Guten Abend im Stifterhaus, meine sehr geehrten Damen und Herren, mein Name ist Stefan Köbelberger. Es freut mich, dass Sie den Weg zu uns ins Haus gefunden haben, zu einer Buch- und Verlagspräsentation des Verlags Nina Reuter. Es werden Ihnen einige Neuerscheinungen aus dem Verlag vorgestellt. Und es freut mich, dass du, liebe Christine, immer wieder, muss man schon fast sagen, den Weg zu uns ins Haus findest. Herzlich willkommen im Stifterhaus. Schön, dass der Verlag wieder eine Präsentation hier macht. Herzlich willkommen. Was erwartet uns heute? Lesungen von Renate Schmidhofer, Walter Wagner und Erich Langwiesner, der gemeinsam mit der Verlegerin einen dramatischen Text von Oskar Zemme lesen wird. Ich begrüße alle Lesenden ganz herzlich im Stifterhaus. Schön, dass Sie da sind bei uns. Aber noch nicht genug der Begrüßungen. Die Verlegerin Christine Altmüller hat für den heutigen Abend auch Musik organisiert, um uns den Abend etwas zu versüßen. Bitte begrüßen Sie mit mir auch Uros Antic, der uns mit dem Akkordeon einiges vorspielen wird. Danke dafür. Danke dafür. Noch zu den heute Lesenden ein paar kurze Worte. Wir werden beginnen mit Renate Schmiedhofer. Sie wird aus ihrem Buch Märchenbilder lesen. Die gebürtige Linzerin studierte Germanistik und Geschichte, habe ich im Übrigen auch studiert, ein gutes Studium, in Wien und unterrichtete am Gymnasium Förnerschule in Linz bis zu ihrer Pensionierung. Walter Wagner wird aus seinem Buch Herrentisch Nachrichten vom Berg lesen. Er studierte Französisch und Englisch in Salzburg und promovierte 1995 in französischer Literaturwissenschaft. Lehre und Forschung in Frankreich und Österreich führten ihn schließlich ans Institut für Europäische und Vergleichende Literaturwissenschaft der Universität Wien. Und zu guter Letzt Erich J. Langwiesner. Er ist ein oft und gern gesehener Gast bei uns im Haus, ist der Dr. Oppmann, der, wie er immer anmerkt, ältesten Schriftsteller Vereinigung Oberösterreichs des Autorinnenkreises Linz. Er studierte am Mozarteum in Salzburg und war an verschiedenen Theatern engagiert. Ab 1987, viele von Ihnen kennen ihn vielleicht von dort, war er am Landestheater Linz tätig. Schriftstellerisch tätig ist er seit 1975. Es erwartet uns also ein schöner sommerlicher Abend mit Musik und Literatur und das soll es schon gewesen sein von meiner Seite. Ich übergebe das Wort mit Genuss an Christine Altmüller. Vielen Dank. Herzlichen Dank für die sehr nette Einführung. Ich begrüße Sie ganz, ganz herzlich zur heurigen Verlagspräsentation. ganz, ganz herzlich zur heurigen Verlagspräsentation. Es ist dies jetzt die 8. Das heißt, das 10-Jahres-Jubiläum des Verlages Nina Reuter rückt in greifbare Nähe. Und wenn ich zu Beginn gewusst hätte, was mich so alles erwarten wird in dieser Zeit der verlegerischen Tätigkeit, dann sage ich heute, ich hätte es wahrscheinlich genauso gemacht. Ich stürzte mich damals rein ins Unbekannte und stelle nun nach acht Jahren fest, dass ich wirklich sehr viel gelernt habe. Und stelle nun nach acht Jahren fest, dass ich wirklich sehr viel gelernt habe. Ich habe gelernt durch die Arbeit mit den Texten, durch die Menschen, mit denen ich in Kontakt gekommen bin, die Autorinnen und Autoren, die Auseinandersetzung mit verschiedensten Lebensmodellen, Temperamenten, Geschlechtern, Altersgruppen. Ich habe gelernt durch bürokratische Hürden, technische Probleme, rechtliche Unstimmigkeiten. Am meisten aber habe ich dadurch gelernt, dass nur ich allein verantwortlich war und bin. Nur ich allein bin dafür verantwortlich, Nur ich allein bin dafür verantwortlich, ob es eine Lösung für ein Problem gibt oder nicht. Diese Verantwortung geht aber auch einher mit einer großen Portion Freiheit. Mit der Freiheit auch zu bestimmen, wer und was bei mir publiziert wird. Die Frage nach der Relevanz eines Textes stellt sich immer wieder. Eine andere ist das große Thema Autofiktion versus Fiktion. Ist Autofiktion Literatur oder Selbsterfahrung? Die Frage scheidet die Geister und ich meine, es kommt immer auf die Qualität des Textes an. Und ich meine, es kommt immer auf die Qualität des Textes an. Er entspringt sowieso alles. Einer persönlichen Erfahrungswelt sei es durch die Wahl der Anregung für einen Text, das Gefühl, etwas sagen zu wollen, die Freude am Ausdruck und Eindruck in der Welt und nicht zuletzt etwas Besonderes geschaffen zu haben. Gründe zu schreiben gibt es demnach genug. Interessant ist, dass sich jedes Jahr sozusagen Themenschwerpunkte herauskristallisieren, ohne dass ich jemals so einen Schwerpunkt vorgegeben hätte. Das finde ich wirklich sehr spannend zu beobachten. Das finde ich wirklich sehr spannend zu beobachten. Letztes Jahr waren zum Beispiel die Themen Krankheit, Resilienz, Gedeihen trotz widriger Umstände, was ich angesichts der momentanen Lage in der Welt sehr interessant finde. Wir leben jedenfalls in Zeiten des Umbruchs und viele Paradigmen gelten heute nicht mehr. Nicht Hinterfragtes wird hinterfragt und da wundert es nicht, wenn schreibende Vergleiche mit der Vergangenheit ziehen, Rückgriffe und Wiederaneignungen vornehmen und so das Vergangene neu bewerten. Um so auf diese Weise vielleicht die Gegenwart besser zu verstehen. Aber genau das ist ja auch Aufgabe der Literatur. Sie hilft uns zu verstehen, was in anderen Menschen, in uns selbst und um uns herum vorgeht. Zeitrahmen massiv springen, möchte ich aber zuerst einmal natürlich auf den Büchertisch verweisen, aber trotzdem auch jene nennen, die heute nicht lesen. Erich Josef Langwiesner, er liest heute ja keinen eigenen Text, mit Antikriegsfibel und Zeitbet, Lyrik. Ilse Grundböck, gestatten Hermann Feucht, Biografie des Zwettler Bürgermeisters in den 30er Jahren, Ernst Schmidhofer, Mord am Azaleenweg, eine Geschichte, die wie ein Krimi klingt, aber keiner ist, Ulrike Janisch, Linus und Linda, eine Geschichte für Junge und Junggebliebene, Claudia Thaler, Ich erinnere dich nicht, ein sehr psychologischer Roman, Günter Hauser, Winterwanderweg, die Biografie des ersten Bürgermeisters von Vöcklau-Bruck in der Nachkriegszeit, geschrieben von seinem Enkel liest Josef Roskaterer die Autobiografie eines 97-jährigen emeritierten Direktors der Sparkasse Müllviertel West, Müllenbesitzer, Erfinder, Musiker, Laubsäge, Kunsthandwerker, Vater von vier Töchtern und Schwiegervater von Michael Ludwig, Bürgermeister von Wien. Nun aber lassen Sie uns mit den Lesungen beginnen. Ich wünsche Ihnen einen schönen und anregenden Abend. Thank you. ¶¶ Thank you. Applaus Applaus Renate Schmidhofer zu lesen. In Ihrem Buch geht es um Märchen, Interpretationen von Märchen auf sehr andere Art. Renate Schmidhofer ist, wie soll ich sagen, nicht nur Germanistin, nur unter Anführungszeichen, sondern sie beschäftigt sich auch mit Astrologie. Und wie sie dann auf diese Weise auch die Märchen interpretiert, das werden Sie jetzt hören. Bitte, Renate. Ja, Märchenbilder. Verstehen Sie mich? Diese Märchendeutungen sind durch meine astrologischen Erkenntnisse, die ich durch meinen Lehrer Wolfgang Töbereiner, dem Begründer der Münchner Rhythmenlehre, zuteil wurden, möglich geworden. Durch das Studium seiner Lehrbücher und Seminarbände eröffneten sich mir neue Denkräume, von denen ich bisher keine Ahnung hatte und die ich mir mit großer Mühe erschließen musste. In diesem Zusammenhang sei auch erwähnt, dass Wolfgang Döberrenner sein astrologisches Deutungs oder die Heldin im Märchen von Anfang bis zur Erlösung durchläuft, als Schicksalsweg und setzt diesen in Beziehung zum menschlichen Leben. Bei jeder astrologischen Deutung eines Geburtshoroskops gibt er von Herrn Döberer eine entdeckte Dreischritt, gemeint ist damit der Aszendent, dann der Sonnenstand und das Medium Zöli, die Grundstruktur vor. Der Aszendent ist die Anlage des Geborenen, die hat da jeder. Der Sonnenstand sei das Verhalten, also das Zeichen, in dem man geboren ist, der das ganze Leben dann durchzieht. Und das Medium Zöli, die Himmelsmitte, ist das Ziel. Und in vielen Märchen, nicht in allen, finden wir dieses bestimmte Schema wieder. Der Held kommt mit einer verzauberten Anlage, mit dem Aszendenten auf die Welt, die es zu erlösen gibt. Er hat nun den Erlösungsweg anzutreten, auf dem viele Prüfungen auf ihn warten. Am Ende kommt er ans Ziel. Wenn er die Prüfungen bestanden hat, wird er entweder eigenständig, kommt zu einem eigenen Ursprung oder bekommt ein eigenes Reich. Nicht immer gelingt das aus eigener Kraft. In vielen Fällen ist er auf Mithilfe angewiesen, manchmal geht es auch nicht ohne die Gnade des Himmels. Es kommt immer darauf an, in welche Verzauberung er mit seiner unerlösten Anlage hineingeboren ist. Doch die Bilder verweisen darauf, wie und wodurch Lösung und Erlösung möglich wird. Leider sind viele Märchen nicht mehr in der Urform erhalten, von fremden Moralvorstellungen überlagert, sodass die Urbilder oft verfälscht sind. So, und ich werde nun das an einem Märchen, ich denke, dass Sie alle kennen, und zwar, ich habe den Froschkönig ausgewählt, versuchen darzustellen. In diesem Märchen ist die Hauptfigur, die jüngste Königstochter, von der wir erfahren, Zitat, dass sie so schön war, dass die Sonne, die doch so vieles gesehen hat, sich verwundert. Gleich am Anfang wird erzählt, dass sie zum Spielen in einem dunklen Wald geht, zu einem Brunnen. Der Wald, das ist auch hier bei mir auf dem Titelbild dargestellt, ist in den Märchen für den Binnenländer im Gegensatz zu den Bewohnern der Meeresküste, für die es das Meer ist, das Bild für das Unbewusste. Dorthin müssen sie zurück, um ihr Verdrängtes, was die Verzauberung der Anlage darstellt, zu suchen. Dorthin treibt es auch die Königstochter in das Meer des Unbewussten. Dass sie dort mit einer goldenen Kugel spielt, ist ein weiterer Hinweis darauf, dass sie verzaubert ist. In dem Sinne, dass das Spiel mit der goldenen Kugel eine Art Ersatzleben darstellt, aus dem sie heraus mutieren soll, um zu ihrem eigentlichen Leben zu kommen. Die goldene Kugel bzw. der Ball ist Zeichen des Verdrängten in ihrem Leben. Das Spiel mit dem Ball zeigt den immer gleichen monotonen Ablauf ihres Daseins, ihre Verhinderung, ins wirkliche Leben zu kommen. Der Brunnen ist Bild für die Quelle, den eigenen Ursprung, das eigene Empfinden. Solange sie das täglich gleiche Spiel mit der goldenen Kugel spielt, ist ihr das nicht bewusst. Doch als die Kugel plötzlich in den Brunnen fällt, wird der funktionale Ablauf unterbrochen. Und sie muss sich nun mit der Änderung dieser gewohnten Tätigkeit auseinandersetzen. Aus eigener Kraft kann sie den goldenen Ball, der ihr bisheriger Lebensinhalt war, nicht heraufholen. Da kommt plötzlich Hilfe in der Gestalt eines Frosches, der sich hier anbietet, die Kugel wiederzubringen. der sich ihr anbietet, die Kugel wiederzubringen. Der Frosch mit menschlichen Zügen, eine Tiergestalt, ist hier das Zeichen für ihr Empfinden, allerdings für ihr verdrängtes Empfinden. Da aber dieser Frosch ein Teil von ihr ist, als Bild gesehen, stellt er ihr verdrängtes Empfinden dar. Ihr wahres Empfinden gehörte bisher noch nicht. Es ist als Modell gesehen von ihren Vorfahren besetzt. Es ist ihr als ungelöstes Modell von den Eltern vererbt worden, was ihr aber auch noch nicht bewusst ist. Die Aufgabe, um die es in diesem Märchen geht, ist, dass sie das endlich in ihr Bewusstsein bringt. Der Handlungsablauf ist so angelegt, dass er mit jedem Schritt dazu gedrängt wird, endlich zu begreifen, worum es eigentlich geht. Zu Beginn erfahren wir, dass sich der Frosch seine Dienste abkaufen lässt. Doch materielle Güter, die ihm die Königstochter anbietet, interessieren ihn nicht. Er hat einzig und allein die Absicht, sie aus der Reserve zu locken und sie dazu zu bringen, ihnen ihre Gemeinschaft aufzunehmen. Es kommt stufenweise zu einer Annäherung. Der Frosch verlangt, an ihrem Tisch zu sitzen, mit ihr zu essen. Dazu muss sie ihn sogar hinaufheben. Und der Frosch, das Zeichen für ihr verdrängtes Empfinden, quält sie so lange, bis es ihr richtig zu grausen beginnt. Eine Zeit lang unterwirft sie sich den Konventionen und Benimmregeln, sie beachtet die Tischsitten, dem Vater gehorcht sie noch, als er sie mahnt, jetzt Zitat, wer dir in der Not geholfen hat, den sollst du auch später nicht verachten. Zitat Ende. Obwohl ihr diese Regeln vom Verstand aus gesehen einsichtig sind, hindern sie sie doch nicht daran, ihrem eigenen Empfinden nachzugeben. Zitat. Zitat. Ein letztes Mal versucht das verdrängte Empfinden der Frosch als Zeichen für ihr Modell, sich noch am Leben zu halten, beziehungsweise an ihr festzuhalten. Das ist die Schlüsselstelle, die den Durchbruch zur Lösung der Aufgabe bringt. Der Vater. Als sie vor die Wahl gestellt wird, der Drohung zu erliegen oder eigenständig zu handeln, gelangt sie zu ihrem eigenen Bewusstsein. Sie besteht nun die Aufgabe, indem sie aus ihrem eigenen Empfinden handelt, das besagt, dass sie den Frosch nicht will. Nur so kommt sie zu einem eigenen Leben, zu ihrem Leben. Aus dem Frosch ist nun ein Prinz geworden, den die Prinzessin bildlich gesehen selbst erschaffen hat, indem sie nun den richtigen Mann bekommt, den sie aus ihrem eigenen Empfinden erwählt hat, indem sie den falschen nicht wollte. Dieser Absatz ist das Bild zu verstehen, es ist nicht real, aber wirklich. Wirklich in dem Sinn, dass nur der ihr wahrer Prinz sein kann, den sie annehmen will. Sie kommt durch ihn in ihr eigenes Reich, sie wird eine Königin, sie ist herausmutiert aus ihrer Verzauberung und die Modelle ihrer Vorfahren, von denen sie besetzt war, haben nun keine Macht mehr über sie. Der Frosch tritt als Zeichen dafür auf, dass die Königstochter ihr eigenes Empfinden noch nicht zugelassen hat, dass ihr wahres Empfinden noch nicht durchgekommen ist, indem sie bisher fremden Vorstellungen, die ihre Gefühle darstellten, vertraut hat. Somit ist der Frosch der Anteil dessen, was sie in ihrem bisherigen Leben verdrängt hat. Dies wird ihr in der Erscheinung des Frosches jetzt bewusst gemacht. Diese Begegnung wird im Märchen bildhaft gezeichnet. Es betrifft den gesamten Ablauf im Zimmer der Prinzessin bis zum Eklat, dargestellt durch den Wandwurf. Im Erleben der Prinzessin geschieht das aber wirklich, sonst ergebe die Lösung keinen Sinn. Im Wandwurf nimmt der Zuhörer bildhaft in seinem Bewusstsein auf, dass die Prinzessin durch diese Aktion ihr Verdrängtes losgeworden ist. Sie hat es buchstäblich an die Wand geschleudert. So, und jetzt möchte ich noch auf ein anderes Märchen ganz kurz hinweisen. Und zwar, ich wollte ursprünglich die Frau Holle lesen, habe mich aber dann für dieses entschieden. Aber Sie kennen wahrscheinlich die Frau Holle lesen, haben mich aber dann für dieses entschieden, aber Sie kennen wahrscheinlich die Frau Holle auch alle. Und da wird ja immer gesagt, also dass die Pechmarie deswegen bestraft wird, weil sie faul war und die andere, weil sie fleißig war. Das ist aber vom Bild her nicht so angelegt. Es geht eigentlich um etwas ganz anderes. Während das fleißige Mädchen den Mut aufbringt, also die Goldmarie, das Risiko des Scheiterns auf sich zu nehmen, die springt voraussetzungslos in den Brunnen hinein. Und dadurch den Weg in eine neue Welt findet, scheitert das faule Mädchen durch den Versuch, die Identität ihrer erfolgreichen Schwester zu übernehmen und deren Leben zu kopieren. Als Kopie muss sie scheitern, Als Original kann sie einen neuen Weg begehen. Das ist das entscheidende Bild, das hier in dieser Verholle durchkommt. Ich habe versucht, auch bei den anderen Märchen diese Bilder wiederum sozusagen zu dechiffrieren, aber dazu reicht die Zeit dazu nicht aus und dazu möchte ich jetzt noch mit etwas anderem schließen. Die Verzauberung der Märchengestalten manifestiert sich darin, dass sie das Übel, das Böse an sich erkennen und benennen müssen. Denn das Übel ist ein Prinzip, es haftet am Übeltäter, der Träger dessen ist. Doch darin besteht die Schwierigkeit. Dadurch kommen die Gestalten in den Zwiespalt zwischen Übel und Übeltäter zu unterscheiden. Und wenn dieses Übel nicht im Grundsatz erkannt wird, benannt wird und ins Bewusstsein gebracht wird, kann es als Modell, als Programm immer wieder in neuen Verkleidungen und Erscheinungsformen unerkannt weiterwirken. Wir alle tragen diese Märchengestalten in uns. Sie durchwirken unser Leben. Sie sind Schicksalsgestalten. Und wenn sie uns etwas vermitteln können, dann ist das ein begriffliches Verhältnis zu unserem Schicksal. Danke. Aplausos © transcript Emily Beynon ¦ Wir kommen jetzt zu ganz einem anderen Themenbereich. Walter Wagner zieht es über Jahre hinweg immer wieder auf den Gipfel des Herrentisches. Dieser Berg befindet sich im Kremstal und mehrmals jährlich besteigt er diesen Berg. diesen Berg. Jede Tour ist jedoch ein wenig anders. Anderes Wetter, andere Stimmung, andere Jahreszeit. Was er dabei reflektiert, erlebt, fühlt und erkennt, ist Gegenstand dieses Buches. Vielen Dank. Zeit entstanden. Die Ausgehbeschränkungen haben dazu geführt, dass man sich noch besser hat konzentrieren können und in meinem Fall natürlich auch, dass man noch mehr in die Berge ging. Dieses Buch ist angelegt als Bergtagebuch und bietet auch einen Querschnitt durch die Jahreszeiten, die Veränderungen in der Natur. Es gibt Reflexionen über die Geschichte, Geografie, Anekdoten, die ich aufgeschnappt habe, sind verarbeitet. die ich aufgeschnappt habe, sind verarbeitet. Aber die Protagonistin ist und bleibt die Natur. 3. Februar. Wer ins Reich der Almen und Berge vordringt, sucht vergeblich nach Büchern. Bedrucktes Papier gibt es nicht. Beschriebenes ist rar. Die einzige Lektüre, welche der Berg zu bieten hat, stellt ein Buch dar, das in einem Stamm des Gipfelkreuzes befestigten Metallbüchse steckt. Hat man den höchsten Punkt betreten, zieht man den einem Tagebuch ähnelnden Gegenstand aus seinem Behältnis, öffnet ihn und regt unter dem jeweiligen Datum seinen Vor- und Familiennamen sowie den Herkunftsort ein. Manche ergänzen diese kurze Notiz mit Angaben zum Wetter, zur Temperatur, der gewählten Route und der Dauer des Aufstiegs. Eigenhändig, also manu propria, wird die erbrachte Leistung beglaubigt und der Gestalt ihre Durchführung bestätigt. Selbst wenn sich das Gipfelbuch als narzisstisches Betätigungsfeld nachgerade anbietet, darf seine praktische Bedeutung nicht unterschätzt werden. Denn sollte jemand im Gebirge verloren gehen, ließen sich, falls sich der Vermisste ordnungsgemäß eingetragen hat, Nachforschungen über seinen Verbleib anstellen. Ich kann mich freilich nicht entsinnen, dass man auf der Alm jemals etwas anderes als eine entlaufene Kuh gesucht hat. Mein über alles geschätzter grüner Salon, auch Herrentisch genannt, dessen zahlreiche Vorzüge aufzuzählen hier nicht der Ort ist. Verfügt sieht man von einem erbarmungswürdigen Provisorium ab weder über ein richtiges Kreuz noch ein Buch und mag in dieser Hinsicht ein stiefmütterliches Dasein führen. Der ihn überragende Pfannenstein hingegen besitzt diese Attribute, die ihm das Gepräge eines vollwertigen Berges verleihen, ohne ihn zwangsläufig attraktiver zu machen. Ich persönlich verweile nie lange auf dem schmalen Grat, dem es an ruhigen, verschatteten Liege- und Schlafplätzen mangelt. Darüber hinaus missfällt mir der Trubel, der dort namentlich an Wochenenden herrscht und den Aussichtsberg, der zu den schönsten des Kremstals zählt, in eine Kaffeehausterrasse verwandelt. Kaffee, Kuchen, ja sogar Sekt werden auf diesem ausgesetzten Kamm ebenso häufig konsumiert wie Bier und diverse Spirituosen, die man sich vor der Kulisse des Totengebirges in Ermangelung eines Kellners allerdings selbst kredenzen muss. Um des Panoramas willen muss man den Pfannstein zumindest einmal bestiegen haben. Um seines Gipfelbuchs willen muss man ihn hingegen immer wieder anpeilen. Das kostbare Buch in der Blechschatulle, das ohne Übertreibung als literarisches Kleinod bezeichnet werden darf, verdient, nicht nur durchgeblättert, sondern tatsächlich Zeile für Zeile durchgelesen zu werden. Berauscht von der Höhe und der unbeschreiblichen Aussicht ergreifen die Besteiger und selbstverständlich Besteigerinnen, die allmählich in der Überzahl sind, den in der Büchse aufbewahrten Kugelschreiber und geben sich als verkappte Poeten zu erkennen. Ästhetische Regungen, die in der Tiefebene aus unerfindlichen Gründen nicht an die Oberfläche dringen, sprudeln auf dem Berg als unverfälschter Quell der Poesie hervor und hinterlassen in dem einzigen Band weit und breit ihre unauslöschliche lyrische Spur. Man dankt dem lieben Gott, beschwört die Schönheit der Natur, grüßt Dante Mizi, vergisst nicht die Mühsal des Aufstiegs zu vermerken und gelobt zu guter Letzt wiederzukehren. Nirgendwo sonst reimt es sich leichter, kippt der Ton unversehens ins religiös-schwärmerische, was die zornige Bemerkung eines Lesers, dass ein Gipfelbuch kein Gebetbuch sei, in seiner ganzen Tragweite begreiflich macht. Doch es soll hier nicht über den Stil des Pfannsteinbuches gerichtet, sondern vielmehr daran erinnert werden, dass manche tiefe Empfindung eben nur in der Sprache der Dichtung ihren einzig adäquaten Ausdruck findet. Ja, vom Februar einen Sprung zum Juni. 20. Juni. Melancholie zählt zu jenen Empfindungen, denen ich auf dem Berg zu keiner Zeit anheimfalle. Mag sein, dass mich auf der Alm strömende Endorphine vor Trübsal bewahren. Es könnte aber auch sein, dass ich nie lang genug verweile, um von sentimentalen Stimmungen übermannt zu werden. Nicht, dass ich oben nicht sinnierte und ernsten Gedanken nachhinge, lauern sie doch wie heimtückische Verfolger hinter jedem Baum. Gleichwohl finde ich oben Flugs zu jener Ausgeglichenheit, um die ich im Tal vergebens ringe. Gewiss, bitteres Ungemach wird oben nicht süß. Dennoch vermag die Alm manches Übel zu lindern, weshalb ich es nicht zu hoch gegriffen halte, sie in den Rang eines Freiluftsanatoriums, einer Hochburg der Resilienz zu erheben, die sich unter charismatischen Gehern und depressiven Davonläufern längst zum Geheimtipp entwickelt hat. Mag das Rad der Zeit auch zerbrochene Speichen haben, auf der Alm läuft es rund. Man ist zu Fuß unterwegs, bergauf und bergab, tauscht Zweifel gegen Zuversicht und Wehmut gegen Euphorie. Wen bekümmert die Enge der Gassen in der Weite des Raums? Wen die Seuche des Hässlichen in den Armen des guten Geschmacks? Im Gras hingestreckt einen Halm zwischen den Lippen, den Rucksack im Nacken bin ich, vor mich hindösend und bald schlummernd, fast genesen. Gibt es eine schönere Stätte, um dieser vielbesungenen, äußeren Natur als faul dir zu huldigen? O Herrentisch, du Gabentisch für Wiederkäuer, Mann und Frau, morgen kehre ich zurück und bald darauf schon wieder. zurück und bald darauf schon wieder. Nun zum August. Dieser Text enthält zahlreiche intertextuelle Verweise auf andere Autoren, die sich mit der Natur und mit der Schönheit der Berge auseinandergesetzt haben. 17. August. Einfachheit, Einfachheit, Einfachheit, schreibt Thoreau in Walden und fügt hinzu. Lass deine Geschäfte zwei oder drei sein, sage ich dir, und nicht hundert oder tausend. Statt eine Million zu zählen, zähle ein halbes Dutzend und führe Buch auf deinem Daumennagel. Um noch deutlicher zu werden, wiederholt und umschreibt das ein Anliegen. Vereinfache, vereinfache. Statt drei Mahlzeiten, nimm, wenn es nötig ist, nur eine ein, statt 100 Gerichten iss fünf und reduziere das Übrige im Verhältnis. Könnte dies einer der vielen Schlüssel zum Glück sein, die Berge im Allgemeinen und der Herrentisch mir im Besonderen verheißen? Verweist diese ebenso gescheite wie subversive Bemerkung nicht mittelbar auf den Lustgewinn, den uns die Besteigung einer Erhebung beschert, sobald sie nur ein wenig körperlich fordert? Spiegelt dieser bescheidene und deswegen nicht minder anspruchsvolle Entwurf zu einer weisen Lebensführung nicht einen wesentlichen Grund, weshalb Menschen aus freiem Antrieb zu Fuß steile Hänge hinaufsteigen, statt im Tal entspannt die Beine baumeln zu lassen. Gewiss, es braucht ein Mindestmaß an Überwindung, um eingefahrene Routinen, alltägliche Geschäfte in ihrer beruhigenden und geist- und seelegleichermaßen lähmenden Vorhersehbarkeit zurückzustellen. Es braucht bisweilen auch einen kleinen äußeren Anstoß, um sich vom weich gepolsterten Sessel zu erheben, den Rucksack zu packen, die Haustür hinter sich zu schließen und sich aufzumachen. Es braucht die gut geschnürten Bergschuhe, die übliche Ausrüstung, den Mundvorrat und den ersten Schritt, dem weitere Folgen, ehe sich die steifen Muskeln erwärmen und der richtige Atemrhythmus eingestellt hat. Aber wenn wir uns einmal in Bewegung gesetzt haben, genügt es zu gehen. Freilich ist an dieser oder jener Kreuzung eine Entscheidung zu treffen, eine Abzweigung zu nehmen, eine Richtung einzuschlagen. Weiter marschieren, sich von den Beinen weitertragen lassen und durchhalten. Mehr ist in der Regel nicht zu tun. Einfachheit, Einfachheit, Einfachheit. Und sind wir oben angelangt, das heißt am höchsten oder zweithöchsten oder irgendeinem hohen Punkt, Schweiß gedrängt und brochend Herzens, dann reicht es, sich nach allen Seiten zu drehen und schnaubend umzusehen. Es reichen die bewährten Gesten, die das alte Ritual der Ankunft besiegeln und deren wir uns bewusst oder unbewusst bedienen. Es reichen die wenigen Gegenstände hin, die wir mitführen und das Innere des Rucksacks ausfüllen. Getränke, Nahrung, Wechselkleidung, das Lebensnotwendige eben. Und alles, was darüber hinausgeht, Schreibutensilien und ein Buch, erscheinen mir als purer Luxus. Von der Anstrengung betäubt, starre ich ins Leere, streiche mit den Fingern selbstvergessen über meine Wangen. Beschränkung, Reduktion, Konzentration. Der über die Täler ausgebreitete Schallteppich ist zerfranst, die Reiz- und Informationsflut verebbt, die entstellten Landstriche sind vergessen. Armut und Anmut verschränken sich in diesem Almreich, vergessen. Armut und Anmut verschränken sich in diesem Almreich, wo die Spuren menschlicher Gestaltungskraft in den Hintergrund treten, um der Natur und ihrem Wirken höflich den Vortritt zu lassen. Aus überfüllten Wohnungen und Häusern sind wir in die Berge ausgeschwärmt, um Ballast abzuwerfen, leichter zu werden und in der dünnen Luft höher zu steigen und mit etwas Glück tiefer zu werden. Da sitzen, lauschen und die Nuancen der Stille noch besser erkennen und hören und dabei selbst inne und leer werden. Wo gelänge diese Übung eher als auf der Alm, die ihren angestammten Platz zwischen dem Hügelland und dem Hochgebirge hat und deren Mittellage unserem Sein zwischen Elend und Größe, wie Pascal meint, entspricht. Wie oft habe ich, seit ich begonnen habe, mich dem Herrentisch zuzuwenden, diese oft beschworene Einfachheit auf diesem lächerlichen Grasberg gefunden und bis in die letzte Faser ausgekostet. Wie oft habe ich mir, schon im Abstieg begriffen, noch eine allerletzte Minute und dann noch einige gönnt und meinen Plänen gewissermaßen entrissen, sie lässig durchkreuzt. Wie oft habe ich den Ruf der Pflicht auf diesen sonnigen Matten überhört? Wie oft bin ich um dieser Freiheit willen zurückgekehrt, den gleichen Steig stumpfsinnig emporgestiegen, die Forststraße wie ein alter Gaul hinaufgetrottet, um in diese vorgebliche Leere einzutauchen und Teil dieser berauschenden Fülle zu werden. Und ich gehe nicht fehl, wenn ich behaupte, dass diese warme, mein ganzes Wesen durchdringende Empfindung fraglos Glück genannt zu werden verdient. Nun vom August in den Herbst, hier der Eintrag vom 24. Oktober. Unter den vielen Arten, mir jene kackbemessene Zeit zu vertreiben, zählen die Streifzüge auf die geraden Alm zweifellos zu den reizendsten und unverfänglichsten. Was versäume ich schon, wenn ich mich dort oben nicht suchend und manches findend unbekümmert herumtreibe und den lieben Gott einen guten Mann sein lasse, wie man landläufig sagt. Was ergeben wir schon durch meine zeitweilige Abwesenheit vom lärmenden Getümmel des Flachlandes, wo Maschinen die Vorgärten erobert und die alte Beschaulichkeit und ihre Schwester die heitere Geselligkeit vertrieben haben. Wer heute das Glück hat, im emsigen Zentralraum über eine schmale Parzelle, bestückt mit Gemüsebeeten, Blumenrabatten oder Obstbäumen zu verfügen, wer meint, sich sommerlichen Rasenglücks mit einem Buch in der Hand erfreuen zu dürfen, wird von putzwütigen und bastelfreudigen Zeitgenossen, denen keine Stunde heilig ist, aufgescheucht und seines kleinen Paradieses, jenes unwahrscheinlichen Ablegers des Hortus Conclusus, als bald beraubt. Wer selbst nicht zur Ruhe zu kommen vermag, setzt offenbar alles daran, auch anderen diesen Genuss zu verderben und letztlich zu verwehren. Dass einer still und abgekehrt seiner Wege geht, seinem inneren Stern folgt, macht ihn den allezeit Geschäftigen, den hohen Priestern der Vita Activa, verdächtig. Wer seiner Sache ungeachtet des allgemeinen Treibens und Trachtens nachgeht, stempelt sich zum Spielverderber, in dem sich mancher insgeheim tatsächlich wiedererkennen mag. Auf tausenderlei Weise kann sich einer im Tal zerstreuen und sich selbst wie ein Hindernis umgeben. Empfindet einer ihm das Bedürfnis, sich zu sammeln, ist er gezwungen, die Flucht anzutreten. Wie oft bin ich auf die Alm, um Asyl dort anzusuchen und bin stets aufs Freundlichste von den Fichten und Wacholdern und den hellhäutigen Buchen aufgenommen worden. Im Nu habe ich mich in der Obhut der Bäume zurechtgefunden und Einkehr gehalten, habe meine Gedanken ohne fremde Zwischenrufen nachgehängt und erleichtert zu manchen erfreulichen Schluss bin ich obendrein gekommen. Schlage ich in meinem grünen Salon einen mitgebrachten Band auf, lande ich flugs im Herzen einer Geschichte, wo sich die Zeilen aufstapeln und im Wechsel von schwarz und weiß vollendete Furchen bilden. Oben, das heißt auf der Alm, das heißt aber auch auf dem Herrentisch, habe ich stets mit äußerster Konzentration geschaut und gelesen, wobei ich es verstanden habe, den Pfannstein zu bestimmten Zeiten zu meiden. Zu sehr hat sich nämlich dieser höchste und daher von vielen begehrte Punkt der geraden Alm in eine turbulente Freizeitanlage verwandelt, auf der die Gäste augenscheinlich alles daran setzen, die wortlose Bewunderung zu vereiteln, welche die umgebende Szenerie gebietet. Nicht selten landen Gesprächsfetzen oder schallendes Gelächter auf dem Herntisch, den man aufgrund seiner mangelnden Höhe erfreulicherweise mit Missachtung straft, wodurch man meinen Zwecken gleichsam in die Hände arbeitet. Was könnte mir auf der Alm denn auch Besseres passieren, als übersehen und schlicht ignoriert zu werden, um mich ungestört der schier unlösbaren Aufgabe zu widmen, anwesend und zugleich andächtig zu sein. Auf meinem Fichtenplatz ruhend nehme ich Geräusche wahr, erkenne ich Farben und Konturen, taste sie im Geiste ab und begegne dieser äußeren Natur, in der sich meine Innere zu spiegeln scheint. Ich habe mir dieses Müsige auf der Lauer liegen, in zahllosen, scheinbar leeren Stunden auf der Alm angeeignet und dabei keinerlei Vorteile erworben und keinen anderen Gewinn erlangt als den der Freude, die ein anderes Wort für leidenschaftloses Glück ist, von dem ich nicht genug bekommen kann. Zum Abschluss möchte ich noch das kurze Nachwort vortragen, möchte ich noch das kurze Nachwort vortragen, das die Stimmung in diesen Aufzeichnungen gewissermaßen auf den Punkt bringt. Abermals gerate ich in den Sog des Herrentisches, der mich von fern herbeiwinkt, zu sich ruft und von meinen Talgeschäften weglockt, damit ich aufsteige und oberhalb des allerletzten Hauses mit wirbelnden Emotionen in meinem grünen Salon nach dem rechten sehe. Blendende, zerfransende Schneefelder bedecken an diesem 9. Mai die umliegenden Berghänge, aus denen sich appere Stellen geschält haben. Auf dem Herntisch zeigt sich eine Ahnung von Grün, während im Unterholz jenseits der Gipfelkuppe gefrorener Altschnee unter einer Schicht von Laubs ein kaltes Geheimnis hütet. Ich hingegen setze mich auf die Sonnenseite, gebe die geschenkte Zeit mit beiden Händen aus und werfe dieses Kapital unverzinst zum Fenster hinaus. Während sich die blühende Winterheide im Lackergraben regelt und die Wurzeln von sich streckt, fällt mir ein, dass sich einst ein lustiger Wanderer zu Beginn des fünften Monats nach einem strengen, doch keineswegs unüblichen Winter unterhalb der Stützmauer, welche die Terrasse der Almhütte sichert, mit einer Flasche Bier in einem Schneehaufen eingrub und dort zum Gaudium der Gäste liegen blieb, bis es ihm zu langweilig wurde. Wann war das? Das Gras ist jung, Enzian-Kinder stehen im Kreis. Ich weiche aus, ergriffen wie eh und je. Die funkelnden Schneeflecken tauen und lösen sich auf. An den Rändern beginnt die Veränderung. Ich habe es gesehen. Hinter der Hütte erhebt sich eine mächtige Wächte wie eine erstarrte Woge. Schmelzwasser quillt hervor, ein Rinnsaal läuft davon und den Wegrand hinab. Wochen wird es dauern, bis sie von der Wärme erschöpft, verendet und verschwunden sein wird. Es gefällt mir, auch im Tal an sie zu denken. Soll ich ihr frostige Nächte wünschen? Buchen, entlaub und nackt am Wiesensaum. Noch halten die Lärchen an sich, ein wenig noch, wie tröstlich, hier zu sein, nach all den Jahren und jeglicher Störung entrückt, Farben, Formen, Geräusche auf das geschmackvollste Arrangiert und zu guter Letzt versöhnt. Von keinem zu viel, das rechte Maß, das gute Leben, wiedergefunden hier oben. Dankeschön. Aplausi ¦ ¦ Jetzt muss ich mich noch einmal explizit bei Uros Antic bedanken. Er hat sich sehr spontan dazu bereit erklärt, heute zu spielen, weil Sophia Schmidhofer und Wolfgang Wretzel ausgefallen sind. Die müssen heute zur Pegasus-Gala gehen. Und daher vielen Dank. Wir kommen nun zum dritten Teil des Abends und zu einer ganz besonderen Geschichte. Der Autor des Buches Feuerzeichen ist heute leider nicht unter uns, sondern seine Tochter. Ich darf sie herzlich begrüßen, Marlies Siegel. Und sie hat auch diese ganze Geschichte initiiert, zusammen mit Heide Stockinger, die heute auch hier ist. Applaus Ein paar Worte zu Oskar Zeme. Geboren 1931 in Siebenbürgen. Der Vater stammt aus Kärnten, Mutter aus Siebenbürgen, Sächsin. 1939 übersiedelt er mit den Eltern nach Linz. Sie wissen, 1939, Beginn des Zweiten Weltkriegs. Hier Volks- und Hauptschule, anschließend eine Lehre. Erste Theatererfahrungen über Amateurtheatergruppen, Fortbildungen in Wien und Linz und schließlich langjähriges Mitglied des Landestheaters im technischen Bereich. In dieser Funktion war er auch in Berlin und in Bayreuth. Er hat Theaterstücke und Hörspiele im In- und Ausland aufgeführt und verfasst. Herausgabe von Poser-Texten, diverse Auszeichnungen, unter anderem Gerhard Hauptmann, Preis der Freien Volksbühne Berlin und der Oberösterreichische Landeskulturpreis. Soweit zum Biografischen. Nun zum Buch. Nachdem jetzt Oskar Zemme nicht lesen kann, werden Erich Josef Langwiesner, er ist ja Schauspieler, wir haben schon heute einiges über ihn gehört und ich drei Szenen aus dem Drama lesen, wo es natürlich immer nur zwei Personen gibt. Es gibt viele Szenen, aber da am 28. April 1945 zugetragen hat. Fünf Bürger aus dem Ort Beilstein im Mühlviertel wurden von einem Erschießungskommando hingerichtet in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs. Diese fünf Opfer des Nationalsozialismus hatten versucht, eine Panzersperre zu entfernen. Der Gauleiter von Oberdonau, August Eigeruber, wurde unter anderem wegen dieser Geschichte, wegen dieser Ereignisse im Rahmen der Dachauer Prozesse zum Tode verurteilt. Was sich in diesen letzten Apriltagen, als schon die US-amerikanischen Truppen der bayerischen Grenze nördlich der Donau überschritten hatten, abgespielt hat, schildert Oskar Zeme in Feuerzeichen anschaulich. Und es ist gleichzeitig ein Volksstück, frei nach der Ortschronik von Beilstein. Es ist ein Beitrag zur oberösterreichischen Zeitgeschichte, basierend auf den tragischen Ereignissen in Beilstein in chronologischer Sinn gemäßer Abfolge. Interessanterweise habe ich einen guten Freund, der aus Koller Schlag stammt und der von dieser Geschichte auch die Hintergründe kennt. Erich, ich bitte dich nun. Ein Wort von mir vorweg. Ich freue mich wahnsinnig, heute wieder mal mit Oskar Zemme in Berührung zu kommen. Ich habe ihn noch als Kollegen am Landestheater kennen und mögen gelernt. Ich habe seine Art zu schreiben auch immer bewundert. Ich habe zwei Stücke selber von ihm gespielt, Donnerparade und noch eins. Und ich schätze ihn als Dramatiker und als Autor sehr und auch persönlich habe ich ihn sehr, sehr in seiner wunderbaren, knurrigen Art lieben und kennengelernt. Das einfach vorweg. Wir lesen zwei Szenen zwischen Kali und Leni. Das sind zwei junge Leute, stellen Sie sich das ja vor. Die erste Kennenlernszene zwischen Kali und Leni. Dunkel. Licht auf dem Vorplatz. Kali sitzt auf der Hausbank, schnitzt an einem Holzstückchen herum. Leni tritt mit einem Wassereimer auf, verharrt. Kali, haben wir uns nicht schon wo gesehen? Beilstein ist nicht groß. Gehörst du zum Haus? Halb und halb. Von da bist du aber nicht. Nein, ich bin aus Linz und helfe bei der Tante aus. Und du? Ich habe mitgeholfen beim Bau der Panzersperre. Ist die schon fertig? Am Abend hat der Bauer die Bloch gebracht. Eine stramme Uniform hast du dann. Alle Pimpfe müssen vor mir stramm stehen. Wegen dem grün-weißen Schnürl. Die wenigsten erreichen das. Ich stehe nicht auf Uniform ist ausgefallen. Wie heißt du denn? Leni. Ich heiße Kali. Hast du ein Schafsmesser? Ich schnitze mir eine Flöte. Auf der man spielen kann? Wie der alte Fritz. Wer war das? Ein preußischer König. Leni lauscht. Bei Westwind hört man die Kanonen. Hast Angst davor? Du nicht? Die Fahne ist mehr als der Tod. Und wenn man tot ist, braucht man keine Fahne mehr. Ach, an Sterben darf man nicht denken. Ich muss gehen. Wart! Magst du Edelweiß? Er nimmt es von seiner Kappe. Hast du es selber gebracht? Mein Onkel hat mir das aus Norwegen mitgebracht. Ich habe gar nicht gewusst, dass dort Edelweiß wächst. Man weiß vieles nicht. Sie gibt ihm einen kleinen Bären, den sie am Gürtel trägt. Gefällt er dir? Er hat Augen wie du. Er soll dich beschützen. Ein Tiefflieger braust über sie hinweg. Kali, pass auf! Ein Tiefflieger! Er zieht sie an sich und an die Hauswand, beschützt sie durch seinen Körper. Flugblätter fallen vom Himmel. Leni hebt eins auf. Will lesen. Das darfst du nicht lesen! Das sieht eh keiner. Nicht einmal der Straßenkehrer darf ihn lesen. Irgendwer muss die Zettel wegräumen. Das darf nur die Polizei! Aus dem Haus hört man die Wirtin nach Leni rufen. Leni steckt den Zettel in die Schürzentasche, geht ins Haus, wo die Männer noch immer sitzen. Die zweite Szene ist aus dem Beginn des zweiten Teils. Ein paar Tage später. Genau, ein paar Tage später, Kali mit Panzerfaust auf dem Vorplatz. Leni kommt aus dem Haus, macht sich durch einen Ton auf der Flöte bemerkbar. Servus Kali. Schön, dass wir uns treffen. Ich habe dich vom Fenster aus gesehen. Ich muss noch Wacht halten. Stehst schon länger da? Die Zeit zieht sich hin. Drei Tage gehst du mir schon ab. Ich war zu einer Schulung in Wales. Könnte sein, dass wir uns heute zum letzten Mal sehen. Musst du noch links? Ein paar Tage bleibe ich noch. Es ist da wie dort gefährlich. Eigentlich sollten die Amerikaner schon da sein. Jede Truppe braucht einen Rast. Was schaust du so in den Mond? Dort oben gibt es keinen Krieg. Noch sind keine Menschen oben. Ewig wird das nicht so bleiben. Die Erde wird den Menschen zu klein. Dabei wäre Platz für jeden. Von entfernt ist das Lied Lili Marleen zu hören. Hörst? Das kommt von der Flaggstellung im Nebenort. Oder von den Amerikanern. Was spült die unsere Lieder? Mein Vater weiß das von der Westfront. Der Wind trockts zu uns. Ein Lied fliegt über die Fronten. Das kann jeder Spatz oder jeder Schmetterling. Nur der Mensch kann's nicht. Sie lauschen eine Weile dem Lied. Ist dir nicht kalt? Ach, kühl ist schon. Magst du ein bisschen reinkommen? Ich darf die Waffe nicht aus dem Stich lassen. Nimm sie mit. Es könnte Ärger geben. Die Tante ist zu Abendandach gegangen und sonst ist niemand da. Komm. Sie treten ein. Wo kann ich es hin tun? Leg sie auf den Tisch. Sie können drunter rollen. Steck sie in den Schirmständer. Kippt er nicht um? Dem Onkel ist er Jagdgewehrhalter aus. Er steckt die Panzerfaust in den Schirmständer, schaut sich um. Da also wohnst. Ich hab gemeint, du kennst es eh. Mein Vater geht da nicht her. Magst was trinken? Ein Limo wär schön. Himbeer oder Zitronen? Himbeer mag ich gern. Dann nehm ich die Zitronen? Himbeeren mag ich gern. Dann nehme ich die Zitronen. Sie trinken spürender Stille nach. Kali, ruhig ist es bei euch. Man hört nichts vom Krieg. Ist das dein Plattenspieler? Er gehört zur Wirtschaft dazu. Manchmal ist da eine Tanzerei. Leni sucht eine Platte heraus. Was ist denn das für eine Scheibe? Charmaine. Die kenne ich. In jeder Tanzschule wird sie gespielt. Gehst du hin? Seit Februar. Ich gehe schon zur Perfektion. Leni lässt die Platte laufen. Magst tanzen? Geht sie das? in so einer Zeit? Man darf den Frieden nicht verlernen Man weiß ja gar nicht mehr, wie das ist Keine Panzersperren und kein Fliegeralarm Sie tanzen langsam Walzer Vielleicht besuche ich die im Herbst Das würde mich freuen. Wir gehen tanzen. Hast du eine fixe Partnerin? Nur für die Tanzschule. Und du? Ich habe zu viele Sommersprossen. Die passen zu dir. Manche stoßen sich dran. Ich nicht. Sie tanzen eine Weile. Weißt du noch, wie der Tieffläger gekommen ist? So was vergisst man nie. Ich habe deinen Herzschlag gespürt. Und ich den deinen. Es ist schön, wenn man beschützt wird. Wir hätten tot sein können. Die Musik spielt aus. Hast du noch andere Scheiben? Die da. Das ist ja feindliche Musik. Die Amerikaner spielen ja auch Lili Marleen. Ich weiß nicht, ob ich das kann. Ich zeig's dir. Sie tanzen Boogie Boogie, zuerst linkisch, finden den Takt, wirbeln herum, klatschen in die Hände, werden immer ausgelassener. Die Wirtin tritt mit Gesangsbuch auf und schaltet den Plattenspieler ab. Wir kommen zur dritten Szene, jetzt nur zur Information, es geht jetzt nicht mehr um Leni und Kali, sondern um einen Amerikaner. Die Amerikaner sind schon da und dieser Amerikaner kommt Die Amerikaner sind schon da. Und dieser Amerikaner kommt ins Wirtshaus. Okay, Baby. Er lümmelt sich auf einen Stuhl, die Beine pflegelhaft auf den Tisch gelegt. Sie jodelt, übertrifft sich dabei selbst. Der Ami applaudiert. Sind wir jetzt fertig? Do you have a sitter? Meine Schwiegermutter hat eine gehabt. My grandfather hat gehabt ein hot bread. So sagt man in Bayern. He was born in Vienna. Die Welt ist klein. He told me of the Hofreitschule. I love Lippizana. I love Vienna. Nach Linz haben wir näher. Do you have a Linzer Torte? Ein Brezen können sie haben. Did the Fuhrer love Brezen? Er war nie bei uns. Noch ein Glas. Sie haben schon genug. Brandy for Bill. Leni schenkt ihm ein. Er glotzt sie an. A very nice girl. Meine Nichte Leni. Chocolate for Leni. Nimm's nicht, du dumms Mensch. Leni. Ihr trinkt ja auch sein Likör. Wird ihn? Glaub nicht, dass uns der schmeckt. Kämmer, Baby. Er stellt ihr nach, klatscht in die Hände. Sie ist fast nur ein Kind. Er turtelt mit ihr, will sie küssen. Wollen Sie krank werden? Sehen Sie nicht die roten Punkte in ihrem Gesicht? Er schaut sie erschrocken an. Sie hat die Masern. God is against me! Der Kuckuck springt aus dem Urgehäuse, ruft hämisch. The bird is mocking me! Er bringt den Vogel auf Cowboy-Art zum Schweigen. Die Wirtin. Die Uhr ist hin. Der Arme greift in die Jackentasche, legt begütigend eine Handvoll Kaugummi auf den Tisch. Die Frauen sind ratlos, schnuppern daran. Chewing Gum. Look to me. Er macht ihnen die Handhabung vor, blubbert, erzeugt einen cowgummi, cow. Er lässt sie noch eine Weile kauen, worauf er abgeht. Jetzt werden wir amerikanisiert. Dunkel. Auf dem Vorplatz tritt der Bauer mit Rosspeitsche auf. Er geht an die Rampe, spricht zum Publikum. Der Bauer. Wir sind. Seid ihr von da? Ein paar Gesichter kennen. Herr Jäger, Herr Bürgermeister, meine Hochachtung. Hochwürden, wie sich die Zeiten ändern, finden Sie nicht aus? Nur der Mensch bleibt immer derselbe, ein Kopf, zwei Hände und zwei Haxen. Die vorigen Machthaber haben mir den Marsch geblasen, weil ich die Bloch nicht sofort hergebracht habe und gemalt habe. Die jetzigen haben mich dafür belobigt und mich zum Widerständler erklärt. Dabei ist mir nur um meine rausgegangen. Herr Jöhe, Herr Föhrer, kein Watt. Die Brände sind gelöscht, die Schleuchte zum Drucken aufgehängt, alles ist ruhig. Nur von links her hört man noch das Gerumpel. Die Bloch von der Panzersperre liegen im Straßengraben und niemand will mehr was damit zu tun haben, weil man der politischen Lage nicht traut. haben, weil man der politischen Lage nicht traut. Ich habe da keine Vorurteile, weil ich ein Weltbürger bin. Ein paar von den Bloch liegen schon auf meinem Hof. Zersagelt und zerhockt kommen die Scheideln an meine Stallwand. Dort werden sie schnell trocken im böhmischen Wind. So kommen wir gut über den nächsten Winter. Und in der warmen Sturm können sich die Kinder warm um den Christbaum herumtanzen. Noch eine Uhr, dann können die Rosenstall führteich. Er geht ab. Als gelernter Theatermensch kann ich Ihnen natürlich sagen, ich würde mich wahnsinnig freuen, diesem Stück eine Lebensgrundlage zu geben, beziehungsweise ein Auditorium zu geben, ein Theater zu geben, wo wir das spielen können. Wir werden alles Mögliche daran setzen, dass wir das fertigbringen. Und ich hoffe auch, vielleicht schaffen wir es noch, dass der Oskar das noch erlebt. Das wäre einer ganz großen Wünsche und Träume für Oskar Zemmel und für alle theaterinteressierten Menschen, die, ich glaube, ein sehr, sehr wichtiges und gutes Stück vorliegen haben. Und danke der Christine, dass sie das ermöglicht hat, auch das zu machen, das Buch. Das ist nämlich auch eine ganz wichtige Angelegenheit. Herzlichen Dank. ¦ ¶¶ Thank you. Субтитры создавал DimaTorzok Thank you. Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit und für Ihr Kommen. Ohne Publikum würde die Literatur ein bisschen traurig ausschauen. Danke. Applaus