Nach unten treten. Seit Wochen beschäftigen sich Medien und Politik mit einer neunköpfigen Familie aus Syrien, die 4.600 Euro Mindestsicherung von der Stadt Wien bekommt. Diejenigen, allen voran die FPÖ, die die Höhe der Transferleistung für überzogen halten, stellen Oberösterreich als Musterland dar, weil die Sozialhilfe in diesem Bundesland derart gestaltet ist, dass eine Familie mit mehr Kindern zunehmend weniger pro Kind bekommt. Der Skandalisierung des Wiener Falles möchte ich einen Skandal gegenüberstellen, der meiner Meinung nach entlarvend für den Umgang mit Armut und Armen in Oberösterreich ist. Ein Umgang, der der Koalition aus einer ÖVP, die eine christlich-soziale Einstellung nicht einmal mehr verbal für sich in Anspruch nimmt, und einer FPÖ, die sich gerne als Vertretung des kleinen Mannes aufspielt und das genaue Gegenteil praktiziert, geschuldet ist. Ich unterstütze seit sieben Jahren eine Familie mit sieben Kindern. Der Familienvater wurde in Innsbruck so schwer niedergeschlagen, dass er halbseitig gelähmt und geistig auf dem Stand eines Kindes ist. Er wurde und wird von seiner Frau gepflegt. Er wurde und wird von seiner Frau gepflegt. Die Aufnahme einer Beschäftigung war und ist aus hoffentlich für alle nachvollziehbaren Gründen weder für ihn noch für seine Frau möglich. Im Jahr 2020, als das Pflegegeld im konkreten Fall 920 Euro in der Sozialhilfe nicht noch als Einkommen galt, bekam diese Familie 1395 Euro Sozialhilfe. Absüglich dem natürlich teureren behindertengerechten Wohnraum blieb für die Familie davon nicht mehr viel für Essen und Kleidung übrig. Noch schlimmer wurde es 2022, als das älteste Kind eine Lehre begann und die Anrechnung der Pflegezulage nach dem Verbrechensopfergesetz in der Höhe von 1.650 Euro eine Sozialhilfe für die gesamte Familie in der Höhe von 196 Euro pro Monat ergab. Fassungslos, ob der Höhe der Sozialhilfe, habe ich nachgerechnet und recherchiert. Dabei stieß ich nicht nur auf einen Berechnungsfehler im Programm des Landes Oberösterreich, das zur Berechnung der Sozialhilfe entwickelt wurde, sondern auch auf mehrere Urteile des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich, die bereits seit längerer Zeit mehrfach auf diesen Berechnungsfehler hinwiesen. Korrigiert wurde der Fehler nicht und den Sozialhilfeempfängern und Empfängerinnen somit tausende Euros einer ohnehin schon nicht sehr sozial gestalteten Sozialhilfe vorenthalten. Christian Diabl von den OEN griff im Dezember 2022 unter der Überschrift »Land zieht Konsequenzen nach falsch berechneter Sozialhilfe« als einziger das Ergebnis meiner Recherchen auf. Der damalige Landesrat Hattmannsdorfer von der ÖVP versprach im Artikel, dass alle Zitat, potenziellen Fälle noch einmal aufgerollt, fehlerhafte Bescheide aufgehoben und die Betroffenen finanziell entschädigt werden. Passiert ist das nicht, zumindest nicht bei meiner Familie. Das Land Oberösterreich hat einen frei aus der Luft gegriffenen Zeitpunkt festgesetzt, ab dem es entschädigt und nicht, wie im Artikel versprochen, allen Betroffenen die vorenthaltene Sozialhilfe benötigen, um ihr Leben meistern zu können, zu bereichern, ist ein Skandal, bei dem ich einen Aufschrei berechtigt finden würde. Aber da blieb er aus. Sogar ohne Berechnungsfehler würde meine neunköpfige Familie mit vier schulpflichtigen Kindern und drei weiteren unterhaltsberechtigten Kindern in Ausbildung in Oberösterreich mit weniger als 3.000 Euro das Auslangen finden müssen. Das ist maximal Hilfe. Aber sozial ist das nicht. Da würde ich mir ebenfalls Empörung wünschen. Nur ich höre keine. Umstände, die jemand aus der Bahn werfen können, sei es ein behindertes Kind, die Notwendigkeit Pflegearbeit zu übernehmen oder die eigene Erkrankung, werden offensichtlich als selbstverschuldetes Versagen eingeschätzt. Die restriktive Sozialgesetzgebung, insbesondere in Oberösterreich, und eine demütigende behandlung in der vergabe praxis zeigen dass den armen die schuld an ihrer armut gegeben wird das ständig wiederkehrende vorwurf des sozialen missbrauchs und das herausgreifen von fällen die geeignet sind missgunst zu schüren werden benut, um das Sozialsystem zu torpedieren. Und sie lenken ab von den wirklichen Skandalen. Dass zum Beispiel der Milliardär Marc Mateschitz nur 26 Prozent seines Einkommens an Steuern zahlt, während eine Mittelschichtfamilie etwa 42 Prozent zahlen muss, regt zumindest mich weit mehr auf als eine syrische Familie, der nach Abzug der Wohnungskosten nicht einmal 350 Euro an Sozialhilfe pro Person und Monat übrig bleibt. Ich will keinesfalls Kinder in Armut aufwachsen sehen und ihnen damit erschweren, ihr Potenzial für ihre Zukunft und für die Zukunft unserer Gesellschaft zu entfalten. Wir brauchen dringend einen Perspektivenwechsel.