Guten Abend auch von mir. Ich kann leider niemanden erkennen, aber Sie sehen mich. Finde ich das jetzt gut oder nicht? Weiß ich nicht. Ja, ich habe die Ehre, diesen Abend eröffnen zu dürfen, qua des Alphabets, und möchte beginnen mit einem Text, der druckfrisch aus meinem Computer gekommen ist, sozusagen. Es ist ein Versuch über einen historischen Ort, jetzt sind wir eigentlich bei der aktuellen Lage, aber es ist so, dass dieser Ort zu Ruhm gelangt, würde ich nicht sagen, zu Unrühmlichkeit gelangt ist vielleicht gelangt, würde ich nicht sagen, zur Unrühmlichkeit gelangt ist vielleicht und ich in meiner Beschäftigung mit diesem Ort zu viele aktuelle Bezüge wahrnehme, sowohl ideologisch als auch sprachlich und deshalb habe ich das zum Anlust genommen, diesen Text zu verfassen, da es jetzt zeitgleich mit der Lage zusammengekommen ist. Es ist ein Aufruf geworden, so nenne ich es bei mir. Der Titel ist Rauch über unseren Köpfen. Es gibt einen Ort, an dem es an manchen Tagen scheint, als sei der Himmel noch immer vernebelt von schwarzen Rauchwolken, die der Schornstein des Schlosses über den Ort verteilt wie ehedem. Es sind dies Wolken der Vernichtung. Es ist nicht zu übersehen. Vernichtet werden sollen all jene, die nicht passend erscheinen, unbrauchbar, nicht gewollt. All jene, die beängstigend wirken, denn sie erinnern an die Verletzbarkeit des Menschen, seinen zerbrechlichen Körper und Geist. Da kommt es sehr gelegen, wenn sie aus der Gesellschaft getilgt werden. Und niemand hat es gesehen. An diesem Ort Schloss Hartheim in Oberösterreich, umgebaut zu einer von sechs Tötungsanstalten zu Zeiten des sogenannten Deutschen Reiches, können wir heute bestückt mit Stahl und Glas all jenen gedenken, die Opfer der Grausamkeit geworden sind. Einer Grausamkeit, die Menschen in minderwertig und hochwertig unterteilt, in besser und schlechter, ideal und weniger ideal. Denn das streben sie an, die Nationalsozialisten. Ein Volk zu züchten, das sich aus dem Hochwertigen zusammensetzt und hochwertig heißt, der richtigen Rasse zugehörig, gesund und kräftig, gefüllt und erfüllt von nationalsozialistischen Idealen. Menschen aus Stahl. Den Menschen zu bewerten im Hinblick auf seine Leistungsbereitschaft, auf Herkunft, Geschlecht, Konstitution, festgeschrieben in sein Erbmaterial, war und ist eine zu jeder Zeit bekannte Idee. Doch siehe, jede Idee kann jederzeit in Wirklichkeit überführt werden. Die Konsequenz der Umsetzung sehen wir hier ja, können sie noch riechen. Bereits die Idee stinkt zum Himmel. Immer schon war sie unmenschlich, sie ist es und bleibt es. Möglicherweise besuchen wir diese eine oder eine andere Gedenkstätte und wissen, was geschehen ist und hoffen, nicht alle, dass es nicht wieder geschehen wird. Wir finden uns in der Gesellschaft der Geister von etwas Vergangenem wieder, die wir ein für allemal als Vergangen verbannen wollen, aber das ist ausgeschlossen, denn der Schmerz der Toten pflanzt sich fort in den Köpfen, den Seelen, den Zellen. Der Schmerz wird ebenso von Generation zu Generation vererbt, wie die Gewalt der Täter, die nicht in der Vergangenheit verbleibt, sondern allzu schnell wieder aufflammt und ihre stinkenden Gase in die Welt spuckt. Wir sehen die Wolken aufziehen. Sie tragen dieselben Vorzeichen, sprechen dieselbe Sprache, beschwören dieselben Bilder herauf, mithilfe derer dieselbe Angst geschürt werden soll, mit denselben Worten, desselben Geistes, der erneut zur Stimme gekommen, abermals nach wertvollem Menschenmaterial ruft, wertvoll im Sinne von Herkunft, Lebensentwurf, Überzeugung. Er ruft nach geisterhaft einfachen Lösungen in einer komplexen Welt und ist dabei geisterhaft real. Was sind das für Töne und was für ein Gestank? Kann denn das mit rechten Dingen zugehen, so fragen wir uns, während wir uns innerhalb der eigenen Blase lauthals über Leises streiten, dabei jedoch die Schritte des Lumpenpacks übertönen, das tatsächlich längst wieder stramm nach rechts aufmarschiert, dieses Lumpenpack, das, um die Herzen zu rühren, den Patriotismus trägt zur Schau. Wie Heinrich Heine schrieb. So viele schrieben so viele schon. Als schreibende Mahnmale legten sie den Finger in die Wunde, erinnerten und bezahlten gar mit dem eigenen Tod dafür. Auch die Hoffnung, es werde sich nicht wiederholen, lässt sich in der Literatur finden, die Versuche, den Anfängen des Faschismus auf die Spur zu kommen, um ihnen wehren zu können. Gegenwärtig werden die Worte allzu schnell niedergetrampelt, ebenso wie die zarten Keimlinge, die wir für das Wachstum der Vielfalt gesetzt haben. Und dann wundern wir uns, wenn wir sehen, wie sie abgeknickt verkümmern und werden gewahr, dass es sich bei den Marschierenden nicht um fiktive Personen in einem Historienfilm handelt, nein, die Welt, in der abermals unterschieden wird zwischen normal und nicht normal, das heißt entbehrlich, ist die unsere. Und durchzogen von Medienkanälen, die diesen Marschierenden zu eigen sind, die dort Lügen schwimmen lassen, die jederzeit von jedermann herausgefischt werden können, serviert und einverleibt. Lügen, die den einen oder anderen Gedanken nähren, der sich satt und zufrieden gegen all jene richtet, auf die sich die eigene Frustration projizieren lässt, um sie zu kanalisieren, gegen die Juden und Frauen und LGBTQs, die Kranken, Fremden und Wiederborstigen. Vieles und viele bieten sich an. Und wieder eine Idee, wenn diese da zum Schweigen gebracht werden könnten, wie friedlich und normal ließe es sich fortan leben in unseren Landen. Und wir scheinen außerstande der Idee, Einhalt zu gebieten, nicht mit allen Worten der Welt. Im Gang durch die Gaskammer wird deutlich, wie es sich anfühlt, wenn es dir angesichts des Grauens, das jegliches Empfinden dem Fanatismus der Idee weicht, die Sprache verschlägt. Kaum scheint es mir möglich, Worte finden zu können. Ja, an diesem verschlagenen Schweigen kriegt die Befürchtung hervor, es könne womöglich tatsächlich weder eine Sprache für das Grauen geben, noch eine, um eben dieses Grauen zu verhindern. Die Furcht, dass alles, was wir seit Beendigung der nationalsozialistischen Herrschaft errungen haben, abermals der strukturellen Gewalt zum Opfer fällt. Und wir fragen uns, warum soll zertrümmert werden, was wir ja ethisches Bewusstsein nennen, verdammt nochmal, wo ist der Glaube an die Liebe, die doch als Schlüssel fungiert, der Türen aus Stahl zu öffnen imstande ist, dahinter das menschliche Herz. Aber wisst ihr, wir dürfen nicht schweigen, niemals, denn im Schweigen bleiben die Opfer namenlose und das Namenlose kann nicht betrauert werden. Trauern aber gilt als Voraussetzung für Mitgefühl und darum, Leute, lasst zu, dass euch die Tränen kommen, wenn ihr seht, was Menschen zu tun imstande waren und noch immer zu tun imstande sind. Denn das ist die einzig adäquate Reaktion. Weint und lasst euch berühren, wie jeder fühlende Mensch es tut. Niemand darf von uns verlangen, die Herzen zu stehlen. Denn glaubt nicht, Heldentum bedeutet, unerschrocken zu sein. Nein, wir brauchen mutige Menschen, die sich zu trauern trauen. Und nach dem Trauern gibt es ein Weiter-Tun, ein Weiter-Schreiben auch, zum Beispiel gegen rassistische Ideen, die herumgeistern, gegen Homophobe, Ableistische oder Misogyne, der Geist ist uns bekannt. Lasst uns dort fischen, wo Worte zu finden sind, Herzen zu erweichen, die von Ideen bereits verhärtet sind. Fischen wir nach dem Wahren und Guten und Schönen, das jenseits der Ströme von Lügen schwimmt, aus denen die Deformationen der Wahrheit als Monster geboren werden, die so dann als unbrauchbar ausgemacht und also vernichtet werden können. Werdet nicht müde zu wiederholen, mit welch stehlerner Grausamkeit die Rechte jedes Einzelnen und die Lust am Leben und die Liebe zur Asche verbrannt werden. Wiederholt es all jenen gegenüber, die noch immer behaupten, den Rauch nicht zu sehen, weil er ja auf der anderen Seite des Schlosses emporsteige, während sie insgeheim rechnen, ob nicht Profit daraus zu schlagen sein werde, der ihnen selbst zugutekommen wird, und zudem hoffen, nie selbst in diese Kategorie unbrauchbar zu fallen. nie selbst in diese Kategorie unbrauchbar zu fallen. Denn insgesamt wissen wir nur allzu gut, Menschen aus Glas sind wir. Ja, dass wir alle verletzliche Menschen sind, denen allen jederzeit alles widerfahren kann, daran sollten wir uns erinnern und dabei auch nicht vergessen, dass wir einander brauchen und von Zeit zu Zeit stützen müssen. Gedenken wir dieser Zerbrechlichkeit, damit niemand, niemand mehr eine Frage formuliert wie, wozu, du Mensch, bist du gut? Vielen Dank.