Einen wunderschönen guten Abend, geschätztes Publikum. Ich freue mich sehr, dass auch viele Herren da sind. Herzlich willkommen zum heutigen Abend zur Lesung von Yvonne Wiedler aus ihrem Buch Heimat bist du toter Töchter. Mein Name ist Sabine Weniger-Bodlak. Ich bin Geschäftsführerin der Frauenberatungsstelle Insel in Scharnstein. Wir sind eine Frauenservicestelle und wenn Sie sich jetzt fragen, was macht die Scharnsteinerin da in Ischl, dann kann ich Ihnen sagen, dass wir seit Monaten versucht haben, eine Location für diese Lesung zu bekommen. Und irgendwie ist seit 2020 ein bisschen was anders und die haben sehr viel Nachholbedarf, von daher war es nicht möglich, in Scharnstein was zu finden. Und dann habe ich da Silvia Ritt vom Medienportal mein Leid geklagt und die hat mir gesagt, du, da macht wer was in Ischl, frag einmal und schau, ob das geht. Und habe dann Alexander de Göderin kennengelernt und nachdem die Yvonne Wiedler uns dankenswerterweise auf ihrer Tour eingeschoben hat, im Rahmen der 16 Tage gegen Gewalt an Frauen, die von 25. November bis 10. Dezember laufen, sind wir heute hier am 15. Tag dieser 16 Tage in Bad Ischl. Herzlichen Dank Alexander de Göderin, den Host, den Gastgeber hier in der Kurdirektion. Danke, Silvia Ritt vom Medienportal. Sie sehen die Kameras, es wird mitgefilmt, das gibt es dann auf unserer Homepage zum Nachschauen. Ich darf im Anschluss an Fragerunde und Signierstunde noch ein kleines Interview mit der Yvonne Wiedler machen. Und an dieser Stelle begrüße ich die Yvonne Wiedler auch sehr herzlich. Vielen Dank. Wendiges Buch, 16 Tage gegen Gewalt an Frauen. Österreich ist leider im internationalen Spitzenfeld, was Femizide angeht. Wir hören dann immer von der Spitze des Eisbergs, da ist noch einiges darunter. Also falls es Ihnen zu stark werden sollte, bitte, Sie dürfen gerne aufstehen und gehen, herumgehen oder sich auch eine Auszeit gönnen. In diesem Sinne, herzlichen Dank, dass Sie gekommen sind. Ich weiß nicht, was man bei so einem schweren Thema, wie man das wünscht, aber Yvonne Wiedler wird uns jetzt ein bisschen in die Thematik einführen, weil es einfach wichtig ist, hinzusehen und das tun wir während dieser 16 Tage ganz besonders. Und jetzt wünsche ich uns einen interessanten Abend. Dankeschön. Hallo, alles gut? Hört man mich überall? Dann stelle ich mich kurz auch nochmal vor. Mein Name ist Yvonne Wiedler, ich bin Journalistin und Autorin und beziehe mich jetzt auch noch auf die Triggerwarnung, die gerade genannt wurde. Ich möchte vorab kurz erklären, warum ich mich dazu entschieden habe, diese brutale Gewalt so genau und detailliert zu schildern an manchen Stellen. Ich habe da vorab mit unterschiedlichen Gewaltschutzexpertinnen aus dem Feld gesprochen und habe eigentlich einhellig, bin ich dazu bestärkt worden, das auch so zu machen. Ganz einfach, weil diese Gewalt, diese Männergewalt seit vielen Jahren tabuisiert wird und vielen Menschen auch nicht bewusst ist, in welchen Beziehungen diese Frauen eigentlich leben, was diese Gewalt bedeutet, wo diese Gewalt beginnt und was das für ein Alltag sein kann. Das wird natürlich oft auch von dieser Frage begleitet, warum geht sie nicht einfach, warum ist sie geblieben, was ja auch ein bisschen eine Art von Täter-Opfer-Umkehr ist, weil wir nicht den Frauen die Schuld geben sollten, wenn sie bleiben, sondern eigentlich dorthin schauen sollten, wo diese Gewalt beginnt. Und ich bin auch eine große Fürsprecherin davon zu sagen, nicht Gewalt gegen Frauen, sondern Männergewalt, weil es ist zu 95 Prozent Gewalt, die von Männern ausgeht. Das hat natürlich seine Ursprünge. Warum ist das in Österreich so? Warum haben wir so eine hohe Anzahl an Betretungsverboten? Es waren 13.000 im letzten Jahr und fast alle sind von Männern ausgegangen. Das wird alles in diesem Buch erklärt oder zumindest versucht zu erklären. Viele Fragen konnte ich beantworten. Einige sind sehr komplex. Ich habe mich dazu entschieden, in dem Buch auch neben der Systemtheorie, Ich habe mich dazu entschieden, in dem Buch auch neben der Systemtheorie, also Polizeiarbeit, Gewaltschutz, Beratungsstellen, Gesetzeslage, auch die Geschichten von sechs Frauen zu erzählen. Vier von ihnen sind ermordet worden, zwei von ihnen haben überlebt. Ich werde heute jetzt aus dem Vorwort ein bisschen vorlesen, damit Sie einen Einblick bekommen, was wird alles abgehandelt im Buch, was sind die Problemfelder. Das ist ein recht guter Querschnitt durch den Inhalt des Buches. Und dann werde ich einen Fall vorlesen von einer Frau, die leider nicht überlebt hat. Vielleicht ist der Fall auch hier bekannt. In Wien ist er bekannt unter dem Namen Trafikantinnenmord. Da war ich auch bei der Gerichtsverhandlung und habe mit sehr vielen Menschen gesprochen, die da involviert waren, auch aus dem Umfeld von Nadine, so hat das Opfer geheißen. Und der ist mir sehr gut in Erinnerung geblieben, weil man an dem Fall auch sehr gut die Probleme im System erkennen kann. Aber das werden Sie jetzt gleich hören. Der gefährlichste Ort für eine Frau hierzulande ist nicht die abgelegene Gasse in der Nacht, sondern die Partnerschaft, in der sie lebt. Von Anfang 2010 bis Ende 2020 zählte man in Österreich 319 Frauenmorde und 458 Mordversuche an Frauen. Die meisten davon geschahen durch die Hand des Mannes, der einst sagte, er würde sie lieben. Sie wurden erwürgt, erdrosselt, erschlagen, erstochen, angezündet, mit dem Auto überfahren oder erschossen. Zuvor mussten viele von ihnen oder erschossen. Zuvor mussten viele von ihnen jahrelange Maturien erleben, Psychoterror und körperliche Gewalt. Die männlichen Täter waren meist getrieben von Besitzdenken, Wut, Rache und Frauenhass. Als Journalistin beschäftigen mich diese Femizide schon seit einigen Jahren. Der Begriff bezeichnet Tötungen von Frauen aufgrund ihres Geschlechts. Frauen werden getötet, weil sie Frauen sind. Es handelt sich dabei um ein ernsthaftes gesamtgesellschaftliches Problem, das immer noch gerne durch Ausdrücke wie Familientragödie oder Beziehungsdrama in den privaten Bereich verbannt wird. Häusliche Gewalt innerhalb der eigenen vier Wände ist allerdings oft nichts anderes als Ausdruck nicht vorhandener Geschlechtergerechtigkeit. Und damit geht sie uns alle etwas an. Gemeinsam mit zwei Kolleginnen habe ich Ende des Jahres 2019 eine Liste der in diesem Jahr in Österreich getöteten Frauen erstellt. Eine mühsame Recherche war das, denn es gab zu diesem Zeitpunkt keine einzige Behörde oder Organisation, die diese Femizide sorgfältig dokumentiert hätte. Die Einträge, die wir damals festhielten, lasen sich beispielsweise so. 8. Jänner, am Steppen, Ehemann. Der 37-jährige Chenolde sticht 38 Mal auf seine Frau Aurelia S. ein. Die vierfache Mutter erliegt im Krankenhaus ihren Verletzungen. Drei Kinder werden Zeugen der Angriffe auf ihre Mutter. Der Mann war zuvor schon aufgefallen. 9. Jänner, Krummbach, Ex-Partner. Mit 15 Messerstichen tötet der 42-jährige Roland H. seine Ex-Freundin Silvia K. vor ihrem Garagentor. Der Mann hatte seine frühere Partnerin nach dem Beziehungsaus im Mai 2017 verfolgt und bedroht. Nur wenige Tage vor dem Mord hatte sie sich hilfesuchend an die Polizei gewandt. 13. Jänner, Wiener Neustadt, Ex-Freund. In einem Park wird die 16-jährige Manuela K. vom 19-jährigen Yasan A. mit einem Gürtel gewürgt, bis ihr Kehlkopfgerüst bricht. Danach schändet er ihre Leiche und verscharrt sie. Zuvor war Yasan A. mehrmals wegen gewaltvoller Übergriffe, sexueller Belästigung, Körperverletzung und anderer Delikte verurteilt worden. 6. Oktober, Kitzbühel, Ex-Freund. Der 25-jährige Andreas E. erschießt seine 19-jährige Ex-Freundin Nadine H., ihre Eltern, ihren Bruder sowie ihren neuen Freund im Wohnhaus der Familie. Tatwaffe ist die Pistole seines Bruders, der diese legal besitzt. Nadine H. hatte sich zuvor von Andreas E. getrennt. Was aus den wenigen Studien, die es in unserem Land zu Femiziden gibt, hervorgeht, haben wir auch damals bei unserer Recherche bereits gesehen. Frauen werden ermordet, weil sie sich von ihren Partnern oder Ehemännern trennen wollen oder weil sie sich getrennt haben. Dysfunktionale Rollenbilder oder biografische Brüche im Leben der Männer kommen in vielen Fällen hinzu. Leben der Männer kommen in vielen Fällen hinzu. Gemein sind den meisten Tätern übertriebene Eifersucht, Kontrollverhalten und patriarchale Denkmuster, egal aus welchem Kulturkreis sie stammen. Reuelos schlüpfen viele von ihnen durch diffamierendes Victim Blaming in die Opferrolle. Damit betreiben sie Täter-Opfer-Umkehr. Die Frau habe doch ihren Teil zu der Tat beigetragen, sie Täter-Opfer-Umkehr. Die Frau habe doch ihren Teil zu der Tat beigetragen, diese geradezu provoziert. Sie habe sich etwa nach anderen Männern umgesehen. Manche Täter saßen tatsächlich im Gerichtssaal, die zutiefst erschütterte Familie der ermordeten Frau hinter sich auf den Zuschauerbänken und warfen mit derbsten Ausfälligkeiten und Anschuldigungen in Richtung des Opfers um sich, bis sie vom Richter oder der Richterin gerückt wurden. Eine weitere Gemeinsamkeit vieler Täter sind Blackouts zum Tathergang. Die meisten sagen, sie hätten plötzlich rot gesehen und könnten sich an den Mord nicht mehr erinnern. Sie hätten aufgrund einer unerklärlichen Kurzschlussreaktion gehandelt, doch oft stellte sich heraus, dass die Tat geplant war, weil etwa die Tatwaffe zuvor besorgt wurde. Immer wieder kommt es zum Overkill, also zum Übertöten. Die Frau wird dabei geradezu vernichtet, ausgelöscht. 38 Messerstiche in Aurelia S., 14 Dolchstiche in Simirika und es waren 26 Messerstiche, mit denen Noa R. seine Frau am 27. November 2019 vor den Augen ihrer Kinder hinrichtete. Er schlitzte Rahima R. regelrecht auf. Gedärme traten aus ihrem Körper, als sie blutend in Seitenlage und zusammengekrümmt auf dem Boden lag und starb. In den Armen ihrer kleinen Tochter. Monate später erschien das Gesicht dieser kleinen Tochter auf der Videowand des großen Wiener Schwurgerichtssaals. Ihre Befragung wurde gesondert aufgezeichnet und den Geschworenen vorgespielt. Ich erinnere mich, dass sie immer wieder wissen wollte, ob ihr Vater nun eingesperrt bleiben würde. Sie wollte sich versichern, dass er ihr und ihren Geschwistern nichts mehr antun kann. Aus ihren Augen und ihrer Stimme sprach ungeheure Angst. Auch dem zuständigen Gerichtsgutachter Christian Reiter war das Entsetzen ins Gesicht geschrieben. Ich übe diesen Beruf jetzt seit 40 Jahren aus, aber in solch aggressiver Form habe ich es selten erlebt, sagte er über die massiven Verletzungen der Frau. Noir wurde schließlich zu lebenslanger Haft verurteilt. Die Medien berichteten von Beginn an über diesen Fall und in einem Boulevardblatt musste ich von einem Messermord nach Ohrfeige lesen. Der Verfasser bezog sich darauf, dass der Tat ein Streit vorangegangen war und suggerierte mit dem Titel, dass die Frau doch etwas Mitschuld an ihrem Mord trage, weil sie ihn davor geohrfeigt hätte. Der Fall Rahima R. war einer der 39 Frauenmorde in Österreich im Jahr 2019 und er ließ mich viele Nächte schlecht schlafen. Ich konzentriere mich in diesem Buch ausschließlich auf Intimizide, also auf Tötungen von Frauen durch ihre Partner oder Ex-Partner, da diese den Großteil der Femizide hierzulande ausmachen. In der Literatur kam mir auch immer wieder die Bezeichnung Trennungstötung unter. Normalerweise gendere ich, aber bei diesem Thema ist das nicht sehr sinnvoll, weil die Täter tatsächlich Täter sind. Österreich, Land der Frauenmorde, betitelte der österreichische Frauenring eine Aussendung im Jahr 2021. Auch nationale wie internationale Medien verwenden diese Zuschreibung. Die Deutsche Taz bezeichnete unser Land im selben Jahr als tödliches Pflaster für Frauen. Der Südwestrundfunk titelte kurz zuvor Land der Berge, Land der Frauenmorde. Im Standard sprach man vom Land der toten Frauen und selbst das Magazin Kripo.at der Vereinigung Kriminaldienst Österreich coverte eine Ausgabe im Jahr 2018 mit Frauenmordland Österreich. Wer waren diese toten Frauen? Jene, die heute nicht mehr für sich selbst sprechen können, denen ihr Leben genommen wurde, weil sie ein anderes führen wollten. Warum konnte der Tod dieser Frauen nicht verhindert werden, obwohl wir in Österreich über gute Gewaltschutzgesetze verfügen? Ich habe Statistiken durchforstet, mich an Expertinnen aus Gewaltforschung und Psychiatrie gewandt, um genauer auf die Zahlen zu den Morden und auch hinter sie zu blicken. Ich habe mit Hinterbliebenen gesprochen, Gerichtsverhandlungen besucht, Fragen an Politik, Polizei und Justiz gestellt. Ich habe mit Hinterbliebenen gesprochen, Gerichtsverhandlungen besucht, Fragen an Politik, Polizei und Justiz gestellt. Ich habe mit überlebenden Frauen über ihre Gewaltbeziehungen gesprochen. Ich war im Frauenhaus, bei Beratungseinrichtungen und bei Gewaltschutzstellen. Die Dynamik nach einem Femizid ist immer recht ähnlich. Die Medien pushen den Mord als Eilmeldung hinaus in die Welt. Ich selbst habe das auch schon gemacht, im Rahmen eines Online-Dienstes in der Redaktion. Die erste schnelle Nachricht. Langsam sammeln sich Informationen an. Der Artikel wird länger. Wir erfahren mehr und mehr über den Täter und über den Tathergang. Steht er, dann Monate später vor Gericht sitzen wir in den vordersten Reihen und hören wieder den Angeklagten und seine Beweggründe. Bis zur Verhandlung erhalten wir Statements von seiner Verteidigung, die versucht, ihren Mandanten ins bestmögliche Licht zu rücken. Doch die Frau ist verstummt. Auch ihre Familie ist meistens verstummt. Was so ein Mord für Angehörige bedeutet und was nach einem Femizid auf Hinterbliebene zukommt, wird in diesem Buch ebenso thematisiert wie die Geschichten von sechs Frauen. Vier von ihnen wurden ermordet. Sie sollen hier lesen, wer sie waren, welche Ziele sie hatten, was sie zum Lachen brachte und warum sie schließlich viel zu früh gestorben sind. Versagt unsere Gesellschaft, wenn es um den Schutz von Frauen geht oder gibt es Fälle, wo das Schlimmste zu verhindern nie möglich gewesen wäre? Um diese Fragen zu beantworten, braucht es einen genauen Blick auf die Arbeit von Politik, Exekutive und Justiz, aber auch auf das Umfeld der Frauen, aber auch auf die Täter und die Täterarbeit in unserem Land. Und natürlich spielt auch meine eigene Berufsgruppe eine Rolle. Welche Wirkung hat es auf Menschen, wenn sie in manchen Medien von Eifersuchtsdramen oder Familientragödien lesen? Medien von Eifersuchtsdramen oder Familientragödien lesen. Wenngleich sich die Begriffe Frauenmord und Femizid immer mehr durchsetzen, was gut und wichtig ist, gibt es noch viel Aufholbedarf. Vor allem der Begriff Femizid soll ausdrücken, dass hinter diesen Morden keine individuellen, sondern strukturelle Probleme stecken. Denn die Frau wäre vermutlich noch am Leben, wenn sie keine Frau wäre. Sprache ist wichtig, denn Worte sind ein Spiegel der Wirklichkeit und schaffen dadurch Veränderungen der Gesellschaft. In diesem Buch werden Sie drastische Schilderungen von Gewalt lesen. Nach all den Gesprächen, die ich mit Hinterbliebenen, Überlebenden und Expertinnen geführt habe, bewundere ich jede Frau, die den mutigen Schritt wagt, sich aus einer gefährlichen und toxischen Beziehung zu befreien. Dafür braucht es einen unbeschreiblichen Kraftakt. Das müssen wir ändern. Laut der Weltgesundheitsorganisation WHO ist Männergewalt eines der größten Gesundheitsrisiken für Frauen. Femizide sind ein globales Verbrechen, denn überall auf der Welt ist einer der gefährlichsten Orte für Frauen das eigene Zuhause. Im Jahr 2020 wurden einer UN-Erhebung zufolge rund 47.000 Frauen und Mädchen von ihren Intimpartnern oder männlichen Familienmitgliedern ermordet. Alle elf Minuten eine Tote. Und jetzt lese ich aus dem ersten Fall des Buchs vor. Es ist kaum zu ertragen. Einige halten sich die Augen zu, manche schreien kurz auf. Schluchzen aus der Reihe hinter mir, dann beklemmende Stille. Fünf Minuten lang blicken wir in die grausamsten menschlichen Abgründe. Nicht anders könnte man beschreiben, was in diesem Video zu sehen ist, das von der Überwachungskamera der kleinen Trafik stammt, in der Nadine W. auf unvorstellbar brutale Weise von ihrem Ex-Partner ermordet wurde. Er verschließt sofort nach dem Eintreten die Tür. Sie erkennt an seinem Blick, dass gleich etwas Furchtbares passieren wird und drückt panisch den Alarmknopf. Doch der funktioniert nicht. In großen Schritten nähert er sich Nadine W., die hinter dem Verkaufspult steht und dort in der zehn Quadratmeter kleinen Trafik mit nur einem Eingang und ohne Fenster hilflos gefangen ist. Er verliert kein Wort, während er unaufhörlich mit seiner Faust gegen ihren Kopf donnert. Er nimmt ein Kabel aus seiner Jackentasche und drosselt sie damit mehrere Minuten lang. Dann setzt er erneut feste Schläge gegen ihren Kopf. Nadine W. bäumt sich immer wieder auf, wehrt sich. Er schlingt ihr das Kabel von hinten um den Hals und zieht nun mit all seiner Kraft an dessen Enden, bis sie völlig benommen und regungslos auf dem Boden liegt. Dann packt er eine Flasche aus, die mit Benzin gefüllt ist und schüttet die Flüssigkeit über ihren Körper und über die Einrichtung. Er zündet sie an. Eine Stichflamme schießt hinauf bis zur Decke des kleinen Raums. Ohne zurückzublicken verlässt der Mann die Trafik. Er sperrt sogar noch die Tür von außen zu und wirft den Schlüssel in den nächsten Mistkübel. und wirft den Schlüssel in den nächsten Mistkübel. Was uns an diesem Tag im großen Schwurgerichtssaal des Wiener Landesgerichts gezeigt wird, vergisst man nicht. Man trägt es mit sich, man träumt davon. Diese Gewalttätigkeit kennt man eigentlich nur aus Filmen. Aber dass diese Tat mitten in Wien, mitten unter uns, stattgefunden hat, verarbeitet man nur langsam. Ich muss noch immer oft an Nadine W.'s Familie denken. Wie lebt man nach so einer Tat weiter? Immer wieder frage ich mich, was einen Menschen dazu bringt, zu solch einer Bestie zu werden. Anders kann man es nicht sagen. Warum hat Ashraf A. das getan? Hätte die Tat verhindert werden können? Wer war Nadine W. und wie sah ihre Beziehung zu Aschraf A. aus? Wie über die getötete Frau bei der Gerichtsverhandlung gesprochen wird, ist besonders wichtig, denn sie selbst kann ja nicht mehr für sich einstehen. Der Mord an Nadine W. in ihrer kleinen Trafik im 9. Bezirk in Wien, direkt auf der Nussdorfer Straße, ist aus vielen Gründen besonders. Er ist nicht nur besonders gewalttätig und perfide, die Tat wird von einem Gutachter sogar als inszenierte Hinrichtung mit größtmöglicher Brutalität beschrieben. Wir lernen vor Gericht auch einen Mörder kennen, der die Schuld komplett von sich weist und sagt, Nadine W. sei zu einem gewissen Grad selbst für ihr Schicksal verantwortlich. Und schließlich gibt es diese Videoaufzeichnung, die keine Fragen über die Handlungen des Angeklagten offen lässt. Und doch bekennt sich Ashraf A. an diesem 30. September 2021 nicht schuldig. 2021 nicht schuldig. Ashraf A., in Ägypten geboren und österreichischer Staatsbürger, wird von den Justizwachebeamten nun in den Saal geführt. Ihm werden die Handschellen abgenommen. Er ist ein kleiner, korpulenter Mann mit schwarzem Haar. Ich sitze nicht weit hinter ihm, kann das schüttere Haar auf seinem Hinterkopf sehen. Richterin Sonja Weiß hat den Vorsitz. Die Staatsanwältin ringt nach Fassung, während sie vom fünfminütigen Überlebenskampf der erst 35-jährigen Nadine W. spricht. Sie werden die grausamen Bilder nicht so schnell vergessen. Meine Worte schaffen es nicht, die Vehemenz des Angriffs zu beschreiben. Als sie erwähnt, dass Ashraf A. bereits seine Ex-Frau geschlagen hatte, unterbricht dieser sie. Stimmt nicht, fährt es aus ihm heraus. Die Richterin weist ihn zurecht. Nadine W. wuchs mit ihren Geschwistern bei ihren Eltern auf einem Bauernhof in Niederösterreich auf. Ihr großer Traum war es, eine eigene Reitschule zu eröffnen. Sie liebte Pferde über alles, doch ein Unfall, bei dem sie teilweise erblindete, sollte ihren großen Lebenstraum platzen lassen. Sie trug fortan ein Glasauge, wurde unsicher und ängstlich. Nadine W. absolvierte eine Lehre zur Verkäuferin und arbeitete in einem Baumarkt. Dann beschloss sie, sich für eine Trafik in Wien zu bewerben. Aufgrund ihrer körperlichen Einschränkungen hatte sie ein gesetzliches Vorzugsrecht und bekam ihre über alles geliebte Trafik in der Nussdorfer Straße. Fast täglich stand sie um 4.45 Uhr auf und arbeitete bis 20 Uhr im Geschäft. Sie kümmerte sich um alles selbst. Den Sonntag verbrachte sie gerne in der Natur. Es gibt ein Foto von Nadine W. Es zeigt sie mit kurzem braunen Haar, ungeschminkt, natürlich und lächelnd. Genauso soll sie gewesen sein. Menschen aus ihrem Umfeld beschreiben sie als sehr fürsorglich, tierliebend und empathisch. Aschraf A. hat sich erneut nicht unter Kontrolle und unterbricht. Sie war nicht so, so war sie nicht. Sie hatte ein anderes Gesicht. Alle sagen immer, sie war so lieb, aber das stimmt nicht. Er wird dermaßen laut, dass sich seine Stimme überschlägt. Nun ist Michael Schnarch am Wort. Er ist der Verteidiger des Angeklagten. Aschraf A. ist kein Monstrum. Er wird ganz falsch dargestellt. Er ist ein sehr hilidiger des Angeklagten. Ashraf A. ist kein Monstrum. Er wird ganz falsch dargestellt. Er ist ein sehr hilfsbereiter Mensch. Er hat alles getan, um Nadine W. zu unterstützen, sagt er und macht eine lange Pause. Diese Beziehung hat meinen Mandanten zerstört. Er hat die Tat auch nicht geplant und auch nicht gewollt. Schnarch blickt die Geschworenen an und sagt, sie werden heute einen weichen Menschen hören. Im Zuge der Verhandlung wird die Biografie des Angeklagten aufgerollt. Demnach wuchs der Mann in einer Stadt nördlich von Kairo auf. Er war der Sohn des Bürgermeisters. Viele seiner Verwandten leben auch heute noch dort. Er stammt aus einer recht gut bezuchten Familie und begann Soziologie zu studieren. Nach knapp drei Jahrzehnten in Ägypten wanderte der heute 48-Jährige nach Österreich aus. Er wollte hier sein Studium abschließen. Auch sein Bruder folgte ihm hierher. Der Plan funktionierte nicht. Daher arbeitete Ashraf A. als Koch. Es dauerte nicht lang, bis er eine Österreicherin heiratete. Das Paar bekam eine gemeinsame Tochter. Freunde beschreiben ihn als lebenslustig und gescheit. Er war gut integriert, erzählte mir eine Nachbarin aus dem Wiener Gemeindebau, in dem er lebte. Aschraf A. sucht die Schuld ausnahmslos im Außen. Da war diese Knieoperation, wegen der er seinen Job verloren hätte. Und die Beziehung mit Nadine W. wäre aufgrund ihrer krankhaften Eifersucht bald sehr stressig für ihn geworden. Ich kann Aschraf A. kaum verstehen. Die Worte schießen viel zu schnell und aggressiv aus seinem Mund. Er spricht undeutlich. Die schlechte Akustik des großen Schwurgerichtssaals tut ein Übriges. Die Richterin muss ihn immer und immer wieder ermahnen, nachfragen, ihn ersuchen, leiser und langsamer zu sprechen. Auch sie unterbricht er immer und immer wieder. Nadine war eifersüchtig auf meine Ex-Frau. Sie war auf jede Frau in meiner Umgebung eifersüchtig. Das war einfach zu viel, sagt Ashraf A. und wird umgehend von der Richterin gefragt, ob es stimmt, dass er im Herbst 2019 ein Abhörgerät in der Trafik installiert hat. Er nickt. Nadine war keine einfache Frau. Aber sie wird ja nicht einfacher, wenn sie sie ausspionieren, sagt die Richterin. Ich wollte wissen, was sie im Geschäft so treibt. Denn jeder sagt immer, sie war so lieb und nett und super. Er wird erneut laut. Das war sie nicht. Ständig waren Männer in der Trafik. Aschraf A. ist ein Mann, der seine Freundin als krankhaft eifersüchtig bezeichnet, während er derjenige ist, der ohne ihr Wissen die Trafik verwandte. In den letzten Wochen vor der Tat habe sich Nadine schließlich verändert und hätte nicht mehr mit ihm kuscheln wollen. Auch sei ihm aufgefallen, dass sie gemeinsame Fotos von Facebook gelöscht hatte. Die Richterin hält ein Dokument in Händen, das Chatverläufe der beiden zeigt. Er wurde darin dermaßen ausfällig, dass sie die Worte im Gerichtssaal nicht wiedergeben möchte. Als er nun bei einer seiner Wut-Tiraden Nadine W. mit einem abfälligen Schimpfwort beleidigt, droht die Richterin ihm an, in des Saals zu verweisen. Wenn er sich nicht sofort zusammenreiße, könne er zur Urteilsverkündung wiederkommen. könne er zur Urteilsverkündung wiederkommen. Im März 2021 wollte sich Nadine W. von Aschraf A. endgültig trennen. Seine Drohungen wurden gefährlicher, sie hatte Angst vor ihm. Mehrere Male überraschte er sie in der Trafik und begann zu toben. Dass er Nadine W. in der Vergangenheit gewirkt hat und auch schon einmal mit einem Messer im Geschäft aufgetaucht ist, das streitet er vor Gericht ab. Das berichten aber Bekannte von Nadine W. Sie habe es ihnen erzählt. Eine Freundin riet ihr, sofort zur Polizei zu gehen, aber Nadine W. hätte zu große Angst gehabt, die Trafik zu verlieren, wenn dort ständig Ärger sei und auch Angst davor, dass ihre Erzählungen für eine Anzeige nicht ausreichen. Also kontaktierte Nadine W. einen Privatdetektiv, Lukas Hellenberger, der ebenfalls als Zeuge vor Gericht auftritt. Ich suche nach rascher Hilfe, bevor etwas passiert. Er macht mir momentan das Leben zur Hölle, zitiert Hellenberger eine E-Mail, die er von Nadine W. erhalten hat. Am 5. März 2021 besuchte sie in ihrer Trafik, wo sie ihm ihre Sorgen und Ängste offenbarte. Der Angeklagte hatte ihr das Handy weggenommen und es nach Männerkontakten durchsucht. Als ich bei ihr war, hatte sie es gerade erst wieder zurückbekommen. Außerdem hat sie mir erzählt, dass er vor kurzem mit einem Messer in der Trafik war und sie bedrohte, sagt Hellenberger. Bei ihm hätten alle Alarmglocken geschrillt. Ich habe ihr gesagt, sie soll unbedingt zur Polizei gehen. Sie meinte daraufhin, sie wolle aber etwas in der Hand haben, bevor sie das tut. Das würde doch nicht reichen. Nadine W. hatte große Panik, dass die Situation weiter eskaliert. Sie wollte aus dieser Beziehung einfach heraus und hat von endgültiger Trennung gesprochen, benötigte aber Beweise. Dem Detektiv sei klar gewesen, dass es aber sofort Schutzmaßnahmen brauche. Er empfahl, einen Peilsender am Auto des Angeklagten anzubringen, sowie die Positionierung eines Security Agents vor der Trafik. Nadine W. stimmte zu. Sie wollte nur noch bei ihrem Steuerberater nachfragen, ob dies betriebliche Kosten sind und sich dann umgehend bei mir melden. Wir wollten noch am selben Abend mit den besprochenen Aktionen starten, sagt Hellenberger. Kam Nadine W. Ihnen eifersüchtig vor, fragt die Richterin. Nein, sie kam mir überhaupt nicht eifersüchtig vor. Sie hatte furchtbare Angst und wollte das Ende der Beziehung. Aschraf A. hört dank der von ihm angebrachten Wanze das komplette Gespräch zwischen Nadine W. und Lukas Hellenberger mit. Er steigt sofort in sein Auto und fährt zur Trafik. Er wartet draußen, bis eine Kundin das Geschäft verlässt. Dann ist er fünf Minuten mit Nadine W. allein. Das war's von meiner Seite, mal von der Lesung. Applaus Kekse