Wie können Sie sich in die EU-Politik einbringen? Lena Schilling, grünen Spitzenkandidatin bei der EU-Wahl, ist ganz kurz bei uns zu hören, bei DorfTV. Es ist abzusehen, dass Sie bald im EU-Parlament einziehen. EU-Politik, wie können Sie sich da einbringen? Ich glaube, wir müssen und können uns einbringen, weil das, was wir als Klimabewegung gerade fünf Jahre lang gemacht haben, nämlich in der Zivilgesellschaft auf die Straße gehen, laut sein, streiken, demonstrieren, Volksbegehr machen, genau das braucht es in Brüssel auch mehr. Nämlich laute, mutige Stimmen, die Rechten ein bisschen in den Arsch treten und zeigen, wofür wir stehen. Das ist eine klimagerechte, soziale und feministische Zukunft. KlimaaktivistInnen, das sind jetzt trotzdem keine PolitikerInnen. Das ist ja doch ein Weg irgendwie oder ein Übergang. Im Klimaaktivismus, da muss man ja oft irgendwie Grenzen auch ein bisschen überschreiten bzw. aufzeigen oder laut sein oder wie man auch immer das bezeichnen möchte. Politik hat ein bisschen auch mit Kompromisse finden zu tun. Glauben Sie, wird das einfach oder ist es ein harter Übergang? Ich glaube, sicher wird das auch anders und es wird sich eine Rolle verändern. Und trotzdem bin ich nicht heute jetzt die perfekte Berufspolitikerin und werde das auch nicht in einem Jahr sein, sondern ich bin die Lena, ich bin Aktivistin und ich werde auch im EU-Parlament sehr klare Kante zeigen. Ich glaube, gerade in Zeiten, wo wir sehen, dass Rechtspopulisten und Rechtsextreme in ganz Europa stärker werden, wo wir sehen, dass in Italien ein Faschistengruß gemacht wird, wo wir sehen, in Potsdam die AfD und Identitäre treffen sich und wollen da irgendwie darüber verhandeln, dass man Staatsbürger und Bürgerinnen deportieren kann, da gibt es dann keinen Kompromiss. Und ich glaube, genau das ist wichtig, dass man die Haltung bewahrt. Und da darf man keine Kompromisse machen. In der Sachpolitik selber macht man immer Kompromisse, weil bis jetzt hatte ich auch nicht die Möglichkeit, Dinge zu entscheiden. Ganz generell geht es ja in der EU jetzt nicht nur um Klimapolitik, sondern auch um EU-Politik. Ist das schwer für Sie, sich da irgendwie was zu überlegen oder da muss man sich ja nichts überlegen, das ist einfach Ihre Einstellung, oder? Ja, ich bin heute ein politischer Mensch, ich war immer ein politischer Mensch und ich bin in meiner Rolle als Klimaaktivistin bekannt geworden, aber ich bin genauso immer schon eine Feministin gewesen, ich bin genauso schon immer eine Antifaschistin gewesen und ich glaube in dieser Gesamtheit wird es jetzt darum gehen, um ganz viele Aspekte zu kämpfen und gleichzeitig ist aber Klimapolitik, was tatsächlich vor allem auf EU-Ebene auch entschieden wird. Der Green New Deal ist ein ganz, ganz, ganz wichtiger Stein auch auch für die nationale Politik. Und die Brücke schlagen zwischen, was da in Brüssel passiert, ist für uns total relevant. Sprechen wir ein bisschen über diese EU-Politik. Kernbereich eben unter anderem dieser Green Deal momentan. Ist ein Riesenschritt natürlich in Richtung klimafreundliches Europa. Trotzdem gibt es immer wieder Kritik, auch von Umweltorganisationen und so weiter. Wie sehen Sie den Green Deal? Welche Forderungen kann man da vielleicht aus dem Aktivismus auch mitnehmen? Also ich glaube, es ist halt ein Riesenschritt gewesen und das Problem ist, dass wir jetzt eher vor einem Rechtsruck stehen. Das heißt, wir werden Forderungen, die jetzt bestehen, verteidigen müssen in erster Linie und auch das wird ein ziemlicher Kraftakt werden. Und gleichzeitig, was wollen wir? Wir wollen natürlich noch mehr Naturschutz. Jetzt soll im Februar das Nature Restoration Law, also das Renaturierungsgesetz beschlossen werden, das auch für Österreich extrem relevant ist. Da geht es darum, dass 20 Prozent aller Böden in Österreich renaturiert werden. Das kann Bodenversiegelung und Entsiegelung heißen, das kann aber auf der anderen Seite zum Beispiel auch die Entwässerung von Mooren oder die Aufforstung bedeuten. Und das sind wichtige Dinge. Aber was nehme ich sonst mit? Es ist ganz klar, dass wir bis 2040 klimaneutral werden müssen. Und dafür wird es viele, viele Dinge brauchen, die wir noch umsetzen müssen. Die man auch noch zusätzlich umsetzen muss mit den Maßnahmen. Jetzt reicht es ja anscheinend noch nicht. Kann man das überhaupt schaffen? Also blicken Sie da irgendwie positiv in diese Zukunft? Naja, wir müssen es halt schaffen. Wenn wir es nicht schaffen, dann haben wir als Menschheit ein Problem. Und ich glaube, das Wichtige daran ist in dieser Perspektive von, wir müssen, wir haben als Menschheit ziemlich orge Leistungen vollbracht. Wir haben Dinge erkämpft wie ein Frauenwahlrecht und unsere Demokratie. Und Gesellschaft ist gewachsen durch Strukturen, die wir gebaut haben. Also ja, sicher schaffen wir das. Es geht nicht ums Können, sondern ums Wollen. Ganz groß in den Medien ist ja auch momentan das EU-Lieferkettengesetz. Ein weiteres Thema aus der EU-Politik ist auch jetzt ein Kernthema bei uns ein bisschen. Unser Wirtschaftsminister hat gerade bekannt gegeben, er wolle sich so wie Deutschland enthalten. Ja, was halten Sie da vom EU-Lieferkettengesetz? Wirtschaft, Wirtschaft, unser Wirtschaftsminister, da geht es ja um Klima und um Menschenrechte, das kann man ja nicht ablehnen. Das würde ich auch so sehen, dass man progressive Klimapolitik und Menschenrechte nicht absagen kann. Es ist ja in Wahrheit eine Absage. Absagen kann und das, was ja dahinter steht, ist in Wahrheit noch etwas viel Ärgeres. Nämlich für kleine Unternehmen gelten sowieso schon bestehende Regeln. Wir haben Standortregeln, wir wollen keine Kinderarbeit, wir wollen, dass die Umweltstandards eingehalten werden, wir wollen, dass die Menschenrechte eingehalten werden. Aber für die großen Konzerne gilt das halt nicht, weil die können sich's richten. Und dass man das nicht schafft zu beschließen, ist ein ziemliches Armutszeugnis. Und ich glaube, der Appell ist weiterhin, die ÖVP und vor allem Martin Kocher muss sich dazu entschließen, dem zuzustimmen. Wenn nicht, dann wird man ihm das jahrzehntelang auch nachtragen und das mache ich auch gerne höchstpersönlich. Es scheint so, als wird uns das EU-Lieferkettengesetz dann die nächsten Jahre noch begleiten, beziehungsweise Sie auch in Brüssel bzw. Straßburg begleiten. Werden Sie sich da weiter dafür einsetzen? Ja, auf jeden Fall werde ich mich dafür einsetzen und ich hoffe ja trotzdem noch, dass es in den nächsten Wochen Verhandlungen gibt und dass es vielleicht doch dazu kommt. Ich glaube ehrlicherweise, dass es eines von den ganz großen Gesetzen ist, die wir einfach brauchen, auch noch bevor dieses Wahljahr kommt. Die EU-Wahlen kommen ja am 6. bzw. 9. Juni. Das ist relativ bald. Jetzt geht es so richtig in den Wahlkampf auch bei Ihnen. Was werden da Kernthemen sein? Ganz klar Klima- und Umweltschutz, aber eben genauso Gleichberechtigung. Ich meine, wie absurd ist es, dass wir 2024 noch immer darüber reden müssen, dass in Österreich Frauen sehr viel weniger verdienen als beispielsweise Männer. Aber genauso geht es auch darum zu sagen, wir sind Demokratinnen und wir kämpfen für ein demokratisches, ein menschliches, ein solidarisches Europa, wo rechte Hetze und Hass einfach keinen Platz hat. Herzlichen Dank für das Interview. Sehr gerne.