Guten Abend! der soll einmal heißen oder heißt Ficken mit dem Klassenfeind, aber die bürgerlichen Verlage, bei denen ich bisher veröffentlicht habe, wollen den alle nicht drucken. Wenn ich erzählen soll, wie die Besitzenden die Besitzlosen behandelt haben, dann sage ich Dinge wie, wo ich herkomme, da wurden die Menschen wie Dreck behandelt, wie Vieh. Nein, schlechter als Vieh, denn Vieh war Besitz, war wertvoll. Die Geschichte, die mir dazu als erstes einfällt, erzähle ich kaum jemandem, weil sie meinen Vater traumatisiert hat und er hat die Narbe ein ganzes Leben getragen und er hat die Verletzung an mich weitergegeben. Es ist die Geschichte seiner älteren Schwester. Marie hieß sie, die Schwester meines Vaters, doch niemand sprach sie mit diesem Namen an. Sie war ein langsamer, grobschlächtiger Mensch. Hilfsmarkt bei dem großen Bauern, der dann was wurde in der Nazizeit, ein wichtiger im Dorf. Niemand kann oder will sich offiziell daran erinnern, was genau er war. Irgendwas in der SA, sagen sie, wenn man nachfragt. Ein Sohn dieses Bauern war in die Kammer der Halbwüchsigen gestiegen und hatte sie geschwängert. Es sei gegen ihren Willen geschehen, es sei genau genommen eine Vergewaltigung gewesen, hat mein Vater mir erzählt. Als die Schwangerschaft nicht mehr zu übersehen war, hatte der Bauer meiner Tante eingebläut, ja keinen Namen zu nennen. Sie soll sagen, dass sie den Burschen, der in ihre Kammer eingestiegen war, nicht erkannt habe. Sonst werde er sie vom Hof jagen. Sie wusste, was das bedeutete. Kein Dach über dem Kopf, kein täglich Brot und kein anderer Bauer würde die ledige, schwangere Magd einstellen. So ging das mit Besitzenden und Nichtbesitzenden in jenen Jahren. Das Kind dieser jungen, ledigen Magd, dieser beinahe rechtlosen Nichtbesitzenden, das durfte nicht gezeugt worden sein von einem Besitzenden, sonst hätte es vielleicht irgendwann einmal seinen Anteil am Besitz eingefordert. Gleichzeitig maltretierten der Pfarrer und der Dorflehrer das Mädchen regelmäßig mit scharfen Verhörengleichungen und Befragungen. Wer war es? Wer ist der Vater des Bankert? Sie steckten in einer Zwickmühle. Sie wussten, wer der Vater war. Jeder im Dorf wusste es. Da sie aber die Vertreter von Moral, Sitte und Anstand waren, war es notwendig, dass das schwangere Mädchen Auskunft gab, mit wem es gesündigt hatte. Doch den wahren Erzeuger, den Sohn des Mächtigen, durfte sie nicht nennen. Doch den wahren Erzeuger, den Sohn des Mächtigen, durfte sie nicht nennen. Der Lehrer und der Pfarrer sorgten dafür, denn der Lehrer und der Pfarrer waren auch die Vertreter, Spießgesellen und Kumpane der Mächtigen im Dorf. Also drängten sie das Mädchen dazu, einen der jungen fremden Männer zu nennen, die gleich am Rand des Dorfes im Reichsarbeitsdienstlager lebten. Irgendwann gab die verschreckte, verängstigte junge Frau auf und sagte, was das Dorf hören wollte. Es war einer vom Arbeitsdienst, sie kennen seinen Namen nicht. Was dann geschah, verstehe ich nicht. Sie hätten damit zufrieden sein können. Die Dinge waren so, wie sie sein sollten. Die Verhältnisse im Dorf waren wieder im Gleichgewicht. Aber sie gaben sich damit nicht zufrieden. Es muss in ihnen der Drang gewesen sein, die ledige Schwangere zu bestrafen, und zwar mittels einer großen öffentlichen Demütigung. Sie ließen die jungen Männer aus dem Arbeitsdienstlager antreten in Reihe und Glied. Die Schwester meines Vaters ging die Reihen ab. Der Pfarrer und der Lehrer zwangen sie, jeden Einzelnen anzusehen. War es der? War es der? So fragten sie bei jedem. Irgendwann konnte meine Tante nicht mehr und deutete auf irgendeinen und sagte, der war es, damit das endlich aufhöre. Damit bricht die Geschichte ab. Weiter kam mein Vater nicht bei dem einen Mal, als er mir das erzählte, als bis zu dem Satz, der, der sie geschwängert hat, ist unter den Zuschauern gestanden und hat gegrinst die ganze Zeit. Dann überwältigten ihn seine Gefühle und ließen ihn verstummen. Und niemand sonst aus dem Dorf, der das miterlebt hat und noch lebt, redet darüber. der das miterlebt hat und noch lebt, redet darüber. Meine Tante habe ich in Erinnerung als extrem scheuen Menschen, der stets lächelte, ein kleines, schrecklich ängstliches Lächeln und kaum redete. Marie hieß sie, doch genannt wurde sie Maridel. Nein, das muss man genauer ausdrücken. Wenn von ihr die Rede war, dann nannte man sie das Maridel, nein, das muss man genauer ausdrücken. Wenn von ihr die Rede war, dann nannte man sie das Maridel. Um so auf alle Zeit sicherzustellen, dass es sich hier nicht um einen Menschen handelte, eine Frau mit einem Namen und einem Willen, sondern dass in dieser Dorfwelt der Mitte des 20. Jahrhunderts keine Person war und schon gar nicht eine Persönlichkeit, sondern ein Gegenstand, den man in Anspruch nehmen konnte, über den man nach Belieben verfügen konnte, wenn man der Besitzende war. Dankeschön.