Aus und Ansichten Landzungenhaft spreizt sie die Finger Dem Sand weiß egal, der Bach, der Sand, alles da, alles fort Ein Häufchen Sand auf dem Küchentisch Das einzige Souvenir des Urlaubs Ein unerfüllter Traum Bilder im Kopf von schönen Augenblicken Dazwischen, der Kopf kam nicht entleert zurück Alles wieder wie zuvor Ein letztes Mal sagt man sich Wenn man wieder eine Dummheit begeht Dazwischen, der Kopf kam nicht entleert zurück, alles wieder wie zuvor. Ein letztes Mal sagt man sich, wenn man wieder eine Dummheit begeht, dann soll es aussichtslos enden. Man tut es doch. Der eindringliche Moment des Fehlschlagens bleibt zu erahnen. Ungezogene Grenzen sind nicht eingehaltene Worte. Ein Kind stoppt sich Sand in den Mund. Sofort sind Erwachsene zugegen, um ihn wieder herauszuholen, als wäre es Gift von einer Schlange gewesen. Das Böse passiert wie unzusammenhängend und aneinandergereiht, choreografiert, als ließe sich das Gute so besser verstecken. Dem Instinkt wird gefolgt. Am Strand liegen alle, dem Grundriss des Hotelplans entsprechend, ermattet wie nach einem Überlebenskampf, erschöpft von einer möglichen Schiffbruchseite an Seite. Das Notwendigste haben sie gerettet, um es später doch an Ort und Stelle zu vergessen. Er saugt sich Geschichte für Geschichte ab, damit sie nicht fortgeht, um anderen Geschichten von anderen zu folgen. Er kann gut erfinden, man nennt es Reisebonus. Daheim ist er wieder er. Hier ist er eine Vorstellung, die er sich schon oft zurechtgelegt hat. Wieder frisch ausgepackt, sieht sie immer noch neu aus. Im Ausnahmezustand schießt der Tourist nur selten vorsichtig übers Ziel hinaus, außer jene Teile, die er hinter einer Reiseversicherung verstecken kann, die zukünftigen Probleme automatisch auflöst. In diesem Augenblick zählt sein Traum mehr als alle anderen verflogen zusammen. Das Wetter wurde gebucht. Im Prospekt sieht es so aus, als wäre es am Urlaubsziel immer gleich. Man kommt an und überprüft sofort. Im Hotelzimmerbett liegend faltet man die Hände wie Servietten und sagt, ja, es stimmt das und das und das nicht. Letzteres erhält die volle akklimatisierte Aufmerksamkeit. Zwei Tage später regnet es nicht nur auf Hochglanzpapier. Es gibt Abzüge. Dieses Wetter passt nicht auf die Rückseite von Postkarten an Freunde. Der Regen hört nicht auf. Es scheint, alle Touristen haben gleichzeitig zu weinen begonnen. Trostspender sind derzeit ausgebucht. So könnte man das Wetter beschreiben. Der gesamte Urlaub verdirbt, noch vor dem Ablaufdatum. Die Wassermassen reißen alles mit sich. Nichts muss aus dem Fenster geworfen werden. Es findet seinen Weg ohne dies. Vergleiche mit anderen Orten auf der Welt, die Heimat eingeschlossen, ergeben das gleiche Bild. Das Wetter hält sich nicht an vergangene Durchschnittswetterwerte. Es bahnt sich kein Jahrhunderturlaub an. Man hätte Wetten abschließen sollen. Geahnt allein genügt nicht. Irgendein Gewinn muss gezogen werden. In unbekannten Situationen weiß man nicht, was man tun soll. Auf den Speisekarten gibt es keine Rezepthandlungen zu Katastrophen. Also folgt man den anderen und tut so, als würde man das ohne dies genauso machen wollen, nur eben mit einer leichten Verzögerung. Schon hat man das Gefühl, dass man es gesehen und beobachtet hat. So, als würden Ungeübte im Gruppentanz anderen mit ähnlichen, aber verzögerten Bewegungen folgen. Nicht zum Vergleichen mit Schaltenspielen. Die Nachahmungswerte sacken in den Boden. Allein Panik macht sich innerlich breit, wie ein gut angelegter Luftzug, um sich gänzlich aus dem Spiel zu nehmen. Also schreit man los. Die anderen tun dies folgerichtig. Jedoch schreien alle im selben Moment und niemand wird gehört. Das Flugzeug landet an einem anderen Ort als im Reisebüro gebucht. Wahrscheinlich waren die Hotels dort schon überbelegt. Aus dem Lautsprecher hört man, es liegt an unvorhergesehenen Turbulenzen. Jetzt sollte man das rare Überlebenslächeln aufsetzen. Das Ziel ist nun ein ganz anderes. Später, wenn man an diesem Ort überleben sollte, wird man sich vergewissern, dass es andernorts genauso orkanartige Wetterkapriolen gab. So wie zu Hause. Für alle ist es gleichwertig. Unwetter können einen nicht verfolgen. Man kann ihnen auch nicht entfliehen. Rettung gelingt in allen Sprachen, über und unter Wasser. Bevor die Netzverbindung unterbrochen wird, versucht man noch eine gebuchte Bootsfahrt, ein Kreuzfahrterlebnis oder eine Wildtierjagd zu stornieren. Selbst im letzten Augenblick will man nicht zu spät oder nie wieder irgendwo ankommen, wo man schon einmal gewesen ist. In die Vergangenheit zu reisen ist so, als würde man einen nie gemachten Fehler versuchen nachzuholen. Heute regnet es wieder unvorhergesehene Mengen uneinlösbarer Optionen. Die Handlung kommt unter die Räder. Ein Pferdevorwerk verdeckt die Sicht auf das eigentliche Geschehen. Alles Vorbestimmte wird nun durch Laien im realen Leben ersetzt. Man wendet sich abrupt dem großformatigen Bildschirm im Seitenschiff zu. Auch dort sieht man nicht mehr, als man sich vorstellen kann. Jedoch stört niemand die kleinteilige Aneinanderreihung von Bewegungen, vollführt von Ausdruckstänzern, die immer wieder übereinander herfallen, weil auf Sand lässt sich schlecht das Gleichgewicht zwischen Unschuld und Mut halten. Das wäre jetzt ein guter Schluss, aber es kommt nur der Text. Und zwar habe ich begonnen, mir auf Flohmärkten alte Postkarten zu kaufen und am besten gleich ein ganzes Paket von derselben Person und schreibe darauf Antworten. Sie werden gleich mitbekommen, wie alt der erste Text ist. Der ist nicht von mir, der ist von der Postkarte und dann darauf die Antwort. Liebe Tante Ruth, lieber Onkel Siegfried, viele Grüße aus Amrum, sendet euch euer Ralf. Wir hatten gestern wie heute sehr schönes Wetter. Als wir am 29.04.1976 um 7 Uhr losgefahren sind, sind wir erst um 20.30 Uhr im Heim angekommen. Morgens vor dem Frühstück, um 7.30 Uhr, machten wir jeden Tag einen zwei bis drei Kilometer langen Dauerlauf durch die Dünen. Gestern sind wir nach Amrum und zum Hafen gegangen. Wir haben schon etliche Wattwanderungen hinter uns. Heute begann der Unterricht und wir mussten ganz schön pauken. Die Schränke sind so klein, dass wir manche Sachen in unseren Koffern lassen mussten. Heute machen wir eine Wanderung nach Nebel. Das Essen ist gut, bloß die Klos sind zerstört. Abends fliegen am Ende des Watts tausende von Vögeln auf, um ihre Nester aufzusuchen. Abends bleiben wir meist bis um 11 Uhr auf. Grüßt alle schön, euer Ralfi. Das ist eine perfekte Karten, finde ich. Das könnte man nicht besser schreiben. Ja, ich habe es in Ziffern gegeben. Es war schwierig. Und nun die Antwort. Lieber Ralfi, es ist so gut von dir und deinen abenteuerlichen Geschichten zu hören. Und nun die Antwort. Schiffe mit falschen Lichtzeichen in die Irre führen, um dann die gestrandeten Schiffe aufzuräumen. Das Personal ist dir noch anwesend. Wir wittern Gefahr. Hauptsache das Essen ist gut und deine Notdurft kannst du im Watt erledigen. Danke. Thank you.