Nach der Europawahl am 9. Juni 2024 hat der französische Präsident Emmanuel Macron kurzerhand die Assemblée Nationale, also die Nationalversammlung, aufgelöst. Die Ergebnisse der Neuwahlen vom 7. Juli waren für viele ziemlich überraschend. Von 577 Sitzen bekam das Linksbündnis, der Nouveau Front Populaire, 178 und war somit die meistgewählte Partei. Ensemble bekam 150 Sitze und der Rassemblement National 125. Was bedeutet, dass keine der drei großen politischen Kräfte die absolute Mehrheit bekommen hat. Frankreich kämpft seit längerer Zeit mit Spannungen innerhalb der Gesellschaft und diversen anderen Herausforderungen. Doch die Entscheidung der Neuwahlen hat die Situation weiter verschärft und viele sind umso verwirrter. Keine Partei ist derzeit bereit, eine Koalition zu schließen, was für die französische Politik sowieso ziemlich unüblich ist. Die entscheidende Frage ist jetzt, wie wird es weitergehen? Im Rahmen des Themas Frankreich nach den Wahlen und Politik habe ich drei Mitglieder der Communauté Française hier in Linz befragt. Wie überraschend waren die Wahlergebnisse für sie, sowohl die der EU-Wahl als auch die der Parlamentswahl? Bei der EU-Wahl stand wochenlang in den Zeitungen, sowohl in Österreich als auch in Frankreich und auch im Fernsehen, dass die Partei Rassembleom National von Marine Le Pen den ersten Platz gewinnen würde. Das heißt, es war nicht überraschend. Also die EU-Wahl war leider nicht überraschend, finde ich, weil seit ein paar Jahren vor allem verwendet zum Beispiel der Präsident Frankreichs Emmanuel Macron ständig die Sprachelemente oder auch sogar die Themen der rechtsextremistischen Partei. Das ist kein Wunder, dass sie so viele Stimmen bekommen haben. Und bei der Parlamentswahl war es ein bisschen überraschend, aber ich denke, weil die Strategie war, dass die Linksparteien alle zusammen unter einem einzigen Namen kandidieren, ist das auch keine große Überraschung an sich. Was aber überraschend war, war, dass Emmanuel Macron am Wahlabend die Nationalversammlung aufgelöst hat und neue Wahlen entstanden sind. Und das ist in meinen Augen sehr gut gebuckert gewesen. Die Neuwahlen kamen ziemlich überraschend. Wie standen Sie zu dieser Entscheidung von Präsident Emmanuel Macron? Also das war schon eine Überraschung, dass es jetzt gleich passiert, aber auch nicht so eine große Überraschung, weil seit den Parlamentwahlen in 2022 war immer wieder Chaos im Parlament und die Regierung würde fast entmacht mit diesem Missvertrauensantrag nach dem Pensionsgesetz. Also ja, dass irgendwann etwas passieren sollte, war für mich schon klar. mich schon klar. Aber so schnell und gleich vor den Olympiaspielen und gleich in der Urlaubszeit war eine Überraschung. Es ist nicht so der richtige Moment, um Chaos zu bringen. Wie sehr interessiert Sie eigentlich das politische Geschehen in Frankreich? Also ich interessiere mich teilweise für die französische Politik. Das heißt, es ist natürlich für mich immer wichtig zu wissen, was in Frankreich passiert. Aber ich mache auch manchmal Pausen, weil die Politik immer gewalttätiger wird und auch teils deprimierend ist. Durch die Ergebnisse der Parlamentswahl in Frankreich ist auch ein gewisses Chaos entstanden. Wie wird es Ihrer Meinung nach weitergehen? ist doch ein gewisses Chaos entstanden. Wie wird es Ihrer Meinung nach weitergehen? Es wird wie bis jetzt weitergehen, glaube ich, weil Macron hatte schon seit zwei Jahren keine absolute Mehrheit im Parlament und seine Partei war schon sehr geschwächt. Also was feststeht, ist, dass Jean-Germain Barthelon nicht Premier wird. Das finde ich richtig gut. Und das Linksbündnis und das Mittellager werden sich auf einen Premierminister einigen. Es kann ein bisschen dauern, weil die Positionen nicht weiter auseinander gehen. Wie gesagt, das war vorher schon ein bisschen chaotisch, jetzt umso mehr. Also gerade hört es so aus, als ob der Präsident Macron alles nach hinten zieht, dass er wartet, bis die Olympischen Spiele vorbei sind, um einen neuen Erzminister zu nennen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es funktionieren wird, weil die Linkseinigung hat gesagt, sie wollen nur ihr Programm machen, aber sie haben keine Mehrheit und niemand hat eine Mehrheit. Meiner Meinung nach könnte es wieder neue Wahlen in einem Jahr geben, weil ich weiß nicht, ob irgendwelche Parteien was machen werden können. Inwiefern ist die Parlamentswahl in Frankreich ein Zeichen für kommende Instabilität und Konflikte in der französischen Gesellschaft? Konflikte sind in Frankreich seit vielen, vielen Jahren da. Ich denke zum Beispiel an die Gelbwesten. Das hat schon gut gezeigt. Ich denke, dass es große Probleme bei den prekären Menschen gibt. Die sogenannte Kluft zwischen dem Bürgertum und diesen Menschen immer größer wird, egal ob dieses Bürgertum links oder rechts tatsächlich ist. Viele Prognosen hatten ermittelt, dass der RN wohl die meisten Stimmen bekommen sollte. Wie erklären Sie sich dieses überraschende Ergebnis? Ich glaube, dass viele Wählerinnen und Wähler, die auf EU-Ebene für Rassemblement National gewählt haben, Protestwähler waren. Das heißt, ich glaube, dass ganz viele nicht die Ideen, die rechtsextremen Ideen von Marine Le Pen unterstützen. Ideen von Marine Le Pen unterstützen und dadurch haben sie auf der emotionalen Ebene dann nicht mehr R.N. gewählt. Ist Angst ein effektives Mittel bei einer Wahl? Also ich denke ja, dass die Angst ein sehr effektives Mittel ist, nicht nur in der Politik tatsächlich, aber ich denke, dass die Angst nicht der einzige Erkrankungsfaktor in den Ergebnissen ist. Ich glaube auch, dass zum Beispiel die Frustration oder die Wut und die Prekarität auch sehr wichtige Themen sind. Es ist zwar möglich, dass es auch komplexer wird in den nächsten Jahren. Ich glaube, die große Schwierigkeit zurzeit ist auch, dass Frankreich ein Land ist, das keine Kompromisse macht. Kompromisse sind sehr schwer in Frankreich und das ist auch kulturell verankert. Das heißt, es ist nicht so einfach zu sagen, jetzt haben wir eine neue politische Kultur. Kompromisse sind generell nicht beliebt. Kompromisse werden zum Beispiel oft mit Feigheit oder Verrat verbunden und so weiter. Das ist sehr schwierig, wobei ich auch verstehen kann, dass bei manchen Themen keine Kompromisse möglich sind. Das Thema Entfremdung finde ich auch sehr wichtig bei diesen Wahlen. Ich meine damit, dass die Arbeiter und Arbeiterinnen zum Beispiel keine Partei mehr haben, die sich für ihre Interessen oder für ihre Probleme interessieren. Und das ist ein sehr großes Problem in Frankreich. Und ich finde, die Situation ist zurzeit sehr beunruhigend, aber noch beunruhigender finde ich, dass die anderen Parteien sich nicht unbedingt fragen, warum es so vielen Menschen zurzeit schlecht geht und wie man die Gesellschaftssituation verbessern könnte. Inwiefern ist die Jugend in der Politik entscheidend? Ich finde, die Jugend könnte mehr entscheidend sein. In Frankreich ist die Jugend die Gruppe, die am wenigsten wählen geht. Das finde ich schon schade, weil es ist sehr wichtig für mich, dass wir unsere Zukunft mitentscheiden können. Ich finde die Jugend hat, also ein Teil von den Jugend hat, versteht nicht den Sinn von der Politik und dann können das alle gleich sind und das sowieso keinen Unterschied macht. Und die anderen sind radikaler geworden, dass sie eine starke Meinung haben. Also entweder keine Meinung oder eine starke Meinung. Wie kommt es, dass junge Menschen immer mehr radikale Parteien wählen? In Frankreich finde ich, dass der Präsident Macron den ganzen Platz in der Mitte genommen hat. Er hat Abgeordnete, die vorher Sozialisten waren, und Minister, die vorher von der Rechtspartei waren. Also jetzt gibt es nicht mehr so viel mehr Platz in der Mitte. Also ist alles von Macron bedeckt und Leute, die ihm nicht mehr weiter wollen, dann haben sie keine andere Auswahl als sozusagen als Linksradikale, also diese Linkseinigung oder die Rechtsextremer. Was sind für Sie die wichtigsten Aspekte, auf die Sie in der Politik achten? Welche Themen sind für Sie entscheidend? Die sozialen Themen. Ich glaube, dass eine Gesellschaft, die funktioniert, ist eine Gesellschaft, wo es keine Kluft gibt zwischen Armen und Reichen. Es ist zurzeit leider so, dass in Frankreich diese Kluft immer größer wird. Das Gefälle zwischen Land und Stadt ist auch ein Problem zurzeit in Frankreich und es ist ein Grund meiner Meinung nach, warum manche Wählerinnen und Wähler Richtung nationale gehen. Also wichtig für mich sind die Themen Umwelt, Arbeitsbedingungen, Rechte der Arbeiterklasse generell, Erziehung und Kinderschutz. Aber leider finde ich, sind sie zumindest in Frankreich eher oberflächlich behandelt. Gibt es Aspekte in anderen europäischen Staaten, die Sie in Frankreich gerne sehen würden? Ich finde, in Frankreich haben wir ganz wenig diese Kompromisskultur, dass unsere Institutionen so gebaut sind, dass eine Partei die Mehrheit hat, sodass die Präsidentenwahl immer gleich vor der Parlamentwahl stattfindet. Dann ändern die Leute nicht ihre Meinung in drei Wochen. Also es ist immer so, dass der Präsident von einer Partei kommt und dann diese Partei sofort eine absolute Mehrheit im Parlament hat und dann fünf Jahre lang alles machen können, was sie machen wollen. Ich denke, das würde Frankreich gut tun, wenn wir mehr diese Kompromisskultur haben, wie in Österreich zum Beispiel, dass manche Parteien zusammenarbeiten müssen, um die Besten von den zwei zu bringen. Hat das Leben im Ausland ihre politische Sichtweise verändert? Ja, sicher. Ich finde das sehr spannend und sehr lehrreich, das eigene Land aus der Ferne zu beobachten, weil man viel besser versteht, wenn man nicht ständig vor Ort ist. In Österreich zum Beispiel habe ich verstanden, dass die Kompromisse nicht so schlecht sind, was für eine Französin nicht so einfach ist, obwohl die Kompromisse auch ihre Grenzen haben. Den französischen Autoritarismus zum Beispiel habe ich auch in Österreich besser bemerkt und verstanden, weil Österreich wirklich nicht so autoritär wie Frankreich ist und das ist sehr angenehm. Ich lebe seit über 20 Jahren in Österreich und ich habe zwei Konzepte in Österreich kennengelernt. Das ist zuerst der Kompromiss. Kompromiss ist etwas, das man meiner Meinung nach in Frankreich zu wenig kennt. Aber am Ende des Tages werden die Entscheidungen von der Mehrheit getragen. Und ich glaube, dass es für die Gesellschaft gut ist, sogar wenn es lang dauert und die Schritte klein sind. Der zweite Konzept, den ich in Österreich gelernt habe, ist der Föderalismus in Frankreich. Frankreich ist ein zentralistisches Land. Die Entscheidungen werden in Paris getroffen und in den verschiedenen Regionen durchgeführt. In Österreich ist die Tatsache, dass die Regionen selber viele Entscheidungen treffen können, glaube ich, für die Bürgerinnen und Bürger eine gute Sache. Inwiefern setzen Sie sich im Alltag mit Politik auseinander? Ich finde mit der Zeit mehr und mehr. Weil vorher war mir nicht so klar, was die Politik bedeutet. Ich merke mit der Zeit, dass es in allen Aspekten unseres Lebens ist, so über wie die Bildung läuft, über wie das Gesundheitssystem läuft und ob unser Planeten weiterhin bewohnbar bleiben. Solche Sachen. Es ist wirklich überall und mit der Zeit merke ich das mehr und mehr. Ich bin keine Politologin, ich bin eine Bürgerin, womit ich sehe es als meine Pflicht, mich zu informieren und wählen zu gehen. Welche Medien nutzen Sie, um sich über die französische Politik zu informieren? In Frankreich sind die meisten Medienunternehmen in den Händen von Mila Dehry und ich zweifle immer mehr an ihrer Unabhängigkeit und deswegen lese ich nicht nur die französischen Zeitungen, sondern auch die österreichischen und die deutschen Zeitungen. Also ich lese persönlich lieber unabhängige Zeitschriften, Zeitungen und so weiter. Und ich habe mehrere unabhängige Medien abonniert, seitdem ich in Österreich lebe. Das Problem in Frankreich ist, dass viele Medien großen Unternehmen gehören. Und ich denke, unabhängige Medien sind die wichtigsten. Ich lese ab und zu die größte französische Zeitung, Le Monde, und auch die regionale Zeitung, von der ich herkomme. Auf Instagram sehe ich auch Sachen, ein paar Konto, die ich folge, teile politische Meinungen, folge Kunden, mit denen ich entverstanden bin und auf die Zeitung sehe ich das alles mit einem breiteren Blick.