Ein Angesägter Ein Angesägter. Gewisse Menschen offenbaren so sehr zwei verschiedene Seiten ihres Wesens, dass es schwer fällt, sie nachher wieder zusammenzusetzen. Nach dem Wahlsieg der Rechten war in dem Lokal ein vollkommen überdrehter Rasender, er hatte Schnaps getrunken, der sich in Rage redete, jetzt ginge es den Faulen im Land an den Kragen. Es war aber auch Unlogik darin, weil sie zu faul waren, überhaupt wählen zu gehen. Sie lägen daumendrehend auf der Couch, die Wahl flirre an ihnen vorbei. Weg mit dem ganzen Sozialsystem. Ich stellte ihm die Frage, woher er diese Leute denn alle kennen wolle. Außerdem zeichnet sich diesmal eine viel höhere Wahlbeteiligung ab. Für kein Gegenargument empfänglich kamen nun direkt Lünchfantasien gegen die ohne dies am Boden zerschmetterten Grünen hervor, vor allem gegen Schwullespen. Und wer kann heute noch die Roten wählen? Nur noch Idioten. Doch immer mehr zeigte sich, dass diese ihr Resultat gehalten hatten. Wozu braucht es Wien? Verstieg er, der gebürtige Pinzgauer, sich nun. Die Raserei war an sich das Interessante. Nun, die Raserei war an sich das Interessante. Sie verdeckte mir nämlich zu kulturgeschichtlich die Geisteswelt um einige Anekdoten bereichert hätte, würde man es nur aufschreiben. Dass er als junger Mann statt zu studieren sogleich nach Südafrika gegangen war, um an der Seite Nelson Mandelas zu kämpfen. Nicht ganz drei Wochen später, unter harten Getränken oder vielleicht auch Koks, ein komplett gedrehter Mensch, in seiner mit dem Phone in der Hand auf- und abstürmenden Begeisterungsraserei nicht mehr wiederzuerkennen. Es bedurfte einer Gedächtnisanstrengung, mich an den Mann von vor drei Wochen angesichts des jetzigen wiederzuerinnern, mir klarzumachen, dass er es ist und diese beiden so konträren Eindrücke von ihm jetzt zusammenzustellen und wieder unter einen Hut zu bringen. und wieder unter einen Hut zu bringen. Eines fiel mir aber schon vor drei Wochen auf. Er steht unter dem Einfluss eines Multimillionärs, seines Chefs, den er maßlos bewundert. Namen zu nennen soll hier nicht meine Absicht sein. Mir geht es hier um das Phänomen eines sich ganz real außen offenbarenden Seelenzwiespalts. real außen offenbarenden Seelenzwiespalz. Ich muss mir das ja auch erklären können, so habe ich mir also folgendes Bild zurechtgelegt. Er war vor drei Wochen noch ein lediglich angesägt gewesener Mensch gewesen und ist mittlerweile in zwei Hälften auseinandergegangen. Unter dem persönlichen Einfluss eines Übermächtigen, eines Gewaltherren, werden wir, so will ich es nennen, sehr leicht bei allem Unbehagen des in die Defensive gedrängten Angesägt. Der sägt uns an oder es sägt uns an. Als Angesägte sind wir noch mit uns halbwegs eins, bis wir dann in zwei Stücke auseinanderfallen. Ich musste für einen früheren Schulkollegen einspringen, es handelt sich um einen Traum, und die Salzburger Festspielrede halten, die vorgegeben war. Da es mir keiner Vorbereitung bedurfte, prokrastinierte ich entsprechend, wobei kurz vor dem Auftritt mich doch noch ein mulmiges Gefühl überkam. Ich nahm das Redemanuskript vorsichtshalber zur Hand und merkte nach dem probeweisen Ablesen der ersten Absätze, dass ich dabei immer wieder aufs Unangenehmste um einige Zentimeter wuchs. Mit jedem Absatz des Textes einen Schuhabsatz. Bald würde ich die Zimmerdecke erreichen. So dämpfte ich meine Stimme zu einem Flüstern, um dieses Wachstum einzubremsen. Meine Kleider wuchsen nicht mit. rief ich meine Stimme zu einem Flüstern, um dieses Wachstum einzubremsen. Meine Kleider wuchsen nicht mit. Ich stand in Hochwasserhosen vor dem Spiegel. Das fremde Manuskript in der Hand sah ratlos kopfschüttelnd von oben zum Spiegel hinunter, der nur mein Hosentürl zeigte. Durch eine Art minutenlanges Fauchen konnte ich mich circa fünf Zentimeter wieder hinunterschrauben. Die Zeit drängte. Zudem wurde der frühere spanische König Juan Carlos als Festspielgast erwartet. Der Schnupfen war überdies nicht abgeklungen. Ich schneuzte mich unablässig. Es half nichts. Wie bei einer von Schnecken tot sich auflösenden Nacktschnecke zog der Schleim sich zerteilend durch mein Zimmer. Ich war vollständig verschleimt, alles um mich war verschleimt und verrotzt. Wieder hatte ich zu lange prokrastiniert. Was würde jetzt geschehen? Mein Lampenfieber wich purer Panik. Noch immer war mein Körper zu groß. Ich wankte und tappte fauchend in meinem Schleim Bahnen herum, das Manuskript in der Hand und rief ein Taxi. Ich würde zu spät kommen. Das Aufwachen war anders als sonst. Für ein paar Sekunden war alles wie in eine Milchsuppe getaucht, die sich Noch einen Festspielalbtraum, der Sparschacht. In einem veränderten Salzburg, das nun neofuturistisch gegen sich selbst wütete, den Denkmalschutz von oben ausgehebelt hatte. Nicht nur war die Pferdeschwemme abgerissen, sondern ein zeitgenössischer Künstler war beauftragt worden, an deren Stelle ein schmales, zisternentiefes, von innen ausgeleuchtetes Schwimmbecken zu errichten, das der Sparschacht genannt und von den Einheimischen verabscheut wurde. Der Sparschacht stellte nicht nur eine arge Verschandelung, sondern zudem ganz konträr zu seinem Namen eine ungeheure Verschwendung dar. Ich war eingeladen worden, im Festspielhaus einen Vortrag zu einem Thema nach Wahl zu halten, ohne dass ich rechtzeitig misstrauisch geworden wäre. Der Name Herbert von Karajan war inzwischen der Jugend nicht mehr geläufig, also beherzte ich mich, diesen berühmten Dirigenten zum Thema des Vortrags zu machen. Und wie ich den Vortrag fertig habe, besorge ich mir auch gleich einen Frack. Aber welch einen? Er war Grafitfarben. Den ließ ich mir aufreden. Ja, im Spiegel war das Ergebnis meiner Einkleidung noch zweideutig. Mal schimmerte er matt, dann glänzte er wieder, je nach Beleuchtung. Sie schreiben doch, Sie sagten, Sie schrieben am liebsten mit Bleistift, so der Modedesigner. Warum nicht in der Farbe der Bleistiftmine? Ein solcher Frack war ein Wagnis. Am Abend, als ich im Lampenfieber unmittelbar vor meinem Vortrag mich im Festspielhaus noch einmal kurz bespiegelte, bemerkte ich, dass der Frack abfärbte, dass, der ich seine Ärmel streichelnd wieder und wieder glatt streifen wollte, meine Finger bleifarben geworden waren und dass ich mir mit diesen Fingern ins Gesicht gekommen sein musste, denn auch meine Wangen sowie die Halspartie hatten auf einmal diese Bleiflecken aufzuweisen. Es versetzte mich dieser Missstand in großes Unbehagen. Damit ich bei der Waschprozedur nicht gesehen würde, schlich ich zudem allein für sich in der Nacht da liegenden schlitzförmigen Kunstpassant hinaus, um mich dort zu reinigen und stürzte dabei, kopfüber von niemandem gesehen, in den Sparschacht hinein. Der Sparschacht war so schmal bemessen, dass es kaum möglich war, in ihm zu schwimmen. Ich tauchte vorerst nach unten ab und versuchte als erstes, mir meine Schuhe herunterzureißen. Während ich in dieser Falle zappelte, schoss mir interessanterweise der Titel der Habilitationsschrift des Wiener Philosophen Konrad Paul Lissmann ein, ohne Mitleid, womit er den modernen Kunstbetrieb meinte. Dankeschön.