Juliane Tutain, vielen Dank, dass du jetzt noch Zeit hast für ein Interview. Wir kommen ja gerade aus dem Kino. Das heißt, wir haben deinen Film gesehen, Wer, wenn nicht wir? Der Kampf für Demokratie in Belarus. Und mir geht es so, dass ich noch voller Eindrücke auch bin vom Filmgespräch danach. Wie hast du denn jetzt die Atmosphäre beim Crossing Europe empfunden bisher? Ich fand es sehr schön. Also ich fand es sehr interessiert und doch tolle Nachfragen. Ich fand es auch schön, jemanden dabei zu haben, der selber aus Belarus war und noch was dazu sagen konnte auch. Und ich fand es ein schönes Gespräch gerade auch. Ja, der Herr aus Belarus war ganz interessant eigentlich, weil er auch den Film dafür gelobt hat oder dich dafür gelobt hat, dass es ein sehr authentisches Bild war. Du bist keine belarussische Filmemacherin, du kommst aus Deutschland. Wie geht es dir denn dabei? Wie legst du das an, wenn du als jemand kommst aus Deutschland, da die Protagonistinnen? kommst aus Deutschland, da die Protagonistinnen, wie lernst du die kennen, wie bekommst du da das Vertrauen und wie kannst du dich da einleben auch in deren Geschichten? Also ich fand der Osteuropa immer schon sehr spannend. Ich habe mein erstes Studium, bevor ich mal Film studiert habe, bei Ethnologie und da geht es ja auch darum immer so, dass man versucht, das andere ein bisschen zu verstehen, indem man auch vor Ort ist. Mir ist immer wichtig, wenn ich Filme mache, dass ich nicht sofort da hingehe und dann einfach die Kamera auspacke und anfange zu filmen, sondern dass man wirklich erst mal, wenn möglich, auch versucht, Zeit zu verbringen und zu verstehen, so ein bisschen den Kontext. Und für diesen Film war ich, ich war 2020 das erste Mal in Belarus und bin immer wieder hingekommen und hatte jetzt das Gefühl, okay, ich habe so ein bisschen Gefühl bekommen und habe mir dann gedacht, okay, ich würde super gerne einen Film machen. Und ja, bin halt sehr froh, ich würde super gerne einen Film machen und ja, bin halt sehr froh, dass jetzt auch gerade dieses Feedback gekommen ist, dass es auch tatsächlich irgendwie für Belarusen ein authentischer oder Film ist, wo sie sagen, okay, das würden wir auch so sagen oder das empfinde ich so, dass es die Situation gut widerspielt und das ist mir natürlich sehr wichtig, weil man kann noch so lange vor Ort sein, aber trotzdem ist man natürlich jemand von außen und betrachtet die Sache immer ein bisschen durch die eigene Perspektive natürlich. Deswegen ist es mir schon wichtig, zu versuchen, so gut wie möglich zu verstehen und sich auch zurückzunehmen als Filmmacher. Also zu gucken, dass man eben seinen Protagonisten den Raum gibt und versuche, den Raum ihm so zu geben, wie sie ihn auch füllen wollen. Weil im Schnitt natürlich schneidet man den Film und er kriegt eine eigene Handschrift, aber da versuche ich immer so zu machen, dass ich natürlich meine Protagonisten genauso wiederfinden kann. Der Film beginnt auch mit dem Jahr 2020, als es da Wahlen gegeben hat und eine Protestbewegung dann auch, nachdem Lukaschenko die Wahlen für sich beansprucht hat. Deine Filmarbeit, Dreharbeiten ja auch schon in dieser Zeit. Was war denn deine Intention? Wie wolltest du den Film denn erzählen? Weil dann kam der Angriff Russlands auf die Ukraine, unvorhersehbar, der ja dann auch eine große Rolle spielt in dem Film. Also was war dann der ursprüngliche Plan? Der Film, also ich habe, es gibt eben noch viele, weil ich schon seit 2020 immer wieder gefilmt habe, gibt es auch viele Bilder noch aus 2020. Aber dieser Film so richtig angefangen haben wir dann eben zu drehen, in 2021 sozusagen, wo es schon fast nicht mehr möglich war, also wo es schon klar war, wir müssen das Ganze heimlich machen, aber es gab schon noch leichte Demonstrationen, noch heimliche, also dass man sich zusammengetan hat in den Hinterhöfen, man ist noch rausgegangen, es gab noch was, als wir anfingen und es wurde immer krasser, während wir angefangen haben, bis klar war, okay, wir können eigentlich nirgendwo mehr draußen drehen, wir müssen so krasse Sicherheitsvorbereitungen machen, aber es war, als ich sozusagen die Idee nochmal für diesen Film hatte, war immer noch die Hoffnung, okay, wir könnten end nirgendwo mehr draußen drehen, wir müssen so krasse Sicherheitsvorbereitungen machen. Aber es war, als ich sozusagen die Idee nochmal für diesen Film hatte, war immer noch die Hoffnung, okay, wir könnten enden, mit dem Lukaschenko wäre dann nicht mehr an der Macht. So diese Hoffnung, muss ich sagen, hatte ich schon noch zu Anbeginn. Und dass der Ukraine-Krieg passiert, hätte ich mir nie, also das hätte ich nicht gedacht, dass das passieren würde. Und dass sich dann die Geschichte halt eben auch so dreht sozusagen und meine Protagonistin in die Ukraine geht, das war natürlich nicht vorhersehbar. Wie hat sich das dann entwickelt, also mit welchen Leuten hast du da zusammengearbeitet, damit ihr überhaupt dann unter diesen Risiken auch drehen konntet? Also da muss man ja auch schon vernetzt sein vielleicht, auch gut informiert sein. Wie kannst du da ein paar Einblicke geben? Ich habe belarussische Freunde auch in Hamburg gehabt, die haben mir so ein bisschen so ein Netzwerk eröffnet, wo ich dann sozusagen, die ich dann vor Ort kennengelernt habe, die Leute, die haben mir geholfen und die haben mir auch bis jetzt, also seitdem ich das erste Mal da war bis heute, sind wir auch noch in Kontakt und ohne die hätte es gar nicht geklappt. Also deren Kontakte und deren Unterstützung und auch deren Erklärungen und auch die haben sich den Film angeguckt. Also weil es mir, wie gesagt, sehr, sehr wichtig war zu gucken, verstehe ich auch das richtig, was ich hier wiedergebe. Und als wir diesen Film machen wollten, war jetzt klar, als ich angefangen habe, ist es schon so gefährlich. Was kann man überhaupt noch machen? Und dann habe ich ja die Protagonisten auch nach dem ausgewählt, für wen ist es am wenigsten Risiko? Und wer will es überhaupt noch eingehen, gefilmt zu werden? Und die Nina, die ältere Dame, die ist sozusagen immer in den Medien. Für sie war das in Ordnung, weil sie sowieso rausgeht und sie ist bekannt und man weiß es. Und deswegen war das für sie okay, dass wir sie filmen. Und die andere quasi auch noch in Belarus war die Tanja, die hat gesagt, ich bin sowieso schon, ich habe quasi schon ein laufendes Verfahren, schlimmer werden kann es gar nicht, also ich werde wahrscheinlich sowieso jetzt irgendwann eingesperrt werden, dann kannst du bis dahin mich auch filmen so ungefähr. Waren mich auch Filme so ungefähr. Und das war so ein bisschen ihr Ding, dass sie sagt, okay, ich bin sowieso schon auf dem Radar und ich gehe das Risiko jetzt auch noch ein, von dir gefilmt zu werden. Aber das haben wir vorher auch lange besprochen, weil man natürlich sich immer in Gefahr gibt, wenn man Leute dort filmt und ein Risiko bleibt immer. Gab es auch Personen, die gesagt haben, nein, lieber nicht, das ist mir zu gefährlich? Ganz, ganz viele, klar. Also sehr, sehr viele wollten gar nicht gefilmt werden. Ich hatte auch erst mal ganz andere Protagonisten, dann ist die Lage immer schlimmer geworden. Dann haben die gesagt, es geht gar nicht, du musst das Land verlassen. Also ich hatte am Anfang andere Protagonisten, die das Land verlassen haben. Aber es war klar, okay, jetzt gucken wir nochmal neu, wer ist jetzt noch da? Du hast im Filmgespräch auch gesagt, dass jetzt alle Protagonistinnen im Ausland sind, mittlerweile im Exil. Die wir nicht. Okay, die ältere Dame nicht, die die irgendwie zum Glück noch gewisse Freiheiten hat. Ich fand es ganz interessant, sie wurde zwar verhaftet, sie hat immer Einzelproteste gemacht, weil sie gesagt hat, die Personen, die mit ihr mitgehen, die werden dann verhaftet. Sie wurde zwar auch verhaftet, aber wurde dann in eine Psychiatrie gebracht und dann wieder nach Hause geschickt. Das ist irgendwie interessant, wie sie auch das nutzt für ihre Protestaktionen. Ja, aber für sie ist es tatsächlich auch jetzt noch schlimmer geworden. Also ihre Wohnung wurde auch durchsucht. Das heißt also, ich konnte es mir nicht vorstellen, aber es wird immer noch schlimmer. Also es ist tatsächlich vor Ort, die Durchsuchungen finden immer noch täglich statt. Wir kriegen das alles leider nicht mehr mit. Aber auch für sie sozusagen ist die Lage, hätte ich nicht gedacht, auch nochmal schlimmer geworden. Und ja, es ist wirklich keiner sicher, der in der Opposition ist, der heute noch in Belarus ist. Also deswegen ist es wirklich, selbst für sie schwierig. Sie hat trotzdem noch Hoffnung und sie macht noch weiter. Aber ich will mir trotzdem auch Sorgen um sie tatsächlich. Bist du mit den Protagonistinnen auch noch in Kontakt, nehme ich an? Ja, mit Nina ist es tatsächlich schwierig, weil ihr Telefon wird abgehört und deswegen haben wir jetzt keinen direkten Kontakt, weil das würde sie auch dann noch gefährden sozusagen. Aber mit den anderen beiden, die jetzt auch im Ausland sind, sind wir im engen Kontakt. Was ist denn dein Eindruck? Die Frauen wirken sehr entschlossen, weiter zu kämpfen und auch haben den Traum, dass sie irgendwann auch in ein freies Belarus zurückkehren können. Woher nehmen denn die Protagonistinnen oder auch die Menschen, die du kennengelernt hast, die da engagiert sind, da auch diese Stärke? Ich denke auch ein bisschen, was 2020 war, das war so unglaublich und dass man gemerkt hat, es ist theoretisch möglich. Es gibt so viele Leute, die für diesen Wandel sind und die dahinterstehen und die so viele Risiken eingegangen sind. und sagt, okay, wir haben gesehen, es war fast möglich sozusagen. Und ja, ich glaube einfach, wenn man die Hoffnung halt nicht mehr hat, dann wird es schwierig. Und ich glaube, man muss die Hoffnung einfach haben, um überhaupt weitermachen zu können. Und ich glaube, sie wollen auch die Hoffnung nicht aufgeben. Ich glaube, das ist auch etwas sehr Aktives. Also zu sagen, ich bleibe dabei, irgendwann wird es besser werden. Die Frage ist halt, wann. Und ich tue das, was ich kann. Ich glaube, das ist auch eine Art von aktiver Entscheidung, das sagt sie auch Tanja in dem Film, dass sie sagt, jeder muss für sich entscheiden, wann der Protest vorbei ist und für sie ist er noch nicht vorbei. Wir müssen jetzt noch kurz über die Filmgestaltung sprechen, speziell die Filmmusik, die ist mir aufgefallen. Kannst du dazu etwas erzählen? Ja, ich arbeite oft mit einem Paar zusammen, einer Filmmusikerin und einem Filmmusiker. Und ich mochte immer gerne ihre Stimme tatsächlich. Das war auch schon im letzten Film. Und deswegen war mir wichtig, auch so nochmal so einen Aspekt von nicht nur so begleitende Musik zu haben, sondern auch noch so mit einer stimmlichen Begleitung, so bei manchen Szenen noch so ein bisschen auch dieses, so eine weibliche Musikerin dabei zu haben, war mir irgendwie wichtig. Aber waren das jetzt Lieder, die auch irgendwie eine politische Message rübergebracht haben? Oder war das jetzt nur meine Interpretation aufgrund des Klangs sozusagen? Naja, es gab Filmmusik. Das war eigentlich so eine Filmmusik, würde ich sagen. Aber es gibt natürlich, wir hatten ja, in dem Film gibt es ja eigene Musikstücke auch, die aber durch die Protagonisten initiiert wurden, weil sie es sich angehört haben. Und das letzte Lied ist sozusagen, das war so das Freiheit, also das war 2020 überall zu hören und deswegen endet der Film auch mit diesem Lied nochmal, weil der so die Proteste und die ganzen, ja, die ganze Zeit sozusagen ganz gut widerspiegelt. Im Rahmen des Crossing Europe wird ja nicht nur ein Film von dir gezeigt, sondern auch ein Film, wo du auch Protagonistin bist selbst. Nämlich ist das Was bleibt? Journalistinnen in Krisenregionen von Lotta Pommerin, die Regie geführt hat, ist auch noch am Samstag um 14 Uhr zu sehen im Zentral. Wie ist es denn dir dabei gegangen oder wie war das für dich, so ein bisschen die Seiten gewechselt zu haben? Sonst bist doch du eben die Journalistin, die dann Filme dreht, die Fragen stellt. Und in dem Moment, in diesem Film, bist du eine Protagonistin. Ja, also ich kann jedem Journalisten und Journalistinnen empfehlen, das einmal auch zu machen, weil wir erwarten das von unseren Protagonisten, dass sie sich öffnen und dass sie uns teilhaben lassen und ich habe halt gemerkt, ja, es ist gar nicht so einfach. Also ich war am Anfang auch, ich wollte es nicht so gerne machen tatsächlich, weil ich auch ein bisschen dachte, naja, möchte ich das jetzt hier nämlich so begleitet die ganze Zeit und habe dann aber auch gedacht, natürlich muss ich ja sagen, auch allein deswegen, weil ich erwarte das von meinen Protagonisten, dass sie mich in ihr leben lassen, dass ich dabei sein darf und deswegen war für mich klar, okay, wenn Lotta mich fragt und wir kannten uns und ich hab ihr auch vertraut, aber trotzdem war natürlich auch so eine Hemmung, da will ich das eigentlich, aber dann dachte ich, okay, das geht eigentlich nicht, du kannst nicht als dein Berufsfeld anderen Leuten quasi das von anderen Leuten erwarten und das selber dann nicht auch jemanden mal über dich einen Film machen zu lassen. Und das war eine gute Erfahrung, weil es ist tatsächlich was anderes, wie man selber auch sich wahrnimmt und wenn man sich dann selber sieht und wie man sieht, wie andere Leute einen Film schneiden, dass man denkt, so habe ich jetzt ganz anders gemacht. Und das ist eine nicht sehr gute Erfahrung, weil das unsere Protagonisten durchmachen. und das habe ich gemerkt, das ist schon gut zu sehen, dass das doch, man denkt, glaube ich, dass man sehr authentisch ist und dann habe ich jetzt oder man denkt, man versucht es genauso zu machen wie die Protagonistin und jetzt habe ich aber gemerkt, dass es aber tatsächlich ist es immer was anderes, wie man sich selber sieht und wie jemand anders einen sieht und das fand ich eine gute Erfahrung zu merken. Okay, das ist auch nicht so einfach für beide Seiten tatsächlich immer so. Wenn ich jetzt nicht mehr investigative Sachen tue, sondern es geht um Porträts und zu verstehen, wie Menschen leben, dann ist für mich das Wichtigste, dass die sich auch richtig gesehen fühlen. Das war mir vorher schon wichtig und das habe ich jetzt aber auch nochmal gemerkt, dass es trotzdem sozusagen, man denkt, man macht es alles richtig und am Ende fühlt man sich so doch ein bisschen anders. Das habe ich meinen Protagonisten auch und deswegen zeige ich denen aber auch zum Beispiel gerne die Filme. Und dass ich das, ja, für mich war es einfach eine gute Erfahrung zu merken, dass es nicht einfach ist, Protagonist zu sein. Wie die Menschen, von denen man das immer erwartet, sozusagen sich auch fühlen, dass man selbst in der Rolle ist, fand ich sehr, sehr wichtig eigentlich auch mal. Ja, vielen Dank, Juliane.