Was ist das Stifterhaus? veranstaltet wird vom Autorinnenkreis Linz, wie schon so oft. Das Stifthaus freut sich immer wieder, Schreibenden aus Oberösterreich das Haus zur Verfügung zu stellen, Autorinnenvereinigungen hier zu begrüßen und wie man sieht auch mit entsprechend Publikum. Das ist wirklich sehr, sehr schön. Erich Langwiesner, der Obmann des Autorinnenkreises Linz, wird den heutigen Abend moderieren. Ich begrüße ihn ganz herzlich. Schön, dass du da bist, Erich Langwiesner, der Obmann des Autorenkreises Linz, wird den heutigen Abend moderieren. Ich begrüße ihn ganz herzlich. Schön, dass du da bist, Erich. Folgende Mitglieder des Autorenkreises Linz werden heute für uns lesen. Ich sage absichtlich nur Mitglieder. Thomas Schlager-Weidinger, Josef Kienesberger, Gerhard Pauzer und Sven Daubenmerkel. Auch Ihnen allen ein herzliches Willkommen im Stifterhaus. Ja, Herr Langwiesner hat die Gefahr erkannt, dass es ein reiner Männerabend wird und hat deswegen noch für weibliche musikalische Begleitung gesorgt. Er sorgt ja immer wieder für musikalische Begleitung. Heute hat er gefunden die Vicky Wall, die uns auf dem Cello den Abend versüßen wird. Herzlich willkommen. Biografisches zu den Autoren, so sind wir übereingekommen, der Erich und ich, wird Ihnen Erich im weiteren Verlauf bei der Anmoderation näher bringen. Ich darf eigentlich schon übergeben, freue mich, dass Sie da sind, darf noch kurz aufs Literaturcafé verweisen, das Ihnen nach der Veranstaltung für Erfrischungen zur Verfügung steht. Und wir hören jetzt ein Stück, habe ich mir sagen lassen, von Vicky Wall. Vielen herzlichen Dank. ¶¶ A. © BF-WATCH TV 2021 LSp4 2.70 © BF-WATCH TV 2021 ¶¶ Thank you. Applaus Applaus Applaus Applaus Applaus Herzlichen Dank für die Einladung ins Stifterhaus. Unser Herbsttermin ist wieder da und ich freue mich, Sie begrüßen zu dürfen im Namen des Autorinnen- und Autorenkreises der Ältesten Schriftstellervereinigung von Oberösterreich. Das sage ich immer wieder dazu. Das ist auch nichts Neues, aber das mit dem Autorinnenkreis hat heute nicht ganz so hingehauen. Wir haben gesagt, wir machen einen reinen Männerabend. Danke, dass die Liki da ist. Ich freue mich unheimlich. Was mich zu der Frage verleiten hat lassen, gibt es denn auch – ich bin jetzt leise, um Gottes Willen – gibt es denn auch in der Schriftstellerei so Schriftstellerfamilien? Oberösterreich, ich habe immer das Glück, eine Reihe von Musikerfamilien zu kennen. Die Wals in St. Florian zum Beispiel, das ist eine ganze Dynastie. Bist du die jüngste Musikerin? Sie ist die jüngste Musikerin, genau. Die, egal wie sie alle heißen, Peter Aigner etc., lauter grandiose oberösterreichische Musiker. Gibt es das bei Schriftstellern eigentlich nicht? Oder sind das alles lonesome Wulfs? Also ich befürchte es immer mehr. Heute habe ich in der letzten Rampe einen Beitrag gelesen von zwei Damen. Da war ich richtig mit Christen, aber doch, das gibt es nicht. Zwei Frauen, ein Stück und das in der Rampe. Ich war total begeistert. Also es war ein toller Beitrag auch. Die Rampe ist übrigens ein sehr guter Beitrag gewesen. Jetzt hat die neue, die gerade rausgekommen ist. Gut, okay. Das Langwissen als Rede, kurzer Unsinn. Das Los hat wieder gesprochen. Ich mache das immer per Los, weil dann kann ich da nicht sagen, ich weiß und du weißt es nicht und so weiter. Ich darf zu mir bitten, Herrn Gerhard Patzer. Gerhard Patzer ist ein neues Mitglied des Autorinnen- und Autorenkreises, geboren 1956 in Linz. Du darfst einen Platz aussuchen. Noch ist genug Platz da. Geboren in Linz 1956, Lehramts Student Deutsch, Geschichte und Religionspädagogik, Lehrer an verschiedenen Linzer Schulen von 1979 bis 2021. Schriftstellerisch und wissenschaftlich tätig seit 1976. Ich weiß nicht, haben wir da alle zu schreiben angefangen? Um die 76 angefangen zu schreiben. Diverse Veröffentlichungen, nebst Anthologien, Buchveröffentlichungen ab 2000 im Resistenzverlag. Da kennen wir uns auch noch. Resistenzverlag, da kennen wir uns auch noch. Editionsinsights und zuletzt drei Romane, ein Theaterstück und Lyrik im Literaturverlag Nina Reuter, Mitglied des Linzer Autorinnen- und Autorenkreises. Wir haben das Ding heute nicht unter ein großes, vielleicht auch ein großes Thema gestellt. Nämlich in der Geschichte wird gerade, glaube ich, sehr umgeblättert. Also es werden neue Kapitel aufgeschlagen, es passieren ganz grausame und grauenvolle Dinge. Es hat was mit dem Blätterrauschen draußen zu tun, es hat was mit dem Blätterrauschen innen zu tun. Und da gibt es sehr viel zu verarbeiten und eigentlich Sachen, die sehr aktuell und ganz grausam furchtbar sind, wie der Krieg, den wir alle mit Schaudern wieder miterleben und so weiter und so weiter. Also die Herren Autoren waren da in ihrer Handhabung natürlich sehr frei, das ist klar. Ich glaube nicht, dass sie sich viel mit dem Blätterrauschen im Kürnberger Wald beschäftigt haben, eher weniger. Oder ich weiß es nicht, ich bin gespannt auf die Lesung, ich bin wie jedes Mal sehr gespannt auf die Lesungen und darf die Gehör bitten. Ja, schönen Abend. Hört man das? Ja. Ich lese eine Stelle aus meinem vorletzten Roman, was ihr eigentlich gar nicht mehr wissen wolltet. Familien im Schatten totalitärer Systeme. 4.5.1945. 4.5.1945. Oberst Wilhelm Gering saß im provisorischen Lagerkommando in der Nähe von Böchlern und besprach mit seinen beiden ihm noch verbliebenen Unteroffizieren, indem er sie fragte, wie viele Soldaten haben wir noch? 60 sind Jahrgang 27, 5 Jahrgang 1928, dann noch 3 aus 1848 und 2 aus 1885. Also insgesamt 70 waren, Herr Oberst, erklärte der erste Unteroffizier detailgetreu. Mit denen werden wir nichts mehr anstellen, Kameraden. Vor vier Tagen hat Hitler Selbstmord begangen und Großadmiral Dönitz zu seinem Nachfolger ernannt. Ich kenne Dönitz schon lange persönlich. Das ist ein guter Mann. Und ich habe mich entschlossen, ganz in seinem Sinne zu handeln. Sie beide bereiten noch heute die Entlassungspapiere für sich selbst und die uns verbliebenen 70 Mann vor und legen sie mir abgestempelt in zwei Stunden zur Unterschrift vor. Dann lassen Sie den Rest der Kompanie antreten, befahl Oberst Gering. Jawohl, Herr Oberst, tönte es zeitgleich aus dem Mund der beiden Unteroffiziere, welche sich sofort in die provisorisch eingerichtete Schreibstube ihres Zeltes für diese Arbeit zurückzogen. Oberst Gering setzte sich auf seinen Klappstuhl, zündete sich eine Zigarette an und schaute hinunter auf die Donau. Seit März war es ihm nun gelungen, diese kleine Restkompanie des Volkssturms aus den Gefechtshandlungen mit den Westalliierten und der Roten Armee herauszuhalten. Immer wenn sie zu nahe an den Verlauf der Westfront gekommen waren, hatte er einen Marschbefehl umgeschrieben und war zurückgezogen, um mit seiner Kompanie zur Verteidigung Wiens gegen die Rote Armee beizutragen. Mit dieser mehrfach angewandten Strategie war es ihm gelungen, das Leben von 70 Menschen zu bewahren. Er war jetzt sogar ein wenig stolz darauf, weitere Opfer in diesem sinnlosen Krieg vermieden zu haben. Ganz in Gedanken versunken, wie er selbst dann möglichst schnell zu seiner Familie nach Salzburg kommen würde, wurde er plötzlich aus diesen gerissen. Der erste Unteroffizier aber brachte ein eben vom Oberkommando der Wehrmacht eingetroffenes Fernschreiben. Daraus ging hervor, dass Großadmiral Dönitz eben Generaloberst Karl Jodel beauftragt hatte, mit den Westalliierten unter General Eisenhower im französischen Hauptquartier in Reims zu verhandeln und im Namen des deutschen Oberkommandos möglichst schnell die bedingungslose Kapitalisation aller Streitkräfte zu unterzeichnen. Oberst Gering lächelte leise und zufrieden vor sich hin und fühlte sich von seiner von ihm bisher eingeschlagenen Strategie vollkommen bestätigt. Dann sagte er, ein schlauer Fuchs, dieser Dönitz. Jetzt sucht er tatsächlich noch einen Weg, möglichst große Teile Deutschlands an die Westalitierten zu übergeben, um Russland möglichst wenig Einfluss in Zukunft zu gewähren. Hoffentlich macht er da die Rechnung nicht ohne den Wirt. Wer ist denn der Wirt, den Sie da meinen? fragte der erste Jungtauffizier und Oberst Gering erklärte ihm, dass er eben seine Zweifel habe, ob Stalin dies in dieser Form akzeptieren werde. Er sollte wie so oft in diesem Krieg Recht behalten. Stalin hatte die Kapitalaktion von Reims natürlich nicht genügt. Daher war die ganze Zeremonie nochmals in Berlin im Offizierscasino einem der wenigen noch intakten Gebäude der Stadt wiederholt worden. Am Abend des 7. Mai hatte dort Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel die Kapitulationsurkunde unterzeichnet, in dem auf Wunsch von Stalin noch zusätzlich Folgendes aufgenommen worden war. Wir Endunterzeichneten, die wir im Namen des deutschen Oberkommandos handeln, erklären die bedingungslose Kapitulation aller unserer Streitkräfte zu Lande, zu Wasser, sowie in der Luft, sowie aller übrigen Streitkräfte, die zurzeit unter deutschem Befehl stehen, vor dem Kommando der Roten Armee und gleichzeitig vor dem Kommando der alliierten Expeditionsstreitkräfte. gleichzeitig vor dem Kommando der alliierten Expeditionsstreitkräfte. Oberst Gering zündete sich eine weitere Zigarette an und las das Fernschreiben nun bereits zum dritten Mal. Dabei überlegte er, was er den 65 Jungen und den fünf alten Männern als Botschaft noch mit auf ihren Weg mitgeben sollte. Mitten in seinen Gedanken wurde er vom zweiten Unteroffizier unterbrochen, der ihm meldete, dass die Entlassungspapiere nun zur Unterschrift bereit liegen würden. Oberst G. W. Ring befahl ihm, mit dem ersten Unteroffizier einen Klapptisch und drei Flaschen Bier in einer Viertelstunde bei ihm hier anzutreten. Dann widmete er sich weiter seinen Gedanken. Der erste Unteroffizier hatte mittlerweile die restliche Kompanie am Antrittsplatz Aufstellung nehmen lassen. Eine angespannte Stimmung lag in der Luft. Auf die Frage des ältesten Soldaten, einem Gefreiten aus dem Ersten Weltkrieg, Jahrgang 1884, was denn nun geschehen werde, antwortete der zweite Unteroffizier, dass in Kürze Oberst Gerring zur gesamten Truppe sprechen werde. Daraufhin ließ er die gesamte Mannschaft in Ruhestellung verharren. gesamten Truppe sprechen werde. Daraufhin ließ er die gesamte Mannschaft in Ruhestellung verharren. Beide Unteroffiziere machten sich nun, wie ihnen befohlen, zu seinem Ansitz des Oberst Gering. Mit dabei hatten sie die Unterschriftsreifenentlassungspapiere, einen Klapptisch und drei Flaschen gut gekühltes Bier. Oben angekommen erstatteten sie Meldung und Oberst Gering stand auf, salutierte ebenfalls und sprach, öffnen Sie die Flaschen, nehmen Sie jede eine und setzen Sie sich ins Gras. Die beiden taten Ihnen wie befohlen. Oberst Gering prostete Ihnen zu und sagte, prosit, meine Herren, heute Abend werden Sie den Zweiten Weltkrieg überstanden haben. Alle drei tranken einen kräftigen Schluck aus ihrer Flasche, ehe der Oberst Ihnen den Inhalt des eben eingegangenen Fernschreibens darlegte und seine vorher getroffene Entscheidung nachträglich nun rechtfertigte. Nach ein paar persönlichen Worten zu den beiden erteilte der Herr Oberst den Befehl, die Truppe antreten zu lassen und nahm daraufhin zur Kenntnis, dass dies bereits in vorauseilendem Gehorsam von den beiden Unteroffizieren eingeleitet worden war. Sie tranken noch gemeinsam das Bier aus und marschierten danach zu den Soldaten nach unten, nachdem der Oberst alle Entlassungsscheine unterfertigt hatte. Die letzten 200 Meter legten die Unteroffiziere im Laufschritt zurück und der erste Unteroffizier erteilte lautbrüllend der Gruppe den Befehl Kompril, hart, acht, Kompril, links, schaut! Kompris habt acht, Kompris links schaut. Stramm nach links blickend sahen die 70 Soldaten, wie Oberst Gering nun von dem ersten Unteroffizier trat und dieser in Meldung erstattete. Herr Oberst, Kompanie Nummer zwei zur Befehlsausgabe angetreten. Nachdem der Oberst den Befehl erteilte, die Kompanie in Ruhe verweilen zu lassen, schrie der erste Unteroffizier, Kompris ruht. Gestand blickten alle auf Oberskering. Dieser begann nun auszuführen. Kameraden, das ist mein letzter Tagesbefehl an euch. Ihr werdet danach vom ersten Unteroffizier eure Entlassungsscheine aus der deutschen Wehrmacht erhalten. Der Zweite Weltkrieg ist für euch hiermit zu Ende. Ihr habt ihn überlebt. Meine beiden treuen Unteroffiziere und meine Wenigkeit haben dazu auch unseren Beitrag geleistet. Nehmt dies als eine Verpflichtung für eure Zukunft an und macht etwas aus eurem Leben. Ihr werdet gebraucht werden. Ihr seid jene Generation, welche die zweite Hälfte des 20. Jahrhundert entscheidend mitprägen werdet. Stellt euch dieser Verantwortung. Auch dafür würde euer Leben bewahrt. Egal auf welchem Platz ihr stehen werdet, man wird auf euch zählen. Viele von euch werden das dritte Jahrtausend noch erleben. Ich hoffe für uns alle, dass ihr den Rest eures Lebens ohne Krieg verbringen könnt. Zwei Kriege innerhalb von 20 Jahren auf unserem Kontinent sollten genug sein. Den fünf Älteren unter euch wünsche ich, dass ihr eure Frauen schätzt und gut behandelt und dass eure Söhne und Enkel ebenso wie ihr aus diesem Krieg irgendwann wieder heimkehren können. Zum Schluss noch ein paar praktische Hinweise. Sobald ihr eure Entlassungspapiere in Händen habt, begebt euch hinunter ins Dorf. Die Bevölkerung ist bereits informiert, euch Zivilkleidung auszuhändigen. Zieht diese an und vernichtet die Uniform. Bleibt untertags nicht im Freien, nur in der Nacht sollt ihr euch Richtung Heimwärts bewegen. Die meisten von euch sind ja aus dem Wald- und Weinviertel, einige weniger von hier um St. Pölten. Gefährlich sind untertags immer noch die russischen Tiefflieger. hier um St. Pölten. Gefährlich sind untertags immer noch die russischen Tiefflieger. Russland hat nämlich noch nicht die totale Kapitulation angenommen. Es kann nur mehr kurze Zeit dauern. Daher hier besondere Vorsicht. Nachdem ihr vom 1. Unteroffizier nun euren Entlassungsschein erhalten habt, geht ihr zum 2. und fasst von diesen den letzten Proviant aus. Füllt eure Wasserflaschen voll, bevor ihr dann das Lager verlässt. Ich wünsche euch allen ein gutes Nachhausekommen und dass euer weiteres Leben gut für euch verlaufen möge. Zum ersten Unteroffizier gewandt, erteilte er den Befehl, letztmalige Vergatterung und dann alle abtreten lassen. Jawohl, Herr Oberst, brüllte dieser und gab den Befehl, habt Acht zum ausfassenden Abtreten. In ganz entspannter Stimmen gibt der erste Unteroffizier zu seinem Klappdischrief die einzelnen Kameraden in alphabetischer Reihenfolge auf, damit sich diese ihre Papiere abholen konnten. Dann gingen sie zum zweiten Unteroffizier in das Ornanszelt, um dort ein Lunchpaket auszufassen. Bertolt Berger war der 40. der aufgerufen wurde. Sein Schulkamerad, der Sicherheitsleiter Toni, kam als 46. an die Weile. Die beiden jungen Männer beschlossen, noch heute zu versuchen, auf das andere Ufer der Donau zu gelangen. Oberst Gering stand etwas abseits und beobachtete das Geschehen. Als der letzte Soldat alles ausgefasst hatte, rief er seine beiden Unteroffiziere zu sich ins Besprechungszelt und führte aus. Meine Herren, ich habe für uns hier jeweils zwei Garnituren Zivilkleidung besorgt. Nun ist auch für uns der Krieg aus. Hier sind Ihre Entlassungsdekrete. Sie können den kleinen Jeep fürs Erste nehmen. Fahren Sie vorsichtshalber nur in der Nacht und auch da nur mit dem Notlicht. Ich wünsche Ihnen alles Gute und danke für Ihren Einsatz. Doch bevor die beiden etwas sagen konnten, reichte ihnen die Hand mit den Worten. Machen es auch Sie etwas aus Ihrem Leben. Die Hälfte liegt ja noch vor Ihnen. Vielen Dank, Herr Oberst. Das werden wir tun, sagte der erste Unteroffizier. Und der zweite ergänzte, vielen Dank für alles. Sie waren einer, der diesem schrecklichen Krieg versucht hat, ein menschliches Antlitz zu geben. Leider wird jemand wie Sie nicht in die Geschichtsbücher eingehen, obwohl gerade Sie sich mit Ihrem besonnenen Handeln einen Platz darin verdient hätten. So ist das Leben, meine Herren. Es setzen Sie immer meistens nur die lauten Schreier durch, wie Sie in den letzten Jahren ja oft genug erkennen konnten. Die Stillen und Besonnenen gehen oft unter, aber sie haben auch ihren Platz in der Geschichte und es gibt sie überall. Ich wünsche Ihnen, dass Sie diesen Platz auch für sich finden mögen. Also dann, nochmals alles Gute. Oberst Gering salitierte und begann anschließend sofort mit dem Ausziehen seiner Uniform. Die beiden Unteroffizieren taten es ihm gleich. Mittlerweile war der Berger Bertl und der Sicherheitsleiter Toni unten an der Donau angelangt und beobachten unter einem Gebüsch versteckt die Lage. Schon länger hatten sie einem Fische ein Visier, der vom Uferrand die beiden Angeln auswarf. Neben ihm lag ein Ruderboot, das einem eingeschlagenen Pflock angebunden war. Das holen wir uns in der Nacht, schlug Donny vor. Wie wäre es, wenn wir zu ihm hingehen und ihn fragen, ob er uns in der Nacht ans linke Donauufer übersetzt, fragte der Bertl. Toni nickte und die beiden verließen daraufhin ihr Versteck und machten sich auf den Weg zum Platz des Fischers. Dieser war zunächst etwas erstaunt, weil er annahm, es handele sich bei den beiden um zwei Deserteure. Erst als sie ihm in den offiziellen Entlassungspapieren zeigten, sagte er seine Hilfe zu. Wir werden warten, bis die Sonne untergegangen ist. Im Schutz der Nacht wird alles gut gehen, machte er in Hoffnung auf ein baldiges Nachhausekommen. Dann zog er seine Angel ein und ging mit ihnen in sein kleines Bauernhaus, das nur wenige Minuten von der Donau entfernt lag. Nachdem er seiner Frau und den anwesenden Tochter erklärt hatte, wer die beiden seien, begaben sich Frau und Tochter sofort hinauf in den ersten Stock und erschienen kurz darauf mit einem ganzen Bündel an Kleidungsstücken. Der Frau erklärte ihnen, dies müsste euch alles passen, es ist das Gewand unserer beiden Söhne. Die hatten leider Gottes nicht euer Glück und sind in diesem Krieg leider gefallen für Führer, Volk und Vaterland. Frau und Tochter liefen die Tränen über die Wangen, während Toni und Bertl die Uniform auszogen und die neuen Kleidungsstücke probierten. Passt ja wie angegossen, nur du musst noch einen Gürtel nehmen, sonst hält dir die Hose nicht, sagte er zum Bertl, der gerade mal 50 Kilo wog, so unterernährt war er gewesen, das bei einer Größe von über 180 Zentimeter. Toni wog 60 Kilo und war zehn Zentimeter kleiner, das bei einer Größe von über 180 cm. Toni wuchs 60 kg und war 10 cm kleiner, das galt damals als normal. Daher passt ihm das angebotene Kleidung auch perfekt. Nehmt euch ruhig alle Hemden, Hosen, Pullover, Socken, wir brauchen nichts mehr, sagte die Frau und fragte dann, ob sie den Hunger hätten. Der Fischer meinte zu seiner Frau, diese Frage kannst du sparen, Liebste, das sieht man Ihnen doch an, setzt euch nieder. Bertl und Tone nahmen auf der Eckbank Platz, während sich Mutter und Tochter anschickten, eine deftige Jause zu richten. Der Fischer kretenzte einen Krug mit Wein und einen mit Wasser. Dann schenkte er einen für alle jeweils ein Glas voll, prostete ihnen zu mit der Bemerkung, schön, dass ihr den Krieg überlebt habt. Seiner Frau und seiner Tochter liefen bei diesem Satz wieder die Tränen über die Wangen. Ja, sagte Donny, wir hatten großes Glück mit unserem Oberst. Dann begann er ihnen während des Essens die Geschichte der letzten drei Monate zu erzählen. Nachdem sie fertig gegessen hatten, bot ihnen der Fisch einen Raum an, wo sie auch schlafen konnten, wenn sie das wollten. Wie Oberst Gering riet auch er, sich wirklich nur im Schutze der Dunkelheit im Freien zu bewegen, solange offiziell noch keine Kapitulationserklärung in Kraft sei. Die beiden nahmen sein Angebot gerne an und im Nu fielen sie in einen mehrstündigen Schlaf, von dem sie erst erwachten, als es schon stockdunkel war. Dann gingen sie wieder in die Stube, wo die Familie gerade den Rosenkranz betete. Der Fischer deutete ihnen, Platz zu nehmen und sie setzten sich zu ihnen. Beide versuchten sie, so gut sie eben konnten, zu beten, schafften es aber überhaupt nicht und waren froh, als dieses Schauspiel ein Ende fand. Nachdem Mutter und Tochter das Abendessen aufgetischt hatten, langten sie alle noch mal kräftig von der Stoßsuppe und dem frischen Brot zu, ehe der Fischer dann zum Auchbuch mahnte, weil jetzt der ideale Zeitpunkt für die Überfahrt gekommen sei. Bertl und Toni Farb beschiedeten sich von Mutter und Tochter und bedankten sich für alles. Dann gingen sie mit dem Fischer hinunter zur Donau und stiegen mit ihm ins Boot. Mit kräftigen Zügen ruderte er in ungefähr einer Viertelstunde hinüber ans linke Donauufer. Etwa einen Kilometer waren sie bei der Überfahrt Richtung Osten durch die starke Strömung abgetrieben worden. Der Fischer umarmte beide und wünschte eine gute Heimkehr. Auch lud er sie ein, ihn einmal zu besuchen, sobald sich die Lage endlich wieder normalisiert habe. Dann machte er sich mit dem Boot zurück ans andere Ufer. Hans und Toni brachen sofort nach Norden auf. Sie waren ja fit, gut gestärkt und ausgeschlafen. Ein Vorteil war auch, dass beinahe schon Vollmond war und sie sich gut in der Gegend auskannten. Es war jetzt eine Stunde vor Mitternacht. Wenn sie die Nacht durchmarschierten, dann könnten sie im Morgengrauen zu Hause in Neukirchen am Ostdrang sein. Das motivierte sie unglaublich und tatsächlich waren sie um 5 Uhr am Morgen zu Hause angekommen. Applaus... I am the king of the world.... Applaus Applaus Applaus Applaus Applaus Applaus Applaus Applaus Applaus Applaus Applaus Applaus Applaus Applaus Applaus Applaus Applaus Applaus Applaus Applaus Applaus Applaus Applaus Applaus neue Seite auf von Geschichte wahrscheinlich auch. Und mir ist gerade meine ganze Kindheit fürchterlich in die Knie geschossen und auch sonst ins Herz. Die Herren, von denen da die Rede war, die kannte ich alle als kleines Kind, hat mein Vater die alle erwähnt. Und so weiter und so weiter. Das waren bei uns tägliche Gesprächsthemen. Bis zu meinem 10., 11. Lebensjahr habe ich da diese Leute um mich herum gehabt, die Krieg gemacht haben, die Millionen Menschen kaputt gemacht haben und so weiter. Und das ist noch nicht lange her. Das ist nur 72,5 Jahre her. Und das haben wir, ich habe 72,5 Jahre Frieden erlebt, meine Damen und Herren. Und das möchte ich die nächsten 72, die ich nicht mehr erleben werde, auch noch haben. Und wir blättern, ja sicher, natürlich. Und das müssen wir umblättern zu friedensbewegten und bewegenden Menschen und friedensbewegten und bewegenden Worten. Josef Kienesberger, auch ein neues Mitglied des Autorinnen- und Autorenkreises. Und ich bin neugierig, womit der sich heute beschäftigt hat. Wie gesagt, ich bin immer selber gespannt, weil ich nie weiß, was die Autoren Gott sei Dank nicht weiß, was die Autoren mitgebracht haben. Miki, was war das zweite Stück, bitte? Keiner ist perfekt. Nobody is perfect? Ja. Das erste war die Cello Suite von Bach. Das war die war die Cello Suite von Bach. Das war die Eins aus Cello Suite von Bach und das zweite ist, genau. Josef Kienesleier. Achso, biografisches. Biografisches muss nicht sein. Bleibt geheimnisvoll. Ja, ich darf gleich vorneweg sagen, es geriert Lesung in der Lesung. Ich habe mich nicht ans Thema gehalten, aber dafür kommen Frauen vor. Oh, auch schön. Waldgärtner. Karin saß an ihrer gewohnt gewordenen Stelle und blickte in die untergehende Sonne des paschkirischen Sapowetnik. Es war dies an einer ausgehüllten Felsformation in der ausgetrockneten Sohle des Flusses Kaga, der diesen Nationalpark einst durchflossen hatte. der paschkirische Sapowetnik. So klangvoll der Name, so reichhaltig seine Wälder, seine sanften Hügelketten, die nichts anderes waren als die geologischen Ausläufer des Ural. Karin kam mittlerweile jeden Tag hierher, auch weil es das Wetter der letzten Wochen erlaubt und der Kager sich nicht über seinen Normspiegel hinaus eroben hatte, wobei er Karens Platz umspült und somit unerreichbar gemacht hätte. Sie saß und spürte die Wärme, die von Fels und Kieselsteinen ausstrahlte, ehe erste Tränen an ihren Wangen runterliefen. Wie hätte es anders kommen können? Im Wesentlichen war ihre Aufgabe diese gewesen. Das paschirische Land- und Forstwirtschaftsministerium war eine Partnerschaft mit seinem bayerischen Pendant eingegangen. Ziel dessen war die Sichtung eines bislang unbekannten, vermutlichen Verwandten des großen Waldgärtners, Blastophagus piniperda, eines sogenannten Bastkäfers, der sich unter der Rinde von Laubbäumen durchfrisst und daher gemeinhin als Schädling geführt wird. Im Hintergrund vermutete das Bayerische Institut für Entomologie verborgene Interessen zur Forschung an Insektiziden, was die vormals zögerlich eingegangene Kooperation aber nur beschleunigt hätte. Für Karin sollte dies den entscheidenden Karrieresprung bedeuten. Ihr Forschungsgebiet, der Scheiden der Institutsleiter, eine Chance. Selbst die ungeplante Schwangerschaft erwies sich als zeitlich günstig gefallene Gelegenheit zur Aufbereitung theoretischer Grundlagen. Die Krabbelstubeneingewöhnung funktionierte schließlich auch. Karin war stolz auf sich gewesen, stolz auf ihr unkompliziertes Kind und besonders stolz auf ihre hümmelnd umflorte Organisationsgabe. Ein eingeflogener Baucontainer war ihre Basis. Darin befand sich ein Schreibtisch samt Stuhl, ein Feldbett, ein WC und Regale, gefüllt mit Unmengen an Plastikboxen zur Aufbewahrung des noch namenlosen Käfers. Jeden Morgen stieg Karin in die umliegenden Wälder, Morgen stieg Karin in die umliegenden Wälder, untersuchte vermeintlich befallene Bäume und zog ihnen mittels Scheppseisen Rinde ab. Jeden Abend stieg Karin über die Schwelle ihres Containers und blickte auf die leer bleibenden Behälter. Seit zwei Sommermonaten war ihre bisherige Suche erfolglos geblieben und zunehmend zu Sorge und Frust gesellten sich Versagensängste und Panik. Sie spürte den zunehmenden Druck, las abends den Berg an Mails und schlief immer später und unruhiger ein. Dann die Sensation. Sie hatte ein Exemplar gefunden. Ihre Gedanken vibrierten. Nach Wochen war ihr ein Käfer über das Schepseisen gekrabbelt und sitzen geblieben. Sie hastete gerade durch das Flussbett und wollte das Institut anrufen, Neuigkeiten und Namen des Käfers bekannt geben, als sie die Box aus der Hand glitt und über Kieselsteine und Geröll klapperte. Sie hatte gesucht, Stunden. Der Käfer war nicht mehr aufzuspüren. Der Behälter blieb leer. Sie schleuderte ihr Handy in die Felsen und tobte und schrie und warf sich zu Boden. Der nächste Fund könnte noch länger auf sich warten lassen und sie weiter an diesem Ort bannen. an diesem Ort bannen. Als sie aufgeschrammt und zitternd auf den Kieselsteinen lag, spürte sie deren Wärme, die sie tagsüber in sich gespeichert hatten. Karin roch die runden, weichen Steine, die sich vor ihrem Gesicht befanden, nahm einen davon in die Hände und schmiegte ihre feuchte Wange daran. Sie presste ihn innig an sich, wie sie einst nur ihren Sohn an sich gedrückt hatte. Und sie dachte an ihre Träume und ihr Streben und ihr fatales Organisationstalent. Karin weinte und verstand nichts mehr. Sie streichelte den Stein, während kaum eine Armlänge entfernt, Blastophagus Louis zurück ins Unterholz verschwand. Arbeitstitel Heute steht sie nicht weit auf, dachte Ulla, heute steht sie aber gar nicht weit auf. Sie befand sich etwa einen Meter vor der Tür des stellvertretenden Abteilungsleiters. Gestern etwa, da stand sie schon ein Stück weiter auf, als sie heute aufsteht. Und da war er schon gereizt gewesen. Aber sie musste sich eingestehen, dass sie sich schon gestern gedacht hatte, wie ich es mir gestern schon in unmittelbar davor gedacht hatte, dachte Ulla, wie ich es mir immer denke, wenn ich vor seiner Tür warte, der Tür des stellvertretenden Abteilungsleiters. wenn ich vor seiner Tür warte, der Tür des stellvertretenden Abteilungsleiters. Darauf muss man achten, dass man immer den korrekten Titel verwendet im Ansprechen, im Anschreiben, sogar im Andenken, dass man den Herrn stellvertretenden Abteilungsleiter Bremer, den Herrn stellvertretenden Abteilungsleiter Mag. Karl Bremer korrekt anspricht, korrekt anschreibt, sogar korrekt und jederzeit richtig andenkt, dachte Ulla. Sogar, dachte Ulla, sogar wenn man nur abwartet vor seiner Tür, sogar dann muss man denken, ich warte vor der Tür des Herrn stellvertretenden Abteilungsleiters Mag. Karl Bremer, ob, aber damit ist es nicht getan, mit dem Herumstehen und Warten allein, ist es bei weitem noch nicht getan, nur weil man vor seiner Tür wartet. Heißt das noch lange nicht, dass man so einfach Einlass bekommt, schon gar nicht vor so einer wichtigen Tür wie des stellvertretenden Abteilungsleiters, des Herrn stellvertretenden Abteilungsleiters Mag. Karl Bremer. Register Karl Bremer, nein, damit ist es noch lange nicht getan, denn wer in dieser Abteilung arbeitet und, wem es gestattet ist, vor der Tür des stellvertretenden Abteilungsleiters Bremer auf Einlass zu warten, wer die Befugnis dazu hat, überhaupt vor dieser wichtigen Tür zu warten und ja, nicht ohne Grund, dem obliegt eine wichtige Aufgabe, dachte Uller und die wusste es von der Helga. Von der Helga nämlich, der dienstältesten Sachbearbeiterin der Abteilung, stammte dieses Wissen. Wie Ulla der Uller diese Gelegenheit regelrecht suchte, um die Helga zu belauschen. Und dabei erzählte diese öfter davon, dass jene Personen, und davon gab es nicht viele, die vor der Tür des stellvertretenden Abteilungsleiters Bremer auf Einlass warten durften, zuvor eine wichtige Aufgabe zu erfüllen hatten, eine Art Deutungsaufgabe. zuvor eine wichtige Aufgabe zu erfüllen hatten, eine Art Deutungsaufgabe. Es galt zu beobachten, es galt zu analysieren, es galt abzuschätzen, hatte Ulla gehört, ob ein Einlass zu diesem Zeitpunkt überhaupt möglich wäre, wenn man vor der Tür des Herrn stellvertretenden Abteilungsleiter Mag. Brehm erwartete, wäre dies nur anhand der Türstellung zu diesem Zeitpunkt abzulesen. wäre dies nur anhand der Türstellung zu diesem Zeitpunkt abzulesen. Die Stellung des Türblattes galt es zu beobachten, zu analysieren, abzuschätzen. Die graduelle Türblattstellung, hatte die Helga gesagt. Denn wer vor der Tür stand und Einlass in das Büro des stellvertretenden Abteilungsleiters begehrte, also nur jene Personen, denen diese Möglichkeit überhaupt zustünde, denen überlag diese Deutungsaufgabe. Während beide Extreme der graduellen Türplatzstellung, nämlich zu- oder sperrangelweit offen, während diese beiden Türplatzstellungen leicht zu deuten wären, stehen sie ja bildlich für die Unmöglichkeit und Möglichkeit des Einlassens generell, Einlassens generell, wären alle möglich und Unmöglichkeiten dazwischen abzuschätzen. Die graduellen Türplatzstellungen dazwischen, zwischen Zu- und Sperrangel weit offen, fordern von jenen Personen, denen überhaupt diese wichtige Deutungsaufgabe zusteht, wenn sie vor der Tür des stellvertretenden Abteilungsleiters, wenn sie vor der Tür des Herrn stellvertretenden Abteilungsleiter Mag. Karl Bremer warteten und beobachteten und analysierten und abschätzten, also von denen fordert diese Deutungsaufgabe, dachte Ulla alles. Vielleicht steht sie aber heute doch etwas weiter als gestern auf, dachte Ulla. Vielleicht täuschte der Eindruck heute nicht. Davon hängt es ab, wie das folgende Gespräch mit dem stellvertretenden Abteilungsleiter ablaufen würde. Unangenehm würde es in jedem Fall werden, nachdem sie nun, oder doch nicht, durch die Tür in das Zimmer, in das Gesicht des stellvertretenden Abteilungsleiters Bremer, des Herrn Stellvertreteten. Auf einmal merkte sie, wie sie es früher oder später immer zu bemerken pflege, es beschlich sie tatsächlich auf heimtückischste Art und Weise ein bekannter, gleichsam ein gefürchteter Geruch und eine bekannte gefürchtete Nässe. Dieser ganz bestimmte Geruch und diese ganz bestimmte Nässe, um plötzlich in ihrem Bewusstsein aufzuschlagen, wie ein umgestoßener Stuhl. Im selben Augenblick, wie sie diesen bestimmten Geruch und diese bestimmte Nässe wahrgenommen hatte, hatte sie den Entschluss gefasst, abzubrechen. wegen dieses bekannten, gefürchteten, beißenden Schweißelgeruchs, ihres Schweißelgeruchs. Sie würde es später probieren wollen. Denn der Schweißelgeruch war naturgemäß unangenehm, ihr höchst peinlich, so wie die, nachdem sie sich rasch überzeugt gehabt hatte, dass sie beide da waren. Links ein gewaltiger, rechts ein gewaltiger Achselnässefleck. Immer wenn Ulla diese bestimmte Geruch in die Nase strömte, gleichzeitig überraschend und gleichzeitig befürcht und erwartbar im Vornherein. Und immer wenn sie dieser bekannte, gefürchtete, beißende Schweißelgeruch erreichte, dachte Ulla, dann war es vor der Tür des Herrn stellvertretender Abteilungsleiter Mag. Bremer, Karl. Dieser ganz bestimmte Schweißgeruch, der immer nur vor der Tür des stellvertretenden Abteilungsleiters ausströmte und gleich einem Alarmschrei Ulla nicht zum Wegrennen animierte, sondern paralysierte, war ihr dies naturgemäß höchst peinlich und es verstärkte, potenzierte nur ihre Angst ins kaum Ertragbare. Die Achselnässeflecken verstärkten naturgemäß ihre Pein, denn sie konnte nicht weg, sie musste rein. Immer, wenn sie vor der Tür des stellvertretenden Abteilungsleiters Bremer stand und wartete und beobachtete und analysierte und abschätzte und schweißelte und rein musste, denn umsonst stand keiner vor dieser Türe, weil sie Angst vor jener gewichtigen Deutungsaufgabe spürte, weil sie die Versagensangst vor der versagten Deutungsaufgabe spürte, sollte sie falsch abschätzen und doch eintreten oder würde sie fälschlicherweise abbrechen und nicht eintreten und fälschlicherweise eine Gelegenheit versäumen, mit dem Herrn stellvertretenden Abteilungsleiter zu sprechen, obwohl es die graduelle Türstellung womöglich ermöglicht hätte. Besser, dachte Ulla, sie reagierte über und brach ab, würde sie die graduelle Türplatzstellung falsch abschätzen oder gar ignorieren und einfach eintreten. Was würde dann geschehen? Wichtig, hatte sie die Helga sagen hören. Wichtig, dass ihr schaut, wie weit die Tür offen ist oder zu. Wichtig, hatte Ulla gehört. Und das Wichtig hatte die Helga betont. Die Silben hatte sie betont. Und Ulla hatte ein klickendes Geräusch vernommen. Ulla hatte gehört, dass Helga nicht nur wörtlich, sondern auch körperlich das Wichtig betont hatte. Denn so wichtig war es gewesen, dass Helga nicht nur wörtlich, sondern auch körperlich das Wichtig betont hatte. Denn so wichtig war es gewesen, als dass man auch wichtig mit dem Fingernagel, sicher mit ihrem dicken Schweinsfingernagel, hatte Ulla hinter ihrer Tür gedacht. Sicher hatte sie mit ihrem dicken Schweinsfingernagel auf den Schreibtisch geklickt. Wichtig, hatte Ulla gehört, dass sie schaut, wie weit die Tür offen ist. Die graduelle Türplatzstellung heißt, konstatierte die Helga, wie der herr stellvertretende Abteilungsleiter Mag. Kurt Bremer. Kurt, ich darf ja Kurt sagen. Darauf war sie stolz und wurde nicht leides bei Gelegenheit zu erwähnen. Also alles dazwischen, wie die graduelle Türplatzstellung ausschaut. So gut oder nicht gut ist es, wenn man den Kurt, nur ich darf ja den Kurt, nur ich darf ja du Kurt sagen. So gut oder nicht gut ist es, wenn man den Kurt stört. Ich darf ja meist immer rein, sagte die Helga dann immer meist drauf. Ich darf ja meist immer rein, wurscht wie weit die Tür offen ist. Der Kurt nimmt sich dann meist immer Zeit für meine Anliegen, die ja eigentlich immer die Anliegen der Abteilung sind Sobald ich den Kopf durch die Tür stecke, hatte dann die Helga gesagt, so oft ich durch den Turspalt schaute und oft muss ich sie ja sogar etwas dabei öffnen, denn ich bin ja nicht mehr die Schlangste. Die Allerschlangste bin ich ja nicht mehr. Mein Kopf ist ja auch nicht mehr der Allerschlangste. Nur ich darf diese Tür dann etwas weiter aufdrücken, damit mein Kopf durch die Tür passt und nur ich darf dann du Kurt sagen und fragen, hast du kurz Zeit, Kurt? Dann hat er meist immer Zeit. Kommt es aber vor, hörte Ulla einmal die Helga raunen, dass obwohl sie sanft, ruhig und brav gefragt hatte, ob er nur kurz Zeit für sie hätte, er aber keine Zeit hatte, wenn er sie abblitzen ließ, hörte sie die Helge raunen. Dann hörte Ulla sie nun flüstern. Dann würde sie wieder, wie schon einmal, schwarze Tinte in das Druckerkastl reinschütten. Dann hätte das Druckerkastl mal wieder was, hörte Ulla sie weiter flüstern. Dann hätte das blöde, undankbare Druckerkastl mal wieder was. Und dann wäre sie wieder gefragt. Dann würde der Herr stellvertretende Abteilungsleiter, Mag. Kurt Bremer, der Kurt höchstpersönlich, wieder bei ihr auf der Matte stehen, weil sie, die gute Helga, müsste das wieder beheben. Nur sie hätte so eine Fingerfertigkeit, sagte der Kurt dann ja immer. Nur sie könnte diese Schweinerei beseitigen und diese blöde, offensichtlich undankbare Druckerkastel reinigen. Und dann hätte er wieder meist öfter Zeit für sie. Aber heute nein, heute steht sie wirklich nicht weit auf, dachte Ulla. Heute ist sie fast so weit zu wie gestern. Gestern, da hätte gerade nur eine flachgehaltene Hand in den geöffneten Türspalt reingepasst. Zwar nicht die flachgehaltene Hand mit sämtlichen Schweinsfingern von der Helga, schließlich war sie ja nicht mehr die allerschlangste, aber hätte das jemand probiert, der die Befugnis dazu überhaupt hatte, dachte Ulla, und die, dachte Ulla, hätte ja wohl nicht einmal die Helga, die älteste Sachbearbeiterin der Abteilung gehabt, obwohl sie nicht mehr die allerschlangste sei, aber Schweinsfinger hatte und nur sie kurz sagen dürfe und sie ganz bestimmt nicht so schweißelt, wie Ulla es tat. Ulla presste die Arme fest an ihrem Brustkorb. Nein, es schweißelt überhaupt niemand außer mir. Niemand in der ganzen Abteilung schweißelt. Es schweißelt Helga nicht und es schweißelt selbstverständlich der Herr stellvertretende Abteilungsleiter, Herr Mag. Karl Bremer nicht. Nur mein grässlicher Körper hatte diese höchst unleidige grässliche Achselnässe und Schweißart, dachte Ulla. und Schweißart, dachte Ulla. Ihr grauste vor ihrer Achselnässe und ihrer Schweißart. Abstoßend, sagte sie sich selbst, abstoßend und peinlich und unprofessionell, als wäre sie geradewegs vom Feld her gekommen und sie sah vor der Tür des stellvertretenden Abtreibungsleiters, Abstellungsleiters des Herrn. Sie schaute den Gang auf und ab, ob nicht gerade an ihr jemand vorbeikommen und ihren Geruch einatmen könnte und sie zwar nicht auf ihr offensichtliches Schweißeln ansprechen, wahrscheinlich nur freundlich zunicken, wahrscheinlich, na, Muller, und dabei kameradschaftlich zunicken, aber nicht auf ihr offensichtliches Schweißeln ansprechen würde. Auch der Herr stellvertretende Abteilungsleiter Karl Bremer hätte sie noch nie auf ihr Schweißeln und auf nie ihre Achselnässeflecken angesprochen, obwohl diese und das Schweißeln überdeutlich zu vernehmen waren. Aber, das spürte Ulla, dass der Herr stellvertretende Abteilungsleiter Karl Bremer ihr Schweißeln, ihre Achselnässeflecken be bemerkte, er atmete schwer, wenn sie neben ihm stand. Er atmete immer so schwer ein und aus und ein und aus. Ehe er weitersprach, atmete er immer schwer ein, noch schwerer aus, dass sich seine Nasenflügel blähten und die aufgeblasene Bleibrust wieder zusammenschrumpfte und er sah nicht hin, sah nicht auf ihre Achselnässe flecken, die immer gewaltig links und gewaltig rechts hinter ihrer auf den Brustkorb gepressten Oberarme hervorkwollen und atmete schwer und roch ihren Körpergeruch, dachte Ulla. Er riecht und saugt sie gierig in sich auf. Die Helga, die zwar nicht mehr die allerschlangste, aber sie schweißelt nicht, dachte Ulla, obwohl sie so fett war, dachte Ulla. War es anfangs zwar nur ein sanft säuerlicher Unterton, der hinter ihrer auf den Brustkorb gepressten Oberarmen ausströmte, so wandelte er sich schlagartig, so strömte dieser Geruch schlagartig tatsächlich auf die heimtückischste Art und Weise in ihr Bewusstsein. Alles beißend, alles überströmend, alles überlagernd. Und als wäre die Schweißelart und die Achselnässe nicht ausreichend genug, als wäre diese Versagensdeutungsangst nicht genug, war Ulla schön. Sie schüttelte sich vor Selbstgrausen. Wer schön ist, dachte Ulla, an und für sich schon eine Unverschämtheit. Wer schön ist und gleichzeitig dazu noch schweißelt, der ist höchst verdächtig, dachte Ulla. Dabei konnte Ulla sich sich selbst nicht bewerten. Sie wusste nicht, ob sie selbst aus sich heraus schön wäre oder nur nicht abstoßend. Sie hatte sie früher aber oft gehört, dass sie nach ihrer Mutter gekommen war. Äußerlich, das hatte es oft geheißen, nur nicht so gestanden wie die Frau Mutter hatte es geheißen, aber ebenso schön. Schöne sind schön und riechen gut, dachte Ulla. Haben gut zu riechen. Haben schöne Kleidung, haben ein schönes Lächeln und riechen dabei und immer und nicht nur meist immer, sondern riechen immer gut. Jeder, der sich einen schönen Menschen vorstellte, dachte Ulla und hatte es auch schon häufig ausprobiert, sich einen wahrhaftig schönen Menschen vorstellte. Jeder schöne Mensch war ein Gutriechender. Schöne Menschen schweißeln nicht und haben keine Achselnässeflecken und sind dabei nicht höchst verdächtig, dass etwas nicht mit ihnen stimmte, dass sie sich nicht waschen würden oder krank seien, körperlich krank oder schlimmer noch, geistig krank, dachte Ulla. Musste eine schöne Frau, dachte Ulla, in einem Kostüm, einem Arbeitskostüm, nicht einem Arbeitskittel vom Feld, eine schöne Frau in einem schönen Damenanzug vor einer Tür stehen, denn nicht eigentlich auch ein gut riechender Mensch sein, ein wahrhaftiger Mensch sein. Sie war bereits im Begriff, sich von der Tür abzuwenden, von der Tür des, da dachte Ulla an die Mutter. Die Mutter hatte auch immer geschweißelt. Vom Feld hatte sie geschweißelt. Dreckig war sie gewesen, aber eine gestandene Frau, eine gestandene Frau, wie man so sagte, eine vom Feld gestandene Frau, deshalb, weil sie vom Feld kam und weil der Dreck und der Schweiß an ihr geklebt hatte, wie die Selbstverständlichkeit der ersten Tage der Menschheit. Als gestandene Frau, die am Feld arbeitete und dreckig war, durfte man so schweißeln. Da war es normal, wenn man schweißelte, wenn der Arbeitskittel schweißnass war und dreckig und schön. Ulla hatte ihre Mutter auch gestanden und schön gefunden. Die Kinder in Ullas Klasse hatten Ulla gehänselt, weil ihre Hosen ausgewaschen und ihre Leibchen ausgebeulter und dünner waren als die Stadthosen und Stadtleibchen der Stadtmädchen und Stadtjungen ihrer Klasse. Eines Tages war die Mutter da in die Klasse gestürmt und hatte geschimpft. Direkt vom Feld war sie gekommen und hatte alle in den Boden geschimpft. Die Stadtmädchen, die Stadtjungen und auch den Klassenlehrer, der naturgemäß auch aus der Stadt gewesen war. Klassenlehrer, der naturgemäß auch aus der Stadt gewesen war. Sie alle hatte sie in den Boden geschimpft und war dabei so dreckig und schweißelnd gewesen, wie man das nur vom Feld her sein konnte und war dabei so gestanden gewesen, hatte Ulla gefunden, gestanden und schön. Die Stadtmädchen und die Stadtjungen und naturgemäß der Klassenlehrer aus der Stadt nur hatten das im Anschluss, dass die Mutter wieder Richtung Feld verschwunden war, anders gesehen. Sie waren aus ihrer Starre wieder erwacht. Ist deine Mutter behindert? Hatten die Stadtmädchen und die Stadtjungen gefragt, als die Mutter wieder Richtung Feld verschwunden war. Ist deine Mutter eigentlich behindert, dass sie so stinkt und so saudreckig ist, als wüsste sie nicht, wie man sich wäscht? Ist deine Mutter behindert? Dann bist du ja auch erst recht behindert. Stinkt die so und ist die so saudreckig, weil sie sich nicht waschen will oder nicht waschen kann? Gekreischt vor Lachen hatten sie, gekreischt und getreten. Die Schönheit und Gestandenheit waren verschwunden. Die Schönheit und Gestandenheit waren verschwunden. Nur das Schweißeln der Mutter hatte Ulla noch Stunden danach im Klassenraum riechen können. Eigentlich müsste ich es ja besser wissen, dachte Ulla. Heutzutage, dachte Ulla, gerade wenn man selbst die Abteilungsleiterin ist. Applaus Die Nachstimmung. I am the light of the world. ¶¶ Musik Applaus Applaus Applaus Applaus Applaus Applaus Ja, meine Damen und Herren, das nenne ich Fallhöhen. Vom existenziellen Warten auf einen Frieden bis zum existenziellen Warten auf sich öffnende Türspalte und schweißelndem Geruch und so weiter. Das muss ich erst verdauen, muss ich ehrlich sagen. Dazu ist Literatur ja auch da, dass man das verdauen muss und kann. Also ich kann es kommentieren, kann ich es nicht. Ja, Nummer drei wäre, nein ist, Sven Taubenmerkel. 1965, jetzt vergesse ich das nicht, das Biografische beim Josef Kindesberger ist der jüngste hier heute. Sven Taubenmerkel, 1965 geboren in Chemnatt in Bayern. Ich weiß noch immer nicht, wo das ist. Seit 1977 lebt er in Oberösterreich. Er ist Schuldirektor, schreibt vorwiegend über naturwissenschaftliche und historische Themen. Veröffentlichungen unter anderem Forschergeist, ein Roman vom Krieg, eine Novelle, Wandern in Verdun, da kommen wir wieder auf die Themaschine vielleicht, Prosa, Kindertheater, Tanz dem Kepler und so weiter. Verheiratet? Zwei? Ich weiß, du hast es gepostet, es tut mir so leid. Wie alt ist er geworden? Sieben. Der Kater ist gestorben. Einer von seinen beiden Lieblings-Haustigern. Okay. Meine Damen und Herren, begrüßen Sie mit mir Sven Daum-Merkel. Ja, das war ein Gendefekt. Den haben europäische Main-Kung-Katzen. Nicht alle, aber einige. Den haben europäische Main-Kung-Katzen. Nicht alle, aber einige. Die Herzwände werden immer dicker und es gibt nur eine medikamentöse Verzögerung, aber keine Lösung des Problems. Und Humboldt hat sich geweigert, wirklich bis zuletzt geweigert, die Tabletten zu schlucken. Humboldt ist am Dienstag von uns gegangen. Humboldt ist am Dienstag von uns gegangen. Ich weiß, es ist nur eine Katze, aber es war halt ein unglaublich schönes, unglaublich liebes Tier. Und naja, ich bin auch fest davon überzeugt, sollten wir Menschen jemals auf andere Planeten auswandern, dann müssen wir unser ganzes Ökosystem mitnehmen, weil sonst werden wir uns da nie heimisch fühlen. Ja, ich möchte gerne zurück auf die Themaschine, wobei ich also Guerilla-Aktionen immer unterstütze. Und zwar deswegen, weil am 24. Februar dieses Jahres für mich eine Welt zusammengebrochen ist, die Welt des Friedens, die Illusion des Friedens. Und ich habe plötzlich all diese Sachen, über die ich geschrieben habe, ich habe mich immer wieder mit Krieg beschäftigt, plötzlich habe ich das als echtes Wissen gebraucht. Etwas, was für mich unvorstellbar war. Und man muss es ganz klar so formulieren, was Putin da angefangen hat, ist der schlimmste Angriffskrieg seit 1939. Ich habe nichts Vergleichbares seither gefunden. Und deswegen die Idee, eine Lesung gegen den Krieg zu machen. eine Lesung gegen den Krieg zu machen. Als dann vor kurzem, vor einem Monat oder wann das war, diese Teilmobilmachung beschlossen wurde und auch zehntausende junger Russen versucht haben, über die Grenze zu kommen, da habe ich das irgendwie sehr gut verstehen können. Und ich habe mir gedacht, mein Gott, was ist, wenn du jetzt da eingezogen wirst, du hast von nichts eine Ahnung und musst da jetzt in einen Krieg ziehen, den du nicht verstehst und bei dem du durchaus sterben kannst oder sehr wahrscheinlich auch stirbst. Und wissen Sie, ich habe ein Alter, 65, geboren, 20 Jahre nach dem Krieg. Ich bin aufgewachsen mit Personen, die den Zweiten Weltkrieg erlebt haben und es war, so wie auch für dich, ganz normal, diese Geschichten zu hören. Und so eine Geschichte, die ich damals gehört habe, die habe ich ja aufgeschrieben, es ist die Geschichte von Heinrich Baus, einem Koch aus Frankfurt. Er ist nicht mit mir verwandt, Er ist nicht mit mir verwandt, ich habe ihn für die Recherchen dieses Buches seinerzeit interviewt und habe seine Geschichte ganz bewusst als Kontrapunkt an den Ende des Romans über die Physik gestellt, um zu zeigen, wie es sogenannten normalen Menschen auch ergeht. Es sollte ein Gegengewicht darstellen. Ja, das lese ich jetzt vor. Ich könnte erzählen, wie ich Koch wurde. Wenn ich mich heute daran erinnere, finde ich das besonders komisch. Ich kann mich auch besser erinnern, wahrscheinlich, weil es unwichtig ist und weil es lange her ist. Je weiter die Vergangenheit zurückliegt, desto deutlicher ist sie mir im Gedächtnis. Das Komische ist, dass ich Kellner war, nicht Koch. Und das kam so, ich bin Jahrgang 1919. Also damals, wann war das? 1945 war ich 26 Jahre alt und da wurde ich Koch. Ich muss vorausschicken, dass ich Frankfurter bin. Besser gesagt, ich war es. Denn das Frankfurt, in dem ich geboren worden bin, gibt es schon lange nicht mehr. Wenn ich heute nach Frankfurt hineinfahre, wundere ich mich nur, was aus der Stadt geworden ist. Man denkt, man ist in Amerika. Vermutlich halten sich die Frankfurter längst für Amerikaner. Jedenfalls machte ich dort von 1933 bis 1936 meine Lehre im Grand Hotel Metropol. Das war gegenüber dem Hauptbahnhof. Wir waren froh, solch eine Lehrstelle ergattert zu haben. Naja, und dann kam der Krieg. Natürlich wurde ich eingezogen. In Frankfurt zum 81. Infanteriebataillon. Die Grundausbildung und die ganzen Übungen musste ich mitmachen. Doch die kamen sehr schnell darauf, dass ich ja Kellner war. Ich wurde dem Offizierscasino zugeteilt. Bis dahin hatte ich von meinem ganz besonderen Glück nicht viel gemerkt. Als die Kameraden, die mit mir eingerückt waren, an die Front abmarschierten, dämmerte mir langsam, was für ein Glückspilz ich war. Das Glück darf man nicht herausfordern. Darum warf ich mich auf meine neue Aufgabe und betreute die Herren Offiziere so gut ich konnte. In dem Casino arbeiteten außer mir lauter Laien, die von der Gastronomie keine Ahnung hatten. Denen zeigte ich allerhand. Der leitende Verpflegungsoffizier war sehr zufrieden mit mir. Endlich lief es professionell im Casino des 81. Infobataillons. Eines Tages kam der Spieß von der Stabskompanie, so ein ergrauter Feldwebel, zu mir und erklärte, der General Kohl komme zu Besuch, der frühere Kommandeur der 81. Und den wolle man doch bestens bewirten. Baus, schloss er seine Ansprache, machen Sie das bestens. Besprechen Sie sich mit dem Küchenchef, was Sie brauchen. Die hohen Tiere kommen direkt von der Westfront. Ich will, dass alles klappt für die siegreichen Generale, dass mir da keine Klagen kommen. Richtig. Der Frankreich-Feldzug war fast vorüber. Paris war eingenommen. Ich strengte mich besonders an und stellte ein schönes Menü zusammen. Alles klappte prima und der General Kohl schickte hernach den Major von Gros zu mir. Der Major war ein lauter und freundlicher Mann. Ohne große Umschweife kam er gleich zur Sache. Habe gehört, Sie haben das hier arrangiert. Hätten Sie Lust, das auch bei uns zu machen, in Paris? Wir haben da auch so ein Casino, aber uns fehlen die ordentlichen Leute, die auf Zack sind. Verstehen Sie? Also, Baus, sagen Sie schon, ja, dann will ich mal alles in die Wege leiten. Ich hatte sofort gespürt, dass mein Glück zu wachsen schien. Und ich sagte ihm zu. Nicht in den Krieg und dennoch in die weite Welt. Das reizte mich. In Paris verbrachte ihm wir dreieinhalb Jahre. Eine herrliche Zeit. Als der Russland-Feldzug begann und ich erfuhr, dass meine ehemaligen Kameraden des 81. an die Ostfront geschickt wurden, dachte ich mir, Heinrich, was bist du für ein unglaublicher Glückspilz. Leitest hier in aller Ruhe dein Casino, trinkst nach Feierabend französischen Wein, schläfst in einem Hotelbett, kannst am Wochenende ins Kino gehen und Mädchen kennenlernen, hast es immer schön warm und trocken. Und währenddessen fallen deine Kameraden an der Front. Es hieß zwar immer, das deutsche Volk braucht Lebensraum im Osten, aber nach allem, was ich über den russischen Winter gehört hatte, schien mir der Lebensraum im Osten nicht sehr lebenswert, verglichen mit Paris. Einmal sprach ich Major von Grosterhoff direkt an. Er wurde unwirsch und zischte nur, Mensch, Baus, denken Sie nicht. Hier näsen Sie nicht und halten Sie die Klappe. Ich bemühte mich, seinen Ratschlag zu befolgen. Dann kam Stalingrad und die Niederlage in Nordafrika. Der Bombenkrieg gegen unsere Städte und die Landung der Alliierten in Sizilien und Unteritalien. Es wurde immer schwieriger, nicht zu denken. Solange ich in Paris war, ging es einigermaßen, da gab es Ablenkung genug. Aber so eine Vorahnung wurde ich nicht mehr los. Die Feste im Offizierscasino gingen mit unverminderter Wucht weiter. Ja, ich hatte sogar den Eindruck, die Offiziere feierten umso ausgelassener, je bedrohlicher die Lage wurde, so als ob jedes Fest das letzte sein konnte. Man brauchte kein Stratege oder Prophet zu sein, um sich alles weitere auszumalen. Mein mulmiges Gefühl trug mich nicht. Mitte oder Ende 1943 kam der Führerbefehl raus, dass alle Leute in der Etappe neu eingestuft werden sollten. Die zuständige Heeresdienststelle machte das automatisch und bald hielten wir unsere Marschbefehle in den Händen. Russland. Da wurde mir klar, dass es mit dem Glück erst einmal vorbei war. Man muss sich das einmal vorstellen. Im Ambassador hatten wir in Hotelzimmern mit eigenem Empfangsraum gewohnt. Es gab alles, was man sich nur wünschen konnte. Mehr Luxus, als ich mir je erträumt hatte. Und auf einmal hieß es, ade, du schöne Welt, ab in den Osten, auf ein Stelldichein mit Gefattertod. In unserer Hilflosigkeit machten wir Witz über unser zukünftiges Lanzer-Dasein. Unsere Franzosen spürten das ganz genau, dass uns der Arsch auf Grundeis ging. Gesagt haben sie zum Abschied nichts, nur gegrinst. Nach dreieinhalb Jahren Zusammenleben und Arbeiten tat mir das doch weh. Keiner von denen gab uns die Hand. Krason-Vardajtsch werde ich nie vergessen. Krason-Vardajtsch war die Endstation des Zuges, gehörte zum Bereich der Heeresgruppe Nord und Krason-Vvardeitsch war auch Frontleitstelle. Dort sollten wir uns melden. Eine Stunde suchten wir in diesem Albtraum aus Schlamm und Dreck die Einheit, der wir laut Marschbefehl zugeteilt waren. Der Feldwebel, der uns in Empfang nahm, lachte bei unserem Anblick schallend. Wir hatten ja keine regulären Felduniformen an, keine Ausrüstung für die Front. In unseren Ausgehuniformen mit weißen Handschuhen und Halbschuhen waren wir nach Russland gereist. Bis Krasomvadeitsch hatten wir auch schließlich gehofft, in einem Offizierscasino an der Ostfront unterzukommen. Na, meine Herren, spottete der Feldwebel. Wo findet denn der Ball statt, für den Sie sich so hübsch gemacht haben? In Leningrad? Dann schickte er uns in die hiesige Bekleidungskammer. Und nachdem wir für einen Kampfeinsatz adjustiert waren, wurden wir getrennt. Jeder musste zu einem anderen Zeichen den Bäumen folgen, gelb, rot oder blau. Der Feldwebel war nämlich der Meinung, es erhöhe unsere Überlebenschance, wenn wir von Anfang an nicht beieinander, sondern jeder für sich bei den richtigen Frontschweinen wären. Darum kamen wir in verschiedene Kompanien. Ob das unsere Überlebenschance erhöhte, weiß ich nicht. Von den anderen habe ich nie wieder etwas gehört. Bei meiner neuen Kompanie machte sich der Spieß nicht die Mühe, mich in die Kriegskunst einzuweihen. Er warf einen Blick auf meine Pampire und murmelte, dann gehen Sie mal vor. Nehmen Sie sich noch einen Mann mit und beziehen Sie die vorgeschobene Stellung zwischen der deutschen und russischen HKL. Die anderen zeigen Ihnen den Weg. Noch Fragen? Jawohl, Herr Feldwebel. Was heißt HKL? Der Spießer starrte mit riesigen Augen klubstärmig fassungslos an. Dann verfärbte er sich weinrot. Bevor er zerplatzen konnte, brüllte er, Hauptkampflinie, Hauptkampflinie, Sie Idiot! Bevor er zerplatzen konnte, brüllte er, Hauptkampflinie, Hauptkampflinie, Sie Idiot! Eine vorgeschobene Stellung zwischen den deutschen und den russischen Gräben war ein provisorischer Unterstand mit Klingelzug. Wenn der Russe angreifen würde, sollten wir wild an der Strippe ziehen, damit die unseren weiter hinten die Gräben besetzten. Das war ein Stellungskrieg, da südlich von Leningrad. Die längste Zeit war das ein Stellungskrieg, da südlich von Leningrad. Die längste Zeit war das ein Stellungskrieg. So ein vorgeschobener Posten war immer mit zwei Mann besetzt, denn einer allein hätte ja einschlafen können. Diese Aufgabe war besonders schwierig, weil es Winter wurde und die Russen mit ihren Schneehemden fast nicht zu sehen waren. Dass ich die ersten Wochen überlebte, lag wieder an meinem Glück. Die Russen griffen nicht an. Anfangs ist es mir sehr schwer gefallen. Der Feind war nur ein paar hundert Meter entfernt, doch zu sehen bekam man die Brüder praktisch nie. Jedes Mal, wenn einer irgendwo schoss, zuckte ich zusammen. Bis dahin hatte ich keine Kampferfahrung und dann gleich so ein Einsatz? Ich bin kein gläubiger Mensch, habe mir nie viel aus der Kirche gemacht, aber damals war ich knapp davor zu beten. Der Kamerad, mit dem ich auf den Posten war, trug nicht dazu bei, meine Stimmung zu heben. Ständig erklärte er mir, dass in der Kanzel, so nannten sie den vorgeschobenen Beobachtungsposten, nur die Dienst täten, die das Spieß für entbehrlich halte. Mir ging es durch sein Gequatsche immer mieser. Wenigstens hinderte er mich am Beten. Stattdessen träumte ich verzweifelt von Paris, vom Casino, von den Betten dort und von dem Essen, kurz von unserem Leben als Größosse. Man könnte wirklich sagen, ich hatte gelebt wie Gott in Frankreich und nun bezahlte ich dafür eine astronomisch hohe Rechnung. Um die Jahreswende 1943-44 musste ich wieder einmal vor in die Kanzel. Es war ein ruhiger Wintertag, der Himmel war klar und kein Lüftchen regte sich. Wenn man in der Sonne saß, war es gut auszuhalten, ansonsten war es so eisig, dass es in den Augen schmerzte. Dazu die blendende Helligkeit des Schnees, die alle Konturen zu einer einzigen weißen Ebene verwischte. Wir mussten uns ständig beim Beobachten abwechseln, sonst wären wir schneeblind geworden. Den ganzen Tag über geschah nichts. Erst am späten Nachmittag kam ein russischer Flieger die Front von Süden her entlang. Wir nannten diesen Flugzeugtyp Nähmaschine, weil er sich wie eine ratternde Nähmaschine anhörte. Solche Nähmasch, weil er sich wie eine ratternde Nähmaschine anhörte. Solche Nähmaschinen waren nicht besonders groß. Wir nahmen sie schon deshalb nicht ernst, weil man ein Flugzeug, das sich wie eine Nähmaschine anhört, einfach nicht ernst nimmt. Gefahr vermuteten wir nicht, denn die Dinger wurden fast ausschließlich als Kundschaft eingesetzt. Außerdem fühlten wir uns in unserem verschneiten Unterstand sicher. Der Flieger drehte ab und wir wollten schon zum Sonnen die Kanzel verlassen, doch dann kam er wieder. Entgegen aller Wahrscheinlichkeit hatte der Pilot uns ausgemacht. Wir brauchten eine ganze Weile, bis wir kapierten, dass er einen großen Bogen flog und dann direkt auf uns zusteuerte. Und wir trauten unseren Augen nicht, als der russische Flieger die Pilotenkanzel zurückschob und mit der Hand eine kleine Bombe auf uns warf. Er ließ sie quasi aus dem Fenster fallen, genau auf unseren Unterstand. Im letzten Augenblick erkannten wir die Gefahr und versuchten, nach hinten zu laufen. Einmal mehr hatte ich unglaubliches Glück. Die Explosion zerriss die Kanzel. Ein hartes Ding traf mich am Rücken oder Kopf. Es war kein Bombensplitter, sondern musste wohl ein Teil des zersprengten Unterstandes sein, ein Stück Balken oder so. Ich wurde bewusstlos. Dass ich dabei verschüttet wurde, merkte ich nicht. Auch nicht, dass der rechte Zeigefinger halb ab war. Erst im Heereslazarett wachte ich wieder auf. Während ich meinen frischen Verband bestaunte, kam ein Wehrmachtsarzt an mein Bett und wollte, dass ich den Finger bewege. Bis auf den rechten Zeigefinger konnte ich das auch. Der Arzt meinte darauf, ich hätte ein unglaubliches Glück gehabt, mein Kamerad sei gefallen. Ich dagegen war verwundet worden und hatte nicht einmal Schmerzen gespürt. Zur vollständigen Genesung wurden wir zu unserem Heimatbataillon nach Augsburg zurückbeordert. Bald konnte ich leichten Dienst in der Küche der Kaserne ausüben. An den Kampfeinsatz war vorerst nicht zu denken. Schließlich hatte ich ja genau an dem Finger einen Verband, den ich zum Schießen benötigt hätte. Als ich wieder vollständig gesund war, erklärte man mir, meine Division sei nach Westen verlegt worden. Inzwischen war viel passiert. Die Alliierten hatten die Invasion in der Normandie gewagt und in kurzer Zeit ganz Frankreich zurückerobert. Das Oberkommando der Wehrmacht bereitete die Ardennen-Offensive vor. Und daran sollte ich nun teilnehmen. Zur Offensive selbst kam ich natürlich zu spät. Die anschließende Defensive erlebte ich dafür hautnah mit. Das war die Katastrophe bei Eschenach und Bruck. Wie der Fluss dort hieß, weiß ich nicht mehr. Aber in dem wäre ich beinahe ertrunken. Egal, wir sind darüber und sollten dem Krieg eine Wende geben. Was es da noch zu wenden gab, fragte ich mich. Wenn es nach mir gegangen wäre, ich hätte diesen dämlichen Krieg gar nicht erst angefangen. Aber mich fragte keiner. Sonst hätte ich denen gesagt, dass man immer, wenn man einen Krieg beginnt, damit rechnen soll, dass man den Krieg auch verlieren kann. Gut, ich verstehe vom Kriegshandwerk nichts. Schließlich bin ich gelernter Kellner. Aber dass man nicht mit der ganzen Welt einen Krieg anzettelt, das hätten wir Deutsche wissen müssen. Wenn nicht wir, wer dann? Ich will nur hoffen, dass wir am Dritten Weltkrieg nicht auch noch schuld sind. Mir war damals klar, dass der Spuk nicht mehr lange dauern kann. Daher ging es mir nur darum, mit heiler Haut davonzukommen. An das Danach dachte ich nicht. Was hätte das für ein Danach sein sollen? Als Kellner arbeiten? Ich hatte ja gesehen, was die Bombenangriffe in den deutschen Städten angerichtet hatten. Dort gab es bestimmt keine Grand Hotels mehr. Nein, über die Zeit danach wollte ich mir erst Gedanken machen, wenn es soweit war. Bis dahin musste ich das hier überleben. Ein Kellner ist schließlich kein Soldat. Daran ändert auch die Uniform nichts. In der Zeit meines Lebens wollte ich Bestellungen aufnehmen, Weine empfehlen, Speisen servieren, aufdecken, abräumen, kassieren, aber doch nicht auf andere Leute schießen. Das kam mir nach fünf Jahren Krieg absurd vor. Ist es wohl auch. Wenn mein Glück wirklich so groß war, wie ich bisher angenommen hatte, dann durfte es mich jetzt nicht im Stich lassen. Möglicherweise könnte man dem Glück ein kleines bisschen nachhelfen. So dachte ich mir das. Bei der ersten sich bietenden Gelegenheit wollte ich den Krieg beenden. Zumindest was mich betraf. Meine Kompanie hielt eine Bunkerkette besetzt. Ab und zu schickten sie uns als Stoßtrupp hinaus, um Gefangene zu machen. Aber die Amerikaner taten uns nicht den Gefallen, sich fangen zu lassen. Als sie anfingen, unsere Stoßtrupps zu fangen, änderte unser Hauptmann die Taktik. Vorher warteten wir im vordersten Bunker ab, was weiter geschah. An jedem zweiten Tag griffen die Amerikaner an. Die hatten da eine ganz besondere Kanone, so eine Art Panzerknacker. Mit der schossen sie sich auf den Bunker ein. Drei, vier Treffer hielt die Betondecke aus. Der sechste Schuss ging immer durch. Das wussten wir, zählten die Treffer und spätestens beim fünften nahmen wir die Beine in die Hand und liefen hinten hinaus. Und wenn kein Offizier dabei war, flüchteten wir gleich beim ersten Treffer. Wir waren ja nicht blöd. Ich meine, wir waren ja keine Helden. Die waren wohl schon alle tot. Wenn die Amis dann den Bunker stürmten, wunderten sie sich, dass da keiner mehr war. Obwohl wir doch vorher noch aus allen Rohren geschossen hatten. Wir saßen inzwischen im nächsten Bunker weiter hinten in Sicherheit. Zwei Tage später nahmen sie auch den unter Beschuss und wir zogen einen Bunker weiter. Das Spielchen konnte man kaum als Offensive bezeichnen. Die meiste Zeit waren wir auf dem Rückmarsch. Wir eilten sozusagen von Sieg zu Sieg zurück. Schließlich eröffnete uns der Hauptmann, der war so ein junges Kerlchen. Je länger der Krieg dauerte, desto schneller wurden die Offiziere befördert. Also der sagte uns, die Feldküche kommt nicht mehr vor. Die Essensträger trauen sich nicht zu unseren Bunkern, weil sie entweder von den Amis abgeknallt oder von den Partisanen niedergemetzelt würden. Mich wunderte das zwar, denn nach den Angriffen der Amis konnte man die Uhr stellen, so geregelt machten die das. Aber das war nicht das Problem. Das Problem war, dass wir ohne Feldküche aufgeschmissen waren. Der Hauptmann glaubte aber, das sei nur von vorübergehender Natur. Oder sagen wir, er behauptete, dass er das glaube. Mit einem Mal hatte ich eine Idee. Ich meldete mich bei ihm und sprach, Herr Hauptmann, in dem Bunker, den wir heute verlassen mussten, ist unsere ganze eiserne Ration zurückgeblieben. Ich bezweifle, dass der Feind unser Kommissbrot angerührt hat. Wir wissen außerdem, dass die Amerikaner erst übermorgen wieder angreifen. Wenn sie einverstanden sind, gehe ich zurück und hole im Schutze der Dunkelheit die Eiseneration der Leute, sonst verhungern wir hier. Offen versetzte ich und versuchte so zu lachen, wie Major von Gross immer gelacht hatte. Der Hauptmann musterte mich mit müden Augen. Ihm war klar, dass es keine Alternative zu meinem Vorschlag gab. Die Lage schien so verzweifelt, dass er gezwungen war, darauf einzugehen. Endlich murmelte er, ja, aber dann nehmen Sie sich noch ein paar Leute mit. Ich ging zu den anderen, die vor dem Bunker herumlungerten und fragte, wer mitkomme. Nur einer meldete sich, die anderen hatten offenbar zu große Angst. Dem Freiwilligen erklärte ich, pass auf, wir gehen da jetzt hin und holen die Eiseneration, die wir im letzten Bunker zurückgelassen haben. Wir kriegen hier sonst nichts zu essen. Wir marschierten los. Gut eine Stunde später im Wald sagte ich zu meinem Kameraden, pass auf, in dem Bunker vor uns sitzt der Ami schon drin. Wenn du willst, geh zurück zu unserem Haufen. Aber ich gehe da jetzt hinunter und ergebe mich. Lieber in Gefangenschaft, als einen Tag vor Kriegsende erschossen werden. Diese Vorstellung war grauenhaft. Und ich fügte hinzu, dass der Krieg nicht mehr lange dauert, das sieht ein Blinder mit Krückstock. Für das, was ich gesagt hatte, hätte er mich auf der Stelle erschießen können. Aber so einer war mein Kamerad nicht. Er hatte sich bloß freiwillig gemeldet, weil er so großen Hunger hatte. Nee, du, lass mal, da gehe ich auch mit, sagte er. Und ich atmete auf. Gut, dann mal los. Wir lehnten die Gewehre an einen Baum, stapften einen Abhang hinunter und schritten mit erhobenen Händen auf den Bunker zu, bis sich jemand vor uns überflüssigerweise Hands up brüllte. Weil wir die Hände schon oben hatten und auch nicht recht wussten, wie sowas ablief, blieben wir sicherheitshalber stehen. Hinter dem Bunker, Gewehr am Anschlag, kam ein Neger hervor. Wir erschraken. So einen hatten wir noch nie aus der Nähe gesehen. Der schwarze Mann blieb fünf Meter vor uns stehen und rührte sich nicht. Der weiß auch nicht weiter, dachte ich und rief ihm zu, dass der Krieg für uns vorüber sei. Da grinste der Neger und winkte uns heran. Andere Soldaten kamen und wir wurden nach Waffen abgesucht und weil es schon sehr spät war, durften wir bei ihnen in unserem ehemaligen Bunker übernachten. Am anderen Morgen brachten sie uns weiter nach hinten. Und je weiter wir transportiert wurden, desto mehr Kriegsgefangene sah ich. Immer stärker wuchs dieses Heer der deutschen Kriegsgefangenen an. Und als wir in der Nähe von Reims zu unserem vorläufigen Endlager gebracht wurden, Und als wir in der Nähe von Reims zu unserem vorläufigen Endlager gebracht wurden, mochten es viele Zehntausende, vielleicht sogar Hunderttausende sein, denen es so erging wie uns. Das Lager existierte noch nicht. Da war überhaupt nichts, nur ein riesengroßes Feld, 20 Mal so groß wie ein Fußballplatz. Lastwagen kamen herangerollt, wir mussten Stacheldraht, Bauholz und Pfosten abladen. Damit errichteten wir selbst die Zäune des Lagers. Schon witzig, sich selbst einzuzäunen, aber irgendwie war das auch symbolisch, denn viele von uns hatten sich freiwillig in Gefangenschaft begeben, da durfte man die Arbeit wohl von uns erwarten. Weggelaufen ist übrigens niemand, dabei wäre das bei der Handvoll Wachsoldaten bestimmt möglich gewesen. Wer froh war, den Krieg halbwegs heil überstanden zu haben, der lief nicht weg. Allerdings gab es keine Küche. Die Amis warfen uns von ihrem Lastwagen Säcke mit Erbsen und Bohnen hin. Alles roh. Holz für Feuer gab es nicht. Ich begriff, dass ich da was unternehmen musste, sonst würden wir vor die Hunde gehen. Rohes Gemüse, keine Waschgelegenheiten, zu wenig Latrinen für so eine Menschenmasse, es war nur eine Frage der Zeit, bis solchen uns unternährte und geschwächte Gefangene heimsuchen würden. Ich beschloss, mit dem Lagerkommandanten selbst zu sprechen. Das war einerseits ziemlich couragiert von mir, andererseits einfach notwendig. Das war einerseits ziemlich couragiert von mir, andererseits einfach notwendig. Die Kommandantenbaracke stand bereits. Also marschierte ich da hinein und bat um ein Gespräch mit dem verantwortlichen Offizier. Der Charge wollte mich glatt rausschmeißen, aber weil die Tür zum Lagerkommandanten offen stand und er mithörte, rief er, ich solle reinkommen. Vor dem Kommandanten sank mein Mut. Aber die Einsicht, dass gesagt, dass es gesagt werden musste, zwang mich dazu, ihm die Folgen der verheerenden Zustände im Lager zu erklären. Eine Weile ließ er mich auf Englisch Rade brechen, dann meinte er, ich könne ruhig Deutsch mit ihm reden, das verstehe er besser. Es stellte sich heraus, dass der Mann ein gebürtiger Deutsche war, ein Jude, der rechtzeitig vor dem Krieg nach Amerika ausgewandert war. An seinem Dialekt merkte ich sofort, dass er auch aus Frankfurt sein musste. Wir Frankfurter babbeln ja ein ganz besonderes Deutsch. Ich sprach ihn darauf an und er lachte und meinte, ja, aus der Nähe von Frankfurt. Dann fragte ich, dann fragte er, Sie reden so viel über das Essen und von der Verpflegung. Sind Sie einfach Koch? Köche haben in allen Lagern der Welt die größte Chance, dem Hungertod zu entgehen. Und dass man hier keinen gelernten Kellner brauchen würde, lag auf der Hand. Auf gut Glück behauptete ich, waren Sie vor dem Krieg mal im Grand Hotel Metropol essen? Der Sauerbraten dort war meine Spezialität. Der Lagerkommandant bekam glänzende Augen. Metropol, das ist doch gegenüber dem Hauptbahnhof. Ich nickte eifrig. Meine Lüge war goldrichtig gewesen. Freundlich sagte der Mann, nun, einen Koch könnten wir schon gebrauchen, aber für die amerikanischen Soldaten, verstehen Sie? Geht in Ordnung, sagen Soldaten, verstehen Sie? Geht in Ordnung, sagen Sie nur, was Sie gern essen und ich mache das. Dabei dachte ich, verhungern wirst du hier nicht, wenn du bei denen bist. So ein Glück, so ein verdammtes Glück, dass der Lagerkommandant aus der Umgebung von Frankfurt stammte und gern Sauerbraten aß. Ich sollte Recht behalten. Im Lager krepierten in den folgenden Monaten Tausende an Typhus, Ruhe, Cholera, an Entkräftung und was weiß ich noch alles. Aber ich, Heinrich Baus, ich hatte es geschafft. Ich hatte den Krieg überlebt und würde die Gefangenschaft überleben. Dafür nahm ich den Berufswechsel gerne in Kauf. Dankeschön. Applaus Thank you. © BF-WATCH TV 2021 Danke, Sven Daumenmerke für seine Klammergeschichte. Mir ist eingefallen, Samuel Beckert hat in der tollsten Sätze, die für mich ein Lebenssatz geworden ist, geschrieben, nichts ist komischer als das Unglück. Und dieses Unglück in Form einer Lüge zur Komik umzuwandeln, ist schon Kunst. Das ist schon... Mir ist dabei aufgefallen, wie unbeschreiblich Krieg eigentlich ist. Das ist nicht zu beschreiben. Oder kaum in Worte zu fassen. Ich weiß nicht, wie heute Menschen aus der Ukraine ihr Leben beschreiben würden oder könnten, welche Distanz sie dazu brauchen usw. Das geht mir alles durch den Kopf. Ich freue mich dann über solche Lügen. Ich freue mich dann über solche Ausreden. Früher hätte ich fürchterlich geschimpft als junger Mensch, hätte ich rebelliert gegen, ihr seid alle verlogen gewesen und was weiß ich und so weiter. Hätte ich gesagt, das kann man nicht, darf man nicht so aussprechen, so beschreiben, benennen. Okay, das tobt jetzt alles ganz schön in mir herum, muss ich sagen, danke Sven. Geboren 1966, ist Lyriker und Sachbuchautor. Lyriker und Sachbuchautor. Er hat gesagt, er hat heute keine Lyrik mit. Ist das richtig? Also, jetzt bin ich gespannt. Wir haben heute keinen einzigen Lyriker auf dem Tablett. Lieber Thomas, darf ich dich bitten? Thomas Schlager-Weidinger. Thomas Schlager-Weidinger. Applaus im Brotberuf ist der Hochschullehrer, wenn ich sage Brotberuf, bin ich Schauspieler, ist alles lustig, Mitglied der IG Autorinnen und Autoren und natürlich beim Linzer Autorinnen- und Autorenkreis. Herzlich willkommen, Thomas Schlager-Wadinger. Ja, Dankeschön. Ich möchte mich da beim Sven anschließen, die gleichen Gedanken, Assoziationen, die gekommen sind, wie man plötzlich mit dem Phänomen Krieg und vor allem mit den Fernsehbildern konfrontiert wird. Es hat in mir ein Nachdenken ausgelöst, das dann in diesem Essay gemündet ist. Ein Essay, ich bezeichne ihn einmal als ein semi-biografischer Essay. Es sind mehrere Umstände miteinander verwoben. Ich habe für den heutigen Abend dieses Geflecht versucht wieder auseinanderzunehmen, sonst wäre das Ganze zu lange. Der Essay ist eben ein Ausschnitt und ein Zuschnitt von der Kurzgeschichte Umbruch aus dem Erzählband Erwachen bzw. Erwachen. Der Protagonist kommt nie mit dem Namen vor, sondern wird immer nur er genannt. Das erlaubt dann dieses Wortspiel. Umbruch. Krieg in Europa. Diese Nachricht schlug ein wie eine Bombe. Sie erreichte sie, als er gerade mit seiner Frau nach Triest gefahren war, um bewusst Zeit miteinander zu verbringen. Eine erste gemeinsame Aktion nach einer heftigen Beziehungskrise. Es ging darum, das verlorengegangene Vertrauen und die einstmals so starke Vertrautheit wieder zu finden. Als sie von einem Ausflug nach Duino wieder in ihrem Hotel angekommen waren, hörten sie die Nachrichten. Sie trauten ihren Ohren nicht. Putins Truppen waren in der Ukraine einmarschiert. Neben dem Schock realisierte er die historische Dimension dieses Ereignisses. Und er wird diesen Augenblick wahrscheinlich nicht mehr vergessen. So wie den 9. November 89, an dem er vom Mauerfall in seinem Studentenzimmer vor einem kleinen Schwarz-Weiß-Fernsehgerät überrascht worden war und die ganze Zeit ungläubig mit dem Kopf geschüttelt hatte. Ein paar Monate zuvor war er noch in der DDR gewesen und nichts hatte darauf hingewiesen, dass vier Monate später ein System obsolet geworden war. Oder den 11. September 2001, wo er im Lehrerzimmer vom Terrorangriff auf das World Trade Center erfahren hatte. Dann war noch der 16. März 2020, ein sonniger Vorfrühlingstag, der Beginn des ersten Lockdowns. Corona zeigte den Menschen ihre Grenzen und Verletzlichkeit auf, auch ihm. Sein Blick fiel wieder auf den Fernseher. Er sah militärische Fahrzeuge, die großteils mit einem Z gekennzeichnet waren. Die russische Armee griff die Ukraine in den Morgenstunden aus mehreren Richtungen an. Angeblich handelte es sich um einen Einsatz in den sogenannten Volksrepubliken Donetsk und Luhansk. Allerdings gab es auch Berichte über Angriffe jenseits dieser Gebiete in der Ostukraine. In einer Fernsehansprache rief Putin die ukrainische Armee auf, die Waffen niederzulegen. Die Ukraine sprach von Angriffskrieg. Die Bilder aus Kharkiv, Kiew und anderen Orten wirkten gespenstisch. Heulende Sirenen, Explosionen, russische Militärfahrzeuge und Panzer sowie erste Flüchtende. Irgendwie passte das nicht in ihre Zeit. russische Militärfahrzeuge und Panzer sowie erste Flüchtende. Irgendwie passte das nicht in ihre Zeit. Kriege fanden im Fernsehen statt, als geschichtliche Dokumentationen über den Zweiten Weltkrieg oder als Reportagen aus unterentwickelten Regionen in Afrika und Arabien. Aber nicht in Europa, in unmittelbarer Nachbarschaft. Aber nicht in Europa, in unmittelbarer Nachbarschaft. Er war schockiert und er verfluchte Putin. Nichts zeigte seine Distanz zur Wahrheit und zu den Menschen deutlicher als die Länge seiner Verhandlungstische. Warum musste sich Russland verteidigen? Es gab keinen Angriff durch die Ukraine. Wo waren die Beweise für einen Genozid? Und wo befanden sich die Nazis? Täuschen und Tarnen auch sprachlich. Den Angriffskrieg nannte Putin militärische Spezialoperation und die Annexion Befreiung. Annexion, Befreiung. Als Historiker fiel ihm gleich die Parallele zu Hitlers Rede im Berliner Sportpalast im September 38 auf. Pathetisch und besorgt zugleich hatte der Krüferz auf die zehn Millionen Deutschen hingewiesen, die sich außerhalb der Reichsgrenze in zwei großen geschlossenen Siedlungsgebieten befunden hatten. Deutsche, so Hitler, die zum Reich als ihrer Heimat zurück wollten. Und um den Frieden in Europa nicht zu gefährden, wurde schließlich im Münchner Abkommen beschlossen, dass das Sudetenland an das Deutsche Reich abgetreten wird. Was für ein fataler Fehler. Hitlers Behauptung, das Sudetenland wäre seine letzte territoriale Forderung, war eine glatte Lüge. Gut einen Monat nach dem Abkommen hatte er die Wehrmachtung Prags, dass der tschechische Staatspräsident sein Land dem Deutschen Reich untergestellt hatte. Der Einmarsch der Wehrmacht in Prag bedeutete das Ende der britischen Appeasement-Politik. Dieses Bemühen um Befriedung ging davon aus, dass es in einem unvertrauten fremden Regime Falken und Tauben im politischen Establishment gäbe, die miteinander im Wettbewerb stünden. Man könne die Tauben vor allem durch Zugeständnisse im wirtschaftlichen Bereich stärken. Aber anscheinend war und ist es so, dass sich Diktatoren von einst und gegenwärtige Autokraten wie Putin, Orban, Erdogan oder Xi Jinping nicht an diese Annahmen halten. Als die Sowjetunion vor gut 30 Jahren zusammengebrochen und der Kalte Krieg zu seinem Ende gekommen war, hielt auch er die Zeit einer neuen Weltordnung für gekommen. Die Menschheit, so dachte er, schien endlich bereit, ihre Dämonen hinter sich zu lassen. Autoritäre und totalitäre Herrschaftsordnungen, aggressive Nationalismen und Großmachtkonflikte, die allesamt oft genug zu verheerenden Kriegen geführt hatten. An ihrer Stelle, so seine Hoffnung, würde eine freiheitliche Ordnung treten, geprägt von Demokratie und internationaler Kooperation, von wechselseitiger Öffnung und Globalisierung. Doch seit einigen Jahren nahm er vielmehr eine Schubumkehr wahr. Nicht nur hatten sich autoritäre Systeme als widerstandsfähig erwiesen, sie versuchten inzwischen in immer größerem Maße ihrerseits auf westliche Demokratie in Einfluss zu nehmen. Damit wollten sie das eigene Regime stärken, die Anziehungskraft liberaler Staaten schwächen und die Welt in eine illiberale Richtung lenken. Und im Westen gab es zahlreiche Ableger, die eifrig kopierten und erfolgreich damit waren. Auch in seiner türkisblauen Alpenrepublik, die mit einem populistischen Kanzler sowie einem strammen Innenminister den Rechtsstaat Stück für Stück demutieren wollten. Und seine Landsleute waren höchst zufrieden damit. Gestoppt wurden die Alpinautokraten aber nicht durch einen Volksentscheid, sondern von einer tragischen Inselposse. Nach diesen schockierenden Nachrichten musste er noch an die frische Luft. Sie gingen zunächst zur Piazza Grande. Eigentlich ist sie seit über 100 Jahren schon anders, aber im alten Namen spiegelte sich das, was ihm so an Triest gefiel. Das hatte rein gar nichts mit Habsburg zu tun, vielmehr mit dem weitläufigen und mondänen, mit dem Klang der vielen Sprachen und den mannigfachen Blickwinkeln, Mit einem österreichischen Denken, das weiter reichte als vom Boden bis zum Neusiedlersee. Die Piazza Grande glich einem Freilichtsalon mit Meeresblick. Abends war sie mit blauen Bodenlampen illuminiert. Sie umrundeten den riesigen Platz und schlugen beim Palazzo Modello den Weg zum Börsenplatz ein. Die Straßen um Pflaster waren mit bunten Konfetti überzogen. Es war Karneval und ihnen war nicht zu lachen. Auf der Piazza della Borsa wollte er das neu errichtete Denkmal für Gabriele Danunzio anschauen. Es war nicht nur hässlich, sondern einfach nur dämlich. Denn Danunzio war nicht nur ein Dichter oder ein berühmter Flieger, sondern ein einflussreicher Protofaschist. Seine Frau und er hatten genug. Sie gingen ein kleines Stück des Weges zurück und ließen ihm Urbanis mit Aperol und Knappereien den Tag ausklingen. Sie hatten ihren Kurzurlaub zu einer Zeit geplant, als er es noch für unmöglich gehalten hatte, dass es einen russischen Angriffskrieg geben könnte. Sie verständigten sich darauf, dennoch an ihrer Absicht festzuhalten, das Stadtmuseum des Krieges für den Frieden, Diego de Henríquez, zu besichtigen. Das Stadtmuseum war in den Gebäuden einer ehemaligen Kaserne untergebracht. Diego de Henríquez versuchte den Weg zu einem globalen Ansatz zum Thema Krieg zu finden. Dabei wollte er das Konzept von Konflikt im Namen eines bewussten humanitären Strebens in Richtung Frieden überwinden. Von daher hat er auch kein Kriegsmuseum im engeren Sinn gegründet, sondern ein Museum der Gesellschaft des 20. Jahrhunderts im Konflikt mit ihren eigenen Dämonen und Schrecken auf dem langen und kontrastreichen Weg zu einem langersehnten, dauerhaften Frieden. Weg zu einem lang ersehnten, dauerhaften Frieden. Der geniale Werbeslogan des Heeresgeschichtlichen Museums in Wien, Kriege gehören ins Museum, würde auch hier gut passen. Außerdem würde er von vornherein signalisieren, dass es nicht um die Beachtung von Panzern und Kanonen geht, sondern um ihre Ächtung. Interessant wurde es für ihn vor allem im Abschnitt 3 des Museums, welcher der Propaganda gewidmet ist. Und da war sie wieder, die Gegenwart. Putin und seine Spezialoperation. Das Ziel? Die Täuschung war gleich geblieben, aber die Mittel dazu haben sich vervielfacht. Die Realität des Krieges wurde im anschließenden Abschnitt des Museums mittels vergrößerter Bilder und Briefen von der Front dargestellt, vom Schützengraben über Gasangriffe bis hin zu den Verwundungen. Die Bilder ähneln sich durch Vorsehen wiederum. In den sozialen Netzwerken machten die ersten Videos aus der Ukraine die Runden. Sie zeigten ebenfalls Zerstörung, Leid und Tod. Nach gut drei Stunden verließen sie das Museum. Mehr verunsichert als bestätigt. Natürlich setzte er auf Frieden. Und bis gestern hätte er sich als überzeugten Pazifisten bezeichnet. Bewusst hatte er sich als Jugendlicher für den Zivildienst entschieden. In den 80ern musste er noch vor einer Kommission seine Gründe darlegen, warum er den Wehrdienst und den Dienst mit der Waffe verweigert. Und jene, die ganz selbstverständlich zur Waffe griffen, mussten das nicht. Davor war eine schriftliche Begründung abzugeben. Als Christ und Theologiestudent hatte er sich auf die Bibel bezogen und sowohl das Tötungsverbot, die Feindesliebe als auch die Bergpredigt angeführt. Von der absoluten Richtigkeit und Relevanz der beiden Jesu-Worte, selig die keine Gewalt anwenden und selig die Frieden stiften, war er überzeugt. Bis gestern. Natürlich kannte er die positiven und erfolgreichen Beispiele des gewaltlosen Widerstands. Von Gandhi über Martin Luther King bis hin zu den Montagsdemonstrationen in der DDR. Aber die angestrebte Deeskalation durch das bewusste Hinhalten der anderen Wange funktionierte doch nur, weil der Aggressor sein Gegenüber nicht schon vorher umgebracht hatte. Deshalb, dachte er, können die radikalen Forderungen der Bergpredigt angesichts des brutalen Vorgehens Putins nicht der letzte Maßstab von Friedenspolitik sein. Ein bloßer Friedensappell und ein noch so tiefes Mitgefühl erschienen ihm beinahe zynisch, angesichts eines gewaltsamen, vorgehenden russischen Präsidenten, der sich wie ein unberechenbarer Diktator gebärdete. Auch die beiden Ausstellungen, die er sich eben angeschaut hatte, bestärkten ihn zu einem Umdenken. Hitler wurde durch die militärische Kraft der Alliierten gestoppt. Angesichts der gegen sie gerichteten Aggression hielt er das Selbstverteidigungsrecht der Ukraine für unbestritten. Gleichzeitig war ihm als Historiker jedoch klar, dass Frieden letztlich nicht mit Waffengewalt herzustellen war. Frieden ist mehr als die Abwesenheit von Krieg. Es geht um Gerechtigkeit, um Freiheit, um tragfähige Beziehungen und um die Möglichkeit der Teilhabe an Macht und Lebensmöglichkeiten. Aber um sich gegen einen Aggressor, der nichts mit Menschenrechten am Hut hat, zu verteidigen, brauchte es zumindest kurzfristig Waffengewalt. Er schämte sich für diesen Gedanken. Wahrscheinlich auch deswegen, weil etwas, das er als seine feste Überzeugung betrachtete, nicht mehr in dieser Form haltbar war. Trotzdem wäre es gegen all seine Prinzipien gewesen, wenn er aus diesen Überlegungen heraus seinen Pazifismus abschwören würde. Für vernünftiger hielt er es, wenn er statt eines klassischen oder radikalen Pazifismus auf einen Verantwortungspazifismus setzen würde. Demzufolge ist es möglich, dass die Wahrung und Wiederherstellung des Rechts unter bestimmten Umständen, auch unter Einsatz militärischer Gewalt, ethisch durchaus legitimierbar ist. Diese Argumentation folgt dem Grundsatz, militärische Mittel nur als Ultima Ratio einzusetzen und betont den Primat der friedlichen Konfliktlösung. Das ist der zentrale Unterschied zum radikalen Pazifismus. der zentrale Unterschied zum radikalen Pazifismus. Pazifisten hatten auch in diesem Sinn viel zu tun. Der Rückfall in die Rhetorik des Kalten Krieges und der Schützengräben lag auf der Hand und die Aufrüstung der Armeen erhielt in diesen Tagen eine unhinterfragbare Plausibilität. Irgendwie schien sich die Geschichte doch zu wiederholen. Beendigung eines Eroberungskrieges mittels militärischer Überlegenheit, danach Abschreckung durch Aufrüstung in einem kalten Krieg und begleitend dazu der Einsatz für eine friedlichere Welt. Was und wie er auch dachte, ihm war klar, dass man in dieser Situation keine weiße Weste behalten konnte. Ob man sich gegen oder für die militärische Unterstützung der Ukraine aussprach. Immer waren Opfer damit verbunden, auf der einen oder anderen Seite. Je länger er nachdachte, umso plausibler erschien ihm seine Position. Wenn ein ukrainischer Soldat einen russischen Soldaten tötet, so seine humanistisch-christliche Überzeugung, ist das niemals etwas Gutes. Es kann aber aus verantwortungsethischer Sicht ein entschuldbares Übel sein. Denn, so resümierte er weiter, was würde passieren, wenn die Ukraine sich nicht verteidigt? Einem ganzen Volk würde wohl die Freiheit genommen. Andere Länder wie China könnten sich zu mehr Gewalt und Krieg eingeladen fühlen, etwa gegen Hongkong oder Taiwan. Und eine Logik von Erpressung, Tod und Unterdrückung würden sich weiter ausbreiten. Das alles darf nicht passieren. Und nochmals, was, wenn sich die Alliierten nicht militärisch der Hitlerdiktatur entgegengestellt hätten? Die Ausstellungsbesuche und das Nachdenken machten sie müde. Sie nahmen einen Bus und fuhren in ihre Unterkunft. Danke. Danke, lieber Thomas. Das hat das sehr irre auf den Punkt gebracht, würde ich sagen. Das ist genau das Problem. Vom radikalen Pazifismus zu einem gemäßigten Pazifismus. Gibt es sowas? Wie kann man das definieren? Und so weiter. Also mich hat das schon sehr... man das definieren und so weiter. Also mich hat das schon sehr sehr... Will ich nochmal drüberlesen und reinlesen nochmal. Herzlichen Dank. Meine Damen und Herren, es hat doch ein bisschen länger gedauert heute, aber bei vier solchen Kapazunden darf es einmal ein bisschen länger dauern. Ich bedanke mich ganz herzlich für Ihre Aufmerksamkeit. Ich bedanke mich ganz herzlich für Ihre Aufmerksamkeit. Ich bedanke mich bei den Autoren heute für ihre Beiträge. Ich hoffe, dass wir wieder friedlicheren Zeiten entgegenschreiten können. Ich weiß auch nicht, wie das gehen kann, wird oder soll. Wir sind alle so ratlos da auf dem Thema. Wir sind so auch hilflos und irgendwo, wir sagen ja, wir wollen diesen Pazifismus, wir wollen keine Waffe in die Hand nehmen. Und dann sind die da drauf gekommen, dass man Hitler eigentlich umbringen hat müssen, wollen, dürfen, können und das hat nicht geklappt. Das ist das Allerschlimmste. Das hat dreimal nicht geklappt und das finde ich, das ist ja das Ungeheure. Und ich habe einen Freund in Kreta jetzt getroffen, der die ganze DDR Geschichte durch erlebt hat eigentlich und gesagt, also sowas von einem Stalinisten wie Putin hätte er noch nie erlebt. In der ganzen DDR-Zeit nämlich nicht. Und der Putin sagte, kann man das so brutal sagen? Und er gesagt, ja, so ist es aber. Das ist einer der schlimmsten und brutalsten Stalinisten, die es wirklich gibt. Und mir fällt dazu auch leider gar nichts ein, außer Ihnen nochmal herzlich zu danken, meine Damen und Herren. Danke der Wikival, die uns noch eins spielen wird. Ich wollte Sie noch ganz kurz auf die nächsten Veranstaltungen des Autorinnen- und Autorenkreises hinweisen. Am 19.10. sind wir, da sind wieder zwei Damen und zwei Herren dabei. Die Christine Schmidhofer und der Am 10. sind wir, da sind wieder zwei Damen und zwei Herren dabei, die Christine Schmidhofer und die Ursula Hirtl lesen zum Thema Kühlen, was immer Sie auch darunter verstehen, vielleicht sind Sie auch so cool, die Damen, dabei. Wir haben noch eine dritte Dame, nämlich Evelyn Leb am Saxophon. Und das ist im Café Traxlmeier am 19.10., das ist nächste Woche. Und ich würde mich freuen, wenn Sie ein bisschen Mundpropaganda machen würden und vielleicht zu einer oder anderen Lesung kommen können. Am 5.11. sind wir noch in Ried, am 17.11. sind wir im Smaragd mit Solitär. Und am 9.12. so alles hinhaut, wie wir es wollen, eine Weihnachtslesung im Cinematographen in Linz. Da wollen wir auch mal hinkommen. Also, meine Damen und Herren, Sie sehen, wir haben noch einiges vor uns. Der Autorinnen- und Autorenkreis ist nicht faul gewesen. Ich habe viel zu viel geredet, entschuldigen Sie, tut mir leid. Und ich wünsche Ihnen noch einen recht schönen Abend. Dankeschön. Applaus ¦... Thank you.