert. Jetzt gibt es immerhin einmal einen ersten Schritt. wesentlich fragen muss, was brauchen denn Menschen im Alter, um gut und selbstständig leben zu können, um vielleicht noch ein Problem unseres Pflegesystems anzusprechen. Wir haben entweder das Pflegeheim, also die stationäre Langzeitpflege oder Pflege zu Hause. Der überwiegende Anteil, 80 Prozent der Menschen mit Pflegebedarf, lebt zu Hause. Und die kriegen im Wesentlichen Hauskrankenpflege. Das heißt, es kommt irgendwie in der Früh oder am Abend oder an den Tagesrandzeiten wäre für eine halbe Stunde so Körperhygiene und die wesentlichen medizinischen, pflegerischen Versorgungen. Manche Leute brauchen aber was anderes. Also wenn ich zum Beispiel arbeiten gehen möchte und habe eine Angehörige mit Demenz, wo es irgendwie schwierig ist, dass die irgendwie alleine zu Hause bleibt, Sturzgefahr, da brauche ich vielleicht Unterstützung in Form von Tagesbetreuung, vier, fünf Stunden. Solche Angebote gibt es irgendwie nicht. Unser Pflegesystem ist so versäult. Also wir müssen uns wirklich überlegen, was brauchen denn die Menschen, um zu Hause auch gut und lang leben zu können. Das wollen die meisten, wollen wirklich zu Hause bleiben. Aber da haben wir oft nicht die richtigen Angebote, nicht die richtigen sogenannten Dienstleistungen. Die müssen wir wirklich dringend entwickeln, weil auch sonst die Leute viel zu früh ins Pflegeheim umziehen müssen. Und das ist die teuerste Variante. Also wir haben zu wenig Geld im System, haben wir immer. Aber das Geld ist zum Teil auch nicht gut eingesetzt und wir müssen irgendwie schauen, dass wir irgendwie die richtigen Angebote anbieten, die gegebenenfalls oder zu einem gewissen Teil zumindest tatsächlich auch günstiger werden und den Bedürfnissen der Menschen mehr entsprechen. Eine Gesellschaft, die zunehmend älter wird, stellt ja eine ganze Menge Herausforderungen, eben nicht nur im Hinblick auf mögliche Betreuungsnotwendigkeiten und Pflege, sondern auch im Hinblick auf den Generationenausgleich. Und naturgemäß dann immer weniger Jünger gegenüberstehen. Wir haben das auch in der Pandemie jetzt virulent erlebt, dass da ja quasi auch das Solidaritätsverständnis Brüche erlebt hat. Am Anfang hat man den Jungen sehr viel abverlangt, gerade im Hinblick auf ältere, vulnerable Gruppen, die natürlich gefährderter sind durch das Coronavirus gleichzeitig. Aber ist das dann irgendwann gekippt? Inwieweit teilen Sie diese Ansicht bezüglich der Konflikte, die da entstehen können? Manche warnen ja richtig lauthals davor, dass wir dem viel mehr Augenmerk schenken müssen, dass sozusagen dieses Gleichgewicht, dieses Solidaritätsverständnis zwischen den Generationen tatsächlich gefährlich verloren geht. Ja, ich bin immer ein bisschen zurückhaltend bei zu starken Unkenrufen. Geht Solidarität verloren? Ich glaube, Solidarität ist etwas, was wir zum einen fördern müssen, strukturell durch sozialstaatliche Maßnahmen. Und zum anderen, glaube ich, ist Solidarität etwas, was wir immer üben müssen in unserer täglichen Praxis, in dem, wie wir zusammenleben. Und ich glaube, dass wir wirklich in der Pandemie auch gesehen haben, wir haben auch Aufrufe gestartet und da haben sich viele junge Menschen gemeldet. Nachbarschaftshilfe, Unterstützung von Menschen, die jetzt Hilfe beim Einkaufen brauchen, weil sie sich nicht raustrauen oder nicht rausgehen sollen, weil sie Risikogruppen sind. Da haben sich sehr viele gemeldet. Und für uns oder für mich besonders interessant war, es war gerade am Anfang der Pandemie viel schwieriger, Menschen zu finden, die sich melden und sagen, ich brauche Hilfe. Also ich glaube, ein Problem, das wir wirklich, und das passt zu dem, was wir am Anfang unseres Gesprächs besprochen haben, ein Problem, das wir wirklich haben, ist, dass es wahnsinnig schwer ist, Hilfsbedarf einzugestehen sozusagen. Weil wir müssen in unserer Gesellschaft irgendwie alle immer topfit und super sein und Hilfe zu brauchen, ist ein Zeichen der Schwäche. Nein, ist es nicht. Es ist ein mutiges Zeichen und ich glaube, was wir brauchen, damit wir auch verstehen, was Solidarität bedeutet, ist, dass wir sehen, und das ist jetzt etwas sehr Theologisches, wir Menschen sind alle verletzliche Wesen. Man kann uns alle irgendwann einmal erwischen, dass wir verletzlich sind, dass wir Brüche in unserem Leben erfahren. Das Wort haben Sie am Anfang auch verwendet, dass wir die Unterstützung anderer brauchen. Unterstützung anderer brauchen. Und ich glaube, Solidarität beginnt tatsächlich auch ein Stück weit mit der Wahrnehmung der eigenen Verletzlichkeit. Da schauen wir besonders wenig hin. Und wenn wir wirklich in die Tiefe gehen wollen, und das hat uns die Pandemie vor Augen geführt, die hat uns wirklich vor Augen geführt, wie verletzlich wir alle sind. Da gibt es ja dieses legendäre Zitat der Zeichentrickfigur Winnie Pooh. Ja, genau. Ich liebe es. Das Mutigste, was du gesagt hast, ist, dass du Hilfe brauchst. Das ist eigentlich ganz bezeichnend. Aber das führt mich auf einen ganz, ganz wichtigen Punkt jetzt auch nochmal in Betrachtung der österreichischen Gesellschaft, die wir erlebt haben jetzt auch in den vergangenen Jahren. Wir haben ja die Situation, dass noch immer Menschen zu uns kommen nach Österreich, dass noch immer Menschen zu uns kommen nach Österreich, weil sie in ihren Herkunftsregionen vor Krieg, Zerstörung, Hunger, Elend fliehen müssen. Sie kommen zu uns, weil sie hier das universelle Recht auf Asyl in Anspruch nehmen wollen. Es wird ihnen allerdings sehr, sehr oft, um nicht zu sagen allzu oft, klar verdeutlicht, sie sind hier nicht willkommen. Woran liegt das? Das führt mich auch wieder zurück zum Eingang. Wir ja doch auch sehr stark christlich geprägt sind. Dann letztlich dieses, man kann es Solidarität bezeichnen oder als Nächstenliebe, dass wir diesen Grundwert dann doch oft verweigern. Da spreche ich jetzt noch nicht von den Fliehenden aus der Ukraine, sondern wirklich von jenen. In Afghanistan ist die Situation unverändert schwierig, kriegerisch, voller Konflikte. Warum wir hier quasi immer noch darum ringen müssen, dass Menschenrechte gewahrt bleiben, dass dieses Grundprinzip überhaupt zum Durchbruch kommen kann? Also ich glaube, das liegt schon sehr wesentlich daran, dass ausländerfeindliche Gefühle geschürt worden sind, weil man politisches Kleingeld daraus gewinnen kann. Was wir auch sehr deutlich sehen, also dort, wo wir in der Diakonie mit Freiwilligen im Bereich Flucht und Asyl arbeiten, da war die Solidarität immer ungebrochen, auch bei den Spenden war sie ungebrochen. Und wo wir sehen, wo es die Ressentiments, die Ablehnung gibt, das sind oft Menschen, die selber überhaupt keine direkten alltäglichen Erfahrungen mit Menschen auf der Flucht haben. keine direkten alltäglichen Erfahrungen mit Menschen auf der Flucht haben. Die Solidarität ist dort hoch, wo man in Kontakt kommt. Und in diesem Zusammenhang habe ich es wirklich sehr schwierig gefunden, dass unter Schwarz-Blau man gesagt hat, okay, man möchte jetzt irgendwie eine Bundesbetreuungsagentur gründen, die die Menschen, die kommen kommen sozusagen betreut. Man nimmt das ein Stück weg von den Hilfsorganisationen. Es ist dann alles nicht so schlimm gekommen, wie wir befürchtet haben. Aber was heißt es denn, wenn Menschen sozusagen nur professionell betreut werden und abgesondert, wirklich im wahrsten Sinne des Wortes, von der Bevölkerung, von den Menschen, die gerne unterstützen wird, das führt wirklich zu einem Solidaritätsrückgang, wenn man die Probleme der anderen gar nicht im direkten Gespräch, im direkten Kontakt sehen und nachvollziehen kann. Gut, ich glaube, wir sind uns darin einig. Also es war ja, vielleicht einen Satz noch, und ich finde, wir haben wirklich zum Teil in Österreich eine organisierte Desintegration. Also wir tun alles dafür, dass Menschen, die herkommen, sich nicht integrieren können. Wir machen es ihnen wahnsinnig schwer und nachher sagen wir, da schaut es die Wollen überhaupt nicht. Und dann glauben das irgendwie viele. nicht. Und dann glauben das irgendwie viele. Also wir sind tatsächlich in einer Situation, würde ich sagen, wo Entsolidarisierung politisch organisiert worden ist die letzten Jahre. Das ist aber nicht etwas, was alleine auf Schwarz-Blau zurückzuführen ist. Das haben wir seit Anfang der 90er Jahre. Das ist eine lange Geschichte. Genau, das geht viel weiter zurück. Umso mehr interessiert mich, und Sie repräsentieren das natürlich ja auch, sozusagen die Rolle und die Verantwortung der Zivilgesellschaft. Zivilgesellschaft an sich hier in Österreich ist ja nicht sehr stark ausgeprägt, wenn man es mal nur von der Ehrenamtlichkeit löst und wirklich auch ein politisches, gesellschaftlich aktives, engagiertes Verständnis anwendet. Wie sehen Sie denn das? Ist Ihrer Meinung nach die Zivilgesellschaft hier ausreichend bewusst, dass man hier noch mehr leisten sollte, mehr tun sollte? Nämlich nicht nur, indem man tatsächlich auch in kleinen Kommunen, in den Regionen, wo auch im ländlichen Raum immer wieder auch gerne Flüchtende aufnimmt, sich um sie kümmert, tatsächlich zur Integration beiträgt oder sollten die auch viel stärker noch ihr Wort erheben, um sozusagen auch sowas wie eine Widerständigkeit gegenüber der Politik zu erzeugen? Gehört immer beides zusammen. Also ich möchte jetzt irgendwie die sozialen Initiativen oder die kleinen Initiativen in der Nachbarschaft, im Sozialraum, in kleinen Kommunen gerne wertschätzen. Ich glaube, dass die ganz wichtig sind. Der nächste Schritt ist dann irgendwie, sich auch politisch zu Wort zu melden. Das ist vielleicht auch was, wo nicht jeder irgendwie auch den Zugang hat, die Möglichkeiten dazu. Ich denke, das fängt auch auf der kommunalen Ebene an. Also gibt es die Möglichkeit, über sowas wie regionale Grätzl-Organisationen sich irgendwie auch zu Wort zu melden und dann vielleicht bei DorfTV. Also es muss nicht immer der ORF sein. Frage, wie kann man das zivilgesellschaftliche Engagement, von dem ich wirklich glaube, dass es schon auch da ist, also dass es viele Menschen gibt, die unmittelbar in ihrem Umfeld sich um andere kümmern wollen, wie kann man das auch stärker übersetzen in ein politisches Auftreten. Aber mich finde wirklich so, dass dieser, wir nennen das auch Sozialraum in der Diakoniesprache sozusagen. Also das, was vor Ort passiert, wo das Zusammenleben ist, wo die vielen verschiedenen Menschen hoffentlich zusammenkommen. Ich glaube schon, dass das irgendwie ein Problem unserer Gesellschaft ist, dass es hier immer weniger Zusammenkommen gibt von verschiedenen sozialen Situationen, Menschen in verschiedenen sozialen Situationen. Auch das muss man aktiv fördern, da muss man Räume dafür schaffen. Ich glaube schon, dass das so die Kernzelle der Nukleus für gesellschaftliche Veränderung und auch stärkere Solidarisierung ist. Weil wir sehen schon, das schreckt mich wirklich immer sehr, es sagen 17 Prozent der Menschen in Österreich, wenn ich ein Problem habe, wenn ich eine Frage habe, ich weiß nicht, an wen ich mich wenden kann. Eine Form von Einsamkeit. Eine Form von Einsamkeit, aber auch von sozialer Isolierung oder dem Gefühl sozialer Isolierung und darum glaube ich, ist so diese Ebene des Sozialraums, der sozialen Nähe, das, was in meiner Nachbarschaft unmittelbar ist, irgendwie so wichtig. Und ich glaube, das hat mich ja bei der Pandemie immer super geärgert, diese Dings irgendwie so wichtig. Und ich glaube, das hat mich ja bei der Pandemie immer super geärgert, diese Dings irgendwie so, ja, jetzt irgendwie Pandemie und Krise. Und da bin ich oft gefragt worden, Frau Moser, müssen die Menschen jetzt nicht mehr auf sich selber schauen? Muss nicht jeder auf sich selber schauen? Und nein, ich glaube, das ist eine Situation, da müssen wir viel mehr aufeinanderschauen. Und wenn jeder auf jemand anderen schaut, dann hat auch jeder jemanden, der auf einen schaut. Also diese Vorstellung, dass jeder seines eigenen Glückes Schmied ist und irgendwie alles ganz alleine schaffen muss, die schon sehr tief in unseren Köpfen verankert. Und da sehe ich sowas als eine Wurzel der Problematik eigentlich. Ihr Bild des sozialen Raums ist insofern interessant, als wir den bei DorfTV ebenso sehen. Wir als DorfTV sind als medialer Raum natürlich auch ein sozialer Raum, wo Menschen einander begegnen, hoffentlich auch in ihrer Diversität, in ihrer Gegensätzlichkeit. Das führt mich jetzt auf das Thema Konflikte, weil eine Demokratie lebt ja von Konflikten dann, wenn Voraussetzungen geschaffen sind, wo die auch tatsächlich ausgetragen werden können, halbwegs versöhnlich, eben in einem medialen oder sozialen Raum. Das führt mich jetzt zur Pandemie zurück. Ich meine, die Pandemie ist ja noch lange nicht ausgestanden. Wir stehen ja wieder vor einer Welle oder sind schon wieder mittendrin. Man weiß das nie so ganz genau. weil man weiß das nie so ganz genau. Auf jeden Fall, das hat ja auch Unmengen von Schlagzeilen produziert, ist ja die gesellschaftliche Sorge groß, dass massive Spaltungen entstanden sind, Verwerfungen, sei es in der Frage der Impfung, sei es in der Frage, wie gefährlich ist das Coronavirus wirklich. Das zieht sich durch die Familien, da hat es unglaubliche Streitigkeiten gegeben, Zerwürfnisse. Wie sehr besorgt Sie das? Teilen Sie diese Analyse überhaupt, beziehungsweise wie sehr besorgt Sie das, dass die Pandemie offensichtlich etwas sichtbar gemacht hat, was offenkundig bislang unter der Oberfläche geblieben ist? Besorgt mich sehr und was mich daran so besorgt ist, dass ich glaube, dass sich im Zuge der Pandemie unser Verständnis von Freiheit und Grundrechten und Menschenrechten irrsinnig ver gegangen und nicht um die Freiheit und die Grundrechte und die Menschenrechte der anderen. Also eine Individualisierung der Rede von den Grundfreiheiten. Und die Grundfreiheiten sind nie etwas Individuelles und Freiheit ist nie etwas Individuelles, sondern immer etwas Universales und findet ihre Grenze immer an der Freiheit der anderen, an den Rechten der anderen auch. Und ich glaube tatsächlich, weil sie sagen unter der Oberfläche, dass so diese Einengung dessen, was Menschenrechte bedeutet, schon früher begonnen hat, nämlich mit der erwähnten Flüchtlingssituation und den Anti-Flüchtlingsbewegungen. Ich spreche nicht so gern von einer Flüchtlingskrise. Ich glaube, die Krise ist eher in dem gelegen, wie wir reagiert haben auf die Fluchtbewegungen, also auf diese Anti-Flüchtlingsbewegung sozusagen. Da haben wir den Menschenrechten ganz stark nationalstaatlichen Kriterien unterworfen. Die sind aber universal. Und da setzt sich jetzt fort in der Pandemie, dass wir Menschen- und Grund- und Freiheitsrechte individualisieren, also noch einmal einengen. Und das bereitet mir große Sorgen. Weil Sie sagen, diese Vereinzelung und diese Ich-Sicht, ich sage jetzt bewusst nicht Ich-Sucht, sondern Ich-Sicht, das geht ja Hand in Hand, das ist ja hochinteressant, weil ich bin in den 70er Jahren geboren und bin quasi sozialisiert, auch kulturell, in den 80ern und da hat es ja begonnen mit der Ich-AG, das heißt, dass die Menschen, von denen wir hier sprechen, die quasi immer auf ihre Freiheit achten, auf ihr Menschenrecht achten und das auch so betonen und sich auch abgrenzen, die tun ja nichts anderes, als das jetzt auch anwenden, wozu sie erzogen sind. In einer Welt der Ich-AGs und dieser Individualisierung, von der sie gesprochen haben. Das ist natürlich zu problematisieren und bestritten, gerade wenn wir die Herausforderung meistern wollen, wieder ein Gemeinwesen oder ein Bewusstsein für ein Gemeinwesen zu schaffen. Die Frage ist aber, wie schaffen wir das? Also weil Sie da die 80er Jahre ansprechen, das ist natürlich die Wiege des Neoliberalismus. Und der Neoliberalismus hat irgendwie eins gebracht, dass er immer von der Verantwortung und der Freiheit der Einzelnen geredet hat und so getan hat, es wäre die in einem luftleeren Raum, als hätte ich keine sozialen Voraussetzungen und das dann verknüpft hat mit dem Rückbau des Sozialstaats. Und es gibt von der Philosophin und Ethikerin Herr Linde Bauer-Studer, den finde ich sehr prägnanten Satz, der uns irgendwie vor Augen führt, in welche Richtung da die Fehlentwicklung weist. Sie weist darauf hin, dass Menschen, die keinen ausreichenden Zugang zu Grundgütern haben, Grundgüter, das sind Essen, Wasser, Gesundheitsversorgung, Bildung, Wohnen ganz wesentlich, Menschen, die keinen ausreichenden Zugang zu Gütern haben, sind schlicht und ergreifend nicht frei. Zugang zu Gütern haben, sind schlicht und ergreifend nicht frei. Also um mich frei entfalten zu können, müssen meine wesentlichen Grundbedürfnisse einmal gesichert sein. Und die Sicherung von Grundbedürfen, das ist eine gemeinsame, soziale, kollektive, staatliche Aufgabe auch. Das braucht die Gemeinschaft. Wir haben, denke ich, hier auch wirklich eine starke Verschiebung in dem, was wir unter Gerechtigkeit verstehen. Gerechtigkeit ist immer mehr zur Leistungsgerechtigkeit geworden und sowas wie eine Bedarfsgerechtigkeit oder Bedürfnisgerechtigkeit, dass man sagt, eine gerechte Gesellschaft ist eine, wo alle Menschen Zugang zu den Gütern haben, die dafür da sind, ihre Grundbedürfnisse zu stillen. Und das ist dann die Voraussetzung für Freiheit und auch für die Verantwortungsübernahme. Das ist uns sehr stark verloren gegangen, weil sich diese Leistungsgerechtigkeit, die auf den ersten Blick plausibel klingt, aber nicht plausibel ist, sehr stark in den Vordergrund geschoben hat. Also vielleicht noch, warum sage ich, Leistungsgerechtigkeit ist nicht plausibel? Wir glauben irgendwie oft, wenn man irgendwie so dem politischen Mainstream irgendwie zuhört, dass irgendwie der Top-Manager, und ich gendere jetzt bewusst nicht, dass der Top-Manager ein super Leistungsträger ist, der sich dann vielleicht auch noch ins Fernsehen sagt, und ja, er arbeitet ja von 8 in der Früh bis 8 am Abend und eine Alleinerzieherin, die Teilzeit beschäftigt ist, arbeitet aber wahrscheinlich von 6 in der Früh bis 10 am Abend und wir glauben, das ist weniger Leistung. Also wir machen Leistung im Wesentlichen ja dann aber eigentlich an Geld fest und nicht an der Frage dessen, was jemand an Energie, an Lebensenergie, Lebenskraft auch investiert, ins eigene Leben, ins Leben der Kinder, ins gesellschaftliche Leben. Also ich glaube, dass wir auch das, was oft als Leistungsgerechtigkeit bezeichnet wird, im Sinne der Leistungsgerechtigkeit selber kritisch hinterfragen müssen? Gemeinschaftliche Orientierung haben seit fast ewigen Zeiten geboten die Kirchen, auch hier in Österreich, auch ihre Kirche, die protestantische, deren Bedeutung unbestritten schwere Einbußen erlitten hat. Ich möchte jetzt nicht auf die vielen Gründe eingehen, die auch zu diesen zahlreichen Kirchenaustritten führen, nicht nur in der katholischen Kirche, auch bei Ihnen. Auf eines möchte ich schon zu sprechen kommen, weil es mir sehr sinnvoll erscheint, jetzt im Zusammenhang mit einigen Punkten, die wir jetzt schon angesprochen haben, nämlich gerade auch im Hinblick auf das Gemeinwesen. Das ist natürlich unbestritten. Die Kirchen haben Gemeinwesen geschaffen, eine Gemeinschaft geschaffen, Das ist natürlich unbestritten, die Kirchen haben Gemeinwesen geschaffen, eine Gemeinschaft geschaffen, die über Jahrhunderte den Menschen von großer Bedeutung war. Jetzt steht die Kirche natürlich ist ein großer Konkurrent der Kirche, weil er auch Gemeinschaft schafft, vermeintliche Gemeinschaft, nämlich die Gemeinschaft der Icher-Ges, der Vereinzelten, die sich hier in einer sozialen Community wägen, von der sie aber eigentlich nur enttäuscht werden können. Wie sehen Sie denn diese Entwicklung? Wie kann eine Kirche, wie kann Ihre Kirche da überhaupt auch Anschluss finden in einer Welt, wo erstmal Vielfältigkeit sozusagen geradezu sich Bahn bricht, in ungeordnete Bahnen bricht, die digitale Welt, deren Räume ja völlig unendlich und offen sind. Wie kann man hier überhaupt auch aus kirchlicher Perspektive oder vielleicht auch nicht aus kirchlicher Perspektive, vielleicht auch aus der Perspektive Ihrer Organisation ein Verständnis schaffen, dass Menschen Problem von Social Media ist, Nähe zu suggerieren, Freundschaft zu suggerieren, die aber keine ist, weil zu Nähe und sozialer Nähe immer auch die Begegnung face-to-face, von Angesicht zu Angesicht, die tatsächliche Nähe und auch sowas wie Berührung, das haben wir auch in der Pandemie leidvoll gemerkt, was uns fehlt, wenn uns die Berührung und das direkte Zusammenkommen fehlt. Also insofern tatsächlich vermeintliche Gemeinschaft. Das ist natürlich eine starke und eine mächtige Entwicklung gegen die Kirchen. Auch, dass es Parteien irgendwie schwerer haben oder Vereine oder Organisationen. Es gibt sowas wie eine Institutionenskepsis bei vielen Menschen. Also Mitglieder zu gewinnen wird immer schwieriger. Und ich denke da schon, dass der Sozialraum, über den wir vorher geredet haben, hier auch für uns in der Kirche ein ganz wesentlicher Anknüpfungspunkt ist. Und das werden kleine Gemeinschaften sein. Aber ich glaube, dass viele so kleine Gemeinschaften oder so Zellen der Nächstenliebe auch eine große Kraft dann entfalten können. Und ich, also für mich gehört es wirklich persönlich auch zu den faszinierendsten Punkten. Sie haben meine Pfarrgemeinde Wien-Simmering erwähnt, wie ich noch selber Pfarrerin war oder jetzt als einfaches Gemeindemitglied, wenn ich am Sonntag in den Gottesdienst gehe, wer da alle nebeneinander sitzt. Da sitzt die pensionierte Hochschulprofessorin neben Geflüchteten aus dem Iran, aus Afghanistan, neben einem Sozialarbeiter, neben einer Lehrerin, neben Mindestpensionistinnen, die Hilfsarbeiterinnen waren ja lebenlang. Also ich glaube, was wir brauchen, ist wirklich solche Orte, wo verschiedene Menschen zusammenkommen können. Und das ist schwierig. Unsere Gesellschaft ist funktional differenziert. Das heißt, wir leben in verschiedenen Welten. Es gibt irgendwie die Welt, wo ich angesprochen bin als Konsumentin in der Wirtschaft. Es gibt die Welt, wo ich angesprochen bin von mir als Patientin, wenn ich irgendwie an den Gesundheitsbereich denke. Oder die Welt, wo ich angesprochen bin als Lernende im Bildungsbereich. Aber es gibt irgendwie so wenig Orte, wo ich als ganze Person und wo alle als ganze Person angesprochen sind. Und das wäre der Reichtum und der Schatz, den wir haben in der Kirche offensichtlich, falls uns nicht immer leicht ist, einen Schatz zu heben. Tagen hat ein Entscheid, ein juristischer Entscheid in den USA weltweit für großes Entsetzen und Aufregung gesorgt, nämlich, dass das höchste Gericht, das Supreme Court, das Recht auf Schwangerschaftsabbruch für illegal erklärt hat. Das ist etwas, was zwar jetzt in Österreich in der Debatte so noch nicht angekommen ist, hier scheint sozusagen diese Fristenlösung doch irgendwie unbestritten zu sein. Aber wie ist denn diese Entscheidung bei Ihnen, ich sage es mal bewusst sozusagen, als Frauen politisch bewusste Theologin angekommen? Ich verstehe es nicht. Also ich verstehe nicht, warum man das Leben von Frauen auch aufs Spiel setzen will. Es geht jetzt um die Frage, nicht für Abtreibung zu sein, sondern wie man in den USA sagt, pro choice, für Entscheidungsmöglichkeiten. Wir leben in einer Welt, wo wir die Entscheidungsmöglichkeiten und die Freiheit irgendwie sehr hoch halten. Wundert mich manchmal, warum in diesem Bereich nicht. Aber ich denke irgendwie, das ist gut, wenn das ein Thema ist, das lassen wir in den USA. Also ich finde es nicht sehr produktiv, diese Diskussion jetzt in Österreich aufzumachen. Wie gesagt, noch ist sie ja nicht in größerer Dimension bei uns angelangt. Mal sehen. Zurück nochmals auch zur Gemeinschaft. Spannend ist natürlich jetzt auch im Hinblick darauf, was jetzt in nächster Zeit auf uns zukommt. Wir haben jetzt auch gar nicht mehr so viel Sendezeit auf der Uhr. Worauf bereiten Sie sich jetzt vor? Wir haben die Teuerung, wir haben die sich abzeichnende, noch größer werdende Armut. Was kann die Diakonie tatsächlich leisten? Also worauf wir uns vorbereiten oder wo wir das irgendwie schon sehr deutlich sehen, ist, dass der Bedarf an ganz unmittelbaren Hilfeleistungen steigen wird. Wir sehen das dort, wo wir warme Mahlzeiten anbieten für Menschen, die jetzt schon Probleme hatten, sich eine warme Mahlzeit leisten zu können. für Menschen, die jetzt schon Probleme hatten, sich eine warme Mahlzeit leisten zu können. In unseren, wir nennen es gern Armenwirtshäusern oder eben Orten, wo man einen warmen Ort hat, aber auch eine warme Mahlzeit bekommt. Diese diakonischen Einrichtungen arbeiten oft mit Lebensmitteln, die sie gespendet bekommen von den Tafeln oder aus den Sozialmärkten. Da merken wir, das geht zurück. Gleichzeitig merken wir, der Bedarf steigt in den Sozialmärkten, steigt der Bedarf. Wir bekommen schon weniger Lebensmittelspenden, wir müssen mehr zukaufen. Das ist auch alles teurer, wenn wir jetzt irgendwie Lebensmittel mehr sozusagen richtig zukaufen müssen. Also da bereiten wir uns vor und da denke ich, ist aber auch so ein Punkt, ähnlich wie bei der Sozialhilfe, wo wir sehen jetzt mit der Teuerung, Dinge, die schon die letzten Jahre, um nicht zu sagen Jahrzehnte, ein Problem waren, schlagen jetzt voll zu. Frage der Sozialmärkte. Wir haben ja die Sozialmärkte und die Tafelbewegung und es ist gut und wichtig, dass wir sie haben, aber wir haben sie, weil Lebensmittel in Überfülle angekauft werden von Supermärkten. Das kann dann irgendwie alles nicht verkauft werden, muss aber immer alles im Regal sein und bevor man es wegschmeißt, ich sage es jetzt ein bisschen despektierlich, gibt man es halt den Armen. Und ich habe das immer sozusagen von der Haltung und strukturell so wichtig und gut es war, dass wir das so gemacht haben, von der Haltung her schwierig gefunden, dass man findet, die Armen sollen Resteln essen. Ich erinnere mich noch gut an den Michi Schütte, einen Aktivist aus der Armutskonferenz, selber von Armut betroffen, der einmal gesagt hat, Sozialmarkt, also erstens schon einmal unangenehm, dass man sich da registrieren muss und nachweisen, man ist irgendwie arm, es ist stigmatisierend. Und dann hat er erzählt, er war im Sozialmarkt und es hat Unmengen von Filetsauce gegeben. Aber es gab kein Filet zur Sauce. Also da haben wir Punkte, die uns jetzt praktische Probleme machen, wie auch die Sozialhilfe, die wir verschlechtert haben. Es ist jetzt einfach zu wenig Geld zum Leben. Hungern für die Mitte steht an. Das sind lauter Dinge, auf die wir uns gemeinsam mit anderen Hilfsorganisationen vorbereiten müssen. Ich möchte zum Abschluss mit Ihnen noch auf etwas zu sprechen kommen, was sicherlich sehr, sehr viele Menschen, auch die, die uns jetzt zusehen, bewegt. Das ist mal angenommen, die Kinder, die jungen Menschen, die jetzt heranwachsen und die so in die Welt hineinblicken, die haben es ja unglaublich schwer. Die sind aktuell etwa mit einem Krieg konfrontiert, wo sie von jenen, die noch vor Generationen unglaublich engagiert für den Frieden und Friedensbewegung eingetreten sind, jetzt eigentlich der Meinung sind, man müsse der Ukraine Waffen liefern, wo viele der Werte und der Gerüste, an denen man sich auch festgehalten hat, eigentlich ins Wanken geraten. Da bin ich jetzt mitten auch in der Frage der Zukunftsfähigkeit von Ethik. Das ist jetzt ein großes Ding, ich weiß schon. Aber was können Sie dazu sagen? Wie kann man an Ethik festhalten in einer Welt, wo alles auf den Kopf gestellt wird, wo alles beliebig wird, wo Orientierungen, moralische Wertemuster eigentlich sich zunehmend verändern, verschwimmen, aufweichen und letztendlich viele Menschen orientierungslos und sehr, sehr verwirrt dastehen. Weil wir auch nicht mehr so viel Zeit haben und die Frage sehr groß ist, empfehle ich einen Blick in die Bibel. In der Bibel finden wir die sogenannte Goldene Regel. Sie ist ein bisschen sprichwörtlich geworden. Den kennen Sie sicher alle. Dieses Sprichwort, was du nicht willst, dass man dir tut, das mut auch keinem anderen zu. Die Bibel formuliert ein bisschen anders. Die Bibel formuliert, alles, was ihr wollt, dass euch die Menschen tun, das tut auch ihnen. Also so diese Frage, sich hinein zu versetzen, in die Situation von anderen, sich zu fragen, wäre ich jetzt auf der Flucht? Würde ich Pflege brauchen? Wäre ich von Armut betroffen? Wie würde ich behandelt werden wollen? Was wären gute gesellschaftliche Regeln, die ich mir wünschen würde, wäre ich in so einer Situation? Und für diese Regelungen, für diese Formen von Solidarität dann auch einzutreten und denen zuzustimmen. Das ist, glaube ich, ein relativ einfaches ethisches Prinzip, von dem ich meinen würde, die goldene Regel, andere so zu behandeln, wie man selber behandelt werden wollen würde, das ist immer noch tragfähig. Aber wer soll diese Überzeugungsarbeit übernehmen? Jeder und jede für sich selber. Wer soll diese Überzeugungsarbeit übernehmen? Jeder und jede für sich selber. Also wir leben in einer Zeit, wo tatsächlich die Aufgabe der ethischen Reflexion, der ethischen Urteilsbildung, der Gewissensbildung jedem Einzelnen aufgetragen ist. Alleine ist es schwer, darum brauchen wir Gemeinschaften, wo wir auch ins Gespräch kommen können über die Fragen, wie wollen wir zusammenleben und das wäre ein gutes Zusammenleben. Aber grundsätzlich ist die ethische Orientierung, die Haltung, die Wertentwicklung, die Gewissensentscheidungen immer was, was jedem Einzelnen und jeder Einzelnen aufgetragen ist. Einen Satz vielleicht noch. Ich glaube, der Bildung, der Schule, dem Bildungsbereich, auch der Erwachsenenbildung würde hier durchaus auch ein Auftrag zukommen. Ja, ich weiß, ich habe eine Riesenkiste aufgemacht. Dennoch, wir haben gar nicht mehr die Zeit jetzt. Ich mache jetzt hier mal einen Punkt, sage ein ganz, ganz großes Dankeschön, dass Sie heute zu unserem Studio gekommen sind. Maria Katharina Moser, Direktorin der Diakonie Österreich. Ja, vielen herzlichen Dank natürlich auch den Zuseherinnen und Zusehern von DorfTV, die mit Interesse dabei waren. Ich darf, wie immer, am Ende dieser Sendung mit dem Ersuchen schließen. Bleiben Sie dem Sende Ihres Vertrauens, nämlich DorfTV, auch weiterhin gewogen. In diesem Sinne noch einen schönen Abend und auf Wiedersehen.