Einen schönen guten Tag und herzlich willkommen aus dem Studio von DorfTV in der Kunstuniversität Linz. Herzlich willkommen aus dem Studio von DorfTV in der Kunstuniversität Linz. Ja, Kriege, das ist eigentlich hinlänglich bekannt, bringen nicht nur Tod und Zerstörung mit sich, sondern sie haben vor allem immer auch Flucht und Vertreibung zur Folge. Auch das sollte sich eigentlich in unserem Bewusstsein soweit mittlerweile festgesetzt haben, nach einer doch jahrtausendlangen Menschheitsgeschichte der vielen Kriege. Dennoch ist das Thema bis heute ein sehr schwieriges und wird auch immer wieder in der politischen Auseinandersetzung als ein Konfliktthema geführt, wo doch immer wieder auch politische Kräfte der Meinung sind, sie könnten daraus politisches Kleingeld schlagen. Aktuell erleben wir die Situation des Krieges, des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine und damit sind wir seit dem Frühjahr auch hier in Österreich wieder mit flüchtenden Menschen konfrontiert, diesmal aus der Ukraine. eigentlich um die internationalen Regeln etwa der Flüchtlingskonvention aktuell bestellt ist, beziehungsweise wie wir aus den vielen Widersprüchen rund um Flucht und Asyl tatsächlich auch Auswege finden können. Das versuche ich jetzt im Rahmen meiner Gespräche zu Medien und Haltung in Zeiten des Krieges zu klären und zu erörtern mit meinem Gast, den ich heute im Studio sehr herzlich willkommen heißen darf, Judith Kohlenberger. Viel in Österreich eigentlich gut bekannt aus Funk und Fernsehen, das darf man mittlerweile gestehen. Eigentlich Kulturwissenschaftlerin, aber mittlerweile wahrscheinlich die in Österreich engagierteste Flucht- und Migrationsexpertin, die auch immer wieder in der Öffentlichkeit mit sehr viel Sachkenntnis, das darf ich schon so unterstreichen, überzeugt. Ich freue mich, dass Sie heute hier sind. Tolle Sache im Rahmen meiner Gesprächsreihe unter weißer Flagge eben zu Medien und Haltungen in Zeiten des Krieges, wo dieser Aspekt der Flucht meines Erachtens ein Schlüsselbegriff auch ist. Und damit will ich keine Zeit verlieren. Ich steige gleich mal mit Ihnen ein. Ich habe die Menschheitsgeschichte schon in ihrer unglaublich großen Dimension ja angesprochen. Die Geschichte des Menschen ist immer voller Kriege, gerade auch jene des 20. Jahrhunderts. Wir haben das hier in Österreich ja auch sehr, sehr leidvoll erlebt mit zwei Weltkriegen. Jetzt stelle ich mir die Frage und gebe diese auch gleich an Sie zu Beginn. Welche Rolle spielen denn Flucht und Vertreibung in unser aller kollektiven Gedächtnis? Ja, zuerst einmal vielen Dank für die Einladung. Ich freue mich immer sehr, bei Ihnen sein zu dürfen, Herr Wassermeyer. Jetzt ein besonders schöner Anlass insofern, als ich meine, dass dieses Thema tatsächlich wieder mehr an Bedeutung gewinnen wird müssen. Weil Sie haben es angesprochen, der Krieg in der Ukraine dauert mittlerweile seit mehr als sechs Monaten. Und leider scheint mir, dass das Thema der Aufnahme der Vertriebenen aus diesem Krieg etwas aus der medialen und auch politischen Öffentlichkeit verschwunden ist. Und unter anderem leider aber auch zum leidwesen der betroffenen und ich glaube da müssten wir noch einen genauen augenmerk hinrichten zu ihrer frage zurückkommend krieg und vertreibung auch in der historischen perspektive ich glaube da gibt es unterschiedliche ebenen sich dieser frage zu nähern das eine ist sicherlich der wichtige Aspekt der, könnte man sagen, Genese oder fast Geburtsstunde der Genfer Flüchtlingskonvention, vor mehr als 70 Jahren verabschiedet und entstand aus den Irren und Viren des Zweiten Weltkrieges beziehungsweise aus den Lehren, die man daraus gezogen hatte. Und vor allem, und das ist ja ein besonders spannender Aspekt mit Blick auf die Ukraine jetzt, wo wir so unterschiedliche Formen der Differenzierung auch gesehen haben zwischen Gruppen von Flüchtlingen. der Differenzierung auch gesehen haben zwischen Gruppen von Flüchtlingen. Ganz zu Beginn hatte die Genfer Flüchtlingskonvention einen sehr, sehr engen Fokus auf europäische Flüchtlinge. Und erst später, durch Zusatzdokumente, wurde sie erweitert auf alle Menschen, kann man sagen, die von Verfolgung aus unterschiedlichen Gründen, sozialer Zugehörigkeit, aufgrund von Geschlecht, aufgrund von Ethnie und so weiter, betroffen sind. Das ist, glaube ich, so ein wichtiger Aspekt, an dem wir jetzt gerade wieder ein bisschen anknüpfen, weil mir kommt vor, im Laufe der vor allem letzten Jahre und Jahrzehnte haben europäische Aufnahmeländer ein wenig aus dem Blick verloren, dass sie ja potenziell nicht nur Aufnehmende sein können, sondern auch selbst von Vertreibung betroffen sein könnten. Und ich glaube, das ist uns jetzt leider wieder viel deutlicher geworden, weil würden Putins Bomben nur einige hundert Kilometer weiter westlich fallen, dann müssten wir vielleicht darauf vertrauen, dass unsere Nachbarländer oder darüber hinaus aufnahmebereit sind. Das ist sozusagen der eine Aspekt. National gesehen, glaube ich, ist es ganz wesentlich, weil Österreich ja sehr lange Zeit das Tor zum Westen war, nicht am eisernen Vorhang gelegen ist und damit auch häufig das erste Ankunftsland für Flüchtlinge aus den Ostblockstaaten damals kommend. Das hat eine stark politische Dimension, auch in der Aufnahmebereitschaft. Man hat Ostblockflüchtlinge, wie sie auch zusammenfassend einfach genannt wurden, obwohl es da ja auch Unterschiede gab in den Gruppen, teilweise deshalb auch gerne aufgenommen, weil man da einen Beitrag gesehen hat, um den Westen zu stärken. Weil diese Flüchtlinge per se ja verkörpert haben, wir wollen den Westen. Wir lehnen alles, wofür der kommunistische Osten steht, ab und wir wollen in den Westen. Und es kam deshalb den politischen Interessen der westlichen Aufnahmeländer, konkret auch Österreich, zugute, dass man gesagt hat, man möchte diesen Menschen eine neue Heimat bieten. Österreich hat sich einerseits als Tor verstanden, das zeigt aber schon ein bisschen die Doppeldeutigkeit, weil durchs Tor gehe ich durch, aber bleibe nicht unbedingt. Und auch sehr frühzeitig, zum Beispiel beginnend, die erste große Fluchtbewegung nach Ende des Zweiten Weltkriegs für Österreich konkret, war dann der Volksaufstand in Ungarn 1956, 1957, wo Österreich ja selber noch ein Nachkriegsland war und noch mitten im Wiederaufbau gefangen und damit sehr beschäftigt. Und da kam es zum ersten Mal wirklich zu einer großen Ankunft von vielen ungarischen Flüchtlingen, fast 200.000 Personen, die damals nach Österreich kamen. 70.000 von ihnen in etwa kamen über die Brücke von Andau im burgenländischen Grenzgebiet, übrigens mein unmittelbarer Heimatort auch. Und da hat sich damals auch schon gezeigt, und da möchte ich jetzt dann doch den Bogen in die Gegenwart schließen, eine gewisse Ambivalenz, ein Schwanken dieses Aufnahmelands Österreichs zwischen absoluter Solidarität, Aufnahmebereitschaft, zwischen absoluter Solidarität, Aufnahmebereitschaft, Unterbringung der damals ungarischen Flüchtlinge zu Hause bei den einzelnen Familien im Burgenland, die auch nicht viel hatten in der Nachkriegszeit. Auf der anderen Seite aber, wenn man sich die Medienberichte von damals anschaut, war es gleichzeitig eine große Welle der Ablehnung, auch weil sich gezeigt hat, es gehen dann doch nicht alle sofort weiter, zum Beispiel in andere westeuropäische Länder oder in die USA. Manche bleiben. Und da kam es sehr schnell auch zu Neiddebatten, zu Bedrohungskulissen. Man hat die Leute dann doch wieder fremder gemacht, als sie eigentlich sind. Und ich leite daraus auch ab, so kulturell und geografisch nahe wie die Ungarn, ist uns ja gleich mal gar keine Nation, muss man sagen, und trotzdem kam es zur Ablehnung. Also bei Solidarität und Aufnahmebereitschaft rein auf die kulturelle Nähe zu setzen, das ist, glaube ich, ein sehr gefährlicher Gamble. Und da würde ich gerne ein bisschen näher hinschauen und auch versuchen zu differenzieren. Wie kann man denn Solidarität wirklich und nachhaltig aufrechterhalten? Darauf kommen wir noch zu sprechen. Ich habe jetzt ein Buch in die Hand genommen, nämlich ein Buch, das Sie geschrieben haben, vor wenigen Wochen auch veröffentlicht und vorgestellt, das Fluchtparadox, erschienen im Verlag Rehmeyer und Scherriau. Das Entscheidende an Ihrem Buch und darin liegt sicherlich auch dessen Bedeutung ist, und das wird ja auch mit dem Begriff des Paradoxons ja schon herausgestrichen, dass sie rund um die Themen Flucht, Asyl unglaublich viele Widersprüche festmachen. Das ist ja auch etwas, was wir auch, wenn wir nochmals historisch zurückblicken, wie Österreich historisch im 20. Jahrhundert auch mit Flüchtenden umgegangen ist. Ich erinnere da an den Jugoslawienkrieg, wo eigentlich eine Willkommensbereitschaft sehr ausgeprägt war, bis hin natürlich auch dann nochmal die Aufstände im Sommer 68 in der damaligen Tschechoslowakei, wo ja auch viele Menschen zu uns gekommen sind, um Zuflucht zu finden. Da sind eine ganze Menge Widersprüche auch in die Gegenwart, ohne jetzt über das ganze Buch hier zu sprechen, über welche Widersprüche und sozusagen Paradoxa können Sie jetzt das auch sozusagen im Zusammenhang mit dem Krieg an sich nochmal in Verbindung bringen und auf den Punkt bringen? Also das eine ist sicherlich dieses große Bild oder dieses stetige und ständige Changieren zwischen Öffnungs- und Schließungstendenzen ordnet sich ein in die größere Thematik der Globalisierung, wo wir wirklich beides gleichzeitig beobachten, wenn auch für unterschiedliche Gruppen. Und dann aber auch konkret der immer sehr brüchige und ständig in sich widersprüchliche Humanitarismus in Österreich. Österreich ist eigentlich, wenn wir uns die Zahlen vergegenwärtigen, ein klassisches Aufnahmeland von Geflüchteten. Wie gesagt, seit Ende des Zweiten Weltkriegs immer gewesen, aber hatte gleichzeitig nie das eigene Selbstverständnis, eins zu sein. Maximal vielleicht Transhitland, Tor zum Westen, wie gesagt. Aber die Tatsache, dass wir mit Beginn ein Volksaufstand in Ungarn immer wieder hunderttausende Menschen hier aufgenommen, versorgt und tatsächlich auch integriert haben. Man sagt da immer so salopp, ein Blick ins Wiener Telefonbuch oder auch ins Linzer Telefonbuch reicht. Das ist die eine Seite. Auf der anderen Seite haben wir erst im Jahr 2017 ein Integrationsgesetz erhalten. Regierungsgesetz erhalten. Also Jahrzehnte danach und eigentlich viel zu spät wurden dann strukturelle Rahmenbedingungen geschaffen, um die Rechte und die Pflichten von Neuankommenden festzuhalten undland, als Aufnahmeland anzunehmen und die entsprechenden Schritte danach zu setzen, die entsprechenden Konsequenzen daraus zu ziehen, damit dieses Zusammenleben auch geteiligt ist. Also das ist, glaube ich, so dieser große Aspekt. Und da kommt dazu, und das fand ich jetzt beim Krieg in der Ukraine, leider sehr selten öffentlich reflektiert. Man hat immer gesagt, man hat es vielleicht ein bisschen noch erlebt, wenn es um die unmittelbar davor erfolgte Fluchtbewegung ging, also 2015, Syrer, Afghanen und so weiter, die zu uns gekommen sind, wo man ein bisschen darauf hingewiesen hat, das ist für manche Menschen vielleicht erst traumatisierend, solche Bilder aus der Ukraine zu sehen, da müssen wir schauen, wie wir damit umgehen und so weiter. Aber tatsächlich ist Österreich allgemein, konkret die Bundeshauptstadt, aber auch darüber hinaus, eigentlich durch die Generationen hinweg ein Volk, das auch geprägt ist von Vertreibungserfahrung. Jugoslawien haben, die bei uns leben, wo sich übrigens zeigt, dass der Krieg in der Ukraine aus meiner Sicht nicht der erste Krieg in Europa ist, seit Ende des Zweiten Weltkriegs. Denken wir an die Genozide, die dort passiert sind im Jugoslawienkrieg und auch die unglaublich massiven Völkerrechtsverletzungen damals, wo sich zeigt, diese Menschen sind ja auch Teil des österreichischen Wirs geworden und auch sie haben die Vertreibungserfahrung. Viele meiner Großeltern oder Großelterngeneration sind entweder selbst ins Exil gegangen oder sind auch, wir hatten auch Heimkehrer, die dann in die deutsche Heimat vermeintlich zurückgekehrt sind. Auch das sind Exilerfahrungen. Also wenn man da ein bisschen unter der Oberfläche kratzt, merkt man, eigentlich ist das Thema Flucht und Vertreibung immer latent da gewesen. Und vielleicht hat man nicht so genau hinschauen wollen. Aber ich meine schon, dass das so ein Grundtenor ist, tatsächlich auch gerade in der österreichischen Erfahrung. Und vielfach muss man nicht weit in die persönliche Familiengeschichte zurückgehen oder in die Geschichte einer Stadt oder des Landes insgesamt, um das auch wirklich zu erkennen. Ich persönlich, das darf ich hier gestehen, habe ein paar Jahre in Kamerun gelebt und erinnere mich noch sehr, sehr eindrücklich, als ich es gesehen habe, entlang der Grenze zur Zentralafrikanischen Republik, diese unendlich langen und weiten Zeltlandschaften, weiße Zelte vom Flüchtlingshochkommare Sariata Vereinten Nationen aufgestellt für eine Unmenge von Menschen, die quasi Zuflucht suchen mussten vor dem Bürgerkrieg in der Zentralafrikanischen Republik. Und da habe ich tatsächlich auch für mich kurz innegehalten, habe nachgedacht, diese Menschen sind auf der Flucht, sind aber und bleiben letztlich Binnenflüchtlinge. Das sind keine Menschen, die wild entschlossen sind, unbedingt nach Europa zu gelangen, sondern die suchen den nächsten nahegelegenen Ort, der ihnen Sicherheit bietet, um dann letztendlich wieder an ihre angestammten Umgebungsorte zurückzukehren. Ich erwähne das jetzt deshalb, weil ich ganz gern von Ihnen erfahren möchte, jetzt auch in einer globalen Dimension der Flucht, und das geht ja in zigfache Millionenhöhe von Menschen, die zur Flucht gezwungen werden, wie sehr eigentlich oder wie groß dieser Anteil ist, der tatsächlich Österreich betrifft. Weil das ja oft ein so totschlagendes Argument ist, dass wir kaum uns mehr dieser Menschenmenge der Flüchtenden erwehren könnten. Ja, danke für die Frage. Das ist tatsächlich etwas, womit Migrationsforscher sehr häufig konfrontiert sind. Diese Chimäre Halbafrika ist auf dem Weg zu uns. Ich sage es jetzt bewusst sehr salopp, so wie es man auch medial häufig dann präsentiert bekommt. auch medial häufig dann präsentiert bekommt. Einerseits die Einordnung, wie viel Prozent macht reguläre Migration oder noch weiter gefasst, wie viel Prozent macht reguläre Mobilität, reguläre Wanderbewegungen weltweit aus und wie viel Prozent davon sind Flucht und Vertreibung. Und das sind in etwa 5 Prozent, nämlich konstant 5 Prozent über die letzten Jahrzehnte. Ja, die Zahlen steigen, wobei es da auch sozusagen unterschiedliche wissenschaftliche Zugänge zu den UNHCR-Zahlen gibt, weil da ja auch Binnenflucht und so weiter mitgezählt wird. Aber generell auch die Grenzübertritte nach Europa, der allergrößte Anteil ist reguläre Migration, Arbeitsmigration. Darunter zählt auch kurzfristige Wanderung, wie zum Beispiel Touristen und so weiter, Reisebewegungen, Geschäftsreisen. Also Mobilität ist in der Größe betrachtet vor allem regulär und auch sehr gut reguliert bis zu einem gewissen Grad, sehr gut auch nachvollziehbar. Ein nur geringer Anteil ist eigentlich dieser Fluchtmigration, wir nennen es auch Zwangsmigration oder Gewaltmigration zuzuordnen. Das einmal um die große Dimension im Blick zu behalten. Und dann, was Sie jetzt auch angesprochen haben, es ist tatsächlich so, und das erkennen wir in fast allen Fluchtkontexten weltweit, meistens ist es so, gerade auch zu Beginn eines Konfliktes möchten die Menschen ja auch in unmittelbarer Nähe zum Heimatort, zum Heimatland bleiben. Das heißt, die flüchten entweder maximal innerhalb der Grenzen des Landes in weniger betroffene Gebiete, hat man auch in der Ukraine gesehen, oder wenn sie merken, es geht gar nicht mehr, dann sehr häufig zuerst mal in Nachbarländer mit der Option, möglichst bald wieder zurückzugehen. Der zweite Aspekt, der aber auch noch reinkommt, gerade bei Fluchtbewegungen in Afrika, ist schon noch die Frage, könnten die Menschen denn überhaupt transnational oder transkontinental fliehen, wenn sie wollten? Weil dazu braucht es zwar einerseits den Willen und Wunsch, das zu tun, aber auf der anderen Seite, und das ist mindestens genauso wichtig, braucht es die Ressourcen, um das zu tun. Finanzielle Ressourcen natürlich, Infrastruktur, auch die Möglichkeit, das ins Auge zu fassen, Bildungsmöglichkeiten zu haben, auch die Möglichkeit, irgendwo in einem Aufnahmeland in eine Community anzukommen. Da sprechen wir von sogenannten Brückenköpfen vor Ort, die diese Funktion erfüllen und so weiter. Und da wird es schon schwieriger, weil gerade bei besonders betroffenen Ländern, sind häufig auch Länder südlich der Sahara, sind die Ressourcen überhaupt nicht vorhanden. Und da zeigt sich aber, dass Flucht ja eigentlich gerade beim Thema Krieg eine Überlebensstrategie ist. Also so bezeichnen wir das auch in der Forschung, einerseits mit Blick auf Krieg, Bürgerkrieg und auch Angriffskriege, aber auch mit Blick auf einen weiteren wichtigen Faktor bei Vertreibung, der sich am Horizont abzuzeichnen beginnt, die Klimakrise. Auch da sagt man, Migration ist eigentlich eine Adaptionsstrategie, eine Überlebensstrategie. Aber selbst auf die können nicht alle Menschen zugreifen, weil ihnen die Ressourcen dafür fehlen. Und, das muss ich schon auch jetzt an dieser Stelle noch erwähnen, Flucht ist vor allem dann sehr teuer und auch wirtschaftlich selektiv. Also sozusagen macht eine ökonomische Auslese, dass sich nur gewisse von den potenziellen Flüchtenden leisten können und gewisse nicht, wenn es keine legalen Fluchtmöglichkeiten gibt. für die Schlepper aufwenden, um nämlich illegal Grenzen passieren zu können, weil anders habe ich keine Möglichkeit, mein Recht auf einen Asylantrag in Anspruch zu nehmen. Jetzt stehen wir, und das wurde uns in den vergangenen Jahren sehr, sehr deutlich, vor dem großen Problem, dass Fluchtbewegungen einfach existieren. Sie haben schon Gründe dafür genannt, dass das eigentlich unausweichlich erscheint. Und die Gründe werden sich noch häufen. Die Klimakrise haben Sie bereits erwähnt. Da ist ja keine Milderung in Sicht. Ganz im Gegenteil, eher eine dramatische Verschärfung der Situation. Dass dann Menschen, sei es noch so sehr mit dem Risiko des eigenen Lebens oder illegal, es gibt ja kaum, es gibt keine legalen Wege nach Europa zu gelangen, aber dann letztendlich auf ein Europa stoßen, einem Europa begegnend, das ja selber mittlerweile mit fast kriegerischen, ich möchte es so bezeichnen, mit kriegerischen Mitteln darauf reagiert. Wir haben ein Grenzschutzsystem der Europäischen Union unter dem Titel Frontex zuletzt ja auch in scharfe Kritik geraten. Der Chef musste zurücktreten, weil sie es mit sogenannten Pushbacks doch übertrieben haben. Das hat dann der öffentlichen Kritik nicht mehr standgehalten. Sie werden vielleicht noch später darauf eingehen, dass letztendlich mit Frontex ein militärisches Festungssystem errichtet wurde, dass ja quasi Menschen, die den Krieg zu entfliehen versuchen, erneut mit einem Krieg konfrontiert sind. In welche Situation sind wir da geraten? Also das, was Sie hier beschreiben, ist im Kern genau dieses Asylparadox, das ich auch im Buch versuche darzulegen. Ich glaube, das ist sehr wichtig zu verstehen, warum denn die Situation so ist an den EU-Außengrenzen, wie sie ist. Und Sie haben das jetzt sehr gut geschildert, finde ich. Man muss sich vergegenwärtigen, dass es derzeit kaum legale Möglichkeiten gibt, in Europa Schutz zu suchen. Legale Möglichkeiten wären wie Settlement-Programme, wo man schon im Herkunftsland nach unterschiedlichen Kriterien, meistens Kriterien der Schutzbedürftigkeit, ausgewählt wird und dann über sichere Wege, das ist dann häufig der Flugzeug oder Ähnliches, einfach in ein Aufnahmeland gebracht wird. Das Asylverfahren ist meistens dann schon abgeschlossen oder im Schnellverfahren. Man weiß sofort, man darf bleiben und man muss vor allem nicht sein Leben aufs Spiel setzen bei der Überquerung des Mittelmeers oder in einem Lastwagen zum Beispiel. Das gibt es kaum. Es gibt Kontingente dafür, aber kaum. Was eher der Fall ist, ist das, oder die einzige Option, die viele Menschen aus Syrien und Afghanistan kommen, beispielsweise haben, ist es, das sogenannte territoriale Asylrecht in Anspruch zu nehmen. Das heißt, sie müssen, um dieses Recht auf Schutz in Anspruch nehmen zu können, bereits auf dem Boden des Aufnahmestaates sein. Nur dort können sie den Asylantrag stellen. Damit sie dort hinkommen, müssen sie aber die Grenzen in diesen Aufnahmestaat hinein illegal passieren, nämlich noch ohne gültigen Aufenthaltstitel, weil den beantragen sie ja erst im Aufnahmeland, nicht? Also das ist sozusagen das Paradoxe an dem Ganzen. Jetzt ist es aber so, und da kommen wir dann jetzt zum Außengrenzschutz, dass Europa, konkret auch die Europäische Union, sich nach innen hin ja weiter auf dieses Recht auf Schutz, also jeder hat das Recht, einen Asylantrag zu stellen, verständigt. Sie werden jetzt außer von ganz rechten Parteien nicht hören, wisst ihr was, Europäische Menschenrechtskonvention, Genfer Flüchtlingskonvention, forget it, braucht man nicht mehr. Also nach innen hin verständigt man sich ja weiterhin auf diese Werte und auf die in Rechte gegossenen Werte, würde ich sagen. Aber um jetzt diesen Zugang zu diesem Recht auf Asyl möglichst schwierig zu gestalten, damit man ihn aber gleichzeitig innerhalb der Grenzen Europas aufrechterhalten kann, muss ja nach außen abgeblockt werden, nicht? Und das passiert hier. Man möchte möglichst wenig Personen erst überhaupt in die Position bringen, auf dem Boden Europas einen Asylantrag stellen zu können, weil dann würde man tatsächlich völkerrechtlich richtig handeln wollen und diesen Asylantrag aufnehmen und das ganze Verfahren starten. Deshalb muss man schon davor ansetzen und verhindern, dass möglichst wenig Menschen überhaupt auf den Boden Europas gelangen. Das ist eigentlich im Kern das Asylparadox. Das führt zu zahlreichen weiteren Widersprüchlichkeiten. Es führt unter anderem dazu, dass das System ja auch unglaublich teuer ist. Also das muss man sich vergegenwärtigen, dass das ja auch unser aller Steuergeld da ist, womit Menschen abgewährt werden oder auch diese ganze Auslagerungsthematik im Hintergrund. EU-Türkei-Abkommen ist ja nur Grenzschutz auf einer anderen Ebene. Die EU hat der Türkei mittlerweile fast 10 Milliarden Euro gezahlt, um syrische Flüchtlinge dort zu halten, damit sie nicht kommen. Mit dem leider nicht so idealen Nebeneffekt für Europa, dass Erdogan genau weiß, es gibt eigentlich nichts, wovor sich Europa mehr fürchtet als von Ankunftsschutzsuchenden. Und regelmäßig, egal bei welchem Thema, damit droht, uns die Flüchtlinge zu schicken. Man begibt sich in eine unglaubliche Abhängigkeit von einem, wie ich finde, doch auch zweifelhaften Regime. Das ist nur einer dieser unintendierten Effekte, die man damit aber noch verstärkt hat. Und natürlich die Frage, die sich stellt, und da glaube ich, geht es schon auch darum, dass man sich bewusst wird, als Bürger der Europäischen Union, die wir alle sind, trägt man dieses System, ob wissentlich oder nicht wissentlich, auch mit, auch durch das eigene Steuergeld, muss man sagen. Wir tragen eigentlich auch alle Verantwortung dafür. Also man kann, finde ich, als Bürger der Europäischen Union oder noch größer gesagt, als Bürger dieser Welt, sich nicht losmachen vom Ungemach dieser Welt, weil man in dieses verschrickt ist. Macht dieser Welt, weil man in dieses verschickt ist. Sie unterstreichen ja in Ihrem Buch auch klar und deutlich, dass der Umgang mit Flucht, mit Flüchtenden und Asyl eigentlich ein Indikator ist für die Qualität von Rechtsstaat und demokratischer Ordnung, die natürlich auch auf rechtsstaatlichen Regeln basieren müssen, Stichwort Menschenrechte. rechtsstaatlichen Regeln basieren müssen, Stichwort Menschenrechte. Was natürlich durch diese Außengrenzen passiert, ist, dass man quasi tatsächlich auch ein Außerhalb schafft, außerhalb dieser rechtsstaatlichen Ordnung, ein Außerhalb, wo eigentlich reinste Anarchie herrscht und wo man all diese Grundrechte, Menschenrechte missachten kann. Das ist ja auch kulturgeschichtlich, ideengeschichtlich sehr interessant, weil das Phänomen ist ja nicht neu. Ich erinnere mich nur allzu gut, Hannah Arendt hat sich natürlich auch sehr stark unter dem Eindruck des Verbrechensregimes, des Nationalsozialismus, von Terrorvernichtung, vor allem in der Shoah, sich sehr, sehr viele Gedanken gemacht, was da eigentlich passiert auch und sozusagen, was mit dem Menschen geschieht, diese Prozesse und die Dynamik der Entmenschlichung. Sie hat davon geschrieben, und da hat sie damals auch schon Flüchtende in den Fokus genommen, es handelt sich hier sozusagen um lebende Leichname. Und Georgia Agamben hat das auch später aufgegriffen, Homo Saza, das nackte Leben, der quasi der Mensch, der quasi kein authentisches Leben mehr hat, das auf Menschenrechten und Grundrechten fußt, sondern davon abgelöst wird und das nackte Leben verkörpert ohne einen politischen Wert. Das ist natürlich jetzt ein großes philosophisches Gerüst auch der Kritik und Perspektiven, um es jetzt herunterzubrechen auch in eine widerständige Praxis, wenn man so will, auch in dieser Debatte und Auseinandersetzung. Wie kann man denn hier tatsächlich Ansätze schaffen, die sich dem entschieden widersetzen, dieser Praxis, der Aushöhlung von Grund- und Menschenrechten. Es geht ja hier schließlich um die Existenz von Menschen, die nicht zweierlei zu behandeln sind. Gute Flüchtlinge, schlechte Flüchtlinge, die sind willkommen, die sind nicht willkommen, sondern tatsächlich auch Umgangsformen, Andenken, Entwerfen, die hier Auswege weisen. Also ich beschäftige mich im Buch ja sehr viel mit dem Vermächtnis, möchte ich fast sagen, Hannah Arendts, weil die gerade für alle, die in der Fluchtforschung tätig sind, die hat einen Grundstein gelegt tatsächlich, der erst jetzt nach und nach auch wirklich ausgegraben wird und neu aktiviert wird, würde ich sagen. Sie selbst hat sich ja auch immer sehr eigenmächtig, würde ich sagen, als Flüchtling bezeichnet. Und das war auch eine ganz klare Botschaft, die da dahinter stand. Ich würde aus Arendts Schriften zwei ganz konkrete Ableitungen ziehen, in welche Richtung es gehen kann und wie man auch einen Ausweg aus diesem paradoxen System finden könnte. paradoxen System finden könnte. Das eine ist, dass Arendt immer einfordert, eine konstante Humanisierung des Anderen zu betreiben. Also für sie ist dieses banale Böse, das sie da auch bezeichnet, das beginnt ja mit dem Unvermögen, der Unfähigkeit, sich in den Anderen hineinversetzen zu können, wie sie schreibt. Also eine fehlende Empathie könnte man übersetzen. Die Unmöglichkeit, sich an die Stelle des anderen zu denken. Ich glaube, so heißt das wörtlich bei ihr. Das finde ich ganz zentral, weil ich glaube, das sieht man ganz deutlich in unserem Umgang mit Flucht und Geflüchteten. Das zeigt sich schon allein in der Sprache. Denken wir an 2015 zurück. Da war nicht zu lesen von Menschen. Da war zu lesen von der Welle, der Flut, dem Strom, der auf uns zurollt. Gleichsetzung mit einer Naturkatastrophe, der wir unweigerlich ausgeliefert sind, wo wir dem gar nichts entgegensetzen können, wo wir eigentlich die Opfer sind in einer perversen Umkehr. Und das zeigt schon auch diese Massen, die man immer heraufbeschwört. Das ist natürlich das Einfallstor für Dehumanisierung und damit beginnt es eigentlich. Oder vielleicht ein weniger krasses Beispiel, weil es ja auch um Mediengespräche geht. Ich habe jetzt keine empirischen Daten dazu, aber in meiner persönlichen Wahrnehmung, jeder zweite Artikel zum Thema Integration oder auch Bremspunkt-Schulen usw. wird wird bebildert mit einer Kopftuch-tragenden Frau von hinten. Das befördert nicht unbedingt die Empathie. Das hilft nicht unbedingt, den Menschen zu sehen, weil ich ihn wirklich nicht sehe in dem Moment. Sigmund Baumann spricht immer vom Antlitz des Anderen, das es braucht. Genau das verdeckt das Antlitz. Und ich glaube, das wäre sozusagen ein erster ganz konkreter Ableitungspunkt, den man treffen kann. Und das Zweite, und auch da bietet Arendt, glaube ich, sehr viel Learnings an, sehr viel, was man aktivieren kann für das 21. Jahrhundert, ist die Frage der Zugehörigkeit. Es gibt einen sehr eindringlichen Text von ihr namens Es gibt nur ein Menschenrecht, wo sie sagt, dass dieses eine Menschenrecht die Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft, auch einer Staatengemeinschaft, man kann sagen zu einem Volk vielleicht ist, irgendwo dazuzugehören, Mitglied in einer Gemeinschaft zu sein. Davon hängen alle anderen Rechte ab, schreibt sie. Und da geht es natürlich um Zugehörigkeit. Irgendwo Mitglied zu sein, zu irgendeinem Wir zu gehören, könnte man sagen, auf der abstrakten Ebene. Und eben nicht immer die anderen, als die anderen zu gelten. Konkret aber natürlich auch die Frage, wann gehören denn auch Geflüchtete mal zur aufnehmenden Staatengemeinschaft, im Sinne von auch Mitglied der politischen Gemeinschaft zu sein und auch eine Stimme zu haben, ein Wahlrecht zum Beispiel zu haben. Weil da sind wir bei einem anderen Paradox, das dahinter steht, das von der französischen Philosophin Chantal Mouffe beschrieben wurde, das demokratische Paradox. Wir haben derzeit das System so, und es ist halt leider so, wie es ist in der repräsentativen Demokratie, dass die Mitglieder eines Volkes als souverän über die Gesetze bestimmen in dieser Gemeinschaft. Diese Gesetze, also über die gewählten Volksvertreter natürlich, haben aber auch einerseits supranationale Auswirkungen auf Menschen, die gar noch nicht Teil der Gemeinschaft sind, also potenziell Ankommende erst, Einreisebedingungen und so weiter, aber auch Menschen, die vielleicht schon sehr lange hier leben, im Fall Österreichs ist das häufig so, aber nicht mitbestimmen dürfen, weil sie nicht Staatsbürger sind und nicht wählen dürfen. Und das ist, glaube ich, auch so ein ganz wichtiges Thema, wenn es nämlich auch über das Ankommen hinaus auf die langfristige Perspektive geht. Ja, zugehörig sein, integriert sein, was auch immer das bedeutet, und auch hier teilhaben zu können. Also ich glaube, kaum ein Beispiel, wie die aktuelle Bundespräsidentschaftswahl veranschaulicht das, was Sie gerade gesagt haben, dieses Paradoxon. Wir haben aktuell so wenig Wahlberechtigte wie noch nie zuvor, gleichzeitig noch nie so viele Menschen, die von der Wahl ausgeschlossen werden. Genau 1,4 Millionen, die hier leben, mitunter auch beitragen, mitwirken an Gemeinschaft und Steuern zahlen, aber sie dürfen nicht wählen, weil sie nicht über die österreichische Staatsbürgerschaft verfügen. Aber kommen wir noch zurück, weil die Zeit ja auch voranschreitet, auf diese Frage der Narrative, die Sie auch genannt haben, oder auch dieser Framings, die im Rahmen dieser Sendereihe immer wieder auftauchen und eine wichtige Rolle spielen, weil sich auch daran letztendlich auch mediale Verantwortung ablesen lässt. Flucht, wie Flucht medial rezipiert wird, ist ja fast ähnlich zu sehen, wie Kriege an sich rezipiert werden. Wenig differenziert, wenig sachlich, meistens sehr abstrusen, sehnsüchtenfolgend, einer vermeintlichen Mehrheitsmeinung, die genau das auch will. Da geht es natürlich auch viel um Quote. Die Medienlandschaft ist ökonomisch enorm unter Druck. Man muss einfach Reichweite und Quote erzielen. Jetzt ist natürlich auch nochmal aus Ihrer Erfahrung da sicherlich für uns alle sehr, sehr interessant, wie Sie Medien einschätzen, wie Sie Flucht auch sachlich differenziert betrachten. Tun Sie das völlig unzulänglich oder sind da nicht auch gewisse Grenzen gesetzt, weil das Thema an sich, und ich meine, Sie werden wahrscheinlich noch viele Bücher dazu schreiben, einfach tatsächlich sehr komplex ist. Hoffentlich gibt es nicht so viele Lockdowns mehr, dass ich somit nicht mehr viele Bücher schreiben muss. Gut, ich meine, pauschal die Medien gibt es natürlich nicht. Also es ist gerade in Österreich, glaube ich, auch eine sehr weite Bandbreite, wobei meiner Erfahrung nach man da gar nicht so klar trennen kann, Qualitätsmedien, alles super, Boulevardvard alles schlecht, das würde ich mittlerweile überhaupt nicht so sehen, gerade bei diesem Thema. Das hängt tatsächlich meiner persönlichen Erfahrung nach auch dann konkret vom Redakteur der Redakteurin häufig ab, da ist das Medium dann zweitrangig. Was ich schon wahrnehme ganz generell und das ist jetzt vielleicht eher der politische Diskurs, der dann aber reflektiert wird häufig in den Medien, bei kaum einem anderen Thema klaffen Realität und Rhetorik so weit auseinander wie beim Thema Flucht und Asyl. Wir haben irgendwie fast konstante Krisenstimmung in diesem Land. Man hat das Gefühl, man muss irgendwie nur an eine beliebig grüne Grenze in Österreich gehen und sieht da schon die Horden an Menschen, die warten, nämlich nicht Festung Europa, sondern Festung Österreich Zuflucht zu finden. Jetzt aktuell wird wieder sehr stark gespielt, diese Chimäre einer Überlastungsgrenze oder Belastungsgrenze, die erreicht wäre und so weiter. Dahinter steht im Grunde nur das altbekannte föderale Spiel der Kräfte. Also der Bund hat nämlich mittlerweile wirklich nicht mehr so viele Kapazitäten für Grundversorgungseinrichtungen. Aber die Länder hätten mehr als genug, aber wollen nicht. Also wir sind weit von einer Belastungsgrenze entfernt. Ich glaube, da ist es die Verantwortung der Medien, wirklich hinter die Schlagzeilen zu schauen. Vielleicht auch hinter dem politischen Frame, nämlich von allen Seiten, das möchte ich gar nicht in Abrede stellen, zu schauen und ein bisschen auch wahrscheinlich zu differenzieren. Ich glaube, das ist schwierig, weil es gibt beim Thema Flucht und Asyl immer die inhaltliche Ebene und es gibt dann aber auch die Ebene der Politstrategie und ich selber tue mir das sehr schwer. Das aktuellste Thema wäre jetzt gewesen, Klimabonus für Asylwerbende, ja oder nein? Ich persönlich, glaube ich, allein aus meinem beruflichen Kontext kommend, würde das sofort gern inhaltlich diskutieren. Sofort zeigen, inwiefern sind gerade auch Asylwerbende, wenn auch zu einem geringeren Teil von der CO2-Bepreisung betroffen, welche unterschiedlichen Modelle gibt es zum Beispiel als Asylwerbender, entweder tatsächlich Kost und Logis zu bekommen oder aber sich selbst zu versorgen. Dadurch bekomme ich ja auch die Inflation und Teuerung besser mit. Diese ganzen Themen. Auch gleichzeitig dahinter stehend, die Ärmsten einer Gesellschaft sind immer überproportional betroffen von klimawandel, klimabedingten Veränderungen. Auch auf der globalen Ebene tatsächlich. Globaler Süden. Das wäre inhaltlich, das würde ich gerne diskutieren. Gleichzeitig weiß ich aber, und das ist auch eine schwierige Position für Medien, damit umzugehen, eigentlich geht es ja gar nicht um diese Inhalte. Leider, muss man sagen, sondern eigentlich geht es vielleicht darum, politisches Kleingeld zu schlagen auf dem Rücken der tatsächlich, würde ich meinen, marginalisiertesten Gruppen in unserer Gesellschaft. Da geht es darum, Punkte zu machen oder nicht. Da geht es um Schlagabtausch, da geht es um irgendwelche Tauschhandel im Hintergrund. Das ist selbst für mich als Fluchtforscherin schwierig zu navigieren, weil ich würde mich gerne inhaltlich draufsetzen. Aber manchmal denke ich mir, ist das vielleicht gar nicht der richtige Weg, um damit umzugehen? Weil ich diskutiere mit jedem gerne, der ein genuines Interesse am Thema zeigt. Aber das vermisse ich tatsächlich manchmal, nämlich nicht nur in Österreich, sondern auch gesamteuropäisch kann man das erkennen. Schauen wir nach Polen, schauen wir nach Ungarn, wo genau mit diesem Thema ja auch Wahlen geschlagen und Wahlen gewonnen werden. eine Schwierigkeit, die sich in keinem anderen Thema aus meiner Sicht so stark zeigt, wie beim Thema Flucht und Asyl. Und ich glaube, was ich jetzt sozusagen aus meiner Warte als Forscherin nur an Medien weitergeben kann, manchmal auch sehr bewusst zu wählen, ist das Thema ein Thema und in welcher Form wird es beleuchtet oder ist das vielleicht gar kein Thema und man schaut auf die Hintergründe. Und das ist keine leichte Selektion, die zu treffen ist. Aber ich glaube, das ist notwendig im Sinne eines Gatekeepings, im positiven Sinne. Diese Funktionen sollten nämlich Medien gerade auch in Zeiten wie diesen erfüllen. Eine mediale Erörterung und Diskussion verdient ein anderer Punkt, auf den ich noch zu sprechen kommen möchte. Er klingt in vielen dessen, was wir schon diskutiert haben, ohnehin an. Aber durch Ihr Buch bin ich dankenswerterweise aufmerksam gemacht worden auf den deutschen Fluchtforscher Olaf Kleist, wo Sie schreiben im Buch selbst, dass Sie auch immer wieder wertvolle Anregungen von ihm entnehmen. Er warnt Ihren Aussagen zufolge, dass eine sogenannte interessengeleitete Aufnahmepolitik sukzessive zu einer Aushebelung des universalen Asylrechts führen könnte. Jetzt ist die Frage, was ist denn genau unter interessengeleiteter Aufnahmepolitik zu verstehen und wie groß ist die Gefahr tatsächlich? Das geht ein bisschen darauf zurück, was ich eingangs gesagt habe und das das ist jetzt ein sehr schöner Rundschluss, würde ich meinen, dass tatsächlich man vor allem während des Kalten Krieges diese Politik erlebt hat, dass westliche Staaten bevorzugt jene Flüchtlinge aufnehmen, die ihren eigenen politischen Interesse entgegenkommen, weil sie es sozusagen qua Person, qua Figur des Flüchtlings verdeutlichen. Sie repräsentieren ja die Flucht aus dem kommunistischen Osten in den vermeintlich freien Westen. Und die nimmt man ja gerne, weil das zeigt ja, wir sind das, wo alle hinwollen. Wir sind eigentlich die Utopie, das Paradies. Muss man sich, glaube ich, nicht weiter kommentieren. Und hier sieht eben Olaf Gleis, und ich würde mich dem zu großen Teilen anschließen, eine Reaktivierung dieser Politik tatsächlich in der Art und Weise, wie man mit ukrainischen Geflüchteten verfahren ist. nicht einen Asylantrag stellen mussten und erst auf den Ausgang eines vielleicht langen Verfahrens warten mussten im Aufnahmeland, sondern mit der Aktivierung der Massenzustromrichtlinie war sofort klar, die Menschen kommen in ein Aufnahmeland und bekommen sofort temporären Schutz. Damit wurde aber eine ganz spezielle Gruppe, nämlich qua Herkunft geschaffen, für ukrainische Schutzbedürftige, dass sie zumindest auf Zeit bleiben dürfen. Und das ist eine Abkehr von diesem universalen Anspruch auf Einzelfallprüfung im Falle von Asyl, wo jeder einzelne Fall geprüft wird. Um jetzt zu einem aktuellen Thema zu kommen, wir hören derzeit viel von Indern und Tunesiern, die klassischen Urlaubsländer, die da irgendwie ankommen, Asylanträge stellen. Da stimmt schon, dass groß betrachtet, der statistische Blick zeigt, die allermeisten haben keinen Anspruch auf Asyl, wenn sie das Verfahren doch laufen. Absolut, wissen auch die meisten, deshalb reisen sie eh weiter. Aber selbst hier zeigt die Statistik, wenn man ein bisschen näher reingeht, es gibt dann doch so etwa 40 bis 50 pro Monat, auch indische Staatsbürger, die einen positiven Bescheid bekommen haben, wo eben diese Einzelfallprüfung gezeigt hat, es liegen individuelle Gründe der Verfolgung vor. Der Mensch hat Anrecht auf Schutz. Also temporärer Schutz, aber wie der Name sagt, temporär. Und ich möchte nur betonen, wie gesagt, es sind schon sechs Monate vergangen. Es liegen eigentlich keine Pläne auf dem Tisch, was passiert mit jener Gruppe von Ukrainen und die wir das geben, die dauerhaft bleiben möchten. Müssen die dann doch irgendwann Asyl beantragen? Welchen Aufenthaltstitel bekommen sie? Familienzusammenführung etc. Ich glaube, da ist es höchst notwendig, auch auf europäischer Ebene zu handeln, weil da sieht man ja, im Grunde hätte man nur das Problem verlagert. Jetzt machen wir mal temporären Schutz, alle dürfen bleiben, aber wenn die später dann doch alle ins Asylverfahren kommen, kommt es ja erst wieder zu dem, was man verhindern wollte, nämlich eine Überlastung der Asylsysteme in jenen Ländern, die nicht so gut aufgestellt sind, was das System betrifft. Systeme in jenen Ländern, die nicht so gut aufgestellt sind, was das System betrifft. Das wäre zum Beispiel Polen oder Ungarn, weil die weniger Erfahrung haben mit der Aufnahme von Schutzbedürftigen, aufgrund der bisherigen Politik der Abwehr, muss man sagen. Also man sieht, das ist alles gar nicht so leicht und ich verwehre mich deshalb auch immer so ein bisschen gegen diese schablonenhafte Aussage, Flüchtlinge erster, zweiter Klasse. Das macht es ein bisschen zu leicht. Flüchtlinge erster, zweiter Klasse. Das macht es ein bisschen zu leicht. Also die Ukrainer sitzen nicht erste Reihe fußfrei mit Samtbezügen und bekommen alles am Silber der Bläse wird. Das ist nicht der Fall, sondern auch hier zeigen sich Themen und leider auch Leerstellen, die man in der Vergangenheit einfach nicht angegangen ist und die jetzt akut werden. Aber tatsächlich, und ich muss nochmal an die Knappheit der Zeit erinnern, tatsächlich erleben wir ja auch eine Betrachtung genau umgekehrt. In Afghanistan hat sich an der Kriegssituation nichts verändert, sondern das hat Sabine Schiffer bei der letzten Sendung sehr eindrücklich dargestellt. Wir haben im Laufe der Jahrzehnte immer andere Beschreibungen dafür gefunden. Zuerst war es Krieg, dann war es eine humanitäre Operation. Jetzt sind die Taliban wieder zurück an die Macht. Sehr, sehr viele Menschenrechtsverletzungen, kriegerische Zustände. Nur da gibt es kaum ein Einlenken bei uns von einer Massenzustroms- oder der Anwendung einer Massenzustromsrichtlinie kann überhaupt keine Rede sein. Nochmal ganz tatsächlich zum Abschluss auch nochmal unter der starken Wirkung von Kriegen im Hinblick auf Flucht oder wie sie auch Flucht und Fluchtbewegungen produzieren. Nochmal ganz knapp und kurz, wo können wir da ansetzen, dass hier nicht dividiert wird und dass nicht sozusagen mit zweierlei Maß gemessen wird. Wie können wir es schaffen, dass hier auch trotzdem eine Universalität ein Stück weiter wieder zu ein bisschen mehr Geltung, also des Asylrechts, der Universalität der Menschenrechte, ein Stück weit wieder mehr zur Geltung verholfen werden kann? Ich glaube, es beginnt tatsächlich beim Narrativ des Krieges, der einfach sehr anders war. Über den Krieg in der Ukraine wurde sehr anders von Beginn an berichtet als über den noch immer laufenden Bürgerkrieg in Syrien oder auch die Situation in Afghanistan, ganz klar. Wobei ja eigentlich tatsächlich streng genommen der Kriegsfall alleine ja gar nicht bedeutet, dass man Asyl bekommt. Da geht es um die persönliche Verfolgung, zum Beispiel aus politischen Gründen, die asyrische Flüchtlinge sehr häufig deshalb vorweisen können, weil wenn sie den Wehrdienst verweigern, weil sie nicht gegen die eigenen Landsleute kämpfen wollen und für das Assad-Regime, das sie selber verfolgt, dann tatsächlich wäre das anwendbar. Also da geht es einerseits tatsächlich um die Narrative des Krieges dahinter und dann aber schon noch die Ableitung zu treffen, was hat das eigentlich mit uns zu tun? Das glaube ich ist ganz zentral. Das, glaube ich, ist ganz zentral. Da meine ich, hätte der russische Angriffskrieg in der Ukraine potenziell eine Tür geöffnet, um das zu zeigen, weil wir auch wissen, in der Geschichte war das immer wieder der Fall, die Beschneidung der Rechte von Schutzsuchenden ist häufig ein Einfallstor für die Beschneidung auch von rechtenetablierter Gruppen in der Gesellschaft. Und allein deshalb gilt es, wachsam zu sein. Da geht es um Werte, aber da geht es auch um verbriefte Rechte, die uns allen zugutekommen können. Ich nehme das mal als Schlusswort, dass uns alles sicherlich sehr nachdenklich stimmt. Vielen herzlichen Dank, Judith Kohlenberger, als Flucht- und Migrationsexpertin heute auch im Rahmen der Senderei unter Weißer Flagge bei uns gewesen zu sein, im Studio von DorfTV. Die Zeit war leider zu knapp, aber ich darf an dieser Stelle hinweisen, in genau drei Stunden, in zwei Stunden geht es weiter. Da ist Judith Kohlenberger noch einmal in Linz auf einer Bühne zu sehen, nämlich im Wissensturm, im Gespräch mit mir. Und da geht es dann nochmal konkret auch um das Buch, das Fluchtparadox. Ich halte das nochmal hier kurz in die Kamera. Spannende Sache. Ansonsten darf ich noch hinweisen, dass die nächste Sendung, die nächste Ausgabe im Rahmen der Senderei zu Medien und Haltung in Zeiten des Krieges natürlich schon längst programmiert ist. Am Mittwoch, dem 28. September, ist dann die Demokratie- und Friedensforscherin Daniela Ingruber hier zu Gast. Ebenfalls sehr interessantes Thema. Es geht mir tatsächlich darum, wie kann man sich Journalismus für den Frieden konkreter vorstellen. Ich darf Sie dann also wieder einladen und für heute schließen mit dem Ersuchen. Bleiben Sie dem Sender des Vertrauens, nämlich DorfTV, auch weiterhin gewogen. Ansonsten wünsche ich noch einen schönen Abend. Bis bald und auf Wiedersehen. you