In dem Zimmer waren alle Wände ganz vollständig mit Blättern von Bildnissen berühmter Männer beklebt. Es war kein Stückchen, auch nur Hand groß, das von der ursprünglichen Wand zu sehen gewesen wäre. Damit er oder gelegentlich auch ein Freund, wenn einer kam, Damit er oder gelegentlich auch ein Freund, wenn einer kam, diejenigen Männer, die ganz nahe oder hart an dem Fußboden sich befanden, betrachten konnte, hat er ledergepolsterte Ruhebetten von verschiedener Höhe und mit Rollfüßen versehen machen lassen. So beschreibt Adalbert Stifter einen besonderen Raum in der Wohnung des Rentherrn in seiner Erzählung Turmalin. Herzlich willkommen, sehr geehrte Damen und Herren, hier in der wiederum verwandelten Literaturgalerie im Stifterhaus, ohne Ruhebetten zur Eröffnung der Ausstellung Dichterinnen abgebildet. Wir freuen uns sehr über Ihr aller Kommen. Herzlich begrüßen dürfen wir Kulturdirektor, Stellvertreter Hofrat Dr. Paul Stepanek, Magistra Andrea Biener, Direktorin des Stadtmuseum Nordic Collins, Doktorin Cornelia Sulzbacher, Direktorin des Oberösterreichischen Landesarchiv für die Literatur, Landeskulturpreisträger Christian Steinbach. Er ist auch Leihgeber und stellvertretend für andere Leihgeberinnen und Leihgeber Gerti Pieler. Vom Büro Landeshauptmann Mag. Thomas Stelzer, Mag. Lina Panzenböck. Seien Sie alle herzlich willkommen im Hause Adalbert Stifters. Lässt sich die Seele, der Charakter, lässt sich der künstlerische Genius einfangen, lässt sich es fixieren, sich abbilden? Vermutlich nein, grundsätzlich nicht. Nicht umsonst gibt es in Religionen so etwas wie ein Bildtabu und dennoch haben wir ein Bedürfnis nach Bildern, nach Abbildern, um genauer zu sein, und sehen etwas in ihnen, lesen etwas in sie hinein, das wir davor schon wissen, das wir im Sinne des Bilderlesens gelernt haben. Wir erkennen, um am Felde der Literatur zu bleiben, Goethe. Und wir halten ihn, sein Bild, für bedeutsam, auch ohne Wissen um sein Werk. Ikonische Bilder machen sich selbst und die darauf Dargestellten bedeutsam. Jenseits von Werkkenntnis, ja zuweilen auch jenseits der Möglichkeit einer Zuordnung der Person zu einer konkreten Profession oder gar einer künstlerischen Sparte. Ikonische Bilder werden Vorbild, Role Model für andere ihrer Art und tragen so kulturellen Habitus und seine Kodierung, Dekodierung weiter. Die Galerien bedeutender Menschen, Männer, überdauern in Sammlungen, in Archiven, etwas scheint aufgehoben zu bleiben in ihnen an einstiger, oft längst versunkener Berühmtheit. Die Frage, wie weit das Bild eines Autors, einer Autorin die Interpretation des Werkes beeinflusst, stellt sich mit einer gewissen Konstanz seit dem 18. Jahrhundert. Nicht zuletzt dazu beigetragen haben maßgeblich die physiognomischen Studien Johann Caspar Lavater, die eben jenem angenommenen Zusammenhang zwischen Wesen, Werk und Körper auf die Spur kommen wollten, den gesteigertes Interesse an Mustersammlungen, an gelehrten Köpfen und dergleichen mehr mit ausgelöst haben. Ein pseudowissenschaftliches Interesse jenseits der rein biografischen Neugierde, wie denn ein Dichter eine Dichterin aussieht. Daneben gibt es seit jahr Zweifel an der Aussagekraft solcher Bilder, weil es den Menschen, den wir etwa in seinem Porträt betrachten, so gar nicht gibt. Und auch, weil das Bild dem Werk, gemeint ist hier ein literarisches Werk, nichts hinzufügen kann, zumindest nichts, was das Werk nicht selbst zu leisten im Stande wäre. Es gibt keinen richtigen Ort außerhalb des Textes für die Abgebildete, meint etwa Angelika Reitzer zur Frage des Autorinnenporträts. Und dennoch, das Bedürfnis ist da, nach dem Bild, dem Porträt als Stellvertreterin der Abwesenden im Privaten wie im Raum kultureller Repräsentation, Anwesenheit in Effigie. Die Entwicklung von Medien unter technischen Voraussetzungen hat eine zunehmende Popularisierung von Bildern und damit auch von Sammelleidenschaft ermöglicht, bis in die Gegenwart mit ihrer Fülle an verfügbaren digitalen Inhalten. Was will die Ausstellung also? Dichterinnen abgebildet, ist gewissermaßen wörtlich zu verstehen, das Bild in einem engeren Sinne auszulegen als Porträt, als bewusste Position, als Zeigen einer sozialen, einer künstlerischen Identität, freigestellt aus anderen Zusammenhängen. Auf Gruppenaufnahmen, Urlaubsbilder, Schnappschüsse etc. wurde verzichtet. Gezeigt werden beinahe ausschließlich oberösterreichische Autorinnen und Autoren und zwar Verstorbene. Seien Sie also nicht traurig, wenn Sie manches Bild vermissen. Erweitert wurde um die Stifterzeitgenossenschaft über Oberösterreich hinaus und einige Referenzbeispiele. Es handelt sich um eine Auswahl, die zunächst der Zufall, die Materiallage in den eigenen Archiven geleitet hat, ergänzt und verdichtet um zahlreiche Beispiele aus anderen Quellen. In der Inszenierung von Genius zwischen dem 18. und 21. Jahrhundert spiegelt sich die Sozial- und Kulturgeschichte von Medien, dokumentiert sich kollektive wie auch individuelle Erinnerungspraxis mit einer deutlichen Asymmetrie im Hinblick auf Geschlechterverhältnisse übrigens, insbesondere was Denkmäler, repräsentative Gemälde und Büsten betrifft, was nebenbei bemerkt nicht wirklich erfreulich ist. Es bildet sich der oberösterreichische Literaturbetrieb bis in vergangene Jahrzehnte, ja bis in die Gegenwart, mit Stars und mit Randfiguren ab. Im Aufbau der Ausstellung lässt sich ein wenig die Entwicklung der Porträtgeschichte ablesen, mit dem Wechsel an Techniken, den verschiedenen Kontexten und Rahmungen, die das Porträt erfährt. An der Längswand findet sich eine Zusammenstellung aller Bilder, manche davon begegnen in freier Hängung im Original wieder. In dieser Zusammenschau bieten kurze Kommentare und Bildlegenden Orientierung, da und dort erhält oder erheitert ein Zitat Adalbert Stifters, der sich auch zu diesem Thema, nämlich dem Abgebildetwerden, immer wieder geäußert hat. Biografische Porträts aller Abgebildeten, es sind deutlich über 100, gibt es als Handreichung. So sind auch eigene physiognomische Studien anzustellen, wenn man mag. Ein Katalog erscheint zur Finissage. Mit der Ausstellung Dichterinnen abgebildet haben wir einen Ausflug unternommen in Randgebiete von Literatur und Literaturwissenschaft, eben in eigene Sammlungen und die anderer. Schließen möchte ich mit dem besonderen Dank an alle Leihgeberinnen und Leihgeber, einige davon möchte ich nennen. Das Stadtmuseum Nordico und das Lentus haben uns mit sehr prominenten Bildnissen ausgestattet. Die steiermärkische Landesbibliothek Graz hat Adalbert Stifter eine Reise zur Gattin, das Gegenbild zu seinem Porträt Hengt zwei Stockwerke höher ermöglicht. Danken möchten wir auch den zahlreichen privaten Leihgeberinnen, neben den genannten Margit Kein, Gerhard Brandl, Renate Billensteiner und anderem. Danken will ich unserer Kollegin am Institut, Mag. Claudia Lehner, sie wird gleich dann zur Ausstellung noch sprechen, für das so erfreuliche Zusammenwirken in diesem Unternehmen, das eines ins Blaue gewesen ist, mit Film suchen und Film finden. Dank an Diplom-Ingenieur Thomas Pauli für die Bändigung des sehr inhomogenen Materials zu dieser nun so beruhigten und instruktiven schönen Schau, die ein wenig auch anschließt an Stifter illustriert. Dank an Gerhard Spring für die grafische Umsetzung, an Dr. Bernhard Glas, unserem Kollegen und Biografen am Institut, für Lebensläufe ehemals bedeutender Menschen. Dank auch an Piotr Loschinski, Paul Eckschlager für die Einrichtung und nicht zuletzt Dank an alle Kolleginnen und Kollegen am Haus für die Einholung vieler Bildrechte, Mag. Sandra Maletz für die Umsicht in der Organisation und Betreuung bis zum heutigen Abend, der ja auch dann noch ein wenig wirklich ausklingen soll, Daniela Jakob-Dilly und auch allen nicht genannten ganz, ganz herzlichen Dank. Wir laden ein, zu schauen, sich ein Bild zu machen und ein Glas zu trinken auf die über 100 versammelten Dichterinnen. Noch ist die Ausstellung nicht offiziell eröffnet, das mache ich dann gleich nachher, wenn die auch meinerseits. Entschuldigung, ich glaube, ich muss das ein bisschen größer machen. Ich werde ein paar Dinge vielleicht noch ganz kurz, vielleicht wiederhole ich mich dort und da. Ganz konkret haben wir 108 AutorInnen hier in der Ausstellung versammelt, mit einem Kontext zu Oberösterreich und oder ebenso Adelbert Stifter, das haben wir schon gehört. Also ungefähr zwei Drittel Männer, ein Drittel Frauen. Wir haben schon gehört, ein ganz großer Teil der gezeigten Objekte stammt aus unserem eigenen Bestand, aus dem biografischen Archiv, aus dem Bildarchiv, aus dem Oberösterreichischen Literaturarchiv, also aus diversen Nachlässen. Und darüber hinaus haben wir eben sehr schöne Leihgaben bekommen. Ich wollte mich da jetzt nicht nochmal wiederholen, wir haben es schon gehört. Ich möchte uns auch bei all diesen großen Leihgebern und privaten Leihgebern bedanken. Ich glaube, vergessen haben wir zu nennen, auch noch neben Thomas Prollig, Erhard Spring, der die Typografie für die Ausstellung gemacht hat, auch bei dem möchte ich mich sehr herzlich bedanken und natürlich bei Petra Maria Dallinger, die ganz wunderbar mit mir zusammen gearbeitet hat. Auch für die Bildvorlagen haben wir sehr viele verschiedene Museen, Archive, Bibliotheken und so weiter gewinnen können, etwa das Wien Museum, das Archiv der Stadt Linz, die Österreichische Nationalbibliothek, das Deutsche Literatur Archiv Mab, um nur einige zu nennen. Ihnen allen und auch allen Privatpersonen, die uns Bildvorlagen zukommen haben lassen, wollten wir noch einmal sehr herzlich danken. In Oberösterreich haben in den vergangenen Jahrhunderten zahlreiche AutorInnen gelebt und gearbeitet. Ihre Karrieren haben hier ihren Anfang genommen oder ihren Abschluss gefunden. Einige haben einen Platz in der Literaturgeschichte gefunden, andere sind heute kaum mehr bekannt oder ganz in Vergessenheit geraten. Mit der aktuellen Ausstellung möchten wir uns diese SchriftstellerInnen erinnern durch die Präsentation ihrer Porträts, sowie einer kurzen Biografie, das wurde schon genannt, also diese Kurzbiografien sind im übrigen draußen im Foyer zu entnehmen. Das ist ein 20-seitiges Konvolut von eben all den 108 AutorInnen, die da jetzt hier versammelt sind. Das sind noch mehr Objekte als 108, weil eben einige AutorInnen mehrfach hier vorkommen oder gezeigt werden. Und in dieser kurzen Biografie werden auch einige ihrer Werke, literarischen Werke genannt. Ihre Porträts, die wir in Orden und Mappen, Archiven und Museen, in öffentlichen und privaten Sammlungen gefunden haben, sind Puzzleteile in einer Ausstellung, die anhand ihrer Bilder auch eine Geschichte der AutorInnen-Darstellung erzählt. Diese folgt einerseits einer zeitlichen Chronologie, das können Sie hier hinten an der langen Wand ein bisschen nachverfolgen, beginnend mit Kupferstichen und Scherenschnitten, Gemälden und Grafiken über Büsten, Totenmasken und Denkmäler bis zu fotografischen Porträts. Und sie erläutert andererseits inhaltliche Aspekte, die in der AutorInnen-Darstellung eine Rolle spielen, etwa zur Thematik der AutorInnen-Inszenierung, des Selbstportraits, der Bildverweigerung, der Karikatur oder der AutorInnen-Vermarktung am Buchcover. Auch dem Aspekt der Inszenierung des Autors, der AutorIn in der Landschaft, die ihn, sie am meisten geprägt und beeinflusst hat und vorrangig von ihm oder ihr beschrieben worden oder auch überschrieben worden ist, haben wir uns gewidmet. Die Liste, die hier vorgestellt ist, ist bei weitem nicht vollständig. Vor allem sind, wie gesagt, schriftstellerisch tätige Frauen leider unterrepräsentiert. Einerseits, weil es gerade in den Anfängen, wie wir wissen, nur wenige Frauen gab, denen ein literarisches Schreiben möglich war bzw. ermöglicht wurde und andererseits, weil jene, die die Hürde zur Autorinnenschaft nahmen, offenbar häufig als nicht würdig genug erschienen, um sie repräsentativ abzubilden. Zumindest konnten wir kein Ölgemälde, etwa einer Emilie von Binzer oder einer Marie Herzfeld, aufspüren, geschweige denn eine Büste oder ein Denkmal und so sind die hier repräsentierten Frauen allesamt nur, wenn man so will, fotografisch abgebildet, aber zumindest das hat die egalitäre Fotografie vollbracht. Nun ein ganz kleiner Exkurs zur Geschichte der AutorInnen-Abbildung im Allgemeinen. Die Darstellung Vergils im 5. Jahrhundert in der Vergilius Romanus Handschrift macht den Schriftsteller ausschließlich durch seine Attribute kenntlich. Ein Lesepult mit Klappbrett auf der einen, einen Trommelbehälter zur Aufbewahrung von Pergamentrollen auf der anderen Seite des Dichters. Die Ausführung ist denkbar schlicht, im Ausdruck sehr statisch. Neun Jahrhunderte später begegnen wir bereits deutlich lebendigeren Autorendarstellungen. Es sind eigentlich immer Autoren, deshalb bleibe ich in der männlichen Form. In dieser Zeit wird der Autor in mittelalterlichen Schriften des 14. Jahrhunderts häufig als stubengelehrter gezeigt man gewährt einblick in seine detailreich gezeichnete werkstatt zeigt ihn bei der arbeit die italienischen poeten dante oder petrarca hat man im schreibenden akt schöpferisch versunken der welt entrückt abgebildet die utensilien des schreibens und kommunizierens finden sich in der ausstattung ihrer dichter stübchen es sind hier federmesser br, Papiere, ein zum Lesen benutzter Spiegel und so weiter. Der Studierraum als Gehäuse begegnet uns von da ab immer wieder, vor allem in der Darstellung des Heiligen Hieronymus, wie er auch hier in der Ausstellung ganz zu Beginn der langen Wand zu sehen ist. Auch die Autorenbilder vieler Propheten und Evangelisten, die sich in Miniaturen vieler Handschriften des Mittelalters finden, schließen an diesen Bildtypus an. In kargen oder prunkvoll eingerichteten Schreibstuben sitzen die Gelehrte, werden gezeigt, wie sie als Sprachrohr Gottes die, wie es wörtlich auch heißt, heilige Schrift aufzeichnen. Auch hierzu findet sich ein Beispiel aus dem Codex Millenarius in der Ausstellung. Das ist der Evangelist Johannes. Mit der Erfindung des Buchdrucks und der dadurch steigenden Verbreitung von Büchern stieg auch die Zahl an Autoren Porträts an, zumeist Druckgrafiken, die in illustrierten Büchern abgedruckt wurden. Im klassischen Buch des 16. und 17. Jahrhunderts war das Autorenbild am Titelblatt oder vis-à-vis am Frontispiece zu finden. Das berühmte Portrait Shakespeare von 1623, das wir in der Ausstellung auch zeigen, ist ein prominentes Beispiel dafür. Es sieht den Betrachter direkt und offen an ein für diese Zeit ganz ungewohnter und interessierter Blick des Autors auf seine Leserschaft und es präsentiert sich selbstbewusst als Abbild des Verfassers des Buches. Das Autorinnenbild begleitet das Buch kontinuierlich bis heute. In aktuellen Publikationen ist es zumeist nur noch auf der hinteren Umschlagklappe in der Form eines Passfotos zu finden. Im 17. Jahrhundert aber hingegen hatte man Sorge, das Bild könnte dem Text einen Rang streitig machen, weswegen man bemüht war, auf die gewichtigere Bedeutung des Wortes hinzuweisen. Auch zur Zeit der Einführung der Dagorötypie im 19. Jahrhundert wurde noch ähnlich argumentiert und die Bedeutung des Bildes im Vergleich zum Text abgetan. Das Licht, das die Fotografie auf den Menschen wirft, zeige nur seine äußere Hülle. Nur das geistige Licht des Schriftstellers würde die Seele des Menschen enthüllen. Heute ist die Bedeutung des Autorinnenporträts unbestritten. Es wird von Verlagen bewusst genutzt, um die Verkaufszahlen von Büchern zu steigern, etwa im Feuilleton, in Verlagsbroschüren oder dergleichen mehr, wenn auch nicht mehr so häufig wie etwa in den 1970er bis 1990er Jahren auf dem Buchcover selbst. Das ist gut so, denn diese Lesart vermengt die Literatur mit der Privatperson des Autors, stellt Verbindungen oder Vermutungen an, die der Literatur nicht zuträglich sind. Wie wir wissen, beeinflusst das öffentlich gezeigte Gesicht unsere Wahrnehmung besonders. Heute ist es überall auf dem Vormarsch, in den Printmedien, dem TV oder den digitalen Medien. Vor etwa 150 Jahren nahm die rasante Verselbstständigung der Bilder ihren Anfang. Mit der Erfindung und technischen Entwicklung der Fotografie wurden ab dem Ende des 19. Jahrhunderts erstmals Porträts in großer Zahl verbreitet, die im Gegensatz zu den zuvor häufig erfundenen oder idealisierten Bildnissen bzw. Büsten die Physiognomie der Gezeigten tatsächlich korrekt wiedergaben. Diese Fotografien, zunächst im Fotoatelier inszeniert, wurden im beliebten Karte-Visit-Format bald zu begehrten Sammelobjekten und fanden ihren Platz in eigens dafür hergestellten Alben. Und auch hier finden Sie einige Beispiele, hier hinten an dieser Wand und zum Teil eben auch in den beiden Vitrinen hier zwischen den Säulen. Gerne wurden sie auch mit Autogramm oder Grüßenversinn weitergereicht. Eine Geflogenheit, die bis weit über die Karte Visite Fotografie hinaus sich erhalten hat. Bis in die Anfänge der Digitalfotografie sind Fotos Autogrammträger, vor allem von berühmten Personen oder Stars für ihre Fans, allerdings zuletzt weniger solche von AutorInnen, da diese meist nicht den Klemmer von Bühnen- oder Filmstars verkörpern und nach wie vor in erster Linie eines signieren, nämlich ihre Bücher. In der weiteren Entwicklung der Fotografie diente die AutorInnen-Abbildung neben dem klassischen Porträt in jedem Fall immer wieder der Inszenierung des Schriftstellers, der Schriftstellerin bei der Arbeit, sei es mit Stift und Papier, an der Schreibmaschine, lesend oder vortragend und so weiter. Zahlreiche dieser Beispiele quasi aus der DichterInnen-Werkstatt sind hier bewusst versammelt. Die Übermacht der Bildpräsenz kann auch zu ihrer Verweigerung führen. Gerade der Autor als Geistesmensch scheint prädestiniert zu sein für die Verbannung seines ihm zu sehr determinierenden persönlichen Bildes. Ganz bekannte Beispiele von Fotografieverweigerern sind etwa die Autoren Thomas Pinschen, Maurice Blanchot oder G.D. Sellinger, die partout kein Bildnis von sich für die Öffentlichkeit zuließen und dafür zum Teil sehr zurückgezogen leben mussten. In dieser auf oberösterreichische AutorInnen fokussierten Ausstellung ist mit dem erst vor vier Jahren verstorbenen Künstler und Autor M.Ruth alias Günther Heidinger, ein beharrlicher Porträtverweigerer aus Linz vertreten. Wir haben seinen Stempel M.Ruth, mit dem er alle seine Arbeiten versah, hier ausgestellt. Er findet sich hier in der Vitrine vorne zwischen den beiden Säulen. M.Ruth ist ein Anagramm aus R.Mutt, dem Pseudonym Marcel Duchamp, Mutt ist ein Anagramm aus R. Mutt, dem Pseudonym Marcel Duchamp, mit dem dieser sein erstes Readymade aus dem Jahr 1917, ein um 90 Grad umgedrehtes Urinal signiert hatte. Es ist auch bekannt unter dem Namen Fountain, also Brunnen oder Quelle. Obwohl Günther Heidegger nicht öffentlich als Künstler in Erscheinung treten wollte, haben wir ihm hier posthum ein Fotoporträt Renate Billensteiners, das sehen Sie hier hinten an der Wand, zur Seite gestellt, das sie von ihm unter dem Namen Günther 2008 gemacht hat, das dem Pseudonym und Geheimnis M.Ruth nachträglich ein Gesicht gibt. Der Otto Karl Wiesinger hingegen wird hier unter dem Namen seiner erdachten Kunstfigur Max Metz, das ist das Bild hier gleich daneben, neben dem von Günther Heidinger, mit dem er 1972 die Leserschaft genarrt hat, in einem Porträt des Malers Fritz Aigner gezeigt. Karl Graus hat gesagt, das worauf es in einer Darstellung von Autorschaft ankäme, der Prozess des Schreibens, ist konstitutiv unsichtbar. Das ist richtig. Richtig ist aber auch, dass der Porträtist viele Möglichkeiten hat, die gerade für den Schreibenden von besonderer Bedeutung sind. Ich glaube, das sieht man auch ganz schön an der Wand. Auch durch die Wahl des Bildausschnitts und die Darstellung des gesellschaftlichen Status des Abgebildeten, die sich unter anderem in der Kleidung oder in Details der Ausstattung zeigen. Das hier gezeigte Ölbildstift, ich weiß nicht, ob Sie es hier sehen, hier hinten, das wir von der Steiermärkischen Landesbibliothek eben bekommen haben, ist ein typisches Repräsentationsporträt. Es zeigt den Schriftsteller am Höhepunkt seines Erfolgs, auf Fass, ernst und getragen, auf einem samtbezogenen Stuhl sitzend, im Hintergrund seinen kostbaren Delfinschreibschrank. Das Gemälde des Dichters Anton Matosch, das ist jetzt hier in der Mitte, der wie ein versonnener Schaf hier in der Landschaft sitzt, verweist hingegen auf die Natur- und Heimatverbundenheit des Mundartdichters und zeichnet einen sanften, menschenfreundlichen Charakter. Es passt in die Zeit seiner Entstehung um 1900, in der dem Subjekt mehr Raum gegeben wird und sich das bürgerliche Schriftstellerbild zunehmend zum Freundesbild entwickelt. In die innere Welt des Dargestellten einzudringen und diese zu enthüllen, ist das Meisterstück jedes Porträtisten. Großartig gelang die Sergius Pauser in seiner Darstellung Richard Billingers, ich meine dieses Bild hier, ganz links, der durch seine Körperhaltung, hochgezogene Schultern, geballte Fäuste und nach oben gerichteter, durchdringender Blick wie ein Boxer vor dem Angriff wirkt und damit das Wesen des kraftstrotzenden Dramatikers im Jahr 1929 in unglaublich treffender Weise zum Ausdruck bringt. Aber auch in den anderen beiden hier gezeigten Billinger-Porträts, das sind die beiden hier am Pfeiler, ist der energische Ausdruck, die Lebendigkeit des Autors gut eingefangen. So könnten wir fortfahren und in jedem der bildnerischen und fotografischen Arbeiten, in den Büsten und Denkmälernern den idealisierten oder tatsächlichen Wesenszug des porträtierten Schriftstellers, der porträtierten Schriftstellerin suchen, was leider aus zeitlichen Gründen unterlassen werden muss. Als Stichwort zum tatsächlichen Wesenszug sei zumindest hier noch auf das interessante Vierfachporträt des Autors Walter Pieler von Peter Putz verwiesen, das befindet sich ganz vorne gleich neben der Eingangstür, dass dem überaus agilen, geradezu getriebenen Schriftsteller auf sehr gelungene Weise in dieser Vervierfachung gerecht wird. Und vielleicht nur am Rande und der Vollständigkeit halber erwähnen möchte ich auch den Aspekt der Typenbildung in der Fotografie, der auch in der Ausstellung Erwähnung findet. Im Gegensatz zu inkarnierten Schriftstellerporträts, die sich in unser kollektives Gedächtnis gebrannt haben, wie Ingeborg Bachmann auf dem Cover des Spiegel im Jahr 1954, gab es unter den AutorInnen, wie in jeder anderen Zunft, immer wieder teils von Modetrends beeinflusste Typen, etwa den eleganten Dandy oder die elegante Diva, Heimatdichter im Steireranzug oder ein Spezifikum unter den Autoren, den Typus des Priesterdichters. Einige dieser teils heute völlig unbekannten Autorinnen, Autorinnen haben wir in Form ihres dies repräsentierenden Porträts aus dem Archiv hervorgeholt. Und das sei ein besonderer Dank nochmal an den Herrn Dr. Klaas, der unser biografisches Archiv leitet, gerichtet, weil sehr viele dieser AutorInnen haben wir wirklich aus dem biografischen Archiv hervorgekramt. Wie gehen AutorInnen mit Porträts um? Für manche ist ein Porträt, vor allem in Form einer Fotografie, ein atmosphärischer Ausgangspunkt für das eigene Schreiben. Ein berühmtes Beispiel dazu ist die französische Autorin Annie Ernaux, die viele ihrer Texte mit der Beschreibung eines fotografischen Porträts beginnt, die sie weiter in die Erinnerung hineinführt. Eugenie Kain hat das Porträt ihres zu diesem Zeitpunkt bereits verstorbenen Vaters, Franz Kain, wie folgt in ihrer Erzählung Flüsterlieder literarisch beschrieben. Und ich lese das noch ganz kurz vor. Das Foto ihres Vaters hatte sie selbst ausgesucht. Sie hatte gedacht, es entspräche ihm. Der Vater nahm Haltung an, wenn ein Objektiv auf ihn gerichtet war. Er ließ sich nicht gerne fotografieren. Er wurde stocksteif. Hier hatte ihn die Kamera erfasst, bevor er sie bewusst wahrgenommen hatte. Jetzt schaute sie ins Gesicht eines Mannes, der ihrem Vater zwar dunkel ähnelte, aber entrückt wirkte und fern. Aus einem anderen Licht schienen die Verstorbenen herüberzuschauen. Sie dachte an Einbildung. Die Fotos waren zu Lebzeiten aufgenommen worden. Niemand hatte dabei an das Sterben und den Tod gedacht. Etwas Beunruhigendes geschah. Nicht auf den Fotos, in den Köpfen der Zurückgebliebenen. Es war kein Verlass auf das Gedächtnis. Im Schleier der Erinnerung veränderten sich die Gesichter. Sachte wurden die Achsen verschoben, die Konturen verwischt. Durchscheinend wurden Stirn und Kinn. Lichtempfindlich die Wangen, verschattet die Augen. Die Bilder zogen sich zurück in dunkle Höhlen, wo es keine Schatten gab. In der Erinnerung blieben nur das Zerrbild und ein fernes Echo. Und interessant ist auch zu hören, wie einer der prominentesten österreichischen Autoren des 20. Jahrhunderts sich zur Fotografie geäußert hat. Thomas Bernhardt hat in seinem Roman Ausschlöschung die Fotografie als die, Zitat, menschenfeindlichste aller Künste und, Zitat, das größte Unglück des 20. Jahrhunderts bezeichnet. Sie würde die Wirklichkeit auslöschen und durch Bilder ersetzen, allerdings durch Bilder, die wir, selbst wenn wir sie vernichten, nicht mehr loswerden. Ich lese kurz ein Zitat. Es ist natürlich unsinnig zu glauben, wenn ich die Fotografie mit den spöttischen Gesichtern meiner Schwestern zerreiße, dass ich dann von ihren spöttischen Gesichtern befreit bin. Wenn ich die Fotografie vernichte, indem ich sie einfach einheize, sie mit der Schere in tausende von kleinen Schnitzeln zerschnetzele, sie wären dann nur mit einer umso größeren Intensität meine Quälgeister. Zitat Ende. Der Künstler Josef Bauer hat womöglich Thomas Bernhard einen großen Dienst damit erwiesen, seine in einer Zeitung vorgefundene und ausgeschnittene Fotografie durch die Übermalung des Gesichtes auf andere Weise auszulöschen und sie uns dennoch dadurch umso intensiver in Erinnerung zu rufen. Auch dieses Porträt einer Auslöschung finden Sie hier in der Ausstellung. Vielleicht suchen Sie es sich nachher. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen noch einen anregenden Abend. Und nun ist die Ausstellung offiziell eröffnet. Herzlichen Dank. Applaus