12. Dezember Soll ich Ihnen eine Geschichte erzählen? Eine wahre Geschichte? Eine wahre Geschichte, die klingt, als hätte ich sie erfunden, ja? Also, es ist die Geschichte von einer unglücklichen Liebe. Von einer unglücklichen Liebe zwischen einem Mann und einer Frau. Nennen wir die Frau nur sie und den Mann nur er. Also, sie hatte nicht gewusst, was sie noch tun sollte. Sie war der Verzweiflung nahe. Seit Jahren, was heißt seit Jahren, es waren sicherlich Jahrzehnte, die sie es immer wieder und immer wieder probiert hatte. Ohne Erfolg. Angefangen hatte es damit, dass sie sich von seiner positiven Ausstrahlung, von seinem ruhigen Wesen angezogen gefühlt hatte. Dann waren seine Augen dazugekommen, diese wasserblauen, hellen Augen, mit denen er sie so oft so gütig und verständnisvoll angeschaut hatte. Und seine ausgeglichene Art, die Art eben, wie er ihr, wenn sie ihm manchmal von ihren kleinen und größeren Problemchen erzählte, zuhörte, wie er nachdachte, versuchte ihr klarzumachen, dass ihre Problemchen doch in Wahrheit nur Kleinigkeiten, wichtig zwar für sie, aber doch im Grunde nur Kleinigkeiten waren. Auf alle Fragen hatte er eine Antwort parat. Immer fand er einen Ausweg, wenn sie nicht mehr weiter wusste. So war es eben einfach passiert und sie war erschrocken, als sie es bemerkt hatte. Sie hatte sich in ihn verliebt. Zuerst hatte sie dagegen angekämpft, hatte sich klarzumachen versucht, dass das nie klappen würde mit ihnen beiden, hatte den Altersunterschied ins Treffen geführt, hatte ihre Jugend und sein fortgeschrittenes Alter gegenübergestellt, aber just zu der Zeit hatte sie in einem Wochenmagazin einen Beitrag über Paare mit großen Altersunterschieden gelesen, in dem die Partner über ihr gemeinsames Leben, über das Glück, das diese Beziehung trotz oder gerade wegen ihres unterschiedlichen Lebensalters für sie bedeutete, erzählt hatten. Vorbei war es gewesen mit der Vernunft, die sie damals fast zur Aufgabe ihrer Hoffnung, mit ihm doch noch die so erwünschte Beziehung erleben zu dürfen, bewegt hatte. Es war ein Zeichen für sie gewesen, was sie da gelesen hatte. Wenn es andere geschafft hatten, wenn andere glücklich sein konnten in diesen Beziehungen, warum sollte es ihnen nicht auch gelingen? Ab diesem Zeitpunkt hatte sie ihr Verhalten ihm gegenüber geändert. Klug genug hatte sie ihre Pläne nicht versucht radikal umzusetzen, sondern hatte ihm oft und öfter mit kleinen Zeichen nur ihre Zuneigung gezeigt. Er hatte nicht reagiert. Sie war sich nicht sicher gewesen, ob er sie absichtlich übersehen hatte, ihre kleinen Aufmerksamkeiten oder nicht bemerkt hatte, was sie für ihn empfand, ihm immer und immer wieder andeutete. Also hatte sie eines Tages beschlossen, dass sie ihre Signale intensivieren musste, wenn sie ihn mit den kleinen Liebesbeweisen nicht überzeugen konnte. Eines Sommers hatte sie ihn gefragt, ob sie nicht gemeinsam eine kleine Reise unternehmen sollten, hatte, um die Sache nicht zu offensichtlich werden zu lassen, eine Bildungsreise nach Jerusalem vorgeschlagen, mit einem Besuch in der Geburtskirche Christi. mit einem Besuch in der Geburtskirche Christi. Aber er hatte abgelehnt, hatte ihr erklärt, dass er dort schon gewesen wäre am Beginn seiner Studienzeit und dass er außerdem ungern in den Süden fahre, weil er in der Hitze schrecklich schwitze und ihm das peinlich wäre. Sie hatte noch versucht, ihn umzustimmen, ihn sozusagen als Fachmann gebeten, sie zu begleiten, ihm versichert, dass sie kein Problem hätte mit schwitzenden Menschen, aber er hatte trotzdem abgelehnt. Sie war dann ohne ihn mit einer Pilgerreise nach Jerusalem gefahren und hatte ihn kaum zurück mit den Fotos ihren begeisterten Erzählungen versucht, Lust auf eine zukünftige Reise mit ihr zu machen. Erzählungen versucht, Lust auf eine zukünftige Reise mit ihr zu machen. Er hatte ihr zugehört, hatte aber dann mit dem Hinweis auf sein Alter eingestanden, dass er inzwischen schon ungern und wenn, dann eher alleine reisen würde. Nun gut, dieser Versuch hatte nichts gebracht. Der nächste war ebenfalls gescheitert. Zumindest hatte er nicht den Erfolg gebracht, den sie sich erhofft hatte. Sie hatte ihm gebeten, ihr ein Foto zu schenken. Er hatte gemeint, dass er es nicht für notwendig halte, dass sie ein Bild von ihm hätte, wo sie beide sich doch ohnehin so regelmäßig sehen würden. Als sie Wochen später noch einmal dieses Thema angeschnitten hatte, dieses Mal hatte sie gemeint, sie würde das Foto für die Kinder brauchen, da hatte er ihr unwillig eine Internetadresse genannt, von wo sie sich, wenn es unbedingt sein musste, sein Bild herunterladen könnte. Bild noch dazu, dass vor einigen Jahren von einem sehr guten Fotografen gemacht worden war, wie er extra betonte, und dass ihm selbst auch sehr gefallen würde und dass er auch als einziges für die Veröffentlichung freigegeben hatte. Beleidigt über diesen Vorschlag hatte sie dieses Thema als abgeschlossen betrachtet. Das Foto hatte sie sich allerdings doch aus dem Netz geholt und als Bildschirm schon auf ihrem Computer geladen. So konnte sie ihn wenigstens daheim jederzeit bei sich haben, wenn sie dazu Lust hatte. Es war übrigens ein wirklich außergewöhnlich schönes Porträt, das ihm sehr schmeichelte. Und je öfter sie ihn bei sich zu Hause auf dem Bildschirm betrachtete, desto fester wurde ihr Entschluss. Wenn schon er mir kein Bild von sich gibt, dann schenke ich ihm ein Foto von mir, hatte sie beschlossen. Sie hatte denselben Fotografen kontaktiert und hatte sich von ihm ablichten lassen. Aber sie war enttäuscht gewesen vom Ergebnis. Die Bilder waren nett, aber nicht aussagekräftig in ihrem Sinne gewesen, hatte sie festgestellt. Also war sie durch die Stadt spaziert und hatte die Auslagen der Fotografen überprüft und war schließlich fündig geworden. Zwei Tage später war sie an einem Nachmittag in dieses Fotostudio gegangen, mit einem kleinen Köfferchen in der Hand. Der Fotograf war sehr nett gewesen und hatte sich zuerst bei einem gemeinsamen Café über ihre Wünsche, die Fotos betreffend, unterhalten. Sie hatte allen Mut zusammengenommen und gesagt, dass sie wegen der Fotos in der linken Auslage gekommen wäre. und gesagt, dass sie wegen der Fotos in der linken Auslage gekommen wäre. Seine Augen hatten wissend aufgeblitzt, und er war schnell, fast ansatzlos aufgestanden, und hatte gemeint, dass sie dann ja keine Zeit verlieren sollten, wenn sie ohnehin schon genau wüsste, was sie wollte, fotomäßig. Sie waren vom Verkaufsraum mit dem Bistrotischchen und den Tonnetzstühlen zurück in das Studio gegangen und er hatte gemeint, sie solle sich schon einmal vorbereiten, er müsse noch einige technische Vorbereitungen treffen. Sie hatte sich umgesehen und ein Paravent entdeckt, hinter dem sie sich umziehen hatte können. Natürlich hatte sie sich nicht sehr wohl gefühlt in ihrem kurzen weißen Kleidchen mit den goldenen Sternen drauf, aber er hatte ihr die Scheu mit professionellen Anweisungen genommen. Es war ein schnelles, effektives Fotoshooting gewesen und schon einen Tag später hatte sie der Fotograf angerufen und sie gebeten, ins Geschäft zu kommen, damit sie sich die Fotos anschauen und auch ihre Lieblingsaufnahmen aussuchen konnte für die Präsentationsmappe. Nervös war sie hingegangen und war überrascht worden von den Bildern. So weit hatte sie eigentlich gar nicht gehen wollen. Aber nun waren sie einmal gemacht, diese Fotos, und jetzt wollte sie das Projekt, wie sie ihren Versuch, ihn für sich zu gewinnen, inzwischen nannte, auch zu Ende bringen. Sie suchte sich ein, zwei eher unverfängliche Aufnahmen aus, die sie auch anderweitig verwenden würde können, aber dann entschied sie sich für die drei Bilder, als sie Stück für Stück ihr Hemdchen weiter und weiter hochgezogen hatte. Die Idee hatte sich dort beim Fotografieren, beim Aussuchen schon spontan ergeben und sie wusste, das würde es sein. Sie würde ihm die Serie über das Internet schicken, schön aufgeteilt auf mehrere Tage. als Abzüge 18x24 hochglanz zu machen, als auch ihr eine Foto-CD davon zu brennen. Kein Problem für einen Fotografen von heute, hatte sie gewusst. Und wieder zwei Tage später hatte sie Fotomappe und die CD daheim. Es dauerte keinen ganzen Tag, dann wusste sie, wie man Bilder per E-Mail verschickt. Zuerst schickte sie ihm das eine Foto, das sie mit ihrem Kleidchen neckisch bis zum Oberschenkel reichend zeigte. Keine Reaktion. Stufe 2, eine Woche später, war das Bild, das sie von hinten zeigte, das Kleidchen nur noch halb dem Po verhüllend. Keine Reaktion. Ob er seine E-Mails nicht regelmäßig abrief? Stufe 3 noch eine Woche später, genau zwei Tage vor Weihnachten, bewirkte dann endlich eine Reaktion. Allerdings nicht die, von ihr erwartete. Polizisten im Zivil kamen zu ihr, fragten höflich, ob sie einen Computer hätte. Sie bejahte. Ob sie auch einen Internetanschluss hätte, war die nächste Frage. Wieder bejahte sie wahrheitsgemäß. Ob sie sich kurz ihren Computer anschauen dürften, fragten die beiden Polizisten jetzt. den Polizisten jetzt. Natürlich erlaubte sie es den beiden Herren. Sie hatte sich inzwischen ausgewiesen. Ob sie sich auch kurz auf ihrer Festplatte umsehen dürfen? Ja, aber was sie denn suchten, wollte sie schon etwas verunsichert wissen. Es wären, sagte der eine der beiden, in letzter Zeit einige sehr eigenartige Fotos aufgetaucht bei einem sehr berühmten Herrn, dessen Namen Sie natürlich nicht nennen dürften. Sie würden routinemäßig auch bei ihr nachsehen. Die Sache wäre wahrscheinlich in ein paar Minuten erledigt. Nun gut, was soll ich noch länger erzählen? In diesem Jahr musste der Weihnachtsmann die ganze Arbeit alleine machen. Das Christkind saß ab dem 23. Dezember im Untersuchungsgefängnis. Sexuelle Belästigung des Weihnachtsmannes. So einfach ist das.