Ich lese einen Romanauszug von meinem Roman, der aber erst nächstes Jahr erscheinen wird, aber dieser Auszug ist schon im X-Blatt Nummer 17 abgedruckt. Ich gehe langsam, will auf keinen Fall in das neue Shirt hinein schwitzen. Ich unterdrücke das Bedürfnis, noch eine zu rauchen. Ich stehe vor seinem Haus, es sieht harmlos aus, ähnelt dem Haus, in dem ich wohne. Ich schaue auf mein Handy, es ist genau elf Uhr und er hat nichts mehr geschrieben. Ich schaue noch einmal auf die Nachricht mit der Adresse, suche die richtige Zahl, drücke auf die Klingel. Dachgeschoss höre ich und dann ein Summen, ich drücke mich gegen die Tür. Im Stiegenhaus ist es kühl. Die Fliesen erinnern an ein Schachbrett. Ich gehe zum Lift, der ist schon da. Der Frau im Spiegel werfe ich einen ernsten Blick zu. Ich möchte ihr sagen, dass ich einfach einen Bekannten besuche, einen Kollegen, mit dem ich gemeinsam an einem Projekt arbeite, aber die Frau im Spiegel grinst mich an. Sie streicht sich die Haare aus dem Gesicht und wartet, dass alle Türen sich öffnen. Er steht im Türrahmen, die Hemdsärmel hochgekrempelt. Er nimmt mir die Jacke ab und hängt sie auf einen Haken. Er weist mir den Weg in die Küche und nimmt zwei Gläser aus dem Regal. Du trinkst doch etwas, sagt er und holt eine Flasche Gin und zwei Flaschen Tonic aus dem Kühlschrank. Gern, sage ich, obwohl er längst eingeschenkt hat, obwohl er schon die Eiswürfel aus der Verpackung ins Glas drückt und mir das Glas hinhält. Schön, dass du da bist, sagt er und ich spüre die Kälte des Eiswürfels auf der Lippe. Ich möchte den ganzen Eiswürfel in den Mund nehmen, ausgefüllt sein von der Kälte, möchte auf den Eiswürfel beißen und dass sich der Schmerz von meinen Zähnen in den gesamten Körper ausbreitet. voll beißen und dass sich der Schmerz von meinen Zähnen in den gesamten Körper ausbreitet. Ich möchte lieber den Schmerz fühlen anstatt dieser Anspannung. Und, frage ich ihn, und, wiederholt er, und, was habe ich eigentlich erwartet, frage ich mich, ich frage ihn, und, zeigst du mir deine Bilder? Welche, fragt er. Alle, sage ich. Er sieht mich an und ich beiße auf den Eiswürfel, es knackt. Also, sagt er, die fertigen Bilder sind im Studio. Ich kann dir erstmal den Raum zeigen, in dem ich arbeite. Ich nicke und er streckt den Arm aus, seinen nackten Unterarm und deutet Richtung Gang nach dir, sagt er. Und ich gehe voran, weiter, sagt er, und ich will mich schon umdrehen. Die letzte Tür, sagt er, und ich stehe vor einer Tür, die nur angelehnt ist. Mit den Fingerspitzen drücke ich dagegen, die Sonne scheint mir ins Gesicht, ich blinzle. Sonne scheint mir ins Gesicht, ich blinzle. Dach schrägen, große Fenster, eine Staffelei, ein alter Schreibtisch, ein Divan, eine Aussicht. Ich mache ein paar Schritte in den Raum hinein. Auf der Tischplatte liegen Fotos, die ich kenne. Ich wende mich ab, blicke auf die Leinwand. Gefällt es dir? fragt er. Auf der Leinwand ist ein Arm zu sehen und ein Schlüsselbein. Er sieht von der Leinwand zu mir und dann wieder zur Leinwand, macht einen Schritt auf mich zu, legt einen Finger auf mein Schlüsselbein und fährt den Knochen entlang. Seine Fingerkuppen sind rau und ich bilde mir ein, seine Fingernägel zu spüren. Ich konnte nicht mehr warten, sagt er, und ich trete einen Schritt zurück. Gibt es auch einen Balkon, frage ich, nur eine Terrasse, sagt er. Draußen zünde ich mir doch eine Zigarette an und wir reden über das Kunstprojekt. Er erklärt mir, dass er die Fotos zwar als Vorlage nimmt, aber die Details vertauscht. So würden alle Frauen zu einer. Ich nicke heftig und er erzählt mir, dass seine Frau diese Wohnung gekauft hat. Diese und die darunter, unten sei alles voller Bilder, da hätten sie früher gewohnt, oben hätten sie gemalt und ich zünde mir eine Zigarette nach der anderen an, damit er nicht auf die Idee kommt, nach meiner Hand zu greifen oder gar in mein Gesicht. Nach dem dritten Gin Tonic frage ich ihn, ob er mir nun die Bilder zeigt und nach dem vierten noch einmal und er nickt, wenn du wirklich willst, sagt er und ich nicke, wir stehen auf, mir ist schwindelig. Ich muss dann nach Hause, sage ich, zu deinem Freund, sagt er und schaut traurig drein und auf einmal bin ich mir nicht sicher, ob die Bartstoppeln auf seinen Wangen schon da waren, als ich gekommen bin und ich nehme meine Tasche und er einen Schlüsselbund und wir gehen aus der Wohnung einen Stock weg nach unten und stehen vor der Tür des Studios. Er sagt, es ist sehr intim. Ich sage, ich bin sehr betrunken. Er sagt, dann vielleicht beim nächsten Mal. Ich nicke und er macht einen Schritt auf mich zu, beugt sich hinunter. Ich spüre seine Lippen auf meinen. Auf einmal habe ich Angst vor seiner Zunge. Ich trete zurück. Ich sage, vielleicht beim nächsten Mal. Und bevor er antworten kann, drehe ich mich um und laufe die Stufen hinunter.