Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte Sie sehr herzlich zur heutigen Veranstaltung begrüßen. Der Wallstein Verlag stellt heute im Rahmen einer Buch- und Verlagspräsentation sein Verlagsprogramm ganz allgemein, vor allem aber zwei Neuerscheinungen aus seinem Frühjahrsprogramm vor. Ich begrüße sehr herzlich den Verlagsgründer, Tädel von Wallmoden, Herr 1986, den Verlag gemeinsam mit Dirk und Frank Steinhoff gegründet. Wir freuen uns, dass er heute extra nach Linz gekommen ist. Ich begrüße ihn sehr herzlich. Herzlich willkommen. Die beiden Neuerscheinungen, die heute im Mittelpunkt des Abends stehen, sind der Roman Die Doppelgänger von Leander Fischer und Ehern von Luise Meyer. Auch Luise Meyer und Leander Fischer sind von weit her angereist und zwar aus der Schweiz bzw. aus Deutschland. Auch Sie heiße ich herzlich willkommen. Ich habe in unserer Dokumentation nachgesehen, bereits seit 2008 stellen wir hier im Stifterhaus Bücher vor, die im Wallstein Verlag erschienen sind. Das sind also schon 15 Jahre. So hat etwa 2010 Ruth Glüger aus ihrem Buch Weiterleben bei uns gelesen, Maya Hadelab 2012 ihren Roman Enkel des Vergessens und 2015 ihren Gedichtband Langer Transit vorgestellt. Anna Bahr war 2016 mit dem Roman Die Farbe des Granatapfels bei uns zu Gast. Ein besonderer Augenmerk gilt in unserer Programmgestaltung aber vor allem Werken von Autorinnen und Autoren mit Oberösterreichbezug und gar nicht wenige haben im Wallstein Verlag ihre Verlagsheimat gefunden. haben im Wahlstein Verlag ihre Verlagsheimat gefunden. Erst vor zehn Tagen hat Theresa Prehauer, die in Linz geboren ist, ihren neuesten Roman Kochen im falschen Jahrhundert bei uns vorgestellt. Sie präsentiert ihre Neuerscheinungen so wie der ebenfalls in Linz geborene Autor Ludwig Lacher ganz regelmäßig bei uns. Auch Luise Meyer und Leander Fischer haben jeweils ihren Debütroman oder ihre Debütromanen bei uns vorgestellt. Luise Meyer 2017, das wir uns haben, Leander Fischer 2020, die Forelle. Beide Debütromanen haben große Aufmerksamkeit erregt. Luise Meyer erhielt für Das Wir Haben den Berner Literaturpreis, Leander Fischer für die Forelle den österreichischen Buchpreis für das beste Debüt. Mehr über ihre neuen Romane Ehern und Die Doppelgänger werden wir in den folgenden 75 bis 90 Minuten erfahren. Wir dürfen uns also auf einen sehr anregenden Abend freuen. Ich bedanke mich bei allen Mitwirkenden und bei Ihnen für Ihr Kommen und übergebe das Wort an Tädel von Wallmoden. Vielen Dank für diese schöne Begrüßung, die eigentlich schon fast alles sagt, was man über den Wallstein Verlag sagen kann. Wir werden tatsächlich manchmal für einen österreichischen Verlag gehalten, was tatsächlich mit den Autorinnen und Autoren zu tun hat, deren Namen Sie genannt haben. haben. Neben dem Programm in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur ist Wallstein aber ein Wissenschaftsverlag und damit haben wir eigentlich begonnen, denn als das Ganze losging 1986, wie Sie sagten, konnte man sich nicht erlauben, mit lebenden Autorinnen und Autoren zu arbeiten. Ein Verlag, den niemand kennt und dann womöglich noch weniger bekannte jüngere Autorinnen und Autoren, das schien mir keine gute Idee und ich hatte auch das Gefühl, man kann die Verantwortung, die man für Werke übernimmt, nicht wirklich erfüllen, wenn man mit einem Verlag am Start ist. Die Gründung des Wallstein Verlags, die Sie erwähnt haben, mit den beiden Brüdern Steinhoff, das waren schon Schulfreunde von mir gewesen. Der eine hatte Jura oder wie Sie sagen, Jus studiert, der andere Landwirtschaft. Und wir waren durch Zufälle die ersten, die in Deutschland mit einem Apple Macintosh Bücher gesetzt und gestaltet haben. Und das war so eine Idee, unsere Jobs an der Universität in Göttingen niederzulegen und zu sagen, da kann man was machen. Wir setzen für andere Leute Bücher und Zeitschriften und schaffen damit so eine finanzielle und organisatorische Basis für einen eigenen Verlag. Wenn ich heute den Studenten sage, wir hatten damals die Arbeitshypothese, dass alle Manuskripte irgendwann elektronische Manuskripte sein würden, dann gucken die jungen Leute mich ganz leer an und sagen ja, aber wie denn sonst? Aber Sie müssen sich erinnern, Mitte der 80er Jahre bis eigentlich Mitte der 90er Jahre schrieben viele mit der Hand, ich glaube unsere beiden Autorinnen und Autoren, die ich Ihnen gleich vorstelle, schreiben nicht mehr mit der Hand vor oder doch, wir haben das nie besprochen, das klären wir nachher noch. schreiben nicht mehr mit der Hand vor oder doch, wir haben das nie besprochen, das klären wir nachher noch. Aber das ist dann ja sehr bald eingetreten, dass man nicht mehr mit Schreibmaschinen Reinschriften von Manuskripten herstellt, sondern dass alles im elektronischen Prozess sich vollzieht. Also so haben wir begonnen, eigentlich mit einem technischen Betrieb, Desktop Publishing nannte sich das damals, die Setzerei auf dem eigenen Schreibtisch oder die Druckerei auf dem eigenen Schreibtisch. Weil wir uns Gegenwartsliteratur, lebende Autorinnen und Autoren noch nicht zutrauten, haben wir uns mit Wissenschaft beschäftigt. Und Göttingen ist ein Universitätsstandort, eine Universität, die relativ alt ist, aber nicht so ganz so alt wie Prag oder Heidelberg, sondern ist eine Gründung der Aufklärungszeit. In dieser Zeit haben wichtige Denker wie Lichtenberg dort gelehrt und die Spätaufklärung geprägt. Mich selbst hat diese Zeit besonders angesprochen, weil in der Aufklärung bestimmte Denkbewegungen zum ersten Mal formuliert werden. werden, Freiheitsrechte, Demokratie, Gleichberechtigung der Geschlechter und andere Dinge, die ich immer so in einem Beispiel zusammenfasse, eines Satzes von Lichtenberg, der geschrieben hat, der erste Amerikaner, der den Kolumbus entdeckte, machte eine böse Entdeckung. Kolumbus entdeckte, machte eine böse Entdeckung. Der erste Amerikaner, der den Kolumbus entdeckte, machte eine böse Entdeckung. Also die aufgeklärtes Denken heißt Perspektivenwechsel. Ich kann meinen eigenen Standpunkt verlassen und mich in den des anderen hineinversetzen. Wer so denkt, dem fällt es nicht unbedingt ein, seinem Gegenüber den Kopf abzureißen und das finde ich schon mal einen ziemlichen Fortschritt. Also aufgeklärtes Denken auf der einen Seite und zugleich die Beschäftigung mit einer Zeit, die die Errungenschaften der Aufklärung vollkommen zurücknehmen wollte und das ist die Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft. Also das Wallstein-Programm in der Wissenschaft ist letztlich zwischen diesen beiden Polen, Aufklärungsforschung und Erforschung des NS, aufgespannt. So hat das alles begonnen und wenn Sie sich im Netz auf der Homepage oder unsere Verlagsprospekte anschauen, werden Sie sehr viele Bücher sehen, die auf die eine oder andere Weise zwischen diesen Polen changieren. In diesem Rahmen hat uns immer auch interessiert, ältere Werke der deutschsprachigen Literaturtradition neu herauszugeben. Also wir sprachen eben schon oben darüber, dass es für mich ein besonderes Vergnügen ist, in einem Haus zu sein, das nicht nur vermittelt und forscht, sondern eben auch sammelt. Schriftsteller, Nachlässe, Vorlässe auch von Autoren, die noch leben. Also die literarische Tradition in den Hinterlassenschaften, Werkmanuskripten, Briefwechseln etc. zu bewahren. Das hat mich immer besonders interessiert. Und nachdem wir uns ein paar Jahre so ausschließlich wissenschaftlich beschäftigt haben, passierte das, was junge Verlage sich immer wünschen, dass man mit einem Buch einen Riesenerfolg hat. Alle, die einen Verlag starten, träumen davon. Und ich muss Ihnen sagen, ich hatte eigentlich gar keine Fantasie, wie das gehen könnte, aber 1992 konnten wir im Wallstein Verlag das Erinnerungsbuch von Ruth Klüger, Weiterleben, eine Jugend veröffentlichen. Ich glaube, ich muss Ihnen das Buch gar nicht näher beschreiben. Es ist so bekannt, diese Lebenserinnerungen, die von Wien über Theresienstadt in die Lager Auschwitz und Groß Rosen führen und dann eben eine Überlebensgeschichte, eine Fluchtgeschichte, die über ein paar Stationen noch in Deutschland dann nach Amerika führt. Und Ruth Klüger war in den 80er Jahren eine international sehr bekannte Literaturwissenschaftlerin. Über ihre Lebensgeschichte wusste man nicht so viel. Und durch Zufälle war sie in Göttingen und schrieb dieses Buch. Und wir konnten es verlegen und es wurde ein riesiger Erfolg. Und von da an konnten wir uns zutrauen, Gegenwartsautorinnen und Autoren zu bringen. Und gleich nach Ruth Klüger, die sich immer natürlich auch als eine Wienerin verstanden hat, Wien, die Stadt, aus der mir die Flucht nicht gelang, so heißt es im Buch, das zog andere Autorinnen und Autoren nach sich, Gabriele Kögel, aber auch Autoren aus Kärnten, etwa Christine Lawand, haben wir verlegt. Nun, so müssen Sie sich den Verlag heute denken, einerseits mit einem großen wissenschaftlichen Programm, in dem etwas über 200 Bücher im Jahr erscheinen. Das ist schon relativ viel. Und daneben ein gegenwartsliterarisches Programm, auf das wir sehr stolz sind und das auch die Behauptung untermauert, dass die Tradition nichts Abgeschlossenes ist, sondern die Tradition der deutschsprachigen Literatur ist ein permanenter Fluss und so blicken wir auch auf die Werke, die uns interessieren und so blicken die Lektorinnen und Lektoren, das sind Thorsten Arendt, der das Literaturprogramm leitet und die Lektorin Svenja Bischof und Florian Welling, den hier Anwesenden wohl bekannt alle, haben einen Literaturbegriff, der nicht so sehr davon geprägt ist, wir wollen jetzt unbedingt einen Roman haben, der dieses Thema oder jede jene politische Frage ausbuchstabiert oder wie wir uns immer sagen, es geht nicht so sehr um Inhalts- oder Plotgetriebene Literatur, sondern sprachliche Kunstwerke. Noch mehr als das, was erzählt wird, interessiert uns das, wie es gemacht wird. Und deswegen freue ich mich besonders, dass wir heute Abend mal diese Konstellation haben, Ihnen Bücher vorstellen zu können und über das Wie, wie es gemacht ist, wie auch Bücher in den Literaturbetrieb hineinsprechen, was das überhaupt bedeutet, als Autorin, als Autor zu leben und sich zunehmend im Betrieb zu etablieren, wie das funktioniert, welche Hürden zu nehmen sind. Darüber wollen wir also ein bisschen sprechen und ich kann Ihnen sagen, der Verlag ist sehr, sehr stolz auf diese beiden Autoren, die wir Ihnen heute vorstellen können. So unterschiedlich ihre Schreibweisen sind, so deutlich sind auch die Parallelen. Beide haben im Wallstein Verlag debütiert. haben im Wallstein Verlag debütiert. Luise Meyer mit dem Buch, das wir uns haben, und jetzt muss ich gucken, in welchem Jahr das war, 2017, und Leander Fischer mit der Forelle 2019. Sie sind beide auch ungefähr gleich alt. Luise Meyer ist 1991 in Schadenberg, das spreche ich richtig aus, ist das eigentlich hier in der Nähe? In der Nähe von Scherding. Ah ja, okay, also nicht so ganz nah. Und Lernda ist ein Jahr später in Vöcklerbruck, das ist auch nicht so ganz in der Nähe, wie ich verstanden habe, sondern eine Stunde von hier geboren, aber beide sind Oberösterreicher, beide haben bei Wallstein debütiert. Beide haben bei Wallstein debütiert. Leander Fischer ist mit dem Debütpreis zum österreichischen Literaturpreis ausgezeichnet worden. Zuvor hat er daraus beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb in Klagenfurt gelesen und ist mit dem Deutschlandfunkpreis ausgezeichnet worden. Luise Fischer hat mit Das wir uns haben den Berner Literaturpreis bekommen. Also beide Debüts sind stark beachtet worden, haben schöne Preise bekommen. Nun haben wir zweite Bücher. Nun haben wir zweite Bücher und diese zweiten Bücher unterscheiden sich insofern, als dass wir bei Ehern einen Familienroman haben. Anders noch als das Debüt, wo es zwar um Familienbeziehungen, aber im Grunde genommen nur zwischen Eltern und Kindergenerationen ging, haben wir hier eine Mehrgenerationenerzählung, die in einer ganz anderen Erzählweise über die Generationen Erinnerung und auch die Frage, was können wir späteren eigentlich wissen von unseren Eltern, Großeltern und Urgroßeltern, wie hat sich Erinnerung angelagert in uns und wie findet Erinnerung, ohne dass sie explizit gemacht worden ist, in unserem Denken und Fühlen ihren Ausdruck. Das ist der große Bogen, den Ehan schließt. Zur Konstruktion des Romans kann man vielleicht sagen, es gibt einen Großvater, der zwei Schwestern heiratet, nach dem Tod der ersten heiratet er die andere. Also es gibt in der Elterngeneration dann lauter Halbgeschwister und diese Familienkonstellation von Halbgeschwistern in der Elterngeneration, auf die schaut die Erzählerin Ida. Und damit steigen wir jetzt in den ersten Abschnitt ein, den Luise lesen wird. Wir machen es so, dass wir ein bisschen das abwechseln und wir beginnen jetzt mit der Lesung aus Ehern. und im ersten Teil geht es um die Ich-Erzählerin Ida, die immer wieder in Situationen gerät, die sie überfordern. Und sie fängt sie an zu fragen, warum. Und genau, also im ganzen Roman würde ich sagen, sie arbeitet sich an ihrer deutschen Vergangenheit ab. Aber ihr dürft es gerne selber reinhören und schauen, wie ihr das findet. Ich sitze auf einem Laubhaufen in den Tessiner Bergen und heule. Es ist sieben am Abend, stockdunkel, der zweite Weihnachtsfeiertag. Ich habe das Fest hier bei der Familie meiner Mitbewohnerin Emma verbracht nahe der italienischen Grenze Ihr Vater leitet dort ein Heim für Jugendliche Ihr Bruder arbeitet mit den Teenagern in der Holzwerkstatt so wie mein Großvater mit Holz gearbeitet hat und mein Bruder und Thelma auch mit Holz arbeiten Ich lag das vorangegangene Jahr mit pfeiferischem Drüsenfieber flach, verbrachte zehn Monate mehr oder weniger im Bett und konnte mich kaum bewegen. Das Treppensteigen in den Keller, um Wäsche zu waschen, strengte mich dermaßen an, dass ich danach einfach nur schlafen wollte. Mir eine einfache Mahlzeit zuzubereiten, war eine Mammutaufgabe für mich. Ich ließ mir die Einkäufe mehrheitlich von Freundinnen vorbeibringen, denn ein Gang in den Supermarkt stellte wochenlang ein Ding der Unmöglichkeit dar. Seit ein paar Monaten ging es mir besser, ich habe mir Langsamkeit zugestanden und dass ich mich selbst nicht überfordern darf. Nun aber bin ich komplett K.O. Am Ende mit den Nerven bin ich. Emmas Bruder Bene hat uns zu einer Wanderung mitgenommen, nach oben in die Berge. Uns, das sind seine zweijährige Tochter, die er in der Kraxe trägt, ein zehnjähriger Heimjunge Vito, ein afghanischer Flüchtling Samir und ich. Zwei Stunden, hat er gesagt, maximal drei gehe die Tour, nachdem ich mich zweimal vergewissert hatte, weil ich um meine körperliche Verfassung wusste. Gut, meinte ich schließlich, drei Stunden wäre mal wieder eine Herausforderung. Seit dem Ende meiner Krankheit war ich nie länger als zwei Stunden spazieren. Aber die Tour ging länger als angekündigt. Natürlich, wie hätte es anders sein können? Schon allein der Aufstieg dauerte zweieinhalb Stunden. Dann saßen wir vor einer Berghütte in der Sonne, aßen Mandarinen, Panettone, Brot und Käse. Nicht einmal genug zu essen hatten wir dabei. Bienen, Panettone, Brot und Käse, nicht einmal genug zu essen hatten wir dabei. Jetzt geht's um den Berg herum, sagte Bene und deutete in eine unbestimmte Richtung. Und wir liefen weiter, der Junge, der nur Italienisch sprach, sah mir, der ein weißes Hemd und Parfüm trug, als machten wir einen Ausflug in die Stadt und ich, Benes Tochter in der Kaxe, gluckste vergnügt. Wir kamen in den Schnee, niemand von uns hatte die richtigen Schuhe dabei, außer Bene. Ich fragte ihn, wie weit es noch sei. So eine Stunde, sagte er, Maximum. Das sagte er insgesamt drei oder vier Mal. Als wir in dem Bergdorf ankamen, war es 18 uhr wir waren seit neun unterwegs der abstieg von hier sollte noch einmal zwei stunden dauern der abstieg war steil die gefallenen blätter vom vergangenen herbst machten den boden rutschig es war nur ein kleiner pfad der hinab führte bene mit seinen langen Beinen lief voraus. Er würde dann unten am Parkplatz auf uns, die Nachzügler, warten. Der Heimjunge lief vor mir, Samir hinter mir. Meine Beine versagten mir immer wieder. Samir hielt mich von hinten an der Jacke fest, damit ich nicht vom Weg abrutschte. Der Heimjunge war noch flink Ich fragte mich, woher er seine Energie nahm Ich werde langsamer Samir passt sich meinem Tempo an Der Junge ist vorausgerannt Erst wollte ich noch auf ihn aufpassen Aber es war, als würde meine Energie schwinden Und nur noch für den Lichtkegel Den ich mit der Taschenlampe vor mich werfe, da sein Plötzlich höre ich es von weiter vorne schlagen, ein regelmäßiges Tocken. Sami und ich nähern uns. Da steht Vito und hat einen Hirschschädel gefunden und diesen oben auf seinen Wanderstab gesteckt und schlägt nun den Knochen in einem regelmäßigen Takt gegen einen Felsbrocken links vom Wegrand. Splitter fliegen vom Schädel weg. Da kann ich nicht mehr, da sacke ich in mich zusammen. Da klappen mir die Knie endlich ein. Ich lasse mich auf das Laub unter mir fallen. Samir hält mich. Immer noch keine Ahnung, wie er mein Zusammensacken hat kommen sehen. Ich gehe in die Hocke und heule. Ich heule und heule. Vito setzt sich zu mir. Samir hat sich auch hinter mich gesetzt. Sie schweigen und warten einfach. Ich schäme mich. Wieso bin ich es, die heulen muss? Vito ist zehn und lebt in einem Heim. Samir ist aus seinem Heimatland geflüchtet. Er hat mir einmal davon erzählt, wie er 24 Stunden lang in einem Laster saß. Eine Flasche Wasser hatte er dabei und eine Packung Kekse. Vom Wasser trank er nur ein paar Schlucke. Die Kekse rührte er nicht an, weil er vor Angst kaum etwas runter bekam. Als er mir das erzählte, saßen wir in einem Hinterhof. Über uns spannte eine Wäscheleine, zu der schaute Samir hoch und sagte in seinem gebrochenen Deutsch, Leben ist wie Linie, so fein zwischen Leben und Tod. wie ich davor geheult habe, so muss ich jetzt lachen. Ich lache zu den Sternen hinauf, die über den dunklen Baumwipfeln zu uns durchblitzen. Ich lache und lache. Vito und Samia sitzen immer noch und schweigen, aber ich glaube, sie verstehen. Irgendwann habe ich mich beruhigt, da brechen wir wieder auf, noch eine Stunde steilen Abstiegs, schweigend, aber seltsam vereint durch meinen Ausbruch von gerade. Unten am Parkplatz wartet Emma auf uns. Bene hatte sie kontaktiert. Ich laufe die letzten Meter zu ihr, plötzlich kann ich wieder laufen und falle ihr in die Arme, da sacken mir die Knie schon wieder weg. Ich rutsche an ihr hinunter und liege erneut auf dem Boden. Ist ja gut, sagt sie, ist ja gut, du hast überlebt. Ich springe übrigens. Ich träume, dass ich falle. Ich falle und schweige dabei. Ich schweige, bis mir auffällt, dass ich schreien kann. Also schreie ich. Ich schreie den ganzen restlichen Fall und lande in einem Raum, der gelb und warm ist vor Licht. Ich sehe mich um und stelle fest, der Raum bin ich. Meine Mutter erzählte mir einmal von einem Traum, in dem steht sie als kleines Mädchen in der Auffahrt zum Bauernhof, auf dem sie aufgewachsen ist und blickt hinüber zum Waldrand. Dort sieht sie ihren Vater, er trägt seine Soldatenuniform aus dem Krieg. Er bückt sich und hebt vorsichtig etwas vom Boden auf. Zuerst sieht sie nur etwas Plattes, wie ein übergroßes Eichenblatt, aber dann erkennt sie, dass dieses flache Ein von einem Panzerbauch abwärts halb überfahrenes Kind ist. Aber es ist nicht irgendein Kind, es ist sie selbst. Sie erkennt sich an den roten Gummistiefeln, die sie trägt, während sie dort an der Hecke steht und ihrem Vater zusieht, wie er ihr totes Ich mit hängenden Schultern betrachtet. Ich weiß nicht, sagt meine Mutter, was mein Vater erlebt haben muss, dass ich so etwas träume. Ich sitze im Zug zu einem Kurs an der Schule. Es ist früh am Morgen. Ich habe die Kopfhörer auf und höre Amy Winehouse Album Back to Black, als ich plötzlich eine Bewegung neben mir spüre. Ich öffne die Augen. Da stehen drei Soldaten und laden ihre Gepäckstücke auf die Ablage Ich öffbe die Kopfhörer wieder auf meine Ohren, aber die Gesprächsfetzen der Soldaten klingen trotzdem zu mir durch. Sie unterhalten sich über verschiedene Waffenmodelle, Gebrauchtwaffen, Kriegsfilme. Mein Herz fängt an zu rasen, ich könnte mich umsetzen, einen anderen Platz finden, aber ich fühle mich wie festgeklebt an meinem Sitz, kann mich nicht wegbewegen. Ich fühle mich wie festgeklebt an meinem Sitz, kann mich nicht wegbewegen. Irgendetwas muss ich trotzdem tun, um die Kontrolle zu behalten. Ich zücke mein Handy, suche mit zittrigen Fingern nach der Audio-App, halte es so nah und so unauffällig wie möglich an das Gespräch hinter mir heran und drücke auf den roten Knopf. Ich sitze an einem kleinen runden Holztisch in der Bar am Rand der Altstadt. Vor mir das vierte oder fünfte Bier. Eine Freundin ist zu Besuch. Sie ist mit den anderen, die wir aufgegabelt hatten, rauchen gegangen. Da kommt ein junger Mann auf mich zu und fragt, wer ich bin und was ich mache. Bereitwillig erzähle ich, dass ich Ida heiße, Kunst studiere und im Moment über das Leben meiner Großmutter recherchiere, von der in der Familie gesagt wird, dass sie Hitler-Anhängerin und fanatisch gewesen sei. I'm Samuel, I'm a Jew, erzählt er genauso bereitwillig zurück. My grandparents could flee from Berlin to the States just a few days before the Reichskristallnacht. Dass man diesen Begriff nicht benutzt, erklärt mir meine Freundin erst später in der Nacht, als ich ihr von der Bekanntschaft mit Samuel erzähle. Aber jetzt bestellen er und ich uns jeweils noch ein Bier, stoßen an auf die Versöhnung, beschwipst und fasziniert von unserer Begegnung, die uns besonders und schicksalshaft erscheint und so, als könnten wir heute und hier alles hinter uns lassen. Ein paar Wochen später bin ich mit Antoine in derselben Bar. Eine DJ legt auf. Wir sind mit seinen Leuten unterwegs. Es ist spät, es ist eng, es wird getanzt. Da schallt es Hey Nazi Girl durch den Raum. Ich drehe mich um. Ein paar Meter weiter entfernt steht Samuel und winkt mir über die Köpfe zu. In mir bricht eine Welle aus Scham. Ich weiß noch, die Frau, mit der ich in diesem Moment spreche, trägt knallroten Lippenstift. Ich bahne mich nach kurzem Zögern einen Weg zu Samuel durch. I'm not a Nazi girl, never ever call me again like that. But your grandmother was a Nazi, so you are too, sagt er. Ich spüre eine plötzliche Kränkung, so als hätte mir jemand in meine Gallenblase gestochen und die bittere Flüssigkeit daraus ergießt sich über all meine Organe. Ich weiß nicht, was ich darauf antworten soll, drehe mich von Samuel weg und ignoriere ihn den ganzen Abend und an jedem weiteren Abend, an dem wir uns sehen, schäme mich jedes Mal dafür, dass ich offensichtlich so hilflos bin, dass mir keine andere Lösung einfällt als Ignoranz. Ich bin ein Garten. Ich bin nur der oberste Teil aus Schichten von Geschichten. Zu lange habe ich versucht, mich mit den schönsten Blumen zu bepflanzen, mich zu hegen und zu pflegen und der ganzen Nachbarschaft und Welt zu zeigen, wie schön ich blühen kann. Aber was wirklich auf mir wächst, das entscheidet mein Boden. Und der ist lähmig. Darin steckt noch Munition aus dem Krieg. Da liegen Knochen begraben, da lauern einsame Gesichter. Auf mir werden keine Blumen leuchten und keine Bienen summen. Mein Garten wildert, Brombeergestrüpp wuchert, auch wenn ich versuche es auszureißen, auszumerzen, auszuhacken, zu vergiften, zu bändigen, aber es ist zu hartnäckig und bahnt sich immer wieder einen Weg an die Oberfläche, wo ich nun lernen muss, es einfach so zu lassen. Danke, Luise. Meine Damen und Herren, Sie haben gehört, hier spricht eine Erzählerin, Ida, Kunststudentin, und sie erzählt von Gehörtem, von Dingen, die ihr berichtet worden sind. Später im Buch kommen Dokumente, Briefe, die sie findet, hinzu. Aber sie erzählt auch sehr deutlich aus Dingen, aus dem körperlich in sich Gespürten, das sich in Situationen in ihr ausbreitet, unabweisbar wird. Und so haben wir hier nicht ein lineares Erzählen, Und so haben wir hier nicht ein lineares Erzählen, sondern ein Erzählen von Moment zu Moment, von Mosaikstein zu Mosaikstein. Und insofern haben Sie gemerkt, konnte man auch sehr von vorne nach hinten und von hinten nach vorne springen. Darauf kommen wir vielleicht später nochmal. Eine ganz andere Erzählweise finden wir nun in den Doppelgängern. Hier gibt es einen Erzähler, der über seinen Figuren steht. Man könnte das akademisch ausdrücken und sagen, ein auktorialer Erzähler. Man könnte das akademisch ausdrücken und sagen, ein auktorialer Erzähler. Im Zentrum des Romans steht ein Brüderpaar, Zwillinge, eineiige Zwillinge, die einander so zum Verwechseln ähnlich sind, dass man befürchten könnte, es käme so eine Verwechslungskomödie, ein Kostümslaps liegt dabei heraus, aber nichts ist weniger die Absicht des Autors, als so etwas zu machen. Die Ähnlichkeit dieser beiden mündet nämlich in ein sehr viel komplexeres, sprachgewobenes Spiel, in dem andere Personen auch eine Rolle spielen. Also die beiden Brüder sind Nikolas und Viktor, Nick und Vic. Nikolas' Freundin ist Marlene, von der wir jetzt gleich in der ersten Passage, die Lian da lesen wird, ein bisschen was hören werden. Die Protagonisten tauchen im ersten Stück, das sie gleich hören werden, gar nicht so sehr auf. Und Viktors Freundin, auch von der werden wir später hören, ist Elena. Ganz anders als hier in Luises Roman mit sehr distinkten Mitteln Wirklichkeit gestaltet wird, ist es bei Leander Fischer ein Erzählen, das vollkommen aus dem Moment der Sprache heraus lebt. Manchmal denke ich, dass das eine spezifisch österreichische Tradition ist, die, und das meine ich positiv natürlich, weil es Sie offenbar amüsiert, ich meine das extrem positiv, der Buchmesse eine wunderbare Rede gehalten hat. Da können Sie stolz darauf sein, auf diese Form so lässig, so elegant, so souverän repräsentiert zu sein. Also ich wünschte, wir hätten mal so einen Präsidenten, der sagte, naja, dass die Sprachbewusstheit der österreichischen Literatur innerhalb der deutschen Literaturtradition hat zu tun mit dem größeren Abstand zwischen der Schrift- oder Hochsprache und den regionalen, Regionalsprachen, das Wort Dialekt mochte er auch nicht so richtig gerne, so dass die Arbeit an der Sprache offenbar eine andere Form der Bewusstheit hervorbringt. offenbar eine andere Form der Bewusstheit hervorbringt. Und es ist vielleicht ein bisschen albern, wenn man das sagt, bevor Sie aus diesem Werk gehört haben. Ich kenne niemanden in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur, der das tut und kann, was Leander Fischer tut. Die Sprache ist ganz von ihren Rhythmen und Klängen getrieben. Die Sätze leben von einer Rhythmisierung von Binnenreimen, Alliterationen, Allusionen und allem, was sie in der klanggebundenen Rhetorik analysieren können. klanggebundenen Rhetorik analysieren können. Das ist hier leichthändig, gleichsam spielerisch geboten. Ich habe erst spät erfahren, dass er auch einen musikalischen Hintergrund hat. Das muss er vielleicht später nochmal im Laufe des Gesprächs erklären. Aber Leander, jetzt hast du sozusagen die Aufgabe, in die Tasten zu greifen und die Musik deines Erzählens zum Hören zu bringen. Also zuallererst möchte ich auch das Publikum begrüßen und mich dafür bedanken, dass sie sich gegen den warmen Abend draußen und für das literarische Klima hier drinnen entschieden haben. Immer wenn Geburtstag, Weihnachten oder Ostern in manchen Ländern und Familien auch Namenstag nahte, ging Marlene in irgendein Secondhand-Outlet Schuhschoppen und organisierte sich nebenbei eine 43er Schachtel oder welche Größe ihrem aktuellen Typen auch immer passte. Selten kleiner, ja meistens 43. Die Interessen variierten ebenso wenig, weswegen sie nie allzu lange überlegte, welche Zeitungsseiten sie nahm, um die Schuhschachtel einzupacken. So dann spulte sie ausreichend fingerdürren, aber festgefügten Hanfstrang von einer viele Meter zählenden Rolle Tauwerk, die sie im Hildesheimer Hafen einem Hobbyseilmacher und professionellem Segelschneider aus dem Kreuz geleiert hatte. Wer zuletzt keine Geschichte mehr wusste, spielten die beiden, nebeneinander sitzend, auf den Schrottreifen, die nach Hamburg geschoben werden sollten, über die Binnengewässer und von dort weiter in alle Welt, die bereit war, Deutschland seinen Müll abzukaufen. Wirklich stieg der Seemannsganspinner mit der Geschichte des Via Michelin-Klabautermännchens ein, das kurzum die Erde einmal umrundete, nur um am Ende auf einer Deponie verbrannt toxisch in den Himmel zu schweben und echt sauer wieder runterzufallen und den Insassen eines absaufenden Schlepperboots die Kleider vom Leib zu ätzen und Löcher in die Reling zu fressen. Mit links gewann Marlene in der Rubrik Fantasie und Wortwitz, doch der Haverer hatte unerschöpfliche Reserven Stoffauflager, der zwar knapp zusammengefasst Abfall war, ihn aber tausend und einmal Bereter machte. Marlene nahm sich an jenem Nachmittag vor, den Freitag nicht nur noch zu zerreißenden Geschenkpapierstreifen, vorher Storyline für Storyline aus dem Blatt zu ziehen, um zumindest irgendeinen Nutzen diesem Wettkampf abzuringen, nebst dem Strickwerk, versteht sich, denn die Piratenbrautabenteuer waren ja in Folge der ersten Geschichte schon passé, die trotz atmosphärisch schillernder Ölflecke auf dem Kanalwasser und abgefuckt charmanter Industriekulisse aus den letzten Jahrhunderten die Stimmung unumkehrbar kippte. Wenn sie ein Perlmuttmesser dazu wolle, dass selbst durch seine Seile wie durch Vaseline glitsche, müsse sie zumindest mit ihm knutschen, stellte der Typ dann noch in Aussicht, als die Sonne hinter den schmauchspurigen Schloten versank und Marlene zündete sich eine Kippe auf ihren Sieg an. Alsbald machte sie sich an der sauschweren Rolle Tauwerk abrackernd vom Acker und verfluchte ihren Boyfriend nicht wegen des ausgelassenen One-Night-Stands, schimpfte stattdessen laut in ihrem kleinen Zimmer vor sich hin auf schlechte Gewissen wegen ohne Präsenz sogar ganz offensichtlich vergessener B-Days, die menschliche Kulturtechnik des Kalenderblattabreißens sowie des Schenkens im Allgemeinen und auf alle studentischen Bruchbuden dieser Stadt, in denen es an nichts mehr mangelte als an scharfen Messern im Speziellen. Dummerweise war diese abgefuckte Perlmuttklinge zuletzt nämlich wirklich geflunkert und die Ausrede, das stelldich ein Aufopferungsvoll für sein Gürtel eingegangen zu sein, wie eine regenbogenfarbig schillernde Gesprächsspektrumsbubble geplatzt, die nur Schweigen und einen Topf voll Gold hinterließ, so eine Scheiße, lauthals. Irgendwann klopfte der Nachbar mit dem Stock gegen die Wand, dann, was denn los sei, an die Wohnungstür. in die Wand, dann, was denn los sei, an die Wohnungstür. Marlene tischte dem Überraschungsgast die ganze Geschichte vom unzertrennbaren Hanfseil so gewürzt auf, dass er jedenfalls noch scharf auf einen gemeinsamen Mitternachts-Snack war, aber als sie kein Stück der aus Österreich mitgebrachten Kaminwurzen abbekam, das verdächtige Krücherl nicht überriss. Im Gegenteil war er ganz geil darauf, mit seinem stets für den Ernstfall gewetzten Beil auf das wiederborstige Würstchen loszugehen. Und nachdem der Wein dann leer und der Typ immer noch nicht weg gewesen war und doch zu nüchtern weiter Aufschnitt am Tisch, fragte Marlene höflichst, ob er nicht auch noch Lust habe auf ein bisschen was von der Hartwurst, ging mit dem Wundermesser in die Küche, rief über ihre Schulter, wie viele Scheibchen, kramte herum, ließ etwas fallen und schrie, kam zwar ohne Kaminwurzen und Beil, aber mit fehlender Fingerkuppe zurück. Es sprudelte nur so aus der Wunde und aus ihrem Mund, wenn sie nicht gerade unterbrach, um ein bisschen an dem herausschauenden Fleisch zu saugen. Sie müsste in die Notaufnahme fahren. Im Nu wickelte er ihr Klopapier um den Finger, aber er sei stockbesoffen und sie legte die Rückhand in theatraler Pose gegen die Stirn. Aber dann werde sie hier... Sie schwankte kurz zwischen elendiglich zugrunde gehen und verbluten und zusammen mit der Schwerkraft war ihr Herzschlag stark genug, das Provisorium von Verband zu Boden zu pumpen. Ich rufte ein Taxi. Sie schlug ihm die Arme um den Hals, aber die nehmen mich nicht mit.gegenwart, die Wohnungstür hinterrücks und lautlos, vollspannend mit Sprunggelenker Bewegung zuzuziehen. Vermeintlich, wieder bei Bewusstsein, streichelte sie dem Nachbarn die Hand mit ihrer versorgten Fingerspitze, während sie auf den hässlichen, grellgelben Sitzbänken der um einen japanischen Räuchergarten herum arrangierten Ambulanz warteten. einen japanischen Räuchergarten herum arrangierten Ambulanz warteten. Zum Abschluss gab es einen Handshake und ein Bonbon der Notfallärztin. Fingerkuppe, viel Blut um nichts, sagte sie immer und auf dem Heimweg Perpedes, nein wirklich frische Luft werde ihr jetzt gut tun, beobachtete Marlene ausgebufft an ihrer Zigarette, paffend, während das Auspuffstottern des Nachbarwagens in der Nacht verklang, wie sich ein roter Punkt in die Mitte des weißen Muls fraß. Sie zog den Schlüssel aus der Hosentasche, öffnete die Tür, ging hindurch, verschloss sie zweimal und lehnte sich die nächsten Tage in ihrem Sessel zurück, wenn es klingelte, entzündete eine Zigarette, inhalierte und entspannte sich so tief wie möglich, zumal das Beil inzwischen bei ihrem Boyfriend lag, dem sie eine Scheibe Hartwurst und eine kosmetisch etwas aufgepeppte Milieugeschichte aller Beschaffungskriminalität neben dem Paket servierte, wie wohl das Messer im 43er Schuhkarton ihrem Geschenk die Pointe verdarb. Geil, was ein Beil. Marlene klatschte vor ihrer Nase die Hände zusammen. Nein, du Vollpfosten, das ist Verwahrsache. Behalten darfst was anderes. Die Schachtel. Marlene ließ die Hände sinken und verdrehte die Augen. Den Freitag. Marlene schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn und deutete auf den gelösten Hanfstrick, den sie kreuzförmig und mit einer Masche zum Abschluss um die Verpackung gewunden hatte. Wirklich grotesk! An der ganzen Schose fand Marlene bloß, dass ihr Ex-Boyfriend ihr das Beil wirklich zurückgab. Hütet euch vor dem schlecht gegürteten Jüngling, war fürderhin ihr Running Gag, wann immer der aktuelle Boyfriend ratlos vor dem leeren Paket stand, aber die Stricke passten immer perfekt geschätzt und geschnitten um die Becken der Boys. Nie war Marlene bisher mit jemandem lange genug liiert, sich Gedanken um ein Anschlussgeschenk zu machen. Erst Niklas Adler legte sie in eine zweite Schuhschachtel einen richtigen Gürtel von Sandro rein. Secondhand trotz Neuerwerb, Sommerschlussverkauf, recyceltes Schlangenleder, das sich passenderweise zu einer schwarzen Volute um die stellende Schnalle zusammenkringelte, in dem wiederverwendeten Karton, der mit ihrem Stammcaféhaus entwendeten Falterseiten beklebt und durch Verknoten der ursprünglichen Schuhbänder zugeschnürt wurde. Als das Designerteil aus Paris das vormals verschenkte Provisorium von Hanfstrick in Nixschlaufen ablöste, glückte die Überraschung wohl denn je einen gürtel an zwei aufeinanderfolgenden jubiläen zu bekommen erwartet ja niemand noch dazu gefolgt vom selben sprüchlein man hüte sich vor dem schlecht gegürtelten jüngling diesmal aber wechselte die immer zu marlenes ganz persönlichen amusement geäußerte pointe ihre bedeutungung dahingehend, sich für dahin vor dem Boyfriend nicht mehr fürchten zu müssen. Ich glaube, ich habe nicht zu viel versprochen, dass Sie zwei sehr unterschiedliche Erzählweisen und Tonlagen gehört haben. In dem Ort, an dem sich diese Szene vollzieht, Hildesheim, Hildesheim hat wirklich auch einen Hafen für Güterfrachtverkehr, also natürlich kein Seehafen, wie Sie wissen. natürlich kein Seehafen, wie Sie wissen. Hildesheim ist ein Stichwort. Beide Autoren haben an Schreibschulen studiert. Luise Meyer in Biel und Leander Fischer hat in Hildesheim kreatives Schreiben studiert, in Berlin und auch, wie ich jetzt gerade erst kapiert habe, ein Erasmus-Semester in Wien gemacht. Ich weiß gar nicht genau, wie solche Studiengänge sich inhaltlich gliedern. Ich könnte mir aber vorstellen, dass sehr stark an Texten gearbeitet wird, über Texte reflektiert wird. Aber gibt es eigentlich darin auch eine Vorbereitung auf das Literaturbetriebliche? Wird das diskutiert? Gibt es Kurse darüber, wie publiziere ich ein erstes Buch und was passiert danach? Also in Biel eher nein und in Hildesheim? Naja, also in Biel kenne ich mich nicht so genau aus, aber ich stehe in gutem Kontakt zu den Kolleginnen und Kollegen in Leipzig und in Wien, wo es das auch gibt und ich glaube da schon behaupten zu können, dass Hildesheim die am kapitalistischsten ausgerichtete Schreibschule ist und durch diesen Mikrokosmos, der da erzeugt wird, sozusagen ein Literaturbetrieb über institutseigene Publikationen, über Textwerkstätten, über Lektorate, die organisiert werden, außerhalb des Curriculums quasi schon simuliert wird. Insofern lebt man in einer Art Simulation des Literaturbetriebs, wenn man da studiert. Also das ist ja irgendwie auch naheliegend, dass Autorinnen und Autoren, die sich teilweise über sehr lange Zeiträume mit ihren im Entstehen begriffenen Werken beschäftigen, alleine oder in Studiengruppen oder begleitet von Mentoren, stehen vor der Frage, wie publiziere ich. Und aus dem Buchmarkt, aus der Verlagslandschaft kann ich Ihnen sagen, dass es keineswegs so ist, dass da draußen ganz viele unpublizierte Geniestreiche in den Schubladen liegen. Die Verlage sind allesamt getrieben von Talenthunger. Man könnte zynisch sein, die Verlage und der Literaturbetrieb sind getrieben von einem Hunger nach Frischfleisch. sind getrieben von einem Hunger nach Frischfleisch. Das drückt sich aus darin, dass es sehr viele Debütpreise gibt. Der wunderbare Rauriser Literaturpreis, der Mara Kassenspreis, der Debütpreis zum österreichischen Buchpreis. Und ich könnte jetzt noch eine ganze Reihe von Preisen aufzählen, zu denen zwei Hände wahrscheinlich nicht reichen würden. So hat man dann ein erstes Buch platziert und profitiert als Autorin, als Autor von diesem Rückenwind des Debüts. Aber wie ist es mit dem zweiten Buch? Wie ist eure Erfahrung? Ihr habt jetzt beide ein zweites Buch am Start. Beide Bücher sind ziemlich zeitgleich jetzt im März erschienen, also wir sind damit so sechs, acht Wochen unterwegs. Merkt man einen Unterschied zum Debüt. Was macht das mit euch als Autoren? Ein großer Unterschied ist natürlich der, dass man beim zweiten Buch weiß, dass es Leute draußen gibt, die darauf warten. Das ist völlig anders, wenn man an seinem ersten Buch vor sich hinschreibt, jahrelang. Da hatte ich eher Entfremdungs- und Beklemmungszustände, als mir plötzlich klar wurde, dass sich der Literaturbetrieb offensichtlich für das interessieren würde, was ich da schreibe, das war, als würde mir jemand beim Kaffee machen zuschauen und sagen, ah, das ist sehr interessant. Und beim zweiten Buch sozusagen schreibt man schon in eine Öffentlichkeit hinein. Das ist vielleicht vom produktionsästhetischen Stammpunkt ein anderer Druck oder auch eine andere Perspektive, dass man sich denkt, ah, das sollte mal erscheinen, vielleicht nicht erst in fünf jahren vielleicht schon ein drei oder so aber tatsächlich ist ja auch ein etikett dass man von draußen kriegt ich habe ein debüt geschrieben das bricht eigentlich mit allen kriterien die auf ein debüt normalerweise appliziert werden habe jetzt ein zweites buch geschrieben das thematisch vielleicht eher ein debüt wärezusagen insofern habe ich immer das Gefühl, dass man die Frage eigentlich zurückgeben muss ins Publikum, in die mediale Aufmerksamkeit, inwiefern es was anderes ist, ein Debüt zu schreiben, als ein zweites Buch. Wir haben übrigens vorhin ein bisschen überlegt, wenn Sie Lust haben, Fragen zu stellen an die beiden, notfalls auch an mich, dann machen Sie das natürlich gerne. Es wird so gehen, dass wir ein bisschen noch reden und Luise hören zum zweiten Buch und dann nochmal in zwei Abschnitten lesen. Magst du noch zum zweiten Buch? lesen. Magst du noch zum zweiten Buch? Also ich glaube, ich kann auch nicht so viel dazu sagen. Ich würde mich anschließen an das, was Leander gesagt hat. Man ist tatsächlich vielleicht so, man hat schon ein Buch geschrieben, irgendwie gibt es Erwartungen oder man denkt, es gibt Erwartungen und also jetzt in meinem Fall, ich musste mich für das zweite Buch von diesen Erwartungen lösen und einfach mein Zeugs machen. Und wahrscheinlich merkt man es auch, dass die Form und die Sprache im zweiten Buch jetzt anders sind wie im ersten, aber es hat wahnsinnig gut getan, einfach loszulegen und zu schauen, was passiert und was noch passieren wird, weil es ist jetzt zwei Monate draußen, man kann, glaube ich, final noch überhaupt nichts sagen. Aber natürlich ist irgendwie so ein Hoffen im Raum oder so, das ist halt einfach jetzt die Publikationsphase. Vielleicht darf ich ganz unverschämt, wie es meine Art ist, das Wort irgendwie an mich reißen, weil sozusagen Leseempfehlungen platziere ich auch immer ganz gerne. Der Spaß an der Sache ist ein Essay von David Foster Wallace, in dem das auf eine ähnliche Art und Weise erläutert wird. Sozusagen ist der titelgebende Essay des großen Wallace-Essay-Bandes, wo alle Essays drin sind, und dann hast du jetzt sozusagen schon geschafft, was Wallace für sein drittes Buch sozusagen allen nämlich empfiehlt, nämlich genau sich von diesem Druck des zweiten Buches zu lösen, weil irgendwann hat es doch mal Spaß gemacht und sozusagen um dieses Spaß, um quasi wieder hineinzukommen, sei dann eigentlich die Aufgabe. Wenn ich sozusagen gegen die oberösterreichische Selbstsicht einen bisschen niedersächsischen Lokalpatriotismus spielen lassen darf, die Stiftung Niedersachsen, die in Hannover, also unserer Landeshauptstadt, sitzt, hat über viele Jahre ein Literaturförderprogramm unterhalten, das hieß das zweite Buch. Also da ging es auch darum, mit einem Mentoren- und Stipendienprogramm auch die Zeit vom ersten zum zweiten Buch, die Zeit, die manchmal ein bisschen in der Windstille nach dem Rückenwind der Debüts steht, die gut zu begleiten. Leider hat man nach 15 Jahren gefunden, jetzt müssen wir mal wieder was anderes machen. Aber so ist es vielleicht auch im Betrieb, dass man Dinge, die gut sind, dann doch nicht ewig machen kann. Also in der Schweiz gibt es das. Ich habe das gekriegt. Du hast für das explizit ein Programm das zweite Buch. Das ist natürlich super. Natürlich. Das steht hinten richtig drin, also die Förderung. Nee, es steht nicht hinten drin. Es steht nicht, dass es das zweite Buch ist. Sonst hätte ich das ja sehr unaufmerksam gelesen. Es gibt hier im Buch auch formal ein bisschen was anderes, wenn Sie gedruckte Bücher vor sich haben und man will zwischen Abschnitten markieren, dass etwas Neues kommt. Dann kann man natürlich Leerzeilen machen, das ist aber häufig nicht deutlich genug. Traditionell hat man dann so kleine Sternchen, manchmal drei davon. manchmal drei davon. Die Anordnung der Sternchen, die so ein bisschen einen Pfeil machen hier eine andere Unterbrechungstype ausgedacht haben, sodass sie drei kleine senkrechte Striche in Buchstabenabstand und wie wir Setzer sagen würden, in Versalhöhe, also die Striche sind so hoch, wie ein Großbuchstabe hoch ist. Und das können Sie jetzt in der Ferne nicht erkennen. Dazu müssen Sie nachher an den wohl sortierten Büchertisch der Buchhandlung Alex treten und es betrachten und dann von der Autorin und dem Autor signieren lassen. Es gibt für mich eine kleine Passage, die ich Ihnen jetzt frecherweise vorlese, die das Verfahren des Buches mir erklärt hat. Ich bin ein Mensch, ich bin ein Mensch, in mir steckt ein Skelett, meine Wirbel sind aufgefädelt an einer Wirbelsäule, mein Herz hat vier Kammern, meine Lunge fünf, mein Kopf wiegt sechs Kilo, in meinem Darm wimmeln eineinhalb Kilo Bakterien. Ich habe Fantasien, ich habe Erinnerungen, ich bin schön, ich bin wild, ich bin eine Frau, je suis une femme, ich habe Narben, Verletzungen und Wunden innen und außen. Sie machen mich schön und hässlich zugleich. Sie machen mich zu der ich bin. Diese Inversion des Erzählens prägt den ersten Teil und jetzt werden Sie aus dem zweiten Teil des Buches auch wieder hin- und herspringende Passagen hören. Also eigentlich eben im zweiten Teil wird es, also der erste Teil kann vielleicht im ersten Moment abschreckend wirken, weil es eben sehr wirr erzählt ist und so hin- und herspringt. Wenn man sie darauf einlässt und bis zum dritten Teil kommt, wird man es aber verstehen, weil im dritten Teil wird dann alles verbunden. Also genau, das ist so viel zum ersten Teil. Und zum dritten Teil, jetzt lese ich aber aus dem zweiten Teil. Und da geht der Fokus weg von der Ich-Erzählerin Ida und hin zu ihrer Großmutter Magdalena und ihrer Großtante Anna, die sie eben, wie Tedel vorhin schon erklärt hat, einen Mann teilen sozusagen. Und dieser Mann ist Anton. Genau, das sind so drei wichtige Figuren jetzt für den zweiten Teil. jetzt für den zweiten Teil und die Zeit ist vor, während und nach dem Zweiten Weltkrieg. 1931. Sie hatten Evas Bett ganz nah an den Baum gerückt. Franz hatte die Tanne am Tag zuvor im Wald geschlagen. Sie war fast ganz gerade und hatte karge Äste, die nun mit Strohsternen, roten Äpfeln und Bienenkerzen geschmückt waren. Sie sangen, oh du fröhliche, am Weihnachtsbaum die Lichter brennen, Lieder aus dem Liederbuch und welche, die sie auswendig konnten. Die drei Mädchenstimmen und die der beiden Jungen, die Stimme des Vaters, übertönten den rasselnden Atem der Mutter nicht, die seit zwei Wochen mit einer Lungenentzündung bettlägerig war. Draußen schneite und windete es. Magdalena stand am anderen Ende des Zimmers, fast verschwand sie im Schatten. Sie bewegte ihre Lippen, aber sie brachte keinen Ton heraus. In ihrem Hals fühlte sich etwas an wie ein faustgroßer Klumpen. Manchmal warf ihre große Schwester Anna ihr einen Blick zu. Und auch wenn sie sie nicht genau sehen konnte, so sah sie ihr immer direkt in die Augen, so als würde sie in ihr eigenes Spiegelbild schauen. Sie sangen weiter, fast wie einstudiert, erst singen, dann die Geschenke, wir wollen doch der Mutter ein schönes Weihnachtsfest bescheren. Niemand von ihren Geschwistern und auch ihr Vater schienen es zu hören, aber Magdalena merkte, wie das Rasseln immer weiter in eine ungewisse Ferne verschwand, so als würde es vom Wind und vom Schnee davongetragen. Es war nicht so wie in den letzten Tagen, wenn sie abends noch am Bett ihrer Mutter saß, denn auch wenn ihre Mutter eingeschlafen war, rasselte die Lunge weiter. auch wenn ihre Mutter eingeschlafen war, rasselte die Lunge weiter. Magdalena strengte sich an, noch etwas zu hören, aber da war nichts mehr, nur noch der Wind da draußen und die Stimmen der anderen drinnen. Sie blieb in ihrem Eck stehen, der Klumpen aus ihrem Hals rutschte in ihre Brust, dort blieb er sitzen und verschanzte sich. Magdalena schloss ihre Augen und sang plötzlich. Sie sang laut, als würde sie so den Klumpen wieder loswerden können. Anna warf ihr einen Blick zu, jetzt zufriedener. Die kleine Schwester kuschte. Ein paar Minuten später bemerkten auch die anderen, dass Eva nicht mehr bei ihnen war. Jetzt bist du die Frau im Haus, sagte der Vater am nächsten Tag zu Anna. Anna nickte und weinte. 1937. Anna und Max, Martha und der kleine Paul standen an die grob verputzte Mauer des Flures von Engelsberg gelehnt und schienen auf etwas zu warten. Magdalena stand auch in der Reihe etwas abseits, die Arme verschränkt vor der Brust, die Augenbrauen hochgezogen. Nochmal, rief Paul, nochmal, und sprang begeistert neben Anna auf und ab, nochmal. begeistert neben Anna auf und ab, nochmal. Die zwei Haustüren am Anfang und am Ende des Flures standen offen, sie sahen Anton auf seinem alten Fahrrad, mit dem er aus Ehern gekommen war, Anlauf nehmen. Er steuerte direkt auf die Tür zu, mit konzentriertem Gesicht, dann, als er an der Schwelle vorbei war, streckte er die Beine zu einer Grätsche aus, hob seinen Kopf, lachte von einem Ohr zum anderen, als er an seinem Publikum vorbeisegelte. Hast du gesehen, wie Anton dich anguckt? fragte der kleine Paul Magdalena. Ja doch, das sehe ich, antwortete sie. Er ist so lustig, betonte Paul. Ja, vielleicht ein bisschen zu lustig. Würdest du ihn nicht heiraten wollen? Magdalena stockte. Einen wie Anton? Aus Ehren drüben, mit Flickenhosen und einer Magd als Mutter? Nein, danke. Ich brauche jemanden, der nicht ständig Unfug im Kopf hat. Sie haben es gehört, Anton ist der Mann, der die beiden Frauen nacheinander heiratet. Es gibt sonst hinten im Buch einen Stammbaum drin, den kann man sich dann nur angucken. 14.12.1944, Königsberg. 14.12.1944 Königsberg Liebe Anna, habe heute deinen Brief vom 2.12. des Jahres erhalten. Vielen Dank. Ich bin ja äußerst überrascht davon, dass es nun so schnell geht, aber ich freue mich von Herzen mit dir, deinen Wunsch erfüllt zu sehen. aber ich freue mich von Herzen mit dir, deinen Wunsch erfüllt zu sehen. Es ist eigentlich schade, dass dein schönstes Fest im ganzen Jahr in eine so armselig traurige Zeit gefallen ist, obwohl Glanz und Pomp eine Ehe nicht glücklicher machen kann. Nun, es muss eben jetzt sein und vielleicht versteht ihr euch ja gerade dadurch besser, weil ihr euer gemeinsames Leben nicht mit Illusionen beginnt. Ich, liebe Anna, kann und will dir keine Ermahnungen mitgeben in diesem Schritt, der dich aus dem Kreise unserer Familie zieht. Ich will dich nur mit allen guten Wünschen begleiten. Ich kann dir auch mit keinem Hochzeitsgeschenk aufwarten und ich empfinde es als schmerzlich, dass ich nicht dabei sein und dich in dein neues Leben hinübergeleiten kann. Für mich, liebe Anna, ist auch noch ein anderer Grund, der mich bedrückt. Du warst immer so gut zu mir, hast mir in vielen Dingen meine Mutter ersetzt und ich fühlte mich immer am wohlsten, wenn du für uns sorgtest. Es wird dies vorläufig auch noch so bleiben, denke ich, aber wenn die Lebenslage wieder anders ist, werde ich dich doch entbehren müssen. Das alles bedrückt mich, aber ich kann dich nicht von deinem Lebensglück abhalten. Ich schreibe dir wohl heute das letzte Mal auf unseren schönen alten Namen, aber schließlich ist es ja Lebenszweck für jedes Mädchen, diesen einmal zu verlieren. Ich komme mir eigentlich etwas unbeholfen vor, dir in diesem Thema zu schreiben, aber ich meine es mit den besten Wünschen. Nun, das nächste Mal muss ich dir wohl mit Liebe Frau Haberer schreiben, aber wenn ich einen Brief an unsere Familie adressiere, bist du natürlich auch noch gemeint. Ich kann es eigentlich immer noch nicht ganz glauben, aber ich muss mich wohl damit abfinden. Nun will ich dir nicht länger klagen, weil ich dich verlieren soll. Es steht doch in erster Linie dein Lebensglück im Spiel. Wenn du nur glücklich bleibst, nicht, dass du denkst, dass ich an Anton irgendwelche Zweifel habe, aber das Leben und der Alltag bringt immer Schweres mit sich und du musst in erster Linie auf ihn bauen können. Nun, du kennst ihn ja schließlich am besten und heiratest keine Katze im Sack. Nun muss ich wieder schließen, werde recht glücklich und feiere dein schönstes Weihnachtsfest. Ich für meinen Teil will mich zufrieden geben und hoffe, bald Onkel genannt zu werden. Dein Bruder Paul. 1946 Wieder nichts, fragte Anna. Sie hatte nur halbherzig hingehört. Ihre Aufmerksamkeit war bei dem Neugeborenen. Wieder nichts, sagte Franz und drehte das Radio aus. Sie werden schon noch kommen, sagte Magdalena und streckte ihren Arm über den Tisch aus, um kurz die Hand ihres Vaters zu berühren. Ich bete jede Nacht dafür. um kurz die Hand ihres Vaters zu berühren. Ich bete jede Nacht dafür. Solange mir der Anton den Hof gescheit führt, sagte Franz und schaute Anton direkt an. Franz, sagte er, ich kann nichts dafür, dass meine Brüder zurückgekommen sind, aber deine Söhne nicht. Aber ich verstehe, dass du sie wiederhaben möchtest. Franz legte seine hohe Stirn in Falten, sein Kopf wurde rot. Dein Verständnis bringt mir die beiden auch nicht wieder, sagte er. Er haute mit der flachen Hand auf den Küchentisch. Es schien durch das ganze Haus zu hallen, sich dann in ein Sirren, schließlich in ein Vibrieren zu verwandeln, das so schnell wie der Schlag gekommen war, abbrach. Dann war alles still. Das Ungewisse über den Verbleib von Max und Paul aber blieb wie eine halbtote Fliege im Fliegenfänger an der Decke kleben. 1952 Muss Mama heute wieder im Bett bleiben? fragte Anna Maria. Sie saßen alle zusammen am großen Holztisch in der Küche. Anna und Anton, ihre drei Töchter Anna Maria, Paula und Antonia, ihre Schwestern Marta und Magdalena, der Vater Franz. Anna war noch immer im Nachthemd, während die anderen schon angezogen waren. Ja, ich fürchte, das muss ich, antwortete Anna, aber du kannst mit Martha in den Garten gehen, da gibt es sicher viel zu tun, das Unkraut jäten und die Erde lockern. Vielleicht sind die Kartoffelpflanzen schon größer als letzte Woche oder du findest Erdbeerblüten. Ich kann dir vom Fenster aus zusehen und dir ab und zu zuwinken, dann weißt du, dass ich noch da bin. Vielleicht solltest du dich doch operieren lassen. Anton war nach der Stallarbeit wieder ins Haus zurückgekommen und kniete neben Annas Bett. Ich weiß nicht, Anna drehte ihren Kopf zur Wand. Man hört nichts Gutes von dem Chirurgen. Ich weiß, sagte Anton, aber dass du dein junges Leben im Bett vergeudest und deine drei Töchter eigentlich von deiner Schwester großgezogen werden, wäre ein Grund, es wenigstens in Erwägung zu ziehen. Sie schwiegen beide und schauten nach draußen. Da drehte sich Anna Maria um und winkte zum Fenster. Anna hob ihren dürren Arm, der Ärmel des Nachthemdes rutschte herunter. Sie winkte zurück. Anna Maria sah durch die Fensterscheibe etwas Weißes hin und her schwenken. Sie winkte noch kräftiger und lachte, bevor sie sich umdrehte und die Fingerchen wieder in das Gemüsebeet grub. bevor sie sich umdrehte und die Fingerchen wieder in das Gemüsebeet grub. Der Operationstermin wurde auf den 16. August festgelegt. Der Arzt entfernte ein aprikosengroßes Magengeschwür und mehrere Schwestergeschwüre. Am Tag nach der Operation kam der Junge vom Postamt vom Dorf zum Hof hinauf. Da sie in Ehern kein Telefon hatten, schickten die Inhaber des Amtes immer ihren Jungen, um die Nachrichten zu überbringen. Er hatte eine Nachricht des Arztes bei sich. Antons Stimme ist brüchig, als er am Abend Magdalena, Marta und Franz sagt, was ihm der Junge vom Postamt übermittelt hatte. Anna wurde bei der Operation mit einer Sepsis infiziert. Wir sollen sie nach Hause nehmen. Sie sahen sich an und schwiegen. Sie wussten, was das bedeutete. Ich fahre morgen in der Früh los, sagte Anton, und hole sie. Von den Reifen des Traktors und des Anhängers fielen Klumpen getrockneter Erde, als Anton ihn vom Hof in die Stadt steuerte. Er parkte auf dem Krankenhausparkplatz. Zwei junge Pflegerinnen gingen kichernd an ihm vorbei, als er ausstieg. Anna lag noch im Bett, als er zu ihr ins Zimmer kam. Ihre Augen waren fiebrig. Er half ihr hoch, stützte sie, als sie zum Schwesternzimmer gingen, um die Entlastung zu unterschreiben. Anton hatte Decken mitgebracht. Zwei davon breitete er auf der Anhängerfläche aus. Eine legte er zusammen und als Kissen an die Wand. Dann half er Anna, sich zurechtzubetten, bevor er noch zwei Decken über sie legte. Bitte fahr vorsichtig, sagte sie und sah ihm in die Augen. Keine Sorge, meine Liebe, antwortete er. Ich war nicht umsonst Sanitätsfahrer in Russland. Und dann steuerte er den Traktor im Schneckengang aus der Stadt heraus, den Erdklumpen von der Hinfahrt folgend zum Hof zurück. Im ersten Stock sollte sie liegen, das hatten sie am Vorabend noch entschieden, dort über der Küche und dem Wohnzimmer im neuen Anbau, der noch ein Rohbau war. Die Kinder sollten sie nicht so sehen, ihren dürren Körper, den Kopf, der ihr immer wieder wegknickte, ihre glasigen Augen. Martha sorgte dafür, dass die Kinder auf dem Heuboden zu tun hatten, als Anton mit Anna zurückkam. Anna musste eine Weile warten, bis Anton die Decken, die er für die Fahrt gebraucht hatte, nach oben in das eingerichtete Krankenlager gebracht hatte. Es gab noch keine Treppe, der Einstieg erfolgte über eine Leiter und durch eine Fensteröffnung. Anna ging vor, Anton dicht hinter ihr, damit sie nicht fiel, die Leiter hoch. Hätte man vom Waldrand aus zugesehen, hätte man gedacht, sie wären eine Person. Sie ist tot. Nein, ist sie nicht. Doch, ist sie. Ich hab's den Papa vorhin in der Küche zum Großpapa sagen hören. Mama ist tot. Nein, ist sie nicht. Doch, ist sie. Ich hab's den Papa vorhin in der Küche zum Großpapa sagen hören. Mama ist tot. Anna Maria starrte ihre kleine Schwester Paula an, aus deren Mund so hässliche Worte kamen. Sie starrte sie an und etwas kroch in ihr hoch, aus dem Magen in das Herz, vom Herz in den Hals und in die Arme. Sie ließ einen Schrei los, formte ihre Hände zu Fäusten und schlug auf Paula ein, die sich schützend duckte und doch Schläge abbekam, obwohl sie nicht wusste, wieso. 1953. Anton stand in der Einfahrt zum Nachbarhof, die Hände in den Hosentaschen seiner Wollhose vergraben. Er war mit Magdalena noch eine Runde spazieren gegangen, morgen sollte ihre Hochzeit sein. beerdigt hatten. Die Kinder brauchten eine Mutter und Magdalena war unverheiratet. Es war eine schnell beschlossene Sache gewesen. Auf dem Rückweg des Spaziergangs war Magdalena bei der Einfahrt zum Nachbarhof stehen geblieben und hatte gemeint, sie wolle noch kurz zur Nachbarin, er solle hier warten. Es war eine klare Nacht. Anton bog sich nach hinten, um besser in den Himmel schauen zu können. Über ihm war nichts außer dem Sternenzelt und regelmäßig seine kleinen Atemwolken. Wie verzaubert von dem Anblick über ihm stand er eine Weile so im Schnee. Dann richtete er sich plötzlich gerade auf und fing an, auf dem schneebedeckten Feld sicheren Schrittes eine Form abzuschreiten, als hätte er nie etwas anderes nachts im Winter auf einem Feld gemacht. Er schritt, den Kopf leicht gesenkt, die Füße wie ein Pflug durch den Schnee. In dem Moment, als er fertig war, kam Magdalena aus dem Haus, der Nachbarin auf ihn zu, blieb neben ihm stehen und beide blickten auf ein in die Wiese wie eingemeißeltes Herz in dem Stand für immer dein. Magdalena blickte kurz zu Anton hoch, er schaute auch sie kurz an und in diesem Augenblick wusste sie, dass das Herz nicht für sie bestimmt war. Anton nahm sie wortlos in den Arm. Ich habe es nicht anders verdient, dachte sie und nickte kaum merklich. Wortlos gingen beide zurück auf den Hof. Das Herz war auch am nächsten Tag noch sichtbar, als die Hochzeitsgesellschaft daran vorbeifuhr. Sie neckten das junge Brautpaar damit, Magdalena lächelte gezwungen, die Hand, die den Blumenstrauß umklammerte, schwitzte. Anton ließ sich gerne necken und spielte den verliebten Bräutigam. Magdalena zog zu Anton auf den Hof nach Ehern. Von seiner Familie bekam sie ein Pfund orangeleuchtender Mandarinen geschenkt. Sie aß noch alle in der Hochzeitsnacht auf. Einmal, als ich bei Magdalena zu Besuch war, lagen in ihrer Küche zwei Mandarinen auf dem Tisch. Ich fragte, ob ich eine davon haben dürfe. Nein, sagte Magdalena, nahm die Mandarinen weg und trug sie zur Anrichte und legte sie dort weit nach hinten, wo ich sie mit meinen Kinderarmen nicht erreichen konnte. Und jetzt kommen wir mit einem geradezu schnellen Schritt zu etwas, das tönt ein bisschen wie ein Roadmovie im Weinviertel. Und jetzt begegnen wir intensiver den beiden Helden Nikolaus und Viktor, Nick und Vic? Ja, als wären sie eine Person, ich werde die Steilvorlage natürlich aufnehmen sozusagen. Wir haben hier eine ähnliche Thematik, es ist mit dem Gürtel im ersten Abschnitt ja auch schon angeteast, das Nibelungenlied, der Streit der Frauen, an dem Gürtel werden Sie das dann erkennen sozusagen. Das Manuskript ist rekursiv angelegt. Wir befinden uns hier schon an einer Stelle. Wie toll es Niklas und Marlene miteinander gehen, wird sein Bruder, der genauso aussieht, nicht unerwidert lassen. Und nie sind die Erinnerungen pur purner an die Anfangszeit einer Beziehung, als wenn sie wackelt. Erinnerungen pur purner an die Anfangszeit einer Beziehung, als wenn sie wackelt. Eben erst dem Dorf entflohen, wussten die Zwillinge schon, dass sie Korrekturerfahrungen machen mussten. Immerhin, wer will denn die halbe Ewigkeit, eine ganze Teenagerzeit, die universitären 20er Jahre verbringen, in wiedererzähltem Herkunftsherzeleid. verbringen in wiedererzähltem Herkunftsherzeleid. Während der ersten Sommerwochen besuchten Wick und Nick nahezu ununterbrochen in den inneren Bezirken Wiens Wirtsstuben, wo sich schöne Menschen suchten. Statt immer voll Misstrauen im Winkel sitzender Augen, schauten und sprachen den Zwillingen in der Stadt lauter staunende Münder entgegen und war die Verwunderung erstmal hinuntergespült, die Verblüffung etwas vom grünen Weltklinik getrübt, wurden schon gänzlich brüderliche Gespräche unverwandt am Tisch geführt. Nichts vom Wegzug der Jugend, vom Land, stattdessen ein dreitagebärtiger Jüngling, der einen grässlichen Unfall, wie er erzählte, allein auf weiter Fahrbahn gebaut, so auch selbst verschuldet, aber unbeschadet überstanden habe, eine unüblich weise Mutter, die am Henfling unbotmäßig gleich am Folgetag den Schlüssel für den zweiten Wagen gab. Ja, Hauptsache überlebt und keine Chance dem Trauma. In den Außenbezirken frequentierten Wick und Nick die Schlachthausgasse, wo sich alte Backsteinfabriken erhoben und den arbeitslosen, wohnungslosen, drogenhalb Toten nahrhafte Suppen ausgeschenkt wurden von Ehrenamtlichen in loderroten Gewändern mit unschuldslammweißen Kreuzen drauf, statt der Almosen verteilten Nachbarn in ihren Lodenmänteln. Bevor abends der Punk die Bühnen besiedelte, Bandleader, die den vormittäglichen Gästen zum Verwechseln ähnelten, Publikum, hochgehaltene und geschwenkte Feuerzeuge. farbaren in pastellartigem Sonnenaufgangslicht und den blättertreibenden Windfarben, bis die Ampeln schalteten und vor schwarzem Hintergrund die beiden aus neongrünen Streifen zusammengesetzten repräsentativen Männer erschienen, die einander an den fluoreszierenden Händen hielten, unter einem flimmernden Comic-Herz. Bei solch einem Heimschleichgang habe Nick vom Bruder schon verlassen, auch den Weinviertler Weinbauer getroffen, wie er Marlene erzählte. Dass er den alten Ganoven einarmig kennengelernt habe, dass er ihn kurz begrüßt und sich neben ihn an den Automaten gesetzt habe, dass der Bandit gleich drei Achterl gezeigt habe, dass er sauber ausgespuckt habe, dass der Weinbauer auf Nicks Oberschenkel gehauen habe, den ganzen Abend Gämblemann, er krabble daher, dass es rassle na servas. Dass es ein sogenannter Naschmarkt-Klassiker war, wo die Kaschemmen nach der Sperrstunde offen hatten in der guten alten Zeit. Als die Magistrate das kleine Glücksspiel noch erlaubten, ein, zwei Maschinen im Beisel, das tue ja niemandem weh, am wenigsten dem Wirt, der die Marie mit den Einarmigen mache, statt mit den frühpensionierten Hunde, lebenslaufbaren Invaliden, schnapsnäselnden Knackern, die bis Sonnenaufgang vor ihrem letzten Glaserl Absacker dahin zitterten. Irgendwann sei dann letzte Runde und Sperrstund gewesen, aber für immer und der Weinbauer und Niklas ging frühstücken. Sein Glück. Denn der Kapazunder erzählte weiter, dass er geschäftlich auf Tour sei, dass sein Metier abseits der Saison aus Hotelaufenthalten bestehe, dass man die neuen Trauben ein Neichel allein lassen könne, bis man zurück müsse die Schnecken abklauben, dass er die Vorjahresernte seiner Berge anderswo gegen die Nächtigung tausche. Dort fahre er tagsüber die ortsansässige Kundschaft besuchen und starte abends schon wieder mit der Akquise. Er schriebe die Nummern auf, die jene anrainerische Hotelkundschaft hinterlasse, die außerordentlichen Wein bestellten zum Mittagstisch und sie hinterließen alle ihre Nummern. Das könne Nick schon glauben. Dann fahre der Weinbauer weiter ins nächste Kaff. Würde sie, damit sie seine Lieferung auch würdigten, ein bisschen zappeln lassen und erst auf dem Rückweg abklappern. So wachse mit jeder Reise durch Österreich der erlauchte Kreis um den Weinbauern, wie auch sein Umsatz, nicht aber die Stückzahl an Flaschen, bloß der Preis pro Tropfen. Er habe es sich zur Regel gemacht, aus seinen Reben nicht das meiste, sondern das beste herauszuholen. Es nütze nichts, Ackerfläche dazu zu kaufen, denn sobald seine Weinberge zu weitflächig würden, sie alleine zu bestellen, jede Schnecke einzeln händisch abzukrageln, jede Rebe einzeln das Staberl raufzuwinden, jedes verfaulte Pflanzerl einzeln auszureißen, mit Strunk und Stiel, ja, sobald das nicht mehr gehe, müsse er erst recht wieder dieses Gift einsetzen, das seinen Nachbars Nachbarn über den Acker spradet und das Egleiterknochen Schädel aufsteigt, meine Herren. Habe er ein Glück mit der Nachbarschaft, die wie ein Burgring um seinen Weinberg und Seelenfrieden liege, als wäre es die Balkanpufferzone vor Altwien, weitflächig genug, dass dem Sturm die Luft ausgeht, bevor es Gift rüberweht. Den windgebeutelten Nachbarn helfe er dafür beim Lesen, beim Dachdecken, Den windgebeutelten Nachbarn helfe er dafür beim Lesen, beim Dachdecken, beim Wetterfestmachen vor Hagelschlag und sie ihm beim Säen mit der bloßen Hand, wo eine die andere wasche, aus dem Hanfsack die Körner verstreut. So entwickle sich auch ein kleiner, helferischer Kreislauf von Gefälligkeiten in der winzigen Gemeinde im Weinviertel, ob er ihn eh einlade aufs Frühstück gegen ein Flascherl. Und da war es um Niklas schon geschehen und um Marlene auch, die ihn unbedingt zum Abschluss ihres Balkan-Roadtrips besuchen müssten. Da führen sie dann auf dem Traktoranhänger durch die Weinberg, dass ihr Haar nur so hinterherfliege und Niklas Schluck aufkriege vom Aufstoßen der Ackerfurchen und dem Lambrusco streng genommen Schaumwein, den sie als Wegzieher Ziehweck trunk dabei hätten wie in der Emilia Romagna. Und dann bestellten sie dem Ventliner des Bauern aufs Haus und von der Karte in einem unscheinbaren Lokal an einem beschaulichen Baggersee, wo sie bald lallend die Vokale dehnten und die Konsonanten dämpften, wenn sie den Kellner nachäfften. Bio-Dop. Während sich der Weinbauer die Spaghetti-Frutti die Lacke schnitte, in deren dreckfarbiger Soße von Jauche-Konsistenz sich erdige Egelfilets, derbe Karpfenteile, deftige Schratzen im Ganzen, fettige Welsbäckchen und blutige Hechtflossen verbargen, zu groß, sie um die Zinken zu wickeln. Hingegen um den Reseda-farbenen Traktor würden sich bereits die Jünger ringen bei ihrer Rückkehr aus dem Resti, Und der Weinbauer schenkte dem ihm entgegentretenden Mann in seine Filzhutkrempe Weltliner aus einem hervorgezauberten Probierfläschchen, von dem der Mann ganz eifrig tränke, um mit seinen Schlabbergeräuschen dem Schotterparkplatz, die Wüstenei, den Staub und die Schattenlosigkeit auszutreiben, treiben, während den Weinbauern Marlene und Nick allerhand aus allen Winkeln des Weinviertels auf Wanderschaft wegen dieses allenthalben bekannten Fischlokals gegangenen Gestalten umringten, sie seien Flaschenangler und sie küßten den Weinbauern die von Sandalen gegürteten Füße, um zumindest das Gefühl auf den Lippen zu haben, die Maschine zu bedienen, diesen Motor hochzudrehen, mit diesem Oldtimer ins Feld zu ziehen, Gas zu geben. Sie würden den alten Haudigen beglückwünschen anlässlich jenes evergreenen Traktors wie andernorts Porsche-Fahrer. Nach diesen Schwärmereien und Versprechungen drehte Marlene auf einem Schotterparkplatz in der Mitte des folgenden Sommers den Wagenschlüssel um, zog ostentativ in Zweifel eine Augenbraue hoch, während sie den Blick ihres Boyfriends auf sich spürte, steckte sich eine Benzinent Hatch mit dem Zigarettenanzünder an. Das Gefühl, wieder in Österreich zu sein, stellte sich nicht ein, weder beim Anblick dieser halb verfallenen Scheune an Nick vorbei, noch in Anbetracht der Ackerfugen durch furchten Einöde hinter der Windschutzscheibe, geschweige denn, wenn Marlene Fahrerseits durch den Zigarettennebel diesen aschfahlen Hügelrücken entlang schaute, der ihr vorkam, als hätten bucklige Dörfler infolge irgendeiner familiären Kalamität eines Erbschaftsstreits vielleicht die Gräber der Hofbewohner von Kind und Kegel alle gleichzeitig ausgehoben. Das sei voll die Goldgrube, und in Nicks Stimme lagen noch die Zigaretten, deren mit kyrillischen Schriftzeichen bedruckte Schachteln das Wageninnere vermüllten, und als Marlene das Licht anschaltete, glitzerte in seinen Wimpen noch getrocknetes Salz und in ihren Ohrmuscheln rauschten noch Wellen vor Cordula, die ihrer Form nach am Horizont dem Leitergebirge im Rückspiegel nahe kam, wo gegen jener nahe der grünen Grenze vor Stunden passierte Steinadler mit gesprengter Kette, wuchtigen Hammer und Sichel auf seiner blau gerenderten tafel noch so schäbig an krechzen konnte keine berge und kein strom wieder ampeln noch tanken nichts dergleichen kein carport oder sonstwie gesonderte bereich anzukommen und auszusteigen ohne vorfahren oder anspringen das licht standen sie von müdigkeit durchfahren, mitternachts auf diesem verschossenen Parkplatz, wo zwischen den Schottersteinen sicher noch die Patronen der letzten Hetzjagd glänzten. Hinter dem Hochstand irgendwo, der sich entfernt über der Ebene abzeichnete, musste Wien liegen, die einzige Stadt und das einzige Fleckchen Österreich, das Marlene ohne Berge am Horizont kannte, wie wohl sie die großkotzige Millionenmetropole für nichts weiter als ein größeres Dörfchen hielt. Eine Million, bilanzierte Nick immer, und Marlene quittierte wie Millionenshow. Und nun seien sie, als lese Nick ihre Gedanken, im Niemandensland. Was? Und Marlene musste lachen. Und nun seien sie, als lese Nick ihre Gedanken, im Niemandensland. Was? Und Marlene musste lachen. Los, wer zuerst den Drachen findet. Und Marlene vermisste die blinkenden Flieger am Himmel und die rauschenden Autos am Gürtel und die fluchenden Passanten am Ring, weil wieder jemand nicht hielt. Fahrer, Pfarrer, Forttransporter, Motorroller, Monster Trucks, Rollerblader. So doll sie konnte, hupte Marlene. Nicks todeserschrockenes Gesicht über dem Beifahrersitz war ein richtiger Hingucker. Und sie spürte, wie sie grinste, als dahinter eine Grabkerzenkleine Lampe durch die Finsternis des Parkplatzes irrlichterte. Schnell kam die Leuchte nä näher mit wachsendem schritt unter der haarigen hand des mannes der den gusseisen griff der funzel umfasste dessen schädel schon über die fensterscheibe hinaus ragte und die tür wurde aufgerissen er verschreckt noch das wild marlene aste heftig ab so dass die glutpedal fiel, sie im Dunkeln saß. Oder die Jäger. Sie mochte die Vorstellung, wie dem Typen diese Antwort von finsterem Fahrersitz entgegenschlug. Du gefällst mir, Mädchen, so ist's recht. Nur nicht einschüchtern lassen, von der kannst du dir eine Scheibe abschneiden, bist dir komplett käsig vor Schreck. bist dir komplett käsig vor Schreck. Er trat von der Kiste weg und ging langatmig über den Schotter, wandte sich um und die Lampe bestrahlte sein kantiges Gesicht von unten wie in einem Gruselfilm. Na kommt. Als Marlene die Fahrertür öffnete und ins Schloss drosch, hörte sie einen Knall und wie ein massiver Körper zusammensackte auf Schotter ein Schaben und Schieben. Dann stoben die paarhufigen Schritte nur so über den Parkplatz, bis sie im Rascheln und Knallen bleigesiebter Wiesen untergingen. Durch den Lichtkreis um den Gastgeber rauschte eine letzte, den Schein augenblicklich zurückwerfende Silhouette preschte, geweihe voran den Gewehrschüssen von Schotter umsprungen, den Straßengraben, tauchte in Stille ab. Nick griff Marlenes Hand. Sie habe die Hochstandssitzer allesamt um ihre Blattschüsse gebracht. Dann fasste er ihre Finger sanfter. Der Gastgeber aber leuchtete ihr blendend und die Lampe hebend ins Gesicht. Da müsst ihr schon früher aufstehen. und die Lampe hebend ins Gesicht. Da müsst ihr schon früher aufstehen. Sie nahmen den erlegten Hirsch mit. Sie schliefen auf Heuböden, lieferten Wein aus, pflanzten allathalben Vogelscheuchen, tanzten auf Feuerwehrfesten, erwanderten Burgruinen, zächten bis Sonnenaufgang, lieferten Weinfässer, besichtigten Jagdschlösschen, schauten von Hügeln, traten barfuß Tau, lieferten Wein, gingen in Saunen, flaniertenügeln, traten barfuß Tau, lieferten Wein, gingen in Saunen, flanierten im Wald, suchten nach Schwammerl, fanden nur Rehe, tranken aus Quellen, sägten Hochstände an, fickten auf Wiesen, lieferten literweise Wein, kegelten Keulen, wegkletterten Felden hoch, besuchten die Nitsch-Retrospektive, debattierten über Politik, lieferten Weinfässer aus, schleckten frischen Honig, schrieben in Gästebücher, vergaßen die Sinssprüche, übertölpelten andere, trunken Bolle, erschreckten die Kuckucksuhr, kiebitzen beim Kartenspielen, zinkten die Würfel, teilten die Zeche, fielen in Betten, brachen in Eimer, lösten Aspirin auf, massierten den Weinbauern, lieferten Weinschläuche, tanzten ohne Feuerwehrfeste, leerten Wespenfallen, ausrauchten die Zigaretten, aufkauften kistenweise Wein und alles, was der Weinbauer sagte, war derart wahr und vom Rausch getrübt, dass Marlene es kaum glaubte. Eine langjährige Kunde habe sogar eines seiner Flaschen ins Labor geschickt, wo ein alter Bekannter in nostalgischer Erinnerung an gemeinsame Tafelzeiten mit Kreide und Schiefer und Schulbankjahre, mit Feidl und Eingritzeln, Herzsäulen und Chemies-Unfällen mit Schwefel und Kontaktlinsen gebündeltem Licht. Kurzum eine Probe entnommen und bestätigt, dass sich ausschließlich vergorene Traube sondieren ließ, als würde es allein dadurch schon wahr, dass er es sagte. Und mein Kind, wo kein Gift, da auch kein Kater. Der Hangover schlich erst wieder in Vienna durch Marlenes Schläfe, Jammer, grauen Fels, hey yo, good old fella und schlug zum Gruß seine ausgefahrenen Krallen von drinnen gegen ihre Schädeldecke wie ein Climber kurz vorm Absturz seinen Pickel an einer schiefer Wand, die er dann Kraftgravitation abkratzte in Zeitlupe bis zum Talboden und selbst dann echote das elendigliche geräusch wie tafelkreide damals den ganzen tag sich über die häuser hauen ja voll auch nick klang erledigt am telefon zähne knirschen hitze wallungen schwindel anfälle und die grässlicheliche Kraft jeder Mucksmäuschenstille zu weichen einem blitzschnellen Kopfdonnergrollen. War schon schön, diese Zeit am Land. Schöner als damals mit meinem Bruder. Ich freue mich auf den Herbst in Wien. Vielen Dank, meine Damen und Herren. Der Blick auf die Uhr sagt mir, dass wir uns ein bisschen verplaudert haben. Die Zeit sollte aber nicht Sie daran hindern, den Büchertisch der Buchhandlung Alex genau zu sehen. Sie finden da die beiden Bücher, Ehern von Luise Meyer und die Doppelgänger von Leander Fischer und ich habe auch ein Exemplar des Debüts von Leander gesehen, die Forelle. Also die Auswahl wird Ihnen schwerfallen. Einfach alle kaufen. Aber wir wollen den Abend vielleicht nicht ganz schließen, ohne dass, wenn jemand von Ihnen eine ganz dringende unter den Finger- oder Fußnägeln brennende Frage hat an die beiden, dann haben wir jetzt noch die Gelegenheit. Ja, also mich würde es interessieren, ob Sie auch selber Erfahrungen mit Krankheiten gehabt haben, weil Sie sich so deutlich schälen können. Und an Sie hätte ich gerne gewusst, ob Sie auch schon mal jemanden unter den Fetisch gehabt haben, als Verlagschef und den wieder gehen haben lassen. Welche Verantwortung übernimmt man eigentlich? Und an Herrn Fischer würde ich auch gerne fragen, wie so der Arbeitsalltag eigentlich ausschaut. Ja, dann fange ich an, weil ich die Kürze geampert habe. Ich habe eine Anekdote dazu zu erzählen, wie viele in diesem Buch. Ja, dann fange ich an, weil ich die kürzeste Antwort habe. Ich habe eine Anekdote dazu zu erzählen, wie viele in diesem Buch, dann fängt man ja auch an so zu reden quasi. Ein Freund ist mal zu mir gekommen, der hat mich am Nachmittag besucht und er hat mich gefragt, wie mein Tag gewesen sei. Und ich habe gesagt, du schau her, hier habe ich einen zweiseitigen Schimpfmonolog und da kommen vier Schimpfwörter vor. Die habe ich mir rausgeschrieben und dann habe ich jeweils, das war ein Kompositor, eins rausgenommen, habe sie getauscht und neu kombiniert und dann ist mir aufgefallen, dass auf der ersten Seite drei davon vorkommen und auf der letzten nur noch eins. Das fand ich blöd, dann habe ich die gleichmäßig über den Text verteilt. Dann hat er mich ausgelacht, aber so ist tatsächlich der Alltag. Ausschneiden, zusammenfügen, neu arrangieren und dann mit einem Freund Kaffee trinken und sich auslachen lassen. Wie gearbeitet diese Texte sind, das merkt man, glaube ich, beim Zuhören, beim Vorgelesen bekommen. man glaube ich beim Zuhören, beim Vorgelesen bekommen. Die Frage, die Sie mir gestellt haben, rührt an was ganz Grundsätzliches von dem, was wir Verleger tun. Das eine ist, Autorinnen und Autoren in den Verlag zu holen, sich zu entscheiden, dass man gemeinsam ein Werk entwickeln will. Und ein Werk meint eben nicht nur ein Buch, sondern die Möglichkeiten, die ästhetischen Möglichkeiten, die wir als Verlagsleute, als Lektoren sehen, zwischen Thorsten Arendt und mir gibt es so eine Kurzformel. Wenn wir Texte gelesen haben, wenn wir mit den Autoren gesprochen haben, mit den Autoren gesprochen haben, merken wir, ob konzeptionell durchdrungen und reflektiert ist, was da gemacht worden ist. Also uns interessiert nicht das einfach so Hingeschriebene, sondern dass jemand wirklich weiß, was sie oder er tut. Und wir sagen dann, du, ich glaube, das ist eine Autorin. Meint, wir interessieren uns für Autorinnen und Autoren, die wirklich hochbewusst an der Sprache arbeiten. Und das haben sie heute Abend in zwei sehr unterschiedlichen Stimmen und Tonlagen hören können. Der andere Punkt, der aus der Verantwortung auf eine gewisse Weise folgt. Wir beginnen mit Autorinnen und Autoren und besonders gerne beginnen wir wirklich am Anfang mit Debüts und gehen weiter über zweite, über dritte, über vierte Bücher. Und das Ideal der Verlagsleute ist, dass man aufbauend so fortschreitet. Und ich kann Ihnen nur sagen, es gibt eigentlich nichts Schmerzlicheres oder Deprimierenderes, als wenn diese Zusammenarbeit sich nicht fortsetzt. Das kann passieren, wenn Autoren nicht weiterschreiben. Es kann aber auch passieren, wenn sie das Gefühl haben, ich muss jetzt in einen anderen, vielleicht auch in einen größeren Verlag oder wenn sie das Gefühl haben, so wie man selbst vielleicht auch manchmal ganz viele Dinge in seinem Leben auf einmal ändern möchte, man trennt sich von der Freundin oder dem Freund, man zieht in eine andere Wohnung, man schmeißt sein Mobiliar, vielleicht sogar seine Bücher weg. Solche Umbruchphasen im Schaffensprozess von künstlerisch produktiven Menschen bedeuten auch manchmal, Verlagskooperationen nicht die Kontinuität, für die man sich eigentlich gewünscht hat oder in der man als Verlagsmensch Verantwortung übernehmen wollte, dass so etwas abbricht. Ich mache das nun schon seit 40 Jahren, dieses Geschäft, das kein Geschäft ist. kein Geschäft ist und wenn so etwas nicht fortgesetzt werden kann, dann ist es für mich heute noch nach fast 40 Jahren so schmerzlich, wie das ganz am Anfang war, in dieser Frage, dass man gemeinsam etwas entwickeln will und wenn das dann nicht klappt, bin ich eigentlich noch dünnhäutig wie am ersten Tag. Gut, und noch zu meiner Frage, und ich halte es kurz wegen der Zeit. Ich habe natürlich Erfahrungen mit Krankheit, so wie wir alle auf die eine oder andere Weise Erfahrungen mit Krankheit haben. Und was aber viel wichtiger ist, ich habe eine sehr lebendige Fantasie und kann mir Dinge gut vorstellen und die dann in Sprache fassen. Oder ich versuche es zumindest. die dann in Sprache fassen oder ich versuche es zumindest. Vielen Dank, Luise und Leander, für eure Bücher und euer Vorlesen. Danke Ihnen für das zugewandte Interesse und die interessanten, tiefgehenden Fragen eben noch. Ich glaube, das ist jetzt die Hymne an die Fantasie, ist ein schönes Schlusswort. Ich danke Ihnen für Ihr Kommen und Ihr Interesse. Lesen Sie wohl.