Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte Sie sehr herzlich zur heutigen Veranstaltung begrüßen. Die Edition Tandem stellt heuer wieder zwei Neuerscheinungen aus seinem Verlagsprogramm oder aus Ihrem Verlagsprogramm bei uns vor, und zwar den Erzählband Zeugnistag von Christoph Janatsch und den Essayband Anlässe, Fragen und Träume von Britta Steinwendner. Wir freuen uns sehr darüber, dass Britta Steinwendner und Christoph Janatsch heute bei uns sind. Sie waren schon viele Male bei uns im Stifterhaus zu Gast. Herzlich willkommen. Vielleicht erinnern Sie sich an die Verlagspräsentation der Edition Tandem vor zwei Jahren, in deren Rahmen die über 60 Jahre befreundeten Autoren Christoph Janatsch und Ludwig Laha in das neue Buch, es waren zwei neue Essay-Bände, des jeweils anderen eingeführt haben. Auch Christoph Janatsch und Britta Steinwendner werden heute ihre neuen Bücher wechselseitig vorstellen. Auch Christoph Janatsch und Britta Steinwendner kennen einander schon viele Jahre, also seit Ende der 70er Jahre. Beide sind in Oberösterreich geboren und aufgewachsen, haben Germanistik studiert und beide leben in Salzburg bzw. in der Nähe von Salzburg und schreiben nicht nur selbst, sondern haben großes Interesse an, ja, ich würde sagen, Leidenschaft für die Literatur von Autorinnen und Autoren, Kollegen über die Grenzen Österreichs hinaus und für Literaturvermittlung in seiner ganzen Bandbreite, von der Lehrtätigkeit, Übersetzungstätigkeit, Herausgebertätigkeit bis hin zur Veranstaltungstätigkeit, um nur einiges zu nennen. Und beide moderieren wunderbar. Wir dürfen uns also auf diese wechselseitige Moderation sehr freuen. Und da sich beide intensiv oder auch intensiv mit gesellschaftlichen Entwicklungen auseinandersetzen, mit existenziellen und politischen Fragestellungen wie etwa Krieg und Frieden, leider sehr aktuell, gibt es auch sehr viel Gesprächsstoff. Ich wünsche uns in diesem Sinne einen anregenden Abend und bitte Britta Steinbender und Christoph Janacz zu beginnen. Guten Abend. Ich bedanke mich sehr herzlich beim Stifterhaus und vor allem bei Regina Pinter für die Einladung, für die schöne Einleitung und bedanke mich bei Ihnen allen von nah und auch von fern die große Mühe auf sich nehmen, zu diesem Abend heute kommen zu können. Bedanke mich auch bei Elisabeth, die es nicht gescheut hat, den Weg hierher zu finden. Und ich kenne sie aus Rauris. Sie war mit ihrem Mann immer bei den Rauriser Literaturtagen. Jetzt muss ich das ein bisschen wegstellen, dass ich nicht so den Lärm mache. wegstellen, dass ich nicht so den Lärm mache. Wir werden, wie Regina Pinter schon angekündigt hat, uns gegenseitig vorstellen. Christoph Janatsch hat einen neuen Erzählband mit sehr brisanten Erzählungen, mit brisanten Themen und wir werden nachher kurz darüber reden, aber zuvor ein paar kleine Worte. Sirenengesang und schon wird Sehnsucht geweckt, wonach auch immer. So ist in einem Gedicht von Christoph Janatsch in dem Band Ansichtskarten vom Meer Geditigsten und auf sehr unterschiedliche Art engagierten Autoren der österreichischen Gegenwartsliteratur. Darüber hinaus einer der wichtigsten und selbstlosen, wie Regina schon angeführt hat, Literaturvermittler. Und auch die sind verschiedenen Funktionen. und auch dies in verschiedenen Funktionen. Sehnsucht, wonach auch immer? Wie für uns alle hat sie viele und rätselhafte Formen, Motive und Gesichter. Für Christoph Janacz ist ein wesentliches davon sicherlich die Sehnsucht nach Sprache, nach dem richtigen Wort, der Silbe, dem Bild. Um darin und damit auszudrücken, was ihm auffällt und einfällt, was ihn bewegt, irritiert, freut oder erschüttert und um Geschichten und Gedichte daraus zu machen, Essays, Erzählungen, Miniaturen und Skizzen, auch ein Theaterstück zu Franz Kafka hat es in den ersten Szenen gegeben. Rolf Janatsch ist ein Mensch mit wachen Sinnen. Er liebt das Leben, das Lesen und das Reisen, liebt das Nahe und die Fremde. Er war zum Beispiel der erste Stefan Zweig-Stipendiat Salzburgs und wählte Mexiko als das Sehnsuchtsland für seinen Aufenthalt. Er liebt Freundschaften und Landschaften, Geselligkeit und Stille und einfach alles und so weiter und so weiter. Dass er Linzer ist, hier 1955 geboren wurde und zur Schule ging, wissen Sie wahrscheinlich. Er studierte in Salzburg Germanistik und Theologie und lebte in Niederalm bei Salzburg, von wo aus er immer mit dem Radl nach Salzburg zischt, auch um Mitternacht und bei Regen, er hat eine super Jacke, die keinen Regen und keinen Wind durchlässt. Und er hat inzwischen an die 30 Bücher veröffentlicht, ist als Herausgeber der Essay-Reihe und als Lektor dem Tandem-Verlag verbunden und ist zusammen mit Fritz Popp, der Salzburger Vorstand der Grazer Autorinnen- und Autorenversammlung. Im vergangenen Herbst erschien der Band Zeugnistag. Das meint nicht nur das meist harmlose Ereignis eines Schulabschlusszeugnisses, allem das Zeugnis ablegen in der Öffentlichkeit über die perpetuierten, immer wieder neu entstehenden Grausamkeiten des Einzelnen und der menschlichen Spezies im Allgemeinen. Schon sein erster Roman von 1989, Schweigen über Guernica, hatte das Flächenbombardement auf die spanisch-paschische Stadt Guernica zum Thema, bei dem die NS-Legion Condor auf brutalste Weise die Zivilbevölkerung einer ganzen Stadt auslöschte und verfolgt diese Zerstörungswut in den Kriegen von Vietnam, den unterschiedlichen Terroranschlägen bis Hiroshima und bis heute. In den Erzählungen des Bandes Zeugnistag lässt er zum Beispiel eine Reihe von brutalsten Mördern, meist in der Ich-Form, über die Motive zu ihrer Tag berichten und warum sie sich selbst für unschuldig halten. Er verfolgt die Spuren von aggressiven Verhalten, von den Computerszenarien bis zu den Begegnissen und Begegnungen in der alltäglichen Welt, von harmlos scheinenden, jedoch in Katastrophen endenden Ereignissen und entwirft auf raffinierte Weise in der Mischung aus Realität und Hirngespinst ein Panoptikum des Schreckens, ein Spiegelbild der Gegenwart. Und wenn man dein Buch liest, lieber Christoph, vor allem die Anfangserzählungen, aus denen du ja nicht lesen wirst, wo von den Mördern erzählt wird, dann zu den politischen Erzählungen, dann habe ich mich gefragt, wo sind deine Quellen her? Sind das Fernsehberichte, Medien, schmückst du es literarisch aus, nimmst du die Fakten von dem, was alltäglich berichtet wird? von dem, was alltäglich berichtet wird. Also zunächst einmal danke für deine Einführung. So gut habe ich mich nicht vorbereitet, wie du das jetzt gemacht hast. Auch nicht für meine eigenen Sachen. Wir wissen ja nicht, was der andere fragt. Also insofern ist das immer dann auch sehr doch spontan. Ja, bei den ersten Geschichten, die aber nicht hintereinander entstanden sind, sondern über einen großen Zeitraum von vielen Jahren, waren die Auslöser fast immer irgendwelche Zeitungsberichte oder Fernsehsendungen, wo ich dann auf so unglaubliche Dinge gestoßen bin, wie ein siamesisches Zwillingspaar, das am Kopf zusammengewachsen ist und nicht trennbar war und Musikkarriere gemacht hat, tatsächlich. Also nur habe ich es dann weiter gesponnen, weil es war für mich nicht nachvollziehbar, dass diese zwei Frauen, die da zusammengewachsen sind, wirklich miteinander auskommen. Die eine singt, die andere spielt Gitarre, Sie müssen sich doch hassen, habe ich mir gedacht. Und dann habe ich das weitergesponnen, was ist, wenn die eine die andere umbringt, wohlwissend, dass das auch ihr eigener Tod sein muss. gespitzt sozusagen. Oder die Mörder, die zum Teil entlehnt sind, Krimis dergleichen, und wo ich dann das aber dann nicht ausgeschmückt habe, sondern offen habe lassen, zum Beispiel das mit dem Fahrrad. Da spintisiert einer, was ist mit dem Fahrrad, das da unten an der Wegbiegung ist, bis man langsam als Leser und Leserin dahinter kommt, dass er sehr wohl weiß, was mit dem Fahrrad ist. Das Kind hat er schon längst. Ja, komm. Und so weiter. Das muss man dann lesen. Das muss man lesen und das sind zum Teil schwer erträgliche und dann aber, es wandert ja dann weiter über die politischen, auch hin zu ganz witzigen, skurrilen Begebenheiten, die zum Teil mir selber zugestoßen sind und die ich lange mit mir herumgetragen habe. Eine Geschichte, die am jüngsten ist, war gerade ein Jahr alt, wie ich dann das zusammengestellt habe. Und die Geschichte, aus der ich heute vorlesen werde, die reicht zurück in mein zwölftes Lebensjahr. Und die mich so lange verfolgt hat, bis ich irgendwann einmal gewusst habe, so geht es. Es ist ja immer die Frage, das weißt du ja selber, ich muss eine Form finden, um eine Geschichte erzählen zu können. Ich kann nicht einfach nur erzählen und sagen, das war ja so, sondern ich brauche ja eine Struktur, irgendetwas, was die Geschichte zusammenhält. Und das hat bei der einen Geschichte Jahrzehnte gebracht. Und es ist auch schön zu sehen, wie Begegnisse aus einem ganzen Leben nicht verloren sind, sondern weiter wirken, vielleicht nur in der Erinnerung bleiben, aber wenn man schreibt, eben irgendwann sich Bahn bricht und zu einer Geschichte wird. wird und wir sie schon am Anfang zu sehr auf die Geduldprobe stellen. Vielleicht nur noch eine Frage, Christoph. Du schreibst in einem Buch oder fragst dich, wären wir bessere Menschen, wenn wir nicht lesen oder nicht schreiben würden? Wie würde deine Antwort lauten? Also ich glaube, ohne Literatur, ohne Kunst wären wir erbärmlich, schlicht und einfach. Also ich lebe davon und sehr viele meiner Freundinnen und Freunde leben davon, in Galerien zu gehen, Bilder zu betrachten. Ich gehe jetzt am Samstag in ein Konzert, natürlich der hochheilige oberösterreichische Komponist wird da aufgeführt und das ist so erhebend und jedes Mal habe ich erlebt, wenn ich in eine Ausstellung gegangen bin, so kitschig das klingen mag, aber ich muss es so formulieren, es gibt immer irgendein Bild, bei dem mir die Tränen kommen, wo ich davor stehe und plötzlich niemand mehr weiß, wie ich das anhalten soll. Und das Gleiche in der Musik und natürlich auch in der Literatur. Also ich glaube, wir werden wirklich andere und durchaus nicht im Moralischen, aber schlechtere Individuen ohne Kunst in ihrer Vielfalt. Davon bin ich auch überzeugt und ich hoffe, dass Sie ein ähnliches Erlebnis heute Abend haben werden. Danke dir, vorerst einmal. Eine Sache, glaube ich, ist für jeden Leser und Leserin und Autor und Autorin von besonderer Bedeutung, ist der erste Satz. Es muss nicht der erste Satz bleiben, wenn man schreibt. Es kann sein, dass sich im Laufe des Schreibens ein Text so verändert, dass der erste Satz nicht mehr mehr Gültigkeit hat. Dann muss man zurückgehen an den Anfang und Christoph Hansmeier hat davon erzählt, dass er bei der letzten Welt oder bei Morbus Gitterhara siebenmal die erste Seite völlig umgeschrieben hat und das glaube ich ihm aufs Wort. Das passiert immer wieder. Aber wenn dann der erste Satz endlich steht, manchmal ist er ganz kurz, manchmal ist er sehr lang, zumindest bei mir, dann öffnet er. Es ist ein Türöffner. Und ich habe mir gedacht, ich lese jetzt zunächst einmal, bevor ich dann aus einer Geschichte lese, alle ersten Sätze der 19 Geschichten. Und Sie können sich ausmalen, was hinter dem ersten Satz sich dann öffnet. Die erste Geschichte heißt Auf ewig dein und der erste Satz heißt, ich habe dich gehasst, wie nur eine Schw um sie zu beseitigen. Die Liebenden beginnt mit dem Satz, die beiden haben gerade Sex gehabt. Ein Kinderfahrrad beginnt ganz harmlos, ein herrenloses Fahrrad steht an der Wegbiegung. Großwildjagd beginnt. Nun lagen sie schon seit Stunden auf der Lauer, aber kein Tier hatte sich auch nur blicken lassen, weder ein Raubtier, auf das sie sich so besonders gefreut hatten, noch ein Zebra oder eine Gazelle. hatten, noch ein Zebra oder eine Gazelle. Das Haus des toten Mannes beginnt, auf einmal waren die Leute fort, die Straßen und Plätze leer, die Geschäfte, Restaurants und Märkte geschlossen und die Touristenströme versiegt. Seidelbast, sie harten hier schon über drei Wochen aus und ein Ende war noch nicht abzusehen. Ich bin ein zuverlässiger Leuchtturmwärter. Durch die Zone. Sie kamen nur langsam voran. Zeugnistag beginnt mit dem Satz. Was hier geschieht, folgt keiner Logik. Ist aber keine Aussage über das österreichische Bildungssystem. Das Foto beginnt. Sie wissen, warum Sie hier sind? Feuerpause beginnt mit der Frage, was wäre für dich die schlimmste Art zu sterben? Der Tunnel beginnt so lange, dass ich ihn nur abkürzen kann bis zum ersten Strichpunkt, weil der erste Satz geht über zwei Buchseiten. Aber natürlich kannte er als gestandener Schweizer und überdies ordentlicher Professor für neuere deutsche Literatur Dürrenmats Erzählung der Tonne. Auferstehung zu den Toten beginnt. Es gab also tatsächlich diese Maschine? Handkommunion habe ich nicht abkürzen können, also ist der Satz ein paar Zeilen lang. Es war in der Nachkonzilianzeit, in der die katholische Kirche von einem Beben mittlerer Größe erschüttert und von einem Sturmwind durchgerüttelt wurde, der dem Heiligen Geist zur größeren Ehre gereicht hätte, was von den einen enthusiastisch begrüßt, von etlichem Misstrauisch verfolgt und nicht wenigen entschieden abgelehnt und als Untergang der Heiligen Kirche gewertet wurde und damit schlimmer als jener des Abendlandes, der mit Blick auf Studentenrevolten, Mondlandung und Rockmusik heraufbeschworen wurde. Mütter beginnt mit dem Satz, erst wenn sie gestorben sind, können wir unsere Mütter lieben. Der Satz stammt nicht von mir, sondern von Margit Schreiner, bei der ich mich bedanke, immer wieder. bei der ich mich bedanke, immer wieder. Nächtliches Telefonat. Die Frau hörte als Erste das Telefon. Die Stimme vom anderen Ende der Welt. Sein Zeigefinger kannte die Reihenfolge der Zahlen auf der Wählscheibe auswendig. Er hatte sie ja schon oft genug gewählt. Und die letzte Geschichte heißt The Only Living Boy. Als der Bildschirm in sich zusammenbrach und er auf dem dunklen Monitor sein Spiegelbild erblickte, einen neuzeitlichen, kahlköpfigen Buddha in verwaschenem T-Shirt, das hochgerutscht war und den Blick auf einen unbeharrten Bauch mit einer zusammengedrückten Nabelgrube freigab. links mehrere leergefutterte Chipsäckchen und eine fast leere Doppelliterplastikflasche Coke, auf dem Sofa rechts von ihm ein Teller mit den Resten einer Tiefkühlpizza, die dem Aussehen nach nicht vom Tag stammen konnte, glaubte er noch an einen kurzen Stromausfall. Das waren die ersten Sätze. Und jetzt lese ich einen Ausschnitt aus jener Geschichte, die die längste Anlaufzeit gebraucht hat. Die Stimme vom anderen Ende der Welt. Und da geht es wirklich um etwas, was ich so erlebt habe. Als Zwölfjähriger bekamen wir den Cozen-Atlas, so hat er geheißen, mein erster Atlas. Und ich habe mich verliebt in die Darstellungen der Kontinente, der Länder mit den Landkarten und mit den Namen. Und ich kann mich nur gut erinnern, dass ich mit einem Freund über dem Atlas gelegen bin und dann haben wir gesucht die längsten Städtenamen und sind natürlich fündig geworden in Wales beziehungsweise in Ungarn. Das sind wirklich die längsten Namen, zumindest die verzeichnet waren. Und verliebt habe ich mich in die Darstellung eines Atolls, der ganz am Ende dargestellt war in dem Atlas. Und dieser Atoll wurde deswegen ausgewählt, weil er von oben gesehen, wie das Profil eines Mannes aussieht. Mit der Stirne, mit der Nase, mit dem Lippen, mit dem Kinn und mit dem langen Hinterkopf. Und ich habe schon gewusst, damals, dort muss ich mal hin. Ich habe es bis heute nicht geschafft. Aber ich habe hoffentlich noch Zeit. Die Stimme vom anderen Ende der Welt. Sein Zeigefinger kannte die Reihenfolge der Zahlen auf der Wählscheibe auswendig. Er hatte sie ja schon oft genug gewählt. Aber immer hatte ihn im letzten Moment der Mut verlassen und die Linke hatte den Hörer zurück auf die Gabel gelegt. Er war dann stets mit hängendem Kopf dagestanden, Puls auf 180 und zugleich enttäuscht über den missglückten Versuch. So auch jetzt. Dabei wäre alles so einfach. Nichts würde er verlieren, aber vielleicht alles gewinnen. Und wenn die Sache für ihn peinlich ausginge, dann kannte ihn dort niemand. Und hier wusste keiner von seiner Obsession. Also wieder hob die Linke den Hörer ab. Das hoffnungsvolle Freizeichen ertönte und wartete darauf, einen Kontakt herstellen zu können und Menschen über Kontinente hinweg zusammenzubringen. Er sah, wie seine Rechte ausgestreckt wurde und der Zeigefinger in die Ringe fuhr und die Scheibe bis zum Anschlag drehte. Er hörte das vertraute Rasseln der Rückdrehfeder und wenn er den Finger herauszog und die Wählscheibe in ihre Ausgangsposition zurückfuhr, das Schleifgeräusch, das signalisierte, dass der Kontakt Ziffer für Ziffer hergestellt wurde. dass der Kontakt Ziffer für Ziffer hergestellt wurde. 0 0 6 8 8. So weit war er noch jedes Mal gekommen. Das waren die internationale Vorwahl und der Ländercode. Jetzt folgte die Vorwahl, die mit dem Ort verbannt. 2-0. Soweit hatte er es nicht jedes Mal geschafft. Die letzten beiden Versuche hatte er schon vorher abgebrochen. Die Angst, das Falsche zu tun, war immer größer anstatt kleiner geworden. Jetzt aber musste es gelingen. Wie oft sollte er es noch versuchen? Der Zeigefinger tastete sich vor, langsam, zögernd, wählte die erste Ziffer und brachte die Wählscheibe bis zum Anschlag. Dann kam die zweite, gefolgt von der dritten, der vierten und schließlich die fünfte und letzte Ziffer. Mehr Ziffern gab es nicht für den Einzelanschluss in diesem Land. gab es nicht für den Einzelanschluss in diesem Land. Und immer wieder das Rasseln und Schleifen, das Rasseln und Schleifen, wenn die Wählscheibe bis zum Anschlag gedrückt wurde und dann wieder zurückschnellte. Und mit jedem Geräusch kam er dem ersehnten Kontinent näher, von dem er keine Ahnung hatte, wie er sich gestalten würde und was danach kommen sollte. Bis nach der letzten Ziffer die Wählscheibe zurück in die Ausgangsposition glitt und stillstand und er nach wenigen bangen Momenten durch Rauschen und Interferenzgeräuschen das Freizeichen hörte. Im Geiste sah er auf einer langen, meandernden, schwarzen Straße, die einer sich windenden Schlange glich, Meandernden schwarzen Straße, die einer sich windenden Schlange glich einen Funken dahineilen, von Stadt zu Stadt, von Land zu Land, durch Täler, Ebenen, über Gebirge und Hochplateaus, Seen umrunden und Flüsse durchqueren, einmal unterirdisch verlaufend, dann wieder von Telefonmast zu Telefonmast, schließlich über die Meere, von Kontinent zu Kontinent und dort wieder von Insel zu Insel und von Atoll zu Atoll, bis er irgendwo dort drüben, weit weg auf dem anderen Ende der Welt, wie ein Blitz einschlug und ein Telefon zum Läuten brachte. Police Department, what can I do for you? Die Männerstimme war noch nicht einmal verklungen, da hatte die Linke den Hörer schon auf die Gabel fallen lassen und den Kontakt abgebrochen. Was war in ihm gefahren? Welche Nummer hatte er da gewählt? Sein Puls tobte wie die letzten Male, nur diesmal aus einem anderen Grund. Er ließ sich auf den Sessel neben dem Telefontischchen sinken und wartete darauf, dass er sich beruhigte. Aber es dauerte lange. Und in dieser Zeit war er nicht imstande, einen klaren Gedanken zu fassen. Erst nach Minuten fand er wieder die Fassung. Es war ein Zufall, ein völlig verrückter Zufall, dass er ausgerechnet an eine Polizeidienststelle geraten war. Jetzt, vom ersten Schreck erholt, konnte er sogar kurz auflachen und den Kopf schütteln. Es war zu absurd. Aber die Lust, ein weiteres Mal anzurufen und an wen auch immer zu geraten, war ihm gehörig vergangen. Vielleicht hätte er doch das Telefonbuch zu Rate ziehen und eine Nummer gezielt auswählen sollen. Aber das nehme der Sache den Reiz. Er wollte ja sich und sein Gegenüber überraschen. Nur die Polizei oder eine andere öffentliche Stelle oder am Ende gar der Bürgermeister sollten es nicht sein. Er erhob sich und ging ins Bad. Für heute hat er genug. Vater und er, wie sie über einem ersten Schulatlas auf dem Wohnzimmerteppich lagen und blätterten Seite um Seite, betrachteten mit den Fingern die Umrisse von Kontinenten und Ländern nachzeichneten, den blauen Meandern der Flüsse folgten, den grauen Doppelstreifen und Strichen der Straße und die strichlierten Höhenlinien der Birge erklommen, von wo der Blick über die grünen Flächen der dampfenden Niederungen und Wälder ging. Und Vaters Hand war die Hand eines Magiers, die fand und erfand. Mit einer flüchtigen Bewegung hob sie die Dörfer und Städte wie Schätze und hielt sie ins Licht der untergehenden Sonne, wo sie funkelten und die Schatten so lange wurden, dass man glauben konnte, die Zinnen und Türme, die Kuppeln und Dächer griffen hinaus in die goldgelbe Wüste oder in ein blaugrünes, dämmerndes Tal und legten sich über das Land wie ein riesiger Scherenschnitt. Und Vaters Stimme erzählte von nie gesehen Dingen, ließ vor den Augen des Kindes Märkte entstehen, voll mit exotischen Früchten und Düften und nannte dazu unaussprechliche Namen. Und Gassen mit dunkelhäutigen, in fremde Gewänder gehüllten Menschen und Plätze, auf denen sich Feste ungeheuren Ausmaßes abspielten, mit Musikanten, Tänzern, Schlangenbeschwörern und Feuerschluckern. Die Luft vibrierte von den Stimmen und Gesängen, den Rufen, dem Schreien und Lachen. Und wenn sie an die Ufer eines der Ozeane rieten, dann wusste Vater von den Meeresbewohnern zu erzählen, wie sie aussahen, wie sie lebten und was sie phrasen und wie sich die Menschen der vergangenen Jahrhunderte Meeresungeheuer vorstellten. Fische, größer als ein Boot und schneller als alle Harpunen, Riesenkraken, die mit ihren Armen ein Boot umfangen und in die Tiefe zerren konnten. Auch Fantasiewesen, mit nichts auf der Welt vergleichbar, aber verzeichnet auf allen Seekarten, damit jeder, der die Ozeane befuhr, wusste, womit er zu rechnen und wovor er sich zu fürchten hatte. Und gelangten sie in eine Wüste, so berichtete Vater von den lebensfeindlichen Temperaturen, unter denen eigentlich nichts gedeihen und kein Tier auch nur ein paar Stunden überleben könne. und kein Tier auch nur ein paar Stunden überleben könne. Und dennoch gab es Pflanzen und Lebewesen, die der Hitze und Trockenheit und der Kälte der Nächte trotzten. Der Pillendreher hatte es dem Kind angetan, wahrscheinlich wegen des Namens, der so ganz und gar absonderlich war. Und die Rose von Jericho, die jahrelang ohne Wasser zusammengerollt und scheinbar verdorrt liegen konnte und die auch nur ein weniges an Wassertropfen zum Leben wiedererweckte, sodass es sich entfaltete wie eine Blume und strahlte wie ein Gestirn und landeten sie auf einer Insel oder einem Atoll, so stellte Vater das Kind und sich auf die höchste Erhebung und war sie auch noch so gering, um hinauszublicken zu können in die unendliche blaue ozeanische Weite. Wie das weitergeht, müssen Sie schon selber lesen. Ja, Britta. wo jemand auf der Laue liegt und auf wilde Tiere wartet und es ist nichts zu sehen. Und man denkt sich natürlich, die liegen irgendwo in Zentralafrika, in Kenia oder wo auf der Laue. Und es stellt sich aber dann heraus, ich weiß nicht, darf ich es verraten oder willst du es kurz erzählen? Es stellt sich heraus, dass das eigentlich eine Science-Fiction-Geschichte ist und die sind natürlich in einem Raum, in dem das Ganze nur vorgespielt wird, aber so lebensecht, dass es am Ende schief geht. am Ende schief geht. Jedenfalls, es ist ein abenteuerlich abwechslungsreiches Buch, ein Erzählband, der Sie wunderbar durch viele Möglichkeiten des Lebens führt. Und genauso vielfältig ist auch der Band von Britta Steinwendner, der als fünfter in der Reihe Tandem-Essay erschienen ist. Der erste Band stammt von mir, über Zufälle, die keine sind. Der zweite von Ludwig Laha, heiter bedeckt. Der dritte Renate Welsch, Einige meiner besten Freunde sind Menschen. Und der vierte von Dietrich Rall, Das poetischste Land der Erde, wo der Autor dem Bild von Mexiko in der deutschsprachigen Literatur nachgeht. Der fünfte ist jetzt Anlässe, Fragen und Träume. Der nächste wird im September erscheinen von OPECIA und wird versammelte Klossen aus den Salzburger Nachrichten beinhalten. Aber was ich sagen wollte, weil du gesagt hast, mein Erzählband ist vielfältig, das ist auch hier genauso der Fall. Es sind streng genommen keine reinen Essays, es sind Reden, Aufsätze, auch poetische Kurztexte, die aus verschiedenen Anlässen geschrieben wurden, auch vorgetragen wurden und zu einer Fülle von Autoren Stellung beziehen. Theodor Kramer kommt vor, Erich Landgräbe, Rudolf Bayer, Ilse Eichinger, eine Autorin, die mehrmals in den Texten vorkommt, auch zitiert wird. HC Artmann, Peter Handke, Christoph Ransmeier, Hubert von Geusern, der leuchtet da etwas heraus, aber er passt sehr gut dazu. Dann haben wir über Friederike Mayröcker einen Text drinnen, über Karl Markus Gauss, über den leider verstorbenen Hans Eichhorn, über Bodo Hell, über Peter Stephan Jung, Erwin Einzinger, Walter Kappacher, Ilya Trojanow, Juri Andruchowitsch. Also es ist eine unglaubliche Bandbreite, die hier ausgebreitet wird und die ist auch sehr typisch für das große Interesse der Britta Steinwendner. Sie beschränkt sich nicht auf streng oberösterreichische Literatur, auf österreichische, deutschsprachige, es ist einfach international. stehen und wie viele Bücher es sind. Es müssen Tausende und Abertausende sein. Und wahrscheinlich hat sie noch viel mehr gelesen, als nur da steht. Mit Sicherheit. Ich hoffe. Aber was das Schöne an diesen Texten für mich jetzt ist, dass die nicht so akademisch daherkommen, nicht irgendwie ausbreiten das Wissen der Autorin und man kommt sich dann als Leser und Leserin ganz klein vor, sondern sie nimmt einen bei der Hand. Sie hat das ja schon in mehreren Bänden gemacht, in den Dichterlandschaften, wo zum Beispiel sie einen wirklich geleitet in das Haus, wo der Dichter oder die Dichterin gewohnt haben oder noch wohnen. Und sie beschreibt Landschaft, sie beschreibt das Interieur und sie führt dann so richtig so auf diese Weise hinein in die Literatur, um die es ihr eigentlich geht und ihr geht. Ich habe das Gefühl, dass Britta ein Mensch ist, der ohne Literatur gar nicht leben könnte und dessen Hauptanliegen eigentlich ist, diese Literatur auch zu vermitteln und die Leute zu begeistern. Sie wissen wahrscheinlich, dass sie über lange Zeit die Rauheseer Literaturtage geprägt hat und bis heute herauf, obwohl sie die Leitung abgegeben hat, sie hat jahrelang oder jahrzehntelang beim ORF gearbeitet und zahllose Beiträge für den Rundfunk und auch fürs Fernsehen, Filme und dergleichen gemacht. Und immer, was auch immer man von ihr liest oder hört oder sieht, es ist immer spürt, diese Begeisterung für Literatur, die so wirklich unbändig ist. Aber nicht nur eine Begeisterung, sondern gleichzeitig gebart mit einem sehr, sehr feinen didaktischen Gefühl, wie man Menschen hinführt. Ich habe es mehrmals erlebt bei diesem Buch, das ich ja auch mit ihr überarbeitet habe, im Sinne von, dass ich der Lektor war, da waren dann wieder Texte dabei, wo ich mir gedacht habe, wer ist denn das, worüber schreibst du, und habe mich sofort schlau gemacht im Internet und sofort ein Buch gekauft von dem oder derjenigen. Ich habe es also an mir selber erlebt, wie das ist, wenn jemand einen verführt, im positivsten Sinn für Literatur. verführt im positivsten Sinn für Literatur. Bevor du uns dann Kostproben gibst, auch zwei Fragen. Die eine ist, wann ist denn das losgegangen, dass dich die Poesie, die Literatur, einmal zunächst dich an der Hand genommen hat, bevor du umgekehrt die Leser an der Hand genommen hast. Wo ist das losgegangen mit dir? Eigentlich spät, Christoph, weil ich bin ja im Austraghäusl eines Bauernhofes aufgewachsen. Da war keine oder kaum eine Literatur und wenn, das muss ich ehrlich sagen, war sie eher nationalsozialistisch ausgerichtet, was ich als Kind natürlich überhaupt nicht gelesen und verstanden habe. Im Bauernhaus waren es die Bauernkalender mit den schönen Geschichten und dann, als ich nach Steyr kam, in das Haus meiner Großeltern war, das bildungsbürgerliche Goethe-Schiller und auch Felix Dahn und Ludwig Ganghofer. Und vielleicht, Christoph war wirklich der Felix Dahn mit diesem jungen Totila-König, der dann so früh zugrunde geht. Irgendwie das erste Erlebnis, aber ich habe dann ja Germanistik studiert in Wien. Das war damals so krottenschlecht, dass ich zur Geschichte gewechselt habe und auch in Geschichte dissertiert habe, allerdings dann schon über französische Aufklärungsgeschichtsschreibung, was mich doch sehr nahe an Voltaire, Montesquieu und diese Autoren gebracht hat. Und wie ich begonnen habe, in Salzburg dann täglich um sich hat, dann traut man sich nicht. Dann wird man sich nie, nie werde ich das irgendwie wagen, etwas Eigenes zu schreiben. schreiben und irgendwann, das geht vielleicht Ihnen auch so, wenn Sie mal Ihre Eindrücke niederschreiben, irgendwann bricht sich das Bahn und man kann nicht mehrelzhammerstraße hinunter geschaut hat. Und dieses Bild des einsamen am Fenster stehens und nur die Passanten hinter dem Gartenzaun vorbeigehen zu sehen und hinter der Fensterscheibe versucht mit ihnen ein Gespräch anfangen zu können, das war dann eigentlich der Anfang meines Schreibens. Und dann, wenn man einmal angefangen hat, dann kommt man gar nicht mehr nach mit den Einfällen. Dann wird es zur Sucht. Ja, das geht dir ja auch so. Genau. Ich habe bei dir auch den Eindruck, dass du bist da gekommen mit mehreren Mappen, wo wir ausgesucht haben, Texte. Es ist ja eine unglaubliche Fülle. Wahnsinn. Also wie ich die ersten beiden College-Ordner gesehen habe, um Gottes willen, wie kriegen wir das zu einem Ende? Weil das wirklich so eine Fülle war oder ist. Also du hast ja noch Schätze, die alle noch nicht gehoben sind. Aber ich glaube, es hat bei dir gar kein Ende. Oder gibt es so etwas wie Pausen, wo du einmal nichts liest oder nichts schreibst? Gibt es das gar nicht? Außer halt so eine Stunde einmal nicht lesen. Nein, es gibt schon viele andere Dinge im Leben, die man tun muss. Aber man hat schon immer Berge von Büchern, die man lesen will und Ideen für Geschichten, die man schreiben will. Fein. Dann hören wir dir zu Beispiele aus diesem Band. Ich danke dir, lieber Christoph, und danke dir auch für die schöne Zusammenarbeit. Das war wirklich eine große Freude. Vielen Dank. Und ich habe mir nämlich im Vorfeld gedacht, vielleicht lese ich ein, das eine oder andere Schriftstellerporträt und dann habe ich mir gedacht, na eigentlich ist es dann so, dann ist halt ein Schriftsteller herausgehoben und es gibt ja auch noch ganz andere Texte in dem Buch und da wir im Haus von Adalbert Stifter sind, der ungemein viel mit Erinnerung gearbeitet hat und diese Erinnerungen natürlich immer in der Kindheit beginnen, habe ich mir gedacht, ich werde Ihnen vielleicht zwei kleine Geschichten lesen, die mit der Erinnerung beginnen an die Zeit, als man noch ein Kind war. Das Suchen, Suchen. Verloren. Ich habe es verloren. Wann wurde ich gefragt, wo und wie konnte das geschehen und ich wusste es nicht und weiß heute nicht einmal mehr, was ich verloren hatte. Nur noch, dass es etwas Wichtiges gewesen sein muss. etwas Wichtiges gewesen sein muss. Und ich tagelang gesucht hatte, untersuchen, wie der Golem auf dem Titelbild von Gustav Meyrings Roman über mir stand und nach mir griff. Ich war noch ein Kind. Es waren Ferien und dann fuhren wir nach Italien. Der Raum war dunkel, riesig, vielfach überwölbt, nichts zog den Blick himmelwärts. Weihrauch in dickem Dunst, irgendwo glänzte es golden, funkelte auf im Flackern vieler Kerzen. Flüstern war überall, kam aus den Pfeilern, verkroch, sich in den Bänken, sank in das Mosaik des Bodens. Alles zog, sog in eine Richtung. Menschenschlange Erwartung, es ging nur Schritt für Schritt vorwärts, diese Langsamkeit, diese geduldige Unruhe, das Flüstern besänftigte und ängstigte mich gleichermaßen. Ich hatte Hoffnung und ich hatte Angst, bewegte mich hin zu einem Grab, einem Sarg, glattglatter Stein, warm von vielen Händen. von vielen Händen, heiliger Antonius vom Padua, Schütze aller, die etwas verloren haben, hilf, hilf mir in meiner Not, heiliger aller Verlorenen. Suchen. Ich kann mich nur an dieses Körper- und Gedankenverschlingende Suchen erinnern und an die Hoffnung durch die Fürbitte eines Heiligen, das Verlorene wiederzufinden. Nur dieses Empfinden blieb nicht, welcher Gegenstand es war und ob er gefunden wurde und ob er wirklich wichtig war, nur das Suchen blieb und der Glaube an ein Äußeres, das Hilfe versprach. Kann man glauben, suchen? Oder ist er da selbstverständlich und ungesucht, irgendwann eingesunken in die Bilder der Kindheit, in die Erinnerung an den milden Blick Mariens, die ihren Schutzmantel weit um die Menschlein schlingt, die zu ihren Füßen knien? War es ein Geruch, ein Ton, eine Melodie, die zum Glauben verführten? Waren es die Glöckchen der Wandlung, das Mea Culpa oder die Gebärde des dreimaligen Segnens am Ende von Furcht und Freude? um das dornengekrönte Haupt des Geschundenen irgendwo auf dem Weg einer Kreuzigung, auf einem Martel inmitten von Wiesenfeldern oder unter den gelben Blättern eines Bergahorns? Wann fängt man an zu suchen? Waren es die Ostereier in buntem Leuchten zwischen graubrünem Moos? trockenen, aufgesprungenen Fichtenzapfen als Hilfe für das Anheizen von Küchenherd und Kachelofen in den Wintern nach Krieg und Tod? War es das Suchen nach Eierschwammerln unter hohem, feuchten Farn? Sucht man das Ding an sich oder sucht man die Freude, die einen selbst erfüllt oder andere glücklich machen soll mit dem Fund? Ist es die Mühe, die das Suchen besonders macht, die Anstrengung, die Geduld oder die Zeit, die man dem Suchen schenkt. Alles kann man suchen und alles kann man verlieren. Eine Wohnung, eine Erinnerung, eine blaue Blume, einen Sieg oder einen Ausweg. Man kann Gott suchen, das Glück, die Liebe. Es ist eine Bewegung, ein Vorwärts oder ein Kreisen, vielleicht nur ein Kreiseln, am dessen Ende der Kreisel langsamer wird, zu taumeln beginnt, zur Seite kippt und ermattet liegen bleibt. Suchen kann schön und manisch sein, verderblich oder bereichernd, je nach der Relativität alles ist es nur eine vermessene Zähmung der Wirklichkeit, die weitermacht, ohne innezuhalten, ohne einen Blick auf uns zu werfen, auf uns Suchende. Aber suchen ist so einfach geworden. Ein Klick und schon steht die Mailadresse da, Name, Anschrift und Funktion. Alles ist auf Mausklick zu suchen Fakten sind abrufbar aus allen Zeiten und Wissensgebieten. Netzwerke und Myriaden von Antworten lassen glauben, dass wir die Welt im Griff oder unter der Maus haben, wenn wir nur richtig suchen. Und die Wahrheit? Wer wäre nicht irgendwann in seinem Leben oder immer wieder auf der Suche nach der Wahrheit oder nach einer Wahrheit? Und ist sie dem Menschen zumutbar? Ja, was ist denn die Wahrheit über mich, über irgendeinen? fragt Ingeborg Bachmann in ihrer Erzählung ein wilder Mut. Die ließe sich doch nur sagen über punktartige, allerkleinste Handlungsmomente, Gefühlsschritte, die allerkleinsten übertropfen und tropfen aus dem Gedankenstrom all die tausendstel Sekunden von Gefallen, Angst, Begierde, Abscheu, Ruhe, Erregung, die einer durchmacht. Worauf sollen sie schließen lassen? Erregung, die einer durchmacht. Worauf sollen sie schließen lassen? Auf eins doch nur, dass er von vielem gehabt und gelitten hat. Sich treiben lassen, wie es östliche Weisheit lehrt, das Individuen nicht zu hoch wert- und wichtig schätzen, vielmehr lassen, das Suchen lassen und Werden lassen, gehen lassen. Aber wir hier in der Mitte Europas haben wir nicht den Faust studiert und suchen und suchen und glauben, dass uns nur die Suche vorantreibe nach immer neuem, extremer, höher, tiefer, weiter, mehr und noch mehr, wohin, ist die Suche zur Sucht geworden? Nein, diese Worte haben ursprünglich nichts miteinander zu tun. Sucht kommt von Kranksein, steht im Grimmschen Wörterbuch zu lesen. Sinngemäß ist es mehr mit Morbus, Passio und Kubiditas verbunden als mit dem Verb des Suchens. Und ich suche in diesem Kompendium von 33 Bänden nach dem Suchen und seinen Zusammenhängen und verliere mich in tausend Einzelheiten, die mich nicht weiterbringen, aber nach Suchen kommt dennoch die Sucht im Alphabet. Ich bin es müde geworden, über das Suchen nachzudenken, kommt dennoch die Sucht im Alphabet. Ich bin es müde geworden, über das Suchen nachzudenken. Bin ich der Kreisel, der taumelt und zur Seite kippt und erschöpft liegen bleibt? Schließe alle Bücher, alle Gedanken, gehe hinüber in das andere Zimmer zu ihm, den ich nicht gesucht, aber für unser Leben gefunden habe und nehme zwei große bauchige Gläser für roten Wein und werde vielleicht später träumen, wonach ich morgen suchen werde. Es gibt noch viel zu tun. Und noch eine kleine Erzählung, weil ich mir gedacht habe, es ist Oberösterreich. weil ich mir gedacht habe, es ist Oberösterreich. Ich denke, fast alle von Ihnen werden Hinterstoder kennen. Der Himmel über dem Stodertal. Rot leuchtet, lockt das Rot, kugelt im Himmel herum, rote Perlen tanzen da oben, will hin, will mittanzen, so rot und glänzen und locken und winken dem Kind. Wind in der Nase, kalt ist das Wasser an den Füßen, tappt, tappt durch das Bächlein, drüben durch das Moos, so grün, so weich, so nass, so quatschend. Zwischen den Zehen und gleich ist das Kind beim Baum mit den roten, feuerroten Kügelchen. Und schon fasst es den Stamm, er ist nicht dick, aber glatt und hinauf geht der Blick. Die Perlen hängen im Himmelsblau, die lustigen roten Tänze und, und, da bricht ein Donner nieder, schlägt das Kind zu Boden, ein Krachen und Dröhnen, die Welt ein Donnersturz und prescht in die Hölle, das ganze Tal stürzt ein, stürzt nieder oder hinauf oder hinweg und das dreifache Getöse wird ein Vier- und ein Fünffaches, ein Donner dröhnen, steht über dem Baum, dem Wald, dem Felsen, dem Gebirge, dem Kind, das jetzt schreit. Das ist meine früheste Kindheitserinnerung. Es war August oder Anfang September. Es war Krieg 1944. Ich war gerade zwei Jahre alt geworden. Unweit des Bergbauernhofes, auf dem ich aufwuchs, liegt in einem lichten Wald die mächtige Gemeindequelle von Hinterstoder, die bald nach ihrem Ursprung über einen steilen Abhang zu Tal fließt und sich schließlich zielstrebig ihren Weg in die Steier bahnt, die im Ortsgebiet schon ein stattlicher, klarer Fluss ist. Die Quelle sprudelte damals aus vielen Stellen aus dem Boden, dem Moos, dem Farn und den weißen Kalksteinen, bildete Rinnensaale und Bächlein und weiße, bewegte Stämme, bewegte Strähnen im Wald, weithin labyrinthartig durchs Gehölz, verzweigt mit kleinen Wiesen und etwas erhöhten Moosplätzen, dazwischen, wo man spielen konnte, jenseits der unseligen Rinnsale an einem überhängenden Felsen gelehnt, stand auf unserem liebsten Spielflecken ein junger Vogelbeerbaum. In jenem heißen Spätsommer trug er offenbar besonders üppig leuchtende rote Fruchtdolden. Vielleicht hätten auch nur ein paar wenige genügt für die Fantasie eines Kindes. Lange Nachmittage verbrachten wir in diesem Zauberreich. Meine Mutter hatte eine Tasche mit Himbeersaft und Butterbroten dabei. Mein etwas älterer Bruder und ich bauten winzige Stauwerke und Häuschen für Wichtelmänner, von denen uns unsere Mutter erzählt und denen sie aus Filz rote Mützchen genäht hatte, die wir zwischen Laub- und Tannennadeln in weiche Gruben für sich hinterlegten. Und der Vater war im Krieg, Maikäfer flieg, der Vater ist im Krieg. Er war längst tot, lag irgendwo in Russland an den Ufern der oberen Wolga. Wolga. Jahrzehnte später fuhr ich hin, Wiesen wogten im hohen Gras, kleine Birkenwälder standen inmitten, Blumen blühten und Bienen summten keine Maikäfer. Aber damals als Kind fragte ich nur hier und da nach einem Vater, den ich nicht kannte und den ich nie gesehen hatte. Und ich kann mich nicht erinnern, was meine Mutter geantwortet hat. Aber noch bin ich zwei. Noch spiele ich mit meinem Bruder im Gemurmel und gegurgelter Quellbächlein. Es war ein strahlender Nachmittag. Der Himmel war groß. Ich sah die Früchte des Vogelbeerbaums. Es war, als ob die Bären im Wind fangen spielten. Ich stapfte die paar Schritte hinüber. Es kann nicht weit weg von Mutter und Bruder gewesen sein. Und da war das Donnerthosen über mich hereingebrochen, urplötzlich und anschwellend und urplötzlich war ich allein, kratertief allein und verloren. Und der Donner zerschnitt die Luft, nahm den Atem, zertrümmerte das Herz. Atem zertrümmerte das Herz. Heute weiß ich, dass es ein Geschwader von Bombern war, das von Linz, von St. Valentin oder Steyr herkam, wo die Rüstungsindustrie internationalsozialisten dicht an dicht angesiedelt waren. Die amerikanischen und britischen Fliegerverbände warfen ihre übrig gebliebene explosive Last in der menschenleeren Felswüste des Totengebirges ab, um später ungefährdet auf den italienischen Stützpunkten landen zu können. italienischen Stützpunkten landen zu können. Sie flogen über das enge von über 2000 Meter hohen Bergen begrenzte Tal. Der Schall brach sich an den Felsen und schwoll an, als Drohung und Weltenzerstörung, bis die Flieger hinter dem hohen Kasten, bis die Flieger hinter dem hohen Kasten, dem Feuertalberg und der Spitzmauer verschwanden. Aber wer, denke ich heute, waren jene Piloten, die ihre tödliche Fracht kurz vor dem Gebirge zwischen den verstreuten Höfen abwarfen, zwischen auf dem Feld arbeitenden Männern, Brot backenden Frauen und spielenden Kindern. Damals nahm ich meine Mutter in den Arm und sprach leise auf mich ein und hielt mich und sie war warm und weich und streichelte mein Haar und es wurde wieder still und man hörte nur mehr das Murmeln des Wassers und mein Bruder stand daneben, kniete sich hin und schaute mich lieb an und alles wurde gut. Kindheitserinnerungen, man sagt, dass sie trügerisch sind, dass sie angereichert wären mit den Erlebnissen eines ganzen Lebens, gefärbt und geschönt oder dramatisiert, erfunden vielleicht sogar zumindest, ausgeschmückt, wie bei Adalbert Stifter. Ich kann meine Mutter nicht mehr fragen. Sie starb früh. Sie starb früh und mein Bruder weiß nichts von diesem Augenblick, vielleicht war er nur mir zugedacht. Ich höre den düsteren, panischen Himmelsradau noch immer und wenn ich heute in der Mansarde unseres Austraghäusers, das mitten im Hofverband des Sturmgutes liegt, an meinen Büchern schreibe und eine Pause brauche, dann gehe ich hinaus über die Wiesen und Weiden und in den Wald. Jetzt führt eine breite Schotterstraße quer hinüber zum Quellgebiet. Es hat jeden Zauber verloren, nicht nur, weil ich kein Kind mehr bin. Die Quelle ist nach wie vor eine der mächtigsten des Tales. Sie speist als sprudelnder Bach die Steier, versorgt die Gemeinde mit Trinkwasser, herrlich und klar. Sie ist jedoch zum Teil umgeleitet und in Beton gefasst, sodass die vielen Gerinne und Wasserwässerchen verschwunden sind und nur die Erinnerung an ihre frühere weiße Lebendigkeit geblieben ist. weil frühere weiße Lebendigkeit geblieben ist. Keine Moospolster dazwischen, auch Vogelbeeren habe ich keine mehr gefunden. Alles mutet, ramponiert und gewöhnlich an, ein Schild mit der Aufschrift Vorsicht, Quellgebiet, Verunreinigung verboten, liegt umgestürzt inmitten tiefer Ketterbillerspuren und im Gerümpel von gefällten Baumstämmen und verdorrtem Astwerk. Sie können den Weg gehen, es ist der Stodertaler Höhenweg. Die Berge stehen da wie je strahlend im weißgrauen Kalk, zur Furcht und zur Klüfte den Geröllfeldern, Gräben und Gipfeln. Forstwege kreuzen die Hänge, die meisten Almen auf der Sonnenseite sind längst aufgelassen und wuchern zu. Auf der Schattenseite hoch über dem Quellgebiet ist High Life der Liftanlagen auf die Hutterböden, die Höss und das Areal von Hinterstoder 2000, wie die Schafkögeln am Fuß des Schrockengrades jetzt genannt werden. Zwei große runde Teiche, für die der Großteil des Wassers aus der Steier entnommen und auf 1500 oder 1800 Meter hinaufgepumpt wird, speisen im Winter die Schneekanonen für die Abfahrtspisten. Im Sommer seien sie angeblich beliebtes Ausflugsziel. Die Sonne kommt, die Sonne geht, die Gewitter ziehen über das Tal, das Heu duftet, das Grummet wird geschnitten. Die Wolken hängen und die Nebel bis tief ins Dorf hinunter und schlucken alles Land, allen laut. Nur das Läuten der Mittagsglocken ist zu hören, deren friedliches Gebimmel über die feuchten Dächer streicht und im leisen Rauschen der Steier versinkt. nur ein kleines Gedicht von Hans Eichhorn, dem Dichter und Fischer vom Attersee, der viel zu früh verstorben ist. Und die Preisrede zum Georg-Trag-Lyrik-Preis ist auch hier abgedruckt. Und ich möchte Ihnen nur eines seiner unglaublichen Gedichte vorlesen, die die Welt, alles was neben und mit uns ist, und das Fremde in wenigen Zeilen zu bannen verstehen. Ach, wie die trauten Erinnerungen in diesem Gesicht als offenem Buch zu lesen sind. Schaust einfach weg vor so viel Nacktheit, ist dir unangenehm diese rücksichtslose Hingabe an die eigene Rührung. So gläubig, so ausgekostet jedes Mitgeteilte, als stünde der Bruch bevor, das Schweigen und das Starren in die Welt der Augen, fremd, verloren, ewig lang. Ich danke Ihnen. Vielen Dank, Britta Steinwendner und Christoph Janatsch, in diese Einblicke in beide Bücher. Sie können diese Bücher Zeugnistag von Christoph Janatsch und Anlässe, Fragen und Träume von Britta Steinwendner heute bei uns erwerben. Wir haben einen Büchertisch der Buchhandlung Fürstlberger im Hintergrund. Ich lade Sie ein, noch ein bisschen im Stifterhaus zu bleiben. Ich nehme an, Britta Steinwenden und Christoph Janatsch wären bereit zu signieren und vielleicht auch noch Fragen zu beantworten. Unser Literaturcafé ist auch geöffnet. Ich bedanke mich bei Ihnen, dass Sie zu uns gekommen sind und wünsche Ihnen noch weiter einen schönen Abend. Vielen Dank.