Herzlich Willkommen an diesem verregneten Donnerstagvormittag bei einer Spezialausgabe der Senderei der Stachel im Fleisch aus dem Studio von DorfTV in der Kunstuniversität Linz. Ja, seit Jahren sehen sich Gesellschaft und Politik mit schwierigen Realitäten von Asyl und Migration konfrontiert. So wie überall in Europa bedienen sich auch in Österreich vor allem rechtsextreme und rechtskonservative Parteien dieser Thematik, um mit repressiven Konzepten eine Eindämmung der Zuwanderung zu versprechen und dafür bei einer durchaus verunsicherten Bevölkerung auch Zustimmung zu finden. eine faire und solidarische Aufteilung geflüchteter Menschen mittlerweile dringend geboten scheint, beherrschen allerdings Argwohn und Ratlosigkeit den Umgang mit den großen Herausforderungen unserer globalen Welt. Die Demokratien sollten eigentlich auf unumstößlichen Bekenntnissen zu Freiheit und Menschenrechte fußen. Diese werden allerdings vor allem unter dem Druck des Rechtspopulismus immer öfter infrage gestellt. Der Versuch, in Europa Sicherheit und eine bessere Zukunft zu finden, hat zudem für viele Zufluchtsuchende in den Tod geführt. Daran hat sich auch bis heute nichts geändert. Und vor diesem Hintergrund, so ist zu bedauern, verschärft die EU leider ihren Außengrenzschutz, was wiederum neue Realitäten mit sich bringt, nämlich illegale Pushbacks und zum Teil beispiellose Gewaltanwendung gegen Menschen, die eben nach Europa kommen wollen. Diese Situation ist für alle unerträglich, ist dringend zu ändern. Allerdings stellt sich natürlich die Frage, wie soll das gelingen? Und genau das steht jetzt im Mittelpunkt meiner Gesprächsreihe mit Vorwärtsdrang. Ich freue mich sehr, dass ich wahrscheinlich den Experten schlechthin auch in dieser Thematik bei mir im Studio begrüßen darf, nämlich Gerald Knaus. Gerald Knaus ist ausgewiesener Migrationsexperte, Vorsitzender der Denkfabrik der Thinktanks, europäische Stabilitätsinitiative, vielen ohnehin bekannt. Ich freue mich sehr, dass Sie auch heute hier bei DorfTV sind und ich will gar keine Zeit verlieren und gleich mal in Medias Res gehen, indem ich ein aktuelles Buch von Ihnen in die Hand nehme. Erschienen im Brandstätter Verlag. Es trägt den Titel Wir und die Flüchtlinge. Und als ich mir dieses Buch vorgenommen habe und studiert habe, ist mir eigentlich gleich zu Beginn der Titel Ihres Buches sehr ins Auge gestochen, weil der Titel bei mir den Gedanken auslöst, es handele sich bei der Beschreibung Wir und die Flüchtlinge um ein Gegensatzpaar. Darum möchte ich Sie gleich mal eingangs sehr grundsätzlich fragen und dem auf den Grund gehen, wer ist denn eigentlich dieses Wir, beziehungsweise wer sind denn die Flüchtlinge, beziehungsweise wie würden Sie dieses Verhältnis zueinander beschreiben? Ja, also schönen guten Morgen und zunächst einmal danke für die Einladung. Ganz kurz, die Grundthese des Buches ist, dass es bei der Diskussion über Asylgrenzen und unseren Umgang mit Flüchtlingen nicht nur darum oder nicht vor allem darum geht, wie wir mit denen umgehen, die von außen hereinkommen. Die Definition eines Flüchtlings ist jemand, der eine Grenze überschreitet, weil er oder sie Schutz brauchen, Schutz suchen. Die werden dann in irgendeiner Form, entweder als Gruppe, wie die Ukrainerinnen oder einzeln nach einem Asylverfahren anerkannt, aber sie kommen von außen. Dass die Frage, wie wir mit diesen Menschen, die von außen zu uns kommen, umgehen, definiert, wer wir sind. Dass das eine der, und das ist jetzt keine große neue Feststellung, eine der zentralen Fragen der europäischen Politik ist, weil es im Kern darum geht, ob wir die Fundamente, auf denen Demokratien seit Ende des Zweiten Weltkrieges beruhen. Vor genau 75 Jahren wurde der Europarat geschaffen, 1979, die größte, 1949, die wichtigste Menschenrechtsorganisation Europas. Kurz danach die Menschenrechtskonvention, wir haben die europäische Grundrechte-Charta, wir haben die Flüchtlingskonvention, wir haben die Antifolter-Konvention, wir haben die Kinderrechtskonventionen. Instrumente, Menschenrechte zu schützen, die alle durch unseren Umgang an den Grenzen mit Menschen, die Schutz suchen, aber auch mit Menschen, die nicht am Ende Schutz finden, aber das Recht haben, immer menschenwürdig behandelt zu werden. All diese Konventionen werden infrage gestellt. Und das betrifft nicht nur die, die darunter direkt leiden, ob in Griechenland oder Kroatien, im Mittelmeer oder an der polnisch- belarussischen Grenze, das betrifft uns direkt, wer wir sind und ob unsere Demokratie, unsere Menschenrechte überleben werden. Jetzt ist es ja gerade auch aus österreichischer Perspektive sehr interessant festzustellen, dass das Bild des Flüchtlings ja wandelbar ist oder wandelbar sein kann. Hier kommt natürlich auch eine mediale Verantwortung sehr stark ins Tragen. Ich habe das selber beobachtet. Seit zwei Jahren sehen wir einen fürchterlichen Angriffs- und Vernichtungskrieg Russlands gegen die Ukraine. Da kamen auch viele Menschen aus der Ukraine zu uns. Die sind allerdings oft in ihren Autos gekommen, BMW oder Mercedes. Und ich habe selber den Eindruck gewonnen, dass viele Menschen es schwer hatten, sie überhaupt als Flüchtlinge wahrzunehmen, weil man sieht ja quasi Flüchtlinge zuallererst in so wackeligen Schlauchbooten, die versuchen, das Mittelmeer zu überqueren. Inwieweit spielt das denn eine Rolle, welche Bilder wir von Flüchtlingen haben beziehungsweise wer diese Bilder für uns erschafft? welche Bilder wir von Flüchtlingen haben, beziehungsweise wer diese Bilder für uns erschafft? Bilder, und das heißt auch vor allem die Geschichten, die wir uns dann erzählen oder die wir versuchen zu kommunizieren, sind absolut zentral in dieser Debatte. Um auf die Ukrainerinnen zurückzukommen, das ist natürlich jetzt, wir erleben derzeit die größte Flüchtlingskrise seit den 40er Jahren. Also Deutschland hat noch nie so viele Flüchtlingskrise seit den 40er Jahren. Deutschland hat noch nie so viele Flüchtlinge aufgenommen, Schutz gewährt, wie im Jahr 2022. Über 1,2 Millionen in einem Jahr. Die Europäische Union hat noch nie so viele Flüchtlinge aufgenommen, wie die Ukrainerinnen, die seit 2022 gekommen sind. Die kommen allerdings, und das ist natürlich, was Sie ansprechen, nicht mit Schmugglern, nicht irregulär über Grenzen, die können visafrei einreisen und die Europäische Union hat, weil es alternativlos war, beschlossen, jetzt nicht zu sagen, die sollen alle einen Asylantrag stellen, dann bricht das System sofort zusammen für alle, weil es so viele Ukrainerinnen waren. die bekommen Schutz, weil wir wissen ja, warum sie fliehen zu uns. Es gibt keine andere Fluchtmöglichkeit. Wir sehen die Bilder in Mariupol, in Kiew und in Odessa. Wir sehen die Grausamkeiten in den von Russland besetzten Gebieten. Wir wissen, warum sie kommen. Und wenn Menschen das Gefühl haben, sie wissen, warum Menschen zu uns fliehen, ändert sich die Einstellung. Wenn Menschen das Gefühl haben, die, die zu uns kommen, sind entweder unbekannt oder eine Gefahr, wenn wir Vorurteile haben oder wir das Gefühl haben, die müssten eigentlich nicht fliehen, die benutzen das System, dann erkaltet die Empathie ganz schnell, nicht bei jedem, aber bei Mehrheiten in allen unseren Ländern. Daher ist es so wichtig, erstens klar die Geschichten zu erzählen, aber zweitens, und das folgt auch daraus, klar zu machen, es gibt ein Recht auf Asyl und Flucht, es gibt immer ein Recht auf menschenwürdige Behandlung, aber es gibt kein Recht auf Migration. Kein Recht auf Migration. Also man muss sich immer die Mühe machen, zu erklären, wie wir es schaffen, ein Asylsystem zu bewahren und trotzdem irreguläre Migration, die ja tödlich ist, darüber reden wir sicher noch, zu reduzieren. Aber auch klar zu sagen, es gibt das Recht von Staaten, zu sagen, nicht jeder kann zu uns kommen. Und die, die diese Unterscheidung verwischen wollen, manchmal auch mit guter Absicht, die sagen, ja, wir können ja gar nicht unterscheiden zwischen denen, die Schutz brauchen und denen, die aus anderen Gründen kommen. Ich warne dann immer, weil das ist genau das, was Rechtspopulisten wollen. also vor der Flüchtlingskonvention, als es in der Schweiz zum Beispiel eine Politik gab, die Schweiz war seit dem 19. Jahrhundert Asylland, aber die Schweizer Politik sagte, wir lassen die im Zweiten Weltkrieg, die französischen Deserteure, die lassen wir rein. Aber nicht die Juden. Wir lassen Leute aus Italien herein, aber nicht die Zwangsarbeiter aus dem Dritten Reich. Und in der Schweiz wurden damals österreichische deutsche Juden in großer Zahl zurückgeschickt, Leute aus Italien herein, aber nicht die Zwangsarbeiter aus dem Dritten Reich. Und in der Schweiz wurden damals österreichische deutsche Juden in großer Zahl zurückgeschickt, weil die Geschichte, die die Politik erzählte, war, das ist eine Gefahr für unsere Sicherheit. Die können wir nicht integrieren, die sind ein Fremdkörper. Das war offener Antisemitismus. Und in den 70er Jahren, in der gleichen Schweiz, als es darum ging, vietnamesische Bootsflüchtlinge aufzunehmen, und dann kamen große Familien mit acht Kindern, natürlich kein Wort Deutsch konnten, nicht zu reden von Schweizerdeutsch, in der ländlichen Ostschweiz an, in Dörfern, im Aargau. Und die wurden mit großer Sympathie aufgenommen, weil die Schweizer das Gefühl hatten, nur wenige Jahrzehnte später, die müssen fliehen, die fliehen vor dem Kommunismus, wir verstehen ihre Geschichte. Und das ist wirklich der Schlüssel. Es kommt weniger auf die Zahlen an, als vielmehr auf das Gefühl in einer Mehrheit der Bevölkerung, wir verstehen, was hier passiert. Und das war bei den Syrern 2015 ja auch so. Man sah die Bilder in Aleppo, man sah den kleinen jungen Alain Courdi am Tod am Strand in Bodrum. Und in Deutschland, in Österreich. Obwohl, egal, dass es sich hier um arabisch sprechende Muslime aus dem Nahen Osten handelte. Man hatte das Gefühl, wir wissen, warum sie fliehen müssen. Und die Empathie war enorm. Und die Empathie erkaltet in dem Moment, wo Menschen das Gefühl bekommen, wir verlieren die Kontrolle, es kommen viele, die es gar nicht müssten und irgendwie ist es eine Gefahr. Und dieses Grad, die Empathie zu erhalten in Mehrheiten der Bevölkerung und gleichzeitig eine humane Kontrolle herzustellen, die wir brauchen, um sie zu erhalten, ohne Menschenrechte zu verletzen, das ist für, glaube ich, alle, die an Menschenrechten liegen, die größte Herausforderung heute. Es ist nicht damit getan zu sagen, die Empathie ist grenzenlos und wir müssen nur an die Leute an ihrem guten Willen appellieren. Das funktioniert in keiner Demokratie der Welt. Gerade gestern ist die doch sehr bedeutsame Internationale Organisation für Migration an die Weltöffentlichkeit getreten, sehr alarmiert und hat quasi bekannt gemacht, dass im Jahr 2023 ein dramatischer Spitzenwert erreicht wurde, nämlich bei der Anzahl jener Menschen, die weltweit bei ihren Fluchtversuchen ums Leben gekommen sind. die weltweit bei ihren Fluchtversuchen ums Leben gekommen sind. 2023, so die Zahlen, haben immerhin 8.565 Menschen auf der Flucht ihr Leben verloren, davon 3.129 bei ihrem Versuch, das Mittelmeer zu überqueren. Da sind natürlich noch Dunkelziffern nicht mit eingerechnet von jenen, die das Leben verloren haben, von denen wir nicht wissen. nicht mit eingerechnet von jenen, die das Leben verloren haben, von denen wir nicht wissen. Aber mich interessiert sehr, welche Schlussfolgerungen wir daraus ziehen sollen. Also einerseits vermute ich mal, muss die Verzweiflung der Menschen doch sehr groß sein, ihre angestammte Heimat zu verlassen und ein unglaubliches Risiko einzugehen. Auf der anderen Seite stellt sich natürlich die Frage, was läuft auf dieser Welt schief, auch was läuft in Europa schief, dass es überhaupt so weit gekommen ist. Also diese Zahlen sind jetzt eigentlich nicht überraschend, weil wir seit zehn Jahren allein im Mittelmeer, der tödlichsten Grenze der Welt, von Anfang 2014 bis Ende 2023 in diesem Jahrzehnt über 28.000 Tote hatten. Im letzten Jahr, Sie haben es schon gesagt, über 3.000. Dazu kommen noch mal fast 1.000 auf dem Weg von Westafrika zu den spanischen Kanarischen Inseln. Die tödlichste Grenze der Welt ist die zwischen Europa und vor allem Afrika, vor allem das zentrale Mittelmeer. Grenze der Welt ist die zwischen Europa und vor allem Afrika, vor allem das zentrale Mittelmeer. Und da sterben Menschen in einer Zahl wie in einem Krieg. Aber was, und das habe ich in meinem Buch ja am Anfang beschrieben, was natürlich auch dramatisch ist, man gewöhnt sich daran. Also als im letzten Jahr über 600, ich glaube es waren am Ende 700 Menschen ertrunken sind in dem Schiff, das aus Ostlibyen Richtung Italien wollte und vor der griechischen Küste untergegangen ist. Da gab es kurz einen Aufschrei, aber keine Diskussion mehr, keinen Gipfel der EU mehr, wo man sagt, was machen wir? Und auch von denen, die sich wirklich jeden Tag einsetzen für das Retten von Leben, den Seenotrettern, den NGOs, den Privaten oft, die Geld sammeln, habe ich das Gefühl, es wird immer wieder gesagt, das ist ein Skandal, ein moralischer, aber es fehlt eine Strategie, in unseren Demokratien Mehrheiten zu überzeugen. Italien ist sicher ein Land voller Empathie. Die italienische Große Koalition hat 2013 gesagt, wir können nicht mehr zusehen beim Sterben von Menschen. Wir schicken die Marine los, um Leute zu retten. Das war ein Jahr eine Aktion und da wurden viele gerettet, aber es sind mehr gestorben als davor. Und als die Europäische Union 2015 einen Sondergipfel gemacht hat und gesagt hat, wir müssen mehr Leute retten im Mittelmeer. eine EU-Mission, da wurden dann im Jahr 2016 180.000 Menschen nur im zentralen Mittelmeer gerettet nach Italien gebracht, mehr als je zuvor. Die höchste Zahl. Und daraus folgt für mich, und das ist extremnde Arbeit, die da geleistet wird, jetzt im Mittelmeer von Menschen. Aber wir merken, das reicht nicht, solange wir keinen Weg finden, dass sich weniger Menschen in diese Boote setzen. Und da hört dann die Debatte aber auf. Rechtspopulisten greifen die Seenotretter an und sagen, wenn wir nicht mehr retten, kommt keiner, was absurd ist. Im letzten Jahr wurde wenig gerettet, weil wenige Boote unterwegs sind und es sind wie gesagt über 3000 gestorben. Das stimmt nicht. Wir haben es erlebt. Was wir also brauchen, ist eine Politik, mehr retten und trotzdem weniger Menschen dazu zu ermutigen, weil, und das ist ja auch die Wahrheit, wer mit dem Boot nach Europa gebracht wird, egal ob, in den letzten Jahren waren es im Zentralen Mittelmeer viele Ägypter, Tunesier, Bangladeschi, Westafrikaner, viele aus Ländern, die am Ende gar keinen Schutz bekommen. Aber egal wie die Leute, warum die Leute Europa erreichen, es gibt keine Rückführungen, sie können bleiben. Abschiebungen funktionieren nirgends, wirklich, aus vielen Gründen, das wird sich auf nahe Zeit nicht ändern. Also haben wir einen Anreiz. Ein junger, ehrgeiziger, mutiger Mann aus, ich habe viele getroffen, Nigeria, Gambia, Senegal, der irgendwann beschließt, und es ist eine ganz kleine Minderheit, die das tut, die zahlen sich nicht hoch, aber ich versuche mein Leben, das Leben meiner Familie zu verbessern. Ich sehe keine legale Möglichkeit, in Europa zu arbeiten. Ich sehe die Bilder, ich höre von vielleicht einem Bekannten, der es geschafft hat, ich steige jetzt, ich gehe jetzt in so ein Fischerboot zu den Kanarischen Inseln am Atlantik oder über Libyen und Tunesien nach Italien. Und hier eine Politik zu haben, die dazu führt, dass das nicht mehr so passiert, ist entscheidend. Und da müssen wir aus diesen ideologischen Fronten ausbrechen. Es ist falsch, grundfalsch, auch nur daran zu denken, die Rettung auszusetzen. Es ist genauso falsch zu sagen, wir wollen, wie wir es seit sechs Jahren tun, indirekt Leute nach Libyen zurückbringen lassen, wo sie gefoltert werden. Es ist katastrophal, wenn darüber nachgedacht wird, wieder Pushbacks, also das gewaltsame Zurückstoßen im Mittelmeer zu machen. Aber es reicht auch nicht, zu sagen, wir appellieren an die Europäer, alle, die da so kommen, nehmt sie auf, rettet sie und wir lösen das Problem. Wir brauchen eine Politik der humanen Kontrolle. Und darüber gerade mit Menschenrechtsorganisationen zu diskutieren, mit Bürgern, Bürgerinnen, die nicht akzeptieren wollen, dass hier so viele sterben, die nicht wollen, dass Menschen in ihren Menschenrechten verletzt werden, die aber auch nicht wollen oder wissen, dass es nicht realistisch ist, zu sagen, jeder, der losfährt, kann in Europa bleiben. Da eine Antwort zu bieten, ist zentral. Jetzt erinnere ich mich natürlich noch allzu gut, auch Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz hat ja quasi schon vor Jahren die österreichische Öffentlichkeit davon in Kenntnis gesetzt, wir werden uns daran gewöhnen, unschöne Bilder zu sehen. Seither habe auch ich den Eindruck, er ist ja ein Beispiel unter vielen, wir beschäftigen uns sehr, sehr intensiv damit, wie können wir uns mit diesen unschönen Bildern arrangieren und wie können wir das von uns auf Distanz halten. Gleichzeitig, ich weiß nicht, ob Sie meinen Eindruck teilen, habe ich doch ein bisschen das Gefühl, dass wir uns immer weniger Gedanken machen über die eigentlichen Fluchtursachen. Was bewegt denn die Menschen tatsächlich, ihre angestärmte Heimat aufzugeben, ihre Lebensumstände dort näher zu betrachten? Ist das etwas, was Sie mit unterteilen? Also, dass wir uns an nicht nur grauenhafte Bilder, das ist das eine, das ständige Sterben im Mittelmeer, dass wir uns daran gewöhnen, das ist offensichtlich. Und das ist auch menschlich. Also ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, wenn Sie in der Früh in den sozialen Medien mal schauen, was ist in der Welt los, oder Zeitungen lesen, und Sie lesen über grauenhafte Konflikte, die ich nur halb verstehe. Ich weiß nicht ganz genau, was jetzt in Myanmar los ist, oder im Sudan, eine grauenhafte Katastrophe. Aber ich beschäftige mich damit ein bisschen. Ich lese Zeitungsartikel, aber ich habe nicht das Gefühl, ich kann es beeinflussen. Und wenn ich das Gefühl habe, ich kann etwas nicht beeinflussen, dann ist es natürlich, Menschen schieben es ein bisschen weg. Weil sonst könnte ich den ganzen Tag über Krieg in der Welt lesen. Ich versuche dann, dort anzupacken, wo man das Gefühl hat, man kann was tun. Und das Fatale an der Debatte über die tödlichen Grenzen Europas ist, dass in den letzten Jahren viele das Gefühl haben, die vor fünf Jahren noch gesagt hätten, wir müssen was tun, ja, das ist irgendwie unvermeidlich. Da kann man nichts tun. Und das ist irgendwie unvermeidlich. Da kann man nichts tun. Und das ist nicht wahr. Also es gilt dagegen zu halten. Die Debatte über Fluchtursachen kann allerdings Armut in Nigeria. Nigeria, der größte, bevölkerungsreichste Staat Afrikas, über 220 Millionen Menschen. In dem Jahr, in dem die meisten Nigerianer nach Italien kamen, über das Mittelmeer, waren es 37.000. In den Jahren danach waren es ein paar Tausend im Jahr. Das merkt in Nigeria niemand. Das wäre so, wie wenn drei Leute im Jahr Berlin verlassen. Das heißt, das ist nicht die unglaubliche Armut in Nigeria, Millionen Binnenvertriebene durch Konflikte im Norden, viele Menschen, die in erbärmlicher Armut am Existenzminimum leben, führt nicht dazu, dass 3.000, 5.000 oder 10.000 Leute nach Europa kommen. Das ist so eine kleine Gruppe. Und wenn wir das vermischen, sind wir schnell in einer Falle. Denn dann erstens, die einen sagen dann, wir müssen erst die Armut überwinden, bevor wir was an den Grenzen ändern. Da wir das aber nicht können, die Entwicklungshilfe der ganzen Welt, wenn wir die Zahlen ansehen, ist zu gering. Also die Vorstellung, dass die deutsche oder europäische Entwicklungshilfe in Nigeria die 90 Millionen Menschen in extremer Armut in absehbarer Zukunft aus ihrem Elend, das ist hybris, überheblich. Wir geben das Geld dafür nicht aus. Das gibt es nicht. Wenn wir dann aber sagen, wir geben Geld nur aus, um direkte Fluchtursachen zu bekämpfen, kann auch rauskommen, wir geben es nur in den Ländern aus, wo Migranten zu uns kommen. Also jetzt kommt niemand aus Nigeria, wozu Entwicklungshilfe? Auch das wäre fatal. Denn dann sagen wir ja, die Ziele der Entwicklungshilfe sind eher Kindersterblichkeit zu reduzieren, Gesundheitssysteme zu stärken, allerlei Entwicklung zu ermöglichen. Also wir sollten das nicht verbinden. Die echte Fluchtursache, die wir sehen, ist eine, die sehr, sehr schwer zu bekämpfen ist. Die meisten Flüchtlinge in der Welt in den letzten zehn Jahren fliehen wegen Assad und seinem Krieg in Syrien, Putin und seiner Aggression gegen die Ukraine und in Südamerika Maduro und die Politik in Venezuela. Wir haben also Namen von Politikern, Kriege, die geführt wurden, eigentlich die gleichen Ursachen wie vor Jahrzehnten, aus denen Menschen fliehen müssen. Und die Fluchtursache Putin versuchen die Ukrainer zu bekämpfen mit Waffen. Und wenn wir die Ukrainer dabei im Stich lassen, wenn sie keine Munition mehr haben an der Front, um ihr Land zu verteidigen, dann werden in naher Zukunft Millionen Ukrainer mehr fliehen müssen. werden in naher Zukunft Millionen Ukrainer mehr fliehen müssen. Also die Fluchtursachen-Debatte heute für Europa ist eigentlich eine Debatte, wie unterstützen wir die Ukraine. Ich bin ja sehr erstaunt und musste mich bei der Vorbereitung für unser heutiges Gespräch auch wieder einmal davon überzeugen, die Europäische Union hat in der Kommission einen Ressortverantwortlichen, der für das Thema EU-Außengrenzschutz, Sicherheit und auch die Abwehr von illegal Migrierenden zuständig ist. Das ist Margaritis Schinas, ein griechischer Politiker. Und sein Ressort trägt den Titel, das Ressort zur Förderung unseres europäischen Lebensstils. zur Förderung unseres europäischen Lebensstils. Ich finde die Bezeichnung ja schon fast ein bisschen verräterisch, weil es ja gar nicht jetzt so sehr für sich beansprucht, ein Ressort für globale Gerechtigkeit zu sein oder globale Sicherheit zu sein, sondern es zielt sehr darauf ab, uns selber zu versichern. Wir haben in Europa durch historische Umstände sehr viel auch über Kolonialismus und Ausbeutung anderer Weltregionen natürlich einen enormen Wohlstand und Reichtum uns erwirtschaftet, dass wir das einfach sichern wollen, dass wir das absichern wollen. Jetzt komme ich zu einem Punkt, wo ich gerne Ihre Meinung erfragen möchte. Inwieweit hat denn eigentlich die Europäische Union als nur ein Beispiel eigentlich schon tatsächlich wertvolle und wichtige Maßstäbe, ethische Maßstäbe, rechtsstaatliche Maßstäbe, eigentlich schon wirklich ein großes Stück weit aufgegeben, fast so wie ein Kniefall vor dem Rechtspopulismus? Also vielleicht ein paar überraschende Fakten für diese Debatte. Und das Erste und das Fatale auch an dem, was dieser Titel suggeriert, dass die europäische Lebensart in Gefahr ist durch Migration, das suggeriert ja, dass wir vor einer Massenmigration stehen. Und gerade Rechtspopulisten sagen das ja regelmäßig. Jetzt ist die Tatsache, wir haben noch nie so viel Menschenschutz gewährt wie in den letzten zwei Jahren. Die deutschen Kommunen, in Österreich ist es ähnlich, stehen vor einer Herausforderung. Weil zusätzlich zu den vielen Ukrainerinnen ja weiterhin auch Asylsuchende kommen. Die kommen allerdings nicht überall in die EU. Die kommen, wenn sie am Ende Schutz erhalten, in ganz wenige Länder. Und Österreich war bei der Vergabe von Schutz in den letzten fünf Jahren, Europa ja weltweit, also Schutzvergabe nach Asylverfahren, an der Spitze. Also Österreich ist ein Ausnahmeland im positiven Sinne, dass trotz der Rhetorik unserer Politik, die gesagt hat, wir wollen Obergrenze Null, kein Durchwinken, Grenzen schließen, Österreich ein Rechtsstaat ist, geblieben ist und die, die die Grenze erreichen in Ungarn, österreich-ungarische Grenze, wenn sie sagen, ich will einen Asylantrag stellen, dann ein Verfahren bekommen. Und ich habe ja in meinem Buch die Zahlen präsentiert. Das österreichische Paradox unter Sebastian Kurz hat Österreich pro Kopf mehr Schutz vergeben als Deutschland, Schweden und jedes andere Land in Europa. Weil wir einen Rechtsstaat haben. Aber, das ist ja auch interessant, in diesen Jahren unter Sebastian Kurz als Kanzler hat er gesagt, wir haben es kontrolliert. Die Politik, also diese Zahlen von im Durchschnitt pro Jahr, die Menschen, die Schutz bekamen in vier Jahren 56.000, hat er gesagt, überfordert uns nicht. Ich habe das Problem gelöst, sagt er. Ich habe die Balkanroute geschlossen. Jetzt kommen wir zu diesem Paradox, dass wenn andere Staaten in Europa nur so vielen Menschen Schutz gewähren würden, wie Österreich unter Sebastian Kurz, und ich rede nicht über Asylanträge, ich rede über die, die am Ende hier Schutz bekommen, dann hätte die Europäische Union plus Norwegen, Schweiz und Großbritannien in diesen vier Jahren 3,3 Millionen Menschen Schutz gewährt. Das ist der Kurz-Standard für Schutz. Das ist eine enorm hohe Zahl. Die hätte aber niemand überfordert. Und darum sage ich auch immer, die Idee einer Welt in der Demokratie mehr Schutz gewähren als heute, aber Politiker sagen können, wir haben trotzdem die Kontrolle, ist keine Utopie. Aber was notwendig ist, ist, dass wir wegkommen von den Bildern und von der Angst vor dem Kontrollverlust. Und dazu müssen wir, und das ist der zweite überraschende Faktor in dieser Debatte, wegkommen von der Falle, die uns die Sprache und auch die Bilder der Populisten stellen. Die reden ja immer mit hydraulischen Bildern. Flüchtlingsstrom, Flüchtlingsflut, kommunizierende Röhren. Das Bild ist, wenn wir die Menschen hier stoppen, dann kommen sie da und wir brauchen eben mehr Brutal dann sehen wir im letzten Jahr, wo viele Leute gekommen sind, weit über den Durchschnitt, über das Mittelmeer, waren es aus ganz Afrika und dem Nahen Osten, über die Türkei, 260.000. Das ist die Zahl, die in den USA in einem Monat an der Grenze zu Mexiko gestoppt wird. Das ist die Zahl, die nach dem Angriffskrieg Putins auf die Ukraine in zwei Tagen nach Polen aus der Ukraine Menschen geflohen sind. In zwei Tagen kamen so viele Ukrainerinnen nach Polen, wie im ganzen letzten Jahr aus Afrika und Asien über das Meer. Die Zahl dieser 260.000 überfordert Europa nicht. Was Europa überfordert, politisch, und das ist überall in allen Demokratien gleich, ist das Gefühl, wir verlieren die Kontrolle, die Angst und die Mythen, die dahinterstehen, dass wir es mit Millionen zu tun haben, die nur werden Millionen Menschen kommen. Die sind falsch. Der Klimawandel wird bis 2050, die letzte Studie der Weltbank sagt es, mit den besten Experten, ja, 220 Millionen schätzt sie, Menschen dazu zwingen, ihre Heimat zu verlassen, weltweit. Aber die allermeisten werden in ihren Ländern bleiben. Und 220 Millionen Menschen, das ist eine Tragödie für unglaublich viele, das sind so viele wie in China in den letzten zehn Jahren, im China vom Land in die Stadt gezogen sind. Das sind ein Drittel der Zahl der Bevölkerungswachstums in Indien in den letzten 30 Jahren. Das ist weltweit gesehen keine dramatische Zahl. Und die wird Europa auch nicht überfordern. Also die Mythen, wir verlieren die Kontrolle, wir sehen die Bilder, es kommen Millionen, führen dann dazu, dass wir anstatt über Lösungen nachzudenken, die in Demokratien mehrheitsfähig sind, indem wir mehr Staaten dazu bringen, Menschen legal aufzunehmen, aber gleichzeitig die Angst vor der irregulären Migration reduzieren. die Angst vor der irregulären Migration reduzieren. Diese Lösungen suchen wir nicht, weil wir Angst haben. Und in der Angst macht man schlechte Entscheidungen. Und die schlechteste Entscheidung ist, denen auf den Leim zu gehen, die sagen, wenn wir Migration kontrollieren wollen, dann brauchen wir an den Grenzen Gewalt. Die Menschenwürde gilt nicht mehr. Die Menschenrechtskonvention ist überholt. Die Flüchtlingskonvention war eine andere Zeit, können wir uns nicht mehr leisten. Das ist fatal. Und diese Rhetorik greift immer mehr um sich. Diese Angst vor Kontrollverlust, die Sie so herausstreichen, ist ja mittlerweile auch schon sehr paradigmatisch, also ein Leitparadigma auch der Europäischen Union. Umso stolzer zeigt sich die Europäische Union ja immer da, wenn sie eine Einigung erzielen konnte. Das war schon während der Covid-Pandemie so mit einem gemeinsamen finanzpolitischen Kraftakt und jetzt vergangenes Jahr, also Ende des Jahres 2023, mit einer Einigung auf eine EU-gemeinsame Asylreform, die ja auch bei Ihnen auf große Kritik gestoßen ist. Vielleicht können Sie kurz nochmal auch für uns erläutern, was wurde da eigentlich genau beschlossen, beziehungsweise warum sehen Sie das auch so kritisch? Ich mache es ganz konkret und ganz einfach. Im letzten Jahr kamen 160.000 Menschen in Booten aus Tunesien und Libyen nach Italien. Viele, ich habe es schon gesagt, aus Ländern, wo die Anerkennungsquoten gering sind, aber das heißt nicht, dass man nicht eigentlich in jedem Fall prüfen muss, wer braucht Schutz. Jeder hat das Recht auf eine Prüfung des Schutzbedürfnisses. Wenn da die Boote losfahren, nehmen wir Libyen, dann hat die Europäische Union ganz wenige Möglichkeiten. Sie kann sagen, das war einige Jahre der Fall, jeder der losfährt und Italien erreicht, allein oder mit Rettern, bleibt. Das war die Realität. Also die Schmuggler verdienen sehr viel Geld. Viele sterben auf dem Weg nach Libyen, in Libyen, auf dem Meer. Aber wer es schafft, wir haben keine Kontrolle. Jetzt haben wir gesehen, keine Demokratie der Welt, auch Italien nicht, hält das durch. Zweite Möglichkeit ist, wir greifen zu Gewalt. Direkt oder indirekt. 2009 hat Silvio Berlusconi die Marine losgeschickt und die Leute mit Militärschiffen im Meer gestoppt und nach Libyen zurückgebracht. Das wurde dann verboten vom Europäischen Menschenrechtsgerichtshof. Jetzt wird es indirekt gemacht. Wir haben Drohnen, wir haben Flugzeuge. Wir sagen den Libyern, denen wir Geld geben, die wir dafür bezahlen, Achtung, da sind Boote, holt sie euch. Die fahren raus aufs Meer, holen die Boote, bringen die Leute zurück und stecken sie in grauenhafte Lager. Also wieder Gewalt, nur wir sind formell nicht die, die das tun, aber wir sind natürlich die, die das Ganze im Laufen halten. Durch unser Geld, durch unsere Politik. Also Gewalt oder keine Kontrolle. Und trotzdem sterben noch Tausende. Die dritte Option wäre zu sagen, die, die losfahren mit dem Boot, wir retten jeden. Ziel ist Null Tote. Wie in der schwedischen Straßenverkehrspolitik. Zero Death war das Ziel der Schweden für Verkehrstote. Wir brauchen im Mittelmeer das Ziel Zero Death, Null Tote für Migranten. Das heißt, wir brauchen mehr Rettungsboote, mehrchtung, das ist kein automatischer Weg nach Europa. Jetzt kommen wir zu dem sehr kontroversen Thema. Sichere Drittstaaten, können wir Einigungen erzielen mit afrikanischen Ländern? Das Reizwort heute ist Ruanda, weil das die Briten getan haben, also so ein Abkommen geschlossen. dass wirklich die dritte Option ist, zu sagen, wenn wir einen sicheren Staat finden, wo wir faire Asylverfahren garantieren, denn sonst erlauben es ja die Gerichte gar nicht. Die Briten wurden ja von ihren eigenen Gerichten gestoppt, Leute nach Ruanda zu bringen. Nicht mit dem Argument, dass es grundsätzlich nicht geht, sondern mit dem sehr überzeugenden Argument, Ruanda ist heute noch kein sicherer Drittstaat, weil sie keine Asylverfahren haben. Aber jetzt stellen wir uns vor, wir würden einen Staat haben, der aus Eigeninteresse sagt, wir nehmen ein paar tausend Leute auf, nicht mehr, aber wir haben mitten die Hotels an, wir bauen eine Siedlung, Ruanda hat das alles gemacht. Und hier macht, sagen wir, der UNHCR Asylverfahren. Der macht das seit Jahrzehnten, glaubwürdig. Wir bringen die, die aus Libyen kommen, wir retten sie und bringen sie zurück. Ab einem Stichtag. Und sagen damit, es hat keinen Sinn mehr in diese Boote zu steigen. Wir bauen aber aus, wie Kanada, die legalen Wege für Schutzsuchende. Also wer wirklich Schutz braucht, wir sagen dem UNHCR, Also wer wirklich Schutz braucht, wir sagen dem UNHCR, wir nehmen im Jahr Zehntausende aus Libyen, Niger, Ostafrika, Westafrika, die legal, die können in das Nachbarland fliehen, bei UNHCR einen Antrag stellen, wie das die Kanadier machen, das geht. Und wenn wir sagen, die brauchen Schutz, dann nehmen wir sie mit dem Flugzeug. Die müssen nicht ihr Leben riskieren. Also wir nehmen mehr Schutzbedürftige auf, aber reduzieren drastisch die, die in die Boote steigen, ohne das Asylrecht zu verletzen. So, jetzt habe ich die drei Optionen erklärt. Und ich bei jeder Diskussion, auch mit Leuten, die das kritisch sehen, frage ich immer, welche dritte, vierte Option seht ihr? Der europäische Asylkompromiss löst das Problem nicht. Denn er sagt nur, dass die, die über das Meer aus Libyen kommen, die keine Aussicht auf Asyl haben, werden für einige Monate, einige Wochen, also bis zu zwölf Wochen festgehalten. Dann stellen die Italiener schnell fest, das ist der Plan, die Theorie, braucht die Person Schutz. Aber es gibt keine Theorie der Rückführung. Warum sollte Ägypten dann Leute zurücknehmen, wenn sie es jetzt nicht tun? Warum sollte Nigeria, Gambia, Senegal, Marokko jetzt mehr Leute zurücknehmen, weil die EU das will? Das heißt, die Leute werden weiterhin kommen, die Leute werden festgehalten für einige Wochen, Italien wird schnell erkennen, dass das ihnen nichts nützt, diese Lager, diese Aufnahmezentren werden nicht in Sizilien oder Lampedusa sein, das wäre sofort überfüllt, sondern irgendwo im Land und die Leute werden so wie bisher weiterziehen. Also die EU-Reform löst das Problem, das Schlüsselproblem, human Menschen zu entmutigen, diesen Weg zu gehen und dafür legale Wege anzubieten. Weder das eine noch das andere wird hier gelöst. Darum bin ich überzeugt, es wird am Sterben, es wird am Elend, es wird an den Menschenrechtsverletzungen und es wird an der irregulären Migration wenig ändern. Ich möchte nochmal zu dieser ganz wichtigen Frage der sicheren Drittstaaten zurückkehren. Ich selber habe in Ruanda gelebt. Ich kann mit Fug und Recht behaupten, dass ich dort ein sehr totalitäres System kennengelernt habe. Ruanda führt Krieg im Ostkongo, produziert selber Flüchtlinge, das muss man sich auch mal vergegenwärtigen. Und gleichzeitig ist für mich Ruanda schon auch ein Stück weit beispielgebend für viele andere Staaten des afrikanischen Kontinents. Ich sehe da kaum Möglichkeiten, tatsächlich Voraussetzungen vorzufinden, die nur halbwegs eine Demokratie, Menschenwürde und so weiter garantieren könnten. Da hilft auch eine UNHCR nichts, weil dort auch teilweise diese Systeme derart korrupt durchwachsen sind. Das ist einfach unglaublich schwierig. Jetzt ist das nicht doch auch etwas, wo wir sagen, okay, sichere Drittstaaten, das ist jetzt so unsere probate Lösung, um eigentlich die Menschen hier, die ja quasi tatsächlich ängstlich sind vor Migration und so weiter, eigentlich einer falschen Sicherheit zu biegen? Es geht hier um eine Grundsatzfrage. Die Grundsatzfrage ist, können wir uns vorstellen, dass es in Afrika Staaten gibt, die sicher sind für Flüchtlinge. Die Türkei 2016 war auch ein Land, da gab es auch politische Verhaftungen. Die Türkei hat viele Probleme mit ihren Menschenrechten. Wir wissen das. Aber die Türkei hat über drei Millionen Syrer im Land aufgenommen, ihnen einen Status gegeben, wie wir den Ukrainern, also temporären, aber zeitlich sogar in der Pfalle der Türkei, unlimitierten Schutz. Die Menschen können in die Schule gehen, 700.000 Syrer gehen in die Schulen. Was wäre erreicht, wenn wir sagen, die Türkei ist nicht sicher für Flüchtlinge, wenn die Türkei mehr Flüchtlingenschutz gewährt, praktisch, als Syrer, als die ganze EU? So, jetzt ist die Frage, kann ein Land einerseits schutzsicher sein für Flüchtlingenschutz gewährt praktisch als Syrer, als die ganze EU. So, jetzt ist die Frage, kann ein Land einerseits schutzsicher sein für Flüchtlinge und andererseits trotzdem ein Land sein, aus dem Menschen fliehen, denen wir Schutz gewähren müssen? Ruanda ist ein gutes Beispiel. UNHCR bringt seit 2019 Menschen aus Libyen nach Ruanda. UNHCR hat Ruanda gebeten darum. Ruanda hat zugesagt, aus politischen Gründen. Ein Staat hat Interessen und auch zum Teil sicher wegen dem Image. Ruanda, der Außenminister, hat damals gesagt, wir wollen helfen, dass Menschen aus Sub-Sahara-Afrika in Libyen nicht gefoltert werden. Also könnt ihr die zu uns bringen, ihr könnt bei uns die Verfahren machen. Und UNHCR sucht dann in den meisten Fällen, aber in der Erklärung stand, es könnte auch sein, dass Leute hierbleiben, aber in den allermeisten Fällen werden dann andere Länder gefunden, Menschen werden umgesiedelt. Das geht und es ist besser, als wenn sie in Libyen bleiben. Meine Frage ist, ist es besser, wenn RUENACR bereit wäre, ein paar tausend Leute aufzunehmen, ist es besser, das zu machen, als was wir jetzt seit sieben Jahren in Libyen machen. Wenn Sie waren in Ruanda, Sie wissen, als Journalist, der Kagame kritisiert, dann lebt man lebensgefährlich. Sie wissen aber auch, dass Ruanda in der Lage ist, ich meine die Internetverbindung in der Hauptstadt, manches an der Infrastruktur, nicht am Land, das ist sehr, sehr arm, aber die Entwicklung des Landes in den letzten Jahrzehnten zeigt, dass das Land natürlich in der Lage ist, wenn es will, einige tausend Menschen menschenwürdig runterzubringen. Ich weiß von Afghanen, die in Ruanda eine Schule gegründet haben, die dort geblieben sind. Und dazu kommt, dass das Ziel dieser sicheren Drittstaatspolitik ja nicht ist, dass Europa hunderttausende Asylwerber abschiebt. Das wäre absurd. Rwanda würde nie zustimmen. Kein Land würde zustimmen. Das Ziel ist, wie bei der EU-Türkei-Erklärung 2016 einen Stichtag zu machen und zu sagen, ab jetzt ist es sinnlos, in die Boote zu steigen, denn ab jetzt findet das Verfahren dort statt, aber es gibt ein faires Verfahren. Und dazu, meine Frage, offene Frage ist, ist das unmöglich sich vorzustellen? Und jetzt reden wir über Ruanda, weil sie es angeboten haben, aber das Ziel muss sein, dass wir mehrere Staaten haben, die im Eigeninteresse sagen, wir wollen das. Denen wir dann Dinge anbieten, die sinnvoll sind. Wirtschaftliche Entwicklungshilfe, aber auch Mobilität. Reden wir über Westafrika oder Marokko. Warum bietet die Europäische Union Marokko nicht an, über Visafreiheit für Marokkaner zu diskutieren? Die hatten das bis in die 80er Jahre für Frankreich. Da konnten Marokkaner, so wie heute, alle Menschen Südamerikas, drei Länder ausgenommen, alle Menschen Südamerikas können drei Länder ausgenommen, alle Menschen Südamerikas können Visa-frei nach Österreich oder Frankreich. Und keiner, ich kenne niemanden in Österreich, der an der Nacht aufwacht und sagt, um Gottes Willen, das ist eine Riesengefahr. Warum diskutieren wir nicht mit Marokko, wo Millionen Menschen Verwandte in der EU haben, über Visa-Freiheit, wenn Marokko uns dafür hilft, Marokkaner, die ausreisepflichtig sind, sofort zurückzunehmen. Das machen Länder, die ausreisepflichtig sind, sofort zurückzunehmen, das machen Länder, die Visafreiheit haben, weil sie die behalten wollen, und irreguläre Migration über das westliche Mittelmeer und Atlantik zu reduzieren, indem wir Leute zurückbringen können und dort gibt es Verfahren. Und dafür nehmen wir Flüchtlinge auf. Die Vorstellung, warum bieten wir das nicht Senegal an? Mehr Mobilität, Möglichkeit legal zu arbeiten, dass junge Männer aus Senegal nicht in Boote steigen zu den Kanarischen Inseln, sondern wissen, ich kann mich da bewerben, ich kann hier sogar einen Kurs machen und dann kann ich in Spanien, Deutschland, Polen arbeiten. Länder, die das wollen. Wir müssen überlegen, wie wir wegkommen vom Status quo. Und das heißt ja nicht, dass wir jetzt, wo wir wegkommen vom Status Quo. Und das heißt ja nicht, dass wir jetzt, wo wir keine Abkommen mit Ruanda haben, die Politik Ruandas in Kongo mehr kritisieren. Es ist ja nicht so, dass wir haben keine Abkommen über Migration mit dem, ja, mit Saudi-Arabien. Die nehmen überhaupt keine Flüchtlinge. Es ist ja nicht so, dass wir Saudi-Arabien mehr kritisieren. Wir müssten Länder mehr kritisieren, grundsätzlich für Menschenrechtsverletzungen. Aber wenn wir mehr präsent sind, mehr Mobilität ermöglichen, mehr Austausch mit afrikanischen Staaten. Sie wissen das, wenn Sie in Afrika waren. Die enorme Frustration junger Afrikaner. Und es ist ja nicht das Bild, junge Afrikaner in Dakar, die studieren, die wollen eine Ausbildung. Es ändert sich ja auch Afrika. Die wissen das, was andere Kontinente können, nämlich einfach mal nach Europa reisen, die Welt sehen, Verwandte besuchen, studieren, arbeiten vielleicht. Dass es unmöglich ist, ein Visum zu bekommen. Das umzudrehen, eine Mobilitätsrevolution, erreichen wir bei den Innenministern in Europa am besten im Rahmen von Migrationspartnerschaften. Und das ist nicht leicht und man darf die Standards nicht senken. Aber von vornherein, wie das viele tun, zu sagen, ist unmöglich, führt nur dazu, dass das, was wir jetzt im Mittelmeer haben, so weitergeht. Jetzt haben wir gar nicht mehr so viel Zeit auf unsere Uhr. Ich muss jetzt schon ein bisschen sozusagen mit Ihnen den Zieleinlauf jetzt angehen. Bei Ihren vielen Auftritten und Publikationen und so weiter gibt es einen roten Faden, dass sie sehr stark appellieren, einerseits an eine neue Vernunft der Migration und sozusagen auf eine neue Empathie als Gegenkonzept zur Politik der Angstmache beispielsweise. Jetzt lässt sich, man kann sich unglaublich schnell für diese Postulate begeistern, nur stellt sich die Frage, und Sie sind ja selber auch mit Ihrer Denkfabrik sehr nahe dran an konkreter Umsetzung von Vorstellungen und Überlegungen. Wie kann tatsächlich jetzt hier in Europa, innerhalb der Europäischen Union, hier in Europa, innerhalb der Europäischen Union, ein Prozess in Gang gesetzt werden, der Narrative zurechtrückt, eben sozusagen ein öffentliches Bewusstsein schafft, dass wir hier nicht vor einer apokalyptischen Massenbedrohung stehen in der Frage von Flucht und Migration, sondern dass wir hier eine neue Form der Vernunft brauchen, Abkommen schließen müssen, globaler denken müssen und dieser Empathie quasi eine neue Chance geben. Wie kann das eigentlich tatsächlich jetzt in einer konkreten Umsetzung gelingen? Also das Erste, Sie haben es gesagt, ist, dass alle die, die sich für diese Themen interessieren, sich genug informieren um den gefährlichen Mythen, die oft im ersten Moment sogar gar nicht so gefährlich aussehen. Wie, es kommen so viele oder die Welt ist aus den Fugen oder es gibt jedes Jahr Millionen mehr Flüchtlinge, die nach Europa wollen, dem entgegentreten. Also Fakten sind wichtig, damit man über Lösungen nachdenken kann. Aber gleichzeitig ist wichtig, die Empathie zu erhalten durch das Erzählen von Geschichten, warum Menschen fliehen müssen. Und das Dritte ist dann, umsetzbare Lösungen Politikerinnen zu präsentieren. Die müssen das ja, und das ist ja in der Demokratie die Voraussetzung, in Wahlkämpfen oder in Parlamenten durchkämpfen, verteidigen, dafür gerade stehen. oder in Parlamenten durchkämpfen, verteidigen, dafür gerade stehen. Also es bringt nichts, wenn ich mich wohlfühle mit irgendwelchen Vorschlägen, die ich weiß, das setzt kein SPD, Grüner, FDP oder christdemokratischer Politiker in Deutschland durch. Ich meine, die AfD ist klar, und das ist ja das Gefährliche, dass die auf Angst setzt für ein mittlerweile offen rechtsextremes Programm. Das Programm der Identitären, zu sagen, wir wollen nicht nur Asylwerber, nicht nur anerkannte Flüchtlinge, sondern alle, die irgendwie anders aussehen, vertreiben. Und ich habe in so vielen Ländern gelebt, in den 90er Jahren, am Balkan, ich war auch in Istanbul, wo in den 1950er Jahren die christliche, griechische Minderheit in 15 Jahren, 200.000 waren da, noch nach dem Zweiten Weltkrieg, in 15, 20 Jahren vertrieben wurde. Unter Druck, die waren weg. Heute sind da 3000 Griechen. Ich habe erlebt in Sarajevo, ich war in Prijedor, in Srebrenica, in Kosovo, wo eine Million vertrieben wurde. Überall in Europa im 20. Jahrhundert wurden Menschen vertrieben, ganze Gruppen. Und das wollen heute die Rechtsextremen. Sie tun, der Begriff Remigration ist ein faschistisches, gefährliches Programm. Wenn wir dem entgegentreten wollen, dann brauchen wir Politiker der Mitte, die eine alternative, überzeugende, angstentkräftigende Strategie haben. Unsere Strategie ist, dafür zu werben, mit vielen Praktikern zu reden. Ich verbringe viel Zeit mit Leuten in Asylbehörden, mit Grenzschützern, also Bundespolizei, ich war vor kurzem Bundespolizeipräsident in seinem Team in Potsdam, in Deutschland, mit Innenministerien, das sind die Leute, die gewählt wurden, die müssen wir überzeugen. Das kann Erfolg haben. Als wir die EU-Türkei-Erklärung, also die Idee einer Einigung zwischen Deutschland und der Türkei vorgeschlagen haben, 2015, am EU-Türkei-Erklärung, also die Idee einer Einigung zwischen Deutschland und der Türkei vorgeschlagen haben, 2015, am Ende, sechs Monate später, hat die Nieder-, ich beschreibe das in meinem Buch, welche Grenzen brauchen wir, hat die niederländische Regierung und der türkische Ministerpräsident unseren Plan aufgegriffen. Hat gesagt, das machen wir. Als wir vorgeschlagen haben, dieses Migrationsabkommen, hat die deutsche Politik, die drei Parteien, die die Ampelkoalition verhandelt haben, im November 2021, ich habe mich eingeladen als Experten zu ihren Koalitionsgesprächen, als einzigen damals, glaube ich, Migrationsexperten. Und die drei mussten sich einigen, also ich musste alle drei überzeugen. Aber ich hatte davor schon monatelang Gespräche geführt mit Boris Pistorius, jetzt Verteidigungsminister, damals Verhandler für Migration, unter anderem. Die haben das dann reingeschrieben in den Koalitionsvertrag, weil sie überzeugt waren, wir brauchen das. Migration, Abkommen, irreguläre Migration kann man reduzieren. Und vor kurzem war ich auch in vielen Gesprächen mit allen Parteien in Deutschland und die CDU, CSU hat die Idee von sicheren Drittstaaten in ihr Grundsatzprogramm genommen. Und immer dazu gesagt, der Ministerpräsident Hendrik Wüst aus Nordrhein-Westfalen, dem größten Bundesstaat in Deutschland, immer dazu gesagt, nur wenn die Menschenrechte und die Menschenrechtskonvention gewahrt sind. Also die Hürde ist hoch. Das ist kein AfD-Programm. Und die haben das jetzt in ihr Grundsatzprogramm genommen. Ich hatte viele Gespräche mit Politikern. Ich reise durch Deutschland, meine Kollegen tun das. Und überall dort, wo wir eingeladen werden von Kritikern, wir versuchen, abgesehen von Rechtsextremen, weil ich weiß, die suchen keine Lösung, versuchen wir darüber zu reden. Aber wir sind ein kleiner Verein. Je mehr Leute, je mehr Medien, je mehr Expertinnen das tun, desto schneller kommen wir dorthin, wo ich überzeugt bin, dass wir hinkommen müssen. Wir müssen den Angstmachern eine humane Politik der Kontrolle als umsetzbar und realistisch entgegensetzen, um den Schutz von Menschenrechten und Asyl zu bewahren. Ich hatte hier vor wenigen Tagen einen General der österreichischen Landesverteidigung zu Gast, wo wir über Sicherheitsfragen und vor allem auch im Zusammenhang mit der Neutralität Österreichs gesprochen haben. Und da ging es auch ganz maßgeblich um die neuen Sicherheitsstrategien Österreichs quasi unter der Voraussetzung neuer aktueller Bedrohungsszenarien. Und die Landesverteidigung weist sehr wohl darauf hin, dass etwa durch Klimakrise und Umweltzerstörungen mit einer massiven Zunahme von Flucht und Migration zu rechnen ist. Sie wollen dem auch entsprechend in den Sicherheitsstrategien Rechnung tragen. Warum ich das aber erwähne, ist jetzt gar nicht so sehr, um mit Ihnen darüber zu sprechen, ob der General falsch liegt oder nicht, sondern eher, um darüber zu reden. Und das ist jetzt für mich und auch für uns hier bei DorfTV jetzt zum Abschluss unseres Gesprächs wirklich auch nochmal von großer Bedeutung, ist nämlich sozusagen auch den Aspekt zivilgesellschaftlicher Akteure und Akteurinnen dann nochmal stärker zu fokussieren und in den Blick zu nehmen. Ihre Mitstreiterin, ebenso Migrationsexpertin Judith Kohlenberger, sieht ja auch eine der wichtigsten Schlussfolgerungen aus dem Paradox, wie sie es auch nennt. Sie haben ja auch von einem Paradox gesprochen. Dahingehend, dass wir quasi als Gesellschaft wieder mehr zurückkehren müssen zu mehr Verantwortung, auch in der Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen und um stärker zu setzen auch auf eine zivilgesellschaftliche Beteiligung. Wie sehen Sie diese Rolle von Zivilgesellschaft darin? Auch Sie haben jetzt bisher sehr stark ausgeführt, immer über sehr starke staatliche Player, zwischenstaatliche Abkommen. Wo können wir dann alle tatsächlich dazu beitragen, weil alleine eine Tafel zu schreiben, auf die Straße zu gehen und zu skandieren, dass wir mehr Menschenrechte und Demokratie und Rechtsstaatlichkeit einfordern, das alleine kann es ja nicht gewesen sein. Ich war vor kurzem bei einer Diskussion an der Diplomatischen Akademie in Wien, da war der Vizebürgermeister von Wien, der hat gesagt, Nettozuwanderung in Wien im Jahr 2022, vor allem auch durch Flucht, Nettozuwanderung 50.000 in einem Jahr, aber die höchste seit 1900. Also wir stehen in Deutschland und Österreich vor einer enorm großen Herausforderung und die ist unbewältigbar ohne die Zivilgesellschaft. Das ist eigentlich selbstverständlich. Ich sehe das überall, in jedem Dorf, in jeder Stadt. Ich sehe es in Berlin, wo ich jetzt lebe. Die Aufnahme der Ukrainerinnen wäre 2022 unmöglich gewesen, ohne das Engagement von Menschen. Die Unterstützung auch für Asylwerber. Es gibt hunderte Menschen, die sich in Baden-Württemberg nur um Gambia kümmern. Da gibt es Gruppen im Internet. Als ich über Gambia geforscht habe, bin ich mit den Helfern in Kontakt getreten. Und das ist ja auch in Österreich überall so. Überall treffe ich Leute, die sich seit Jahren engagieren. Und das ist die Voraussetzung, dass vor einem Asylverfahren, nach einem Asylverfahren Integration, Anbindung überhaupt funktionieren kann. Und über die Seenotrettung, dass das ja heute auch eine unglaubliche Geschichte ist von privater Initiative, wo Menschen Geld sammeln, Boote aufstellen, Kapitäne finden, Mannschaften finden und tausende Leben retten, gar nicht zu reden. Also ohne die Gesellschaften, dazu kommt natürlich, dass die Politiker das auch sehen. Also in Bayern wissen Spitzenpolitiker der CSU, dass viele ihrer christdemokratischen Wähler und Wählerinnen sich die letzten Jahre um Flüchtlinge auch gekümmert haben. Und wissen, wenn sie da jetzt sagen, das war alles ein Fehler, dann verlieren sie diese Wähler. Also dieses Engagement der Zivilgesellschaft ist ein Signal an die dass man da aber auch ein System schaffen kann von staatlicher Seite, durch Politik, dass das Engagement noch erfolgreicher macht, indem man zum Beispiel wie in Kanada auf leg ermöglicht, dass Städte, Vereine, auch Bürger sich zusammentun und sagen, in Kanada geht das, wir wollen eine Flüchtlingsfamilie aufnehmen. Und der kanadische Staat garantiert, jedes Jahr bis zu 50.000 Menschen können als Flüchtling ins Land kommen, legal, ohne Lebensgefahr. Und Paten können sagen, wir wollen diese Familie, wir kümmern uns um diese Familie. Es wird geprüft, ob die Schutz brauchen, das macht UNHCR oder der kanadische Staat selbst. Also es geht um Schutzsuchende. Aber dann können die ins Land kommen. Und das führt dazu, dass seit Jahrzehnten, seit 1979 in Kanada, dieses Engagement der Zivilgesellschaft, so viele Leute direkt beteiligt sind, beim Aussuchen, Hereinholen und Betreuen von Flüchtlingen, dass es eine unglaubliche Verankerung in der Gesellschaft ist. Und jetzt stelle ich mir vor, Linz könnte sagen, die Politik in Linz, es gäbe eine Debatte im Landtag und die Zivilgesellschaft in Linz würde an die Politik herantreten und sagen, wir könnten im Jahr ein paar hundert Leute aufnehmen. Wir haben gelesen in den Medien, es gibt dort und dort, oder wir kennen Verbindungen dort und dort, Schutzbedürftige, die nicht zu uns kommen können. Frauen, Kinder, die nicht mit dem Boot über Libyen kommen. Warum beschließt die Stadt Linz nicht, wir nehmen jedes Jahr einen Teil eines Kontingents, das der Staat beschließt, hier auf. Und ich war sogar beim Bürgermeister der FPÖ in Hohenems in Vorarlberg. Der fand die Idee auch gut, weil in Hohenems natürlich auch Flüchtlinge sind. Und wenn Leute legal kommen könnten. Also ich glaube, darüber wäre ein Bezug geschaffen. Und das würde der Zivilgesellschaft, die extrem beeindruckend war die letzten Jahre, einen Rahmen bieten. Aber in einer Demokratie ohne Beteiligung der Bürger, Wählerinnen ist es unmöglich. Und das haben wir gesehen. Ich nehme das jetzt mal als Schlusswort, sage vielen herzlichen Dank, nütze aber noch mal kurz die Gelegenheit, Ihr aktuelles Buch noch mal in die Hand zu nehmen, nochmals in die Kamera zu halten, denn Gerald Knaus, ich glaube, davon konnten wir uns soeben überzeugen, hat viel zu sagen und er schreibt darüber auch. Das ist das aktuelle Buch Wir und die Flüchtlinge, erschienen im Brandstätter Verlag. Neue Publikationen, so habe ich vor der Sendung erfahren, sind bereits in der Schreibarbeit. Ja, nochmals vielen herzlichen Dank, dass Sie so heute Zeit genommen haben, zu uns hier in Linz ins Studio zu kommen. Wir werden bei DorfTV uns natürlich mit dieser Thematik sehr intensiv weiter beschäftigen. Gerade auch in diesem Wahljahr 2024 bleibt uns ja auch nur zu hoffen, dass die Themen Asyl, Migration nicht allzu sehr wieder in einem negativen Sinne wahl- ausschlaggebend sind. Wir wissen aus der Motivationsforschung, dass das ja quasi die großen Themen sind, die auch Wählerinnen und Wähler bei ihrer Stimmabgabe sehr maßgeblich heranziehen. Ja, auf alle Fälle vielen herzlichen Dank auch wieder den Zuseherinnen und Zusehern, die mit großem Interesse dabei waren. Ich darf wie immer schließen mit dem Ersuchen. Bleiben Sie dem Sender des Vertrauens, nämlich DorfTV, auch weiterhin gewogen. In diesem Sinne noch einen schönen Tag und auf Wiedersehen.