Guten Abend, meine sehr geehrten Damen und Herren, heute hier im Stifterhaus. Mein Name ist Stefan Kögelberger. Ich darf Sie begrüßen zu einer Veranstaltung aus unserer Reihe Denken, Leben, Schreiben, Positionen und Welthaltungen österreichischer Autorinnen. Die letzte Veranstaltung dieser Reihe hatten wir am 28.05. Vielleicht waren einige von Ihnen hier dabei. Zu Gast war Marlene Strerowicz und weil das doch schon eine Zeit her ist, ich kann mich erinnern, es war glaube ich sonnig, hell, warm, die Zeiten waren gut, darf ich ganz kurz die Reihe beschreiben. Denn die unter dem Titel Denken, Leben, Schreiben stehenden Veranstaltungen versuchen in einem Gespräch über die Biografie von Schreibenden quasi den geistigen Kosmos der Schriftstellerinnen und Schriftsteller ein bisschen einzugrenzen und herauszufinden, wie ihr literarisches Werk sich dazu in ein Verhältnis setzt. Nicht ganz, aber doch ein kleines bisschen. Also, ich lese deine Bücher und erkenne dadurch einen Teil von dir. Unser heutiger Gast wird, so hoffe ich zumindest, diese sehr simple These exemplarisch bestätigen, heißt es doch gemeinhin, ein Grund ihres Schreibens, ihres beginnenden Schreibens, sei eine längere Erkrankung ihres Sohnes gewesen. Eine andere Version lautet, sie habe schon in der Kindheit so gern Geschichten erzählt und zu schreiben begonnen. Welche Version auch immer korrekt ist, es mögen auch beide sein, was auf den ersten Blick zutreffend scheint, ist auch hier vom Leben zum Denken zum Schreiben. Ihr literarisches Werk ist so vielseitig, dass man in Analogie zu Brettspielen sagen könnte, es ist für Leserinnen und Leser von sechs bis 99 Jahren geeignet. Allerdings glaube ich, dass sie sowohl ältere als auch jüngere Leserinnen und Leser hat. Den Jüngeren wird aber vermutlich öfter aus ihren Büchern vorgelesen. Zuletzt war sie hier im Stifterhaus zu Gast im Oktober des Vorjahres anlässlich der Aufnahme ihres Romans Johanna unter die Grundbücher der österreichischen Literatur seit 1945. Es freut mich, dass sie heute wieder bei uns ist und ich darf sie recht herzlich begrüßen. Herzlich willkommen Renate Welsch. Danke fürs Kommen. Renate Welsch wurde 1937 in Wien geboren. Ihre Kindheit verbrachte sie überwiegend im Auseerland. 1953 ging sie im Alter von 16 Jahren als Austauschschülerin für ein Jahr in die Vereinigten Staaten, das fand ich sehr besonders, denn zu einer Zeit, als die Heimat quasi noch nicht per Mausklick oder Videocall sofort zu erreichen war. sofort zu erreichen war. Ihr erstes Buch veröffentlichte sie 1969 bzw. 1970, je nachdem, wo man nachschlägt. Wir konnten das auch im Vorgespräch nicht ganz genau eruieren. Es trug den Titel Der Enkel des Löwenjägers und es erschien im Obelisk Verlag. Seit 1975 ist sie freie Schriftstellerin, dezidiert für Erwachsene zu schreiben, begann sie allerdings etwas später, ab 1988. Dass das Schreiben zu ihrem Leben gehört wie die Luft zum Atmen, belegen zahlreiche Neuerscheinungen auch im nicht mehr ganz so jungen Alter. Regelmäßig erscheinen neue Bücher von Renate Welsch. Ganz neu ist ein Gedichtband, dieser hier, aus dem wir heute vermutlich etwas hören werden. Er ist im September im Cernin Verlag erschienen und trägt den Titel »Leih mir dein Ohr«. Anlässlich ihres 85. Geburtstags gratulierte die Interessensgemeinschaft Autorinnen, Autoren, deren Vorsitzende Renate Welsch einmal war, per Aussendung wie folgt, Zitat, Renate Welsch ist auf eine sehr unspektakuläre Weise eine der bedeutendsten und auf eine ebenso selbstverständliche Art eine der exponiertesten österreichischen Autorinnen der Gegenwartsliteratur. Sie ist es zweifach, als hoch deekorierte Kinder- und Jugendbuchautorin und als erfolgreiche Romanschriftstellerin. Und sie ist es ganz besonders als eine Autorin der großen Frauenrollen in der Literatur. Zitat Ende. Renate Welsch wurde Zeit ihres Schriftstellerinnenlebens vielfach ausgezeichnet, um nur einige wenige Preise zu nennen, der Theodor-Gramer-Preis 2017, der Österreichische Würdigungspreis für Jugendliteratur 1992, der Deutsche Jugendliteraturpreis 1980, der Kinder- und Jugendbuchpreis der Stadt Wien insgesamt achtmal zwischen 1977 und 1998, zwischen 1977 und 1998, sechsmal der österreichische Staatspreis für Kinder- und Jugendliteratur zwischen 1977 und 2003 und überdies wurde ihr 1992 der Titel Professorin verliehen. Ich bin Ihnen noch den Gesamtmoderator der Reihe Denken, Leben, Schreiben schuldig. Zuerst darf ich auch ihn ganz herzlich im Stifterhaus begrüßen. Herzlich willkommen, Michael Kerbler. Schön, dass du wieder bei uns bist. Hallo. An dieser Stelle, in dieser Reihe, habe ich ganz oft auf die fast 40-jährige Tätigkeit von Michael Kerbler für den ORF verwiesen, auf seine Rolle als Krisenberichterstatter aus aller Welt und seine langjährige Leitung der Ö1-Senderei im Gespräch. Sie haben das vermutlich schon oft gehört, daher heute etwas anders. Also die Senderei im Gespräch war für mich als Student immer ein Fixplatz im wöchentlichen Kalender. Seine Stimme ist mir daher seit vielen Jahren bestens vertraut, auch wenn ich ihn erst später kennenlernen durfte. Aber schon damals habe ich bewundert, wie er sozusagen Schritt um Schritt zu den wesentlichen Fragen vorgedrungen ist. Und es war für mich als Hörer immer nachvollziehbar, in seinen Gesprächen mit Peter Handke, Günter Grass oder vielen anderen, welche Denkansätze, Ansichten und Weltanschauungen seine Gäste vertreten. Eine Besucherin des Stifterhauses hat es nach einer Veranstaltung mir gegenüber allerdings einmal mit viel poetischeren Worten ausgedrückt. Es ist so ein halbes Zitat, denn sie sagte, es sei ein Vergnügen, Michael Kerbler beim Gespräch zuzuhören, denn man habe das Gefühl, man könne ihm regelrecht beim Denken zuschauen. Ich fand, das ist ein Kompliment, das wollte ich mit Ihnen teilen. Ich wünsche uns jetzt einen interessanten Abend mit Renate Welsch und Michael Kerbler und darf unsere Gäste auf die Bühne bitten. Vielen Dank. Ja, einen schönen guten Abend. Servus, Renat. Wir haben ein Gespräch mit Lesungen vor. Gespräch mit Lesungen vor. Das Leih mir dein Ohr. Das ist mir jetzt bei der Einmoderation von Stefan Kügelberger eingefallen. Das ist eigentlich eine Aufforderung ans Publikum. Du musst nur zuhören können. Den Rest machen wir. Aber zuhören, nur zuhören. Gut, also vielleicht kommen wir auch dann noch zu dem, wie es zum Titel kam. Ich fange mal ganz woanders an. Ich fange mal ganz woanders an. In meinen Unterlagen habe ich den Erich Fried gefunden. Aus dem Leben bin ich in die Gedichte gegangen. Aus den Gedichten bin ich ins Leben gegangen. Also, was ist jetzt richtig? Wann hast du begonnen zu schreiben? Schon als Kind oder erst später? Und vor allem, was war der Auslöser? Ich glaube, ich habe als sehr kleines Kind zu schreiben begonnen, weil das für mich die einzige Möglichkeit war, zu sagen, ich bin auch da. Also es einen Platz für sie auf der Welt gibt. Das Schreiben war aber nicht das Schreiben von Tagebüchern. Das Schreiben war aber nicht das Schreiben von Tagebüchern. Hast du wirklich, waren am Anfang schon Gedichte oder hast du Geschichten geschrieben? Ich habe ganz am Anfang natürlich die üblichen sehr schlechten Gedichte geschrieben. Wenn ich Gedichte geschrieben habe für meinen Vater, dann hat er zumindest kurzfristig Freude an mir gehabt. Also es war eine Möglichkeit zu beschenken, das war wichtig. Und ich war sehr scheu, sehr schüchtern, sehr verwirrt. Meine Kinder sind oft verwirrt, aber ich war wahrscheinlich noch verwirrter. Und sehr verwirrte Kinder werden von anderen Kindern sehr schnell an den Rand gedrückt. Und ich habe mir mit Geschichten schreiben und auch mit sehr unanständigen Dingen wie Hausaufgaben für die größten Prügler in der Klasse zu schreiben einen Freiraum geschaffen. Also ich kann zwar sonst nichts, ich kann nicht so schnell laufen wie die anderen und ich kann überhaupt nicht raufen. Aber ich habe keinen großen Bruder, mit dem ich prahlen kann. Aber ich kann Geschichten erzählen. Das war Überlebensstrategie. Also eine Art abgeschirmte Parallelwelt? Ja. Weil du jetzt gesagt hast, an den Rand gedrückt werden. Da war noch etwas, was dich als Kind behindert oder gehindert hat, mit den anderen auch im Streitgespräch zu realisieren, weil du beim Sprechen eine Schwierigkeit gehabt hast. Ich konnte kein R sagen. Und wenn du Renate Rettenbacher heißt und kein R sagen kannst, ist das schwierig. Außerdem konnte ich kein Dialekt und das ist sehr schlecht. Ich habe für meine Begriffe Dialekt gesprochen, aber das war nicht überzeugend für die, die wirklich Dialekt gesprochen haben. In Aussie? Ja. Ich habe halt nicht gepasst. Ich habe nirgends gepasst. Und dieses Nichtpassen war wahrscheinlich später, es war ein Nachteil, aber ein Nachteil, aus dem ich später auch eine Quelle von Kraft für meine Bücher bezogen habe. Aus diesem Nicht-Passen kann auch Empathie für andere entstehen. Also die, die ganz passen, die werden vermutlich keine Bücher schreiben. Weil ja die Weihnachtszeit, weil wir mittendrin sind im Advent, Weihnachtszeit, weil wir mittendrin sind im Advent. Wir sind draufgekommen, dass wir ähnlich, also ich habe in Wien, sagt man, schrecklich gezutzelt. Und du hast erzählt mir dann als Replik darauf, ja, mein Herr. Und dann die schlimmen Situationen, in die Kinder kommen, wenn Weihnachten ist und wenn ein Weihnachtsgedicht aufzusagen ist. Schrecklich, gell? Absolut schrecklich. Das war eins von den jährlich wiederkehrenden Demütigungen. Die Kinder vom Doktor müssen in dem Kloster, wo der Vater Hausarzt war, jährlich wiederkehrenden Demütigungen. Die Kinder vom Doktor müssen in dem Kloster, wo der Vater Hausarzt war, den alten Nonnen ein Gedicht vorsagen bei der Weihnachtsfeier. Da ist man vorher auf den Friedhof gegangen, weil alle Feste haben bei uns mit dem Besuch beim Grab unserer toten Mutter begonnen. Unsere Mutter ist gestorben, als ich vier Jahre alt war. Und dann bist du so in dem Saal im Kloster und alle die sehr lieben alten Nonnen, von denen manche ihr Bedürfnis nach Kindern an mir ausgetobt haben und ganz lieb zu mir waren, schauen mich erwartungsvoll an und alle anderen können ihre Gedichte, und ich habe tonnenweise Gedichte auswendig gekonnt, aber wenn alle so erwartungsvoll schauen, habe ich still erleuchtet alle Gassen und aus war es. Und es war schrecklich. Und dann habe ich nur gewusst, dass ich diese fürchterlichen zwei Glatzwerferkerzstrümpfe angehabt habe. Und die anderen haben weiße Strumpfhosen damals schon gehabt oder Sockerln. Und ich habe gewusst, dass das wie ein Wasserfall runtergeht, weil ich natürlich diese Dinger, die man eingehackt hat, damit die Strümpfe nicht runterfallen, da habe ich immer was davon verloren. Und dann hatte ich einen Groschen drinnen stecken und den Groschen verloren. Und das war alles furchtbar. Und sowieso war ich furchtbar, weil ich kein Sohn war. Ich hätte ja ein Sohn sein sollen. Und dann wurde immer gesagt, ja, sie schaut der Frau Doktor so ähnlich, also meiner Mutter, und dabei war die Frau Doktor eine schöne Frau. Also, und dann angeschaut werden, das war schrecklich. Und dann habe ich halt meine eigenen Geschichten geschrieben. Und dann hat mein Vater wieder geheiratet und meine Stiefmutter und ich. Das war eine reine Katastrophe. Ich habe ungefähr 70 Jahre gebraucht, bis ich sie mir zurecht geliebt habe. Aber dann war es gut. Und sie hat dann auch mit dem Sterben gewartet, bis ich gekommen bin. Also zum Schluss hat sie mich gemocht, aber das hat 70 Jahre gedauert. Die, das ist ja nur ein kleiner Einblick in die Kindheit, die wahrlich nicht einfach war. Und wenn ich so ein paar Bücher von dir in Erinnerung rufe, dann denke ich mir, wie hätte Renate Welsch geschrieben, wenn sie eine glücklichere Kindheit gehabt hätte. Ist das sozusagen das Fundament, auf dem du aufbaust, auch die Fähigkeit, nämlich Einfühlungsvermögen, Empathie für andere Schicksale zu haben, resultiert das sozusagen aus der eigenen Kindheit? Jetzt will ich das Wort Therapie gar nicht in den Mund nehmen, das ist eine andere Geschichte. Aber wirklich Einfühlungsvermögen für den anderen, nämlich ihm zuzuhören. Leih mir dein Ohr, um ihn zu oder sie zu verstehen. Ja auch die Freude, die du aus dem Zuhören gewinnen kannst. Also wie Menschen Freude daran hatten, wenn ich als Vatersbotenjunge Medikamente gebracht habe und sie mir ihr Leben erzählt haben und ich saß auf fremden Sofas oder auf fremden Kohlenkisten, je nachdem in welche Familie ich gekommen bin mit den Medikamenten. Und plötzlich war ich wichtig, weil ich zugehört habe. Und ich habe fürs Zuhören so viel Wärme und Freundlichkeit gekriegt. Und die haben sich gefreut, dass ich da war. Die haben sich so gefreut, wie sich mein heißgeliebter Großvater gefreut hat, wenn ich gekommen bin. Der ist dann leider gestorben, als ich acht war und das war der größte Verlust, abgesehen vom Tod meiner Mutter. Aber das Zuhören war ein Geschenk, das ich geben konnte, aber auch, dass ich nehmen konnte. Und dieses Geben und Nehmen, das ich geben konnte, aber auch das ich nehmen konnte. Und dieses Geben und Nehmen, das war fein. Und dieser Großvater, der mir Homer auf Griechisch vorgesagt hat, und ich habe kein Wort verstanden, aber es war so schön, wie seine Stimme anders gegrummelt hat, wenn er Griechisch gesprochen hat und anders gegrummelt hat, wenn er Deutsch gesprochen hat. Und das war auch eine Quelle von Sicherheit. Bücher können Sicherheit geben. Bücher können Sicherheit geben und das ist auch ein unglaubliches Privileg, wenn man das erlebt hat. Wie kommst du oder bist du damals ins Schreiben gekommen? Also ich denke mir, nach einiger Zeit sich überlegen, wie man eine Geschichte entwickelt. Kannst du dich erinnern, worum sich die ersten Geschichten gedreht haben? Waren es Tiere, waren es Erlebnisse als Kind, war es Sonne, Mond und Sterne? Was hat dich bewegt? Ja, es war schon Sonne, Mond und Sterne. Es war Schauen. Also vom Großvater habe ich Schauen gelernt. Schauen auf ganz kleine Dinge. Schauen auf Menschen. schauen auf Menschen, die Freude an demude daran, dir was zu erzählen. Und du hast wieder Freude daran, dieses Erzählte in dir umzubauen zu einer anderen Geschichte. Weil sich ja aus jeder Geschichte eine andere Geschichte entwickelt. Geschichten bringen Geschichten auf die Welt. Mir fällt jetzt, warum auch immer, die Christine Lawand ein. habe ich unlängst gelesen. Immer, die Familie hat kein Geld gehabt. Also ist sie in die öffentliche Bibliothek gegangen und hat gelesen und gelesen und gelesen und die Bibliothekarin hat nicht einmal gewusst, was sie dem Mädchen noch zum Lesen geben soll. Und dann hat sie ihr einfach ein Buch in die Hand gedrückt und schau dir mal das an. Und es war Rainer Maria Rilke. Und sie hat in einem Radiointerview damals gesagt, dass ich nachgehört habe, es war so, als würde man in mir einen Brunnen schlagen. Also allein das Bild, was da sozusagen empor gestiegen ist, als Resonanz auf das, was sie gelesen hat. Und dann hat sie auch gesagt, ich habe angefangen, Gedichte zu schreiben. Und was mir so gut gefallen hat, sie hat gesagt, am Anfang war das alles sehr rilkisch, was ich da geschrieben habe. Was waren deine ersten Gedichte, die du von anderen gelesen hast? Hast du eine ähnliche Erinnerung? Ich weiß, ich habe sehr früh auch Rilke gelesen und war besoffen von Rilke. Ich war von der Sprache besoffen und habe das Stundenbuch sehr bald auswendig gekonnt. Ich glaube, es hat ein tiefes Bedürfnis in mir befriedigt, dieses Bedürfnis nach Eingebundensein. Außerdem hatte ich so sehr große Heilshoffnungen auf Bücher. Also Bücher können alles, Bücher können die Welt verbessern, Bücher bieten einen Wald, in dem du dich verirren kannst, aber du wirst nie in die Irre gehen. Du kannst dich verirren, aber nicht in die Irre gehen. Wenn du dich verirrst, dann ist da eine Lichtung und in der Lichtung scheint die Sonne und da gibt es Heidelbeeren. scheint die Sonne und da gibt es Heidelbeeren. Also so eine Zuversicht, dass Bücher immer da sind, eines der schlimmsten Dinge ist, wenn du Leseverbot hast. Das ist so schlimm, wie bestraft werden mit man spricht nicht mit dir. Also eine der erzieherischen Maßnahmen, mit denen ich gequält wurde, war, dass drei Wochen lang nicht mit mir gesprochen wurde und das war schrecklich. Ich habe meine Freundin beneidet, weil ihre Mutter ihr eine Ohrfäge gegeben hat, wenn sie schlimm war und dann war es wieder gut. Jetzt muss ich nachfragen, Mutter eher eine Ohrfäge gegeben hat, wenn sie schlimm war, und dann war es wieder gut. Ja, jetzt muss ich nachfragen, gibt es einen Unterschied zwischen was ein Gedicht von wegen Heilwirkung, was ein Gedicht schaffen kann, oder zustande bringen kann, im Gegensatz zur Prosa, im Gegensatz zu einem Theaterstück. Was ist das spezifisch Hilfreiche an Lyrik? Ich glaube, dass es dich so durch seine Musikalität in dir was anderes, andere Seiten zum Klingen bringt. Und so wie die lauten, die mittelalterlichen lauten ja immer dann diese mitschwingenden, nicht angeschlagenen Lauten, die mitschwingen. Du weißt nicht, warum es auf dich so wirkt, weil es in Wirklichkeit Dinge anspricht, von denen du keine Ahnung hast. Du verstehst es nicht. Und wenn du es verstehen würdest, würdest du es erst recht nicht verstehen. Es hat mal eine Anthologie von sehr klugen Aufsätzen über Umgang mit Lyrik mit Kindern gegeben. Mit dem herrlichen Titel Versteh mich nicht zu schnell. Und das halte ich für ganz, ganz wichtig. Also dieses Verstehen, das mit dem Kopf nichts zu tun hat. Und ich war an sich auf einer Seite sehr rational, ich wollte immer Wallungen wissen, war mein Lieblingswort. Aber andererseits habe ich dieses tiefe Bedürfnis nach, ich war fürchterlich liebeshungrig. Ich habe, das bin ich wahrscheinlich heute noch. Das ist Resonanz. Ja. Ich habe, also weil ich vorher davon erzählt habe, dass ich gezutzelt habe, ich hatte eine ganz tolle Lehrerin in der Volksschule, die sich in der Direktion dafür eingesetzt hat, dass ich eine Logopädin bekomme. Und ich durfte im Unterricht zweimal in der Woche zu der Logopädin gehen. Und meine Volksschullehrerin Maria Kuch-Jeder, ich werde sie nie vergessen, eine der wichtigsten Frauen in meinem Leben, die hat mich dann auch noch zum Vorleser in der Klasse gemacht, um zu kontrollieren, ob ich eh brav übe. Und was mir geblieben ist, ist Gedichtes erst recht zur Wirkung. Und ich könnte mir gar nicht vorstellen, vielleicht wenn ich im Zug sitze, dann wäre das etwas seltsam, wenn ich jetzt plötzlich, jetzt plötzlich, wer, wenn ich schrie, ja, lass mir den Rilke, also, dass ich da laut vorlese. Aber Gedicht, so ist es mir auch mit deinen Gedichten, Leih mir dein Ohr, gegangen, dass es einfach, wenn man es laut liest, der Zugang zum Inhalt einfacher ist. Gedichte wollen laut gelesen werden. Das ist ein Stichwort. Gut. Ich glaube, es ist ja- und ausgeatmet haben, gesättigt von dem, was andere gegessen, getrunken, geraucht haben. gesättigt von dem, was andere gegessen, getrunken, geraucht haben. Schon wieder tritt dir ein Mensch auf den Fuß, auf den linken, den mit dem Halux. Neben dir schreit ein Mann in sein Handy, bedrohlich klingt es, oder meint er nur, er müsse den Lärm übertönen? Du versuchst, dich an die Halteschlaufe zu klammern, haben die Recht, die spotten dein Menschenbild, sei abhängig vom Abstand zwischen dir und den anderen. Einer von diesen breitbeinig hingefletzten Jugendlichen blickt von seinem Handy auf und bietet dir seinen Sitzplatz an. Freund, warst du vielen, schenktest jedem ein offenes Ohr, fülltest Wein ins Glas, Kaffee in die Tasse, nahmst wichtig, was dir die andere, der andere zu sagen hatte, verglichst es nie mit der Last, die du trugst, die dir im Nacken hockte, pflastertest nicht zu mit ungebetenem Rat, aber das richtige Wort fandest du oft, das einen schmalen Spalt auftat, der ein Staubkorn zur Sternschnuppe machte, kurz aufleuchten und hoffen ließ auf die nächste. Als auch der Druck auf den Knopf deines Rollstuhls nicht mehr möglich war, wuchs deine Begeisterung für den Tanz. Leih mir dein Ohr. Nach so viel vergeblichem Schreien im Raum ohne Echo ist meine Kehle vertrocknet, meine Zunge rau wie Zunder. Die Wörter sind verschüttet unter scharfkastigen Schlacken. Taub bin ich geworden und starr vor Angst, weil das Geröll über mir bei der kleinsten Bewegung einzubrechen droht. Leih mir dein Ohr, noch glaub ich an Wunder, trotz allem glaub ich an Wunder, an die Kraft des Zuhörens glaub ich. Leih mir dein Ohr, löse mir die Zunge. Ich träume von einer Tür mitten in der Landschaft, die nur dazu da war, offen zu stehen, damit alle wussten, ihr seid angekommen, ihr seid willkommen. zu stehen, damit alle wussten, ihr seid angekommen, ihr seid willkommen. Ich wollte endlich zu Hause sein, ohne beweisen zu müssen, dass es mich geben dürfe. Zwischen Tür und Ange habe ich gewohnt. Was soll ich sagen, was soll ich schreiben, kümmert eh keinen, was mit mir ist. Gesenkte Köpfe, ein Bleistift bricht ab, wie laut das sein kann. Ich kann nicht schreiben, ich muss nicht schreiben, ich war in der Hilfsschule. Gar nichts muss ich, sterben muss ich. Das ist doch ein Text, schreib ihn auf. Ich kann nicht schreiben. Darf ich es für dich schreiben? Diktierst du mir? Von mir aus. Ich lese seinen Text vor. Alle klatschen. Der Titel dieses Gedichts ist Schreibwerkstatt. Ja, habe ich vergessen. Ich finde das deshalb so spannend, weil du ja, wer bin ich und wenn ja, wie viele, viele Renate Welsch es gibt. Also die eine Renate Welsch in dem Fall hat Leute zusammengeführt, die dann nicht damit sie Schriftstellerin oder Schriftsteller werden, unter Anführungszeichen unterrichtet in einer Schreibwerkstatt, sondern was war das? Das ist kein Unterrichten, das ist Hebamme sein. Das ist Hebamme sein, weil du ja nur das, was da ist, herausholst. Du kannst ja nicht unterrichten, ist ja doch auch was aufpflanzen. Ich kann nichts aufpflanzen, ich kann nur das herausholen, was ohnehin da ist. Und Mut machen zur eigenen Sprache und dazu, dass das wichtig ist, was du zu sagen hast. Zur Sprache bringen. Zur Sprache bringen, dass in dem Moment, wo es zur Sprache gebracht wird, wird es veränderbar, nimmt Gestalt an. Und was gestaltlos ist, ist viel bedrohlicher als das, was Gestalt hat. Darum mache ich immer noch Schreibwerkstätten und macht mir auch Freude, also macht mir wirklich unglaublich viel Freude. war eine Schreibwerkstatt für Obdachlose, der Winzirast. Aber du warst auch mit Bergbäuerinnen sogar bis nach Afrika unterwegs. Ich habe immer den Eindruck, die Leute sollen sehen lernen, nicht nur hören. Sie sollen genauer hinschauen und es beschreiben, weil sie auf sich selber drauf kommen damit, sich auf die Schliche kommen. Das, was du erlebst, das, was du fühlst, zur Sprache zu bringen, wird dein Eigentum. Und du nimmst deine Erfahrungen in Besitz und sie sind etwas, Und sie sind etwas, kannst du draufsteigen und aus einem anderen Blickwinkel deine eigenen Erfahrungen betrachten und vielleicht etwas verstehen. Das Verstehen ist ein schwieriges Wort, weil ich glaube, wenn man behauptet zu verstehen, dann versteht man meistens überhaupt nicht. Und behauptet zu verstehen, dann versteht man meistens überhaupt nicht. Aber du kannst dein Nicht-Verstehen akzeptieren, was auch eine Form von Verstehen ist. Was ein Rückgriff auf deine eigenen Erfahrungen als Kind, wie du es vorher beschrieben hast, ist, ein Rückgriff auf deine eigenen Erfahrungen als Kind, wie du es vorher beschrieben hast, ist, die Welt sich zu erschreiben, um sie besser verstehen zu können. Der Tucholsky hat zwar geschrieben, wer zu verstehen beginnt, versteht nichts mehr, er starrt entgeistert auf das Welttheater. Also das ist mir jetzt eingefallen, wie du das gesagt hast. Ja, dieses Türen aufmachen und zeigen, du zählst. Dieses Du zählst. Und du zählst nicht, wenn du lieb und brav bist und die Funktionen erfüllst, die du für mich erfüllen sollst, sondern du zählst, weil du du bist. Punkt. Mehr braucht es nicht. Ich glaube, das ist die beste Beschreibung, hätte ich dich gefragt. Warum schreibst du? Wen willst du erreichen? Du hast das uns jetzt gerade, ohne dass ich die Frage stellen konnte, erklärt. Es gibt einen wunderbaren Satz von Paul Celan, der bei seiner Bremer Literaturpreisrede gesagt hat, dass er kein Freund der Vergesellschaftung des Innenlebens ist. Und er hat gesagt, er hofft, ein Gedicht erfüllt so eine Art Funktion einer Flaschenpost, die irgendwann mal angespült wird, und zwar an Herzland. Und dieser Begriff Herzland heißt, das Gedicht, meiner Meinung nach, bitte mir zu widersprechen, das Gedicht erreicht mich nicht da. Es erreicht mich vielleicht über den Bauch, aber viele Gedichte gehen wirklich ins Herzland. Auch wenn das jetzt kitschig klingt, aber für mich ist es so. Ich glaube nicht, es klingt dann kitschig, wenn das so ein Herz mit Rüscheln ist. Aber das ist ja auch wieder eine der Funktionen von Lyrik und vom Schreiben überhaupt, ist die großen Wörter von diesen schrecklichen Dingen, die sie verkrustet haben und ihre Lebendigkeit genommen haben, weil sie so missbraucht worden sind. Da muss man sie putzen. Also die Sprache zu putzen von all dem Unrat, das ihnen angetan worden ist, angetan worden ist. Dass die Flaschenpost vielleicht eine ganz gute Metapher dafür und es ist ganz lustig, dass du immer wieder Leute erwähnst, die so zu meinem heiligen Schrein gehören. Ich weiß jetzt nicht, ob die Hilde Domin auch zum Heiligenschrein gehört. Das war damals in Kärnten. Da gab es die österreichischen Literaturtage. Und das war zu einer Zeit, also 70er Jahre, wo das Gedicht, wo die Lyrik nichts wert war. Also, er hat keine Funktion, ist sozusagen, ja, Rüschel, sage ich jetzt einmal, sehr despektierlich. Und Domain, die ja aus Deutschland weggegangen ist, um den Nazis zu entkommen, nach 20 Jahren zurück nach Deutschland gekommen ist, sehr politisch war. in einem Radiointerview damals in Klagenfurt gesagt, gefragt, befragt, Frau Doming, was soll ein Gedicht? Ich zitiere sie jetzt, ich verlange von den Gedichten, dass sie tun, was Gedichte zu tun vermögen, dass sie den Menschen im Leser mobilisieren. Und du schreibst ja nicht nur Gedichte, sondern auch Biografien, auch politische Biografien, auch die Geschichte Dorothea Neff zum Beispiel, das Porträt, die ihre Freundin, die Jüdin war, versteckt hat und gerettet hat. Gibt es Gedichte, die du selber als politische Gedichte bezeichnen würdest, die du verfasst hast? Also ich glaube, dass sie alle irgendwie politisch sind, weil sie von einem Menschenbild ist. Und dass ich mir manchmal mühselig putzen auch antut, indem er andere foltert. Deswegen wird mir der Folterer nicht leid tun, aber es ist mir leid um den Menschen, der er gerne gewesen wäre. Es ist mir leid um den Menschen, der er gerne gewesen wäre. Und das ist, glaube ich, schon was anderes, als ihn nur als das zu sehen, was er ist. Und das ändert nichts daran, dass ich eine wahnsinnige Wut haben kann auf die, die Unrecht tun. Aber ich glaube, das Unrecht tun schlägt sich auch zurück auf den, der es tut. Das ist vielleicht naiv und das ist vielleicht idealistisch, aber soll sein. Kann man mit Gedichten die Welt verbessern? Ich frage das deshalb, weil ich... Verbessern, ja, also Verknappung. Hans Magnus Enzensberger hat ja gesagt, damals als der Balkankrieg war, wenn ihr glaubt, ihr könnt mit Gedichten was ausrichten, vergesst es, schickt es lieber Lastwagen hinunter mit Hilfsgütern. Was er nicht gemacht hat, was er selber nicht geschafft hat. Er hat mit allem Schreiben damals eine Pause gemacht. Aber nicht bei den Gedichten, die er weiterhin geschrieben hat. Das ist ganz besonders. Ich glaube trotz allem, dass Gedichte zwar natürlich nicht die Welt ändern können, aber die Hoffnung darauf, dass die Welt anders sein könnte, wenn wir uns ein bisschen mehr bemühen, also die können sie aufrechthalten. Zumindest diese entsetzliche Einsamkeit, in der Menschen manchmal eingesperrt sind, wie in einem Gefängnis mit Einzelhaftzellen irgendwo im Keller unter der Erde. Da können sie Papierflieger hineinfliegen lassen, die durch irgendwelche Mauerritzen hineinfliegen können, glaube ich. Und ich glaube, es ist notwendig, diese Hoffnung am Leben zu halten. Und deswegen ist es nicht wichtig, ob wir sie verstehen, sondern es ist nur wichtig, dass wir ihnen die Chance geben, an dieses Herzufer irgendwie zu schlagen, wie die kleinen Wellen. Entschuldige, ich klinge so blöd und naiv. Nein, nein, die Hoffnung braucht das trotzdem. Ja, Lieblingswort. Ja, nein, es ist einfach, wir hatten eine Debatte bei einem Symposium bei den Salzburger Festspielen, wo es darum ging, braucht es die Hoffnung um das Trotzdem, damit man Widerstand leistet oder braucht man den Widerstand, weil nur wenn man Widerstand gegen Veränderungen, zum Beispiel politischer Natur, jeder weiß, was damit auch gemeint sein kann in der Gegenwart, dass man aus dem Widerstand in die Hoffnung kommt. Und ein guter Einstieg ist in jedem Fall ein Gedicht. Oder ich habe mit dem Sloterdijk einmal ein Gespräch gemacht und da hat er gesagt, ja, also Philosophie ist dazu da, eine Anregung zu geben, das Leben zu ändern. Und es ist einmal noch Rilke, also es geht nicht darum, das Leben zu ändern, sondern das ändern zu leben. Und da kann die Lyrik schon gut was beitragen. Ich habe die Christine Lavant erwähnt. Wie ist dein Schreiben von Gedichten, es wird mich jetzt interessieren, inspiriert von anderen oder um es jetzt auf die jüngere Vergangenheit, wie es dir gesundheitlich schlecht gegangen ist. War dir ein Buch eine Stütze, war dir ein Gedicht eine Hilfe, einen Zuspruch, dass trotzdem, nein, ich lasse mich nicht, ich schaffe das. Du, ganz banal, ich habe widersprechen gelernt mit Gedichten. Und zwar nicht mit den Gedichten, die ich liebe, sondern mit Balladen. Weil ich war ja ohne Sprache nach dem Schlaganfall. Ich war ja ohne Sprache nach dem Schlaganfall. Und irgendwann ist dann eine Zeile aus der Glocke, aus irgendwelchen Nebelschwaden, die da in meinem verdüsterten Hirn auftaucht. Aber so mit Festge-Irgendwas steht die Irgendwas aus Irgendwas. Ich habe immer in der Nacht die erste Zeile gehabt und habe von einem Wort zum anderen mich handelnd wieder sprechen gelernt. Also ich habe buchstäblich mich an den Balladen, die ich kiloweise auswendig gekonnt habe, wieder sprechen gelernt. die ich kiloweise auswendig gekonnt habe, wieder sprechen gelernt. Also das war eine reine Überlebenstaktik oder eine Sprechenlerntaktik. Und ich ohne Sprache, das geht ja wirklich gar nicht, weil da bleibt überhaupt nichts mehr übrig. Aber jetzt muss ich es doch erzählen. Du hattest, so wie ich, das Glück, eine Logopädin im AKH zu haben, die gesagt hat, was tun sie denn gern? Und Stimme und Lesen und Vorlesen. Und der hast du dann gefolgt. Ja, weil ich sie toll gefunden habe und weil sie so eine Freude gehabt hat, wenn ich so kleine Schritte gemacht habe in die richtige Richtung. Und dieses Bedürfnis, jemandem eine Freude zu machen, das hat mir erleichtert. Und du hast dann im AKH eine Lesung gemacht. Ja. Kannst du uns ein bisschen erzählen, wie das gegangen ist? Das war sehr lustig. Sie hat meinen Mann eingeladen. Und die verschiedenen Mitarbeiter im Krankenhaus, also die Schwestern und Ärzte und Therapeuten, die haben sich hingesetzt, so als wäre es so richtig im Publikum, und haben gesagt, sie haben doch angefangen zu schreiben über das, was Ihnen da passiert ist. Und es stammt von Anfang an, was dann der erste Satz von diesem Roman über meinen Schlaganfall war. Als mich der Schlag traf, war ich nicht dabei. Und dann habe ich diese Notizen vorgelesen und sie haben mich auf beiden Seiten gestützt mit Polstern, weil ich konnte ja auch noch nicht so richtig sitzen oder stehen oder sonst was. Ich habe also meine erste Lesung nach dem Schlaganfall im AKH gehalten und war ganz begeistert und habe gesagt, das Buch müssen Sie schreiben. Und das war ungeheuer aufbauend. Und sie haben gemeint, ich müsste es auch schon deswegen machen, damit die Leute wissen, was für eine wichtige Arbeit sie machen. Und das war so ein zusätzlicher... Ein Auftrag. Ja. Aber die... Nein, das ging überhaupt nicht. Weil alles, was extra pyramidal gespeichert ist, also so wie beim Klavierspieler die Läufe oder so, die gehen ja nicht mehr übers Hirn, du denkst ja nicht mehr drüber nach, also was jetzt für eine Note kommt oder so. Das war ja alles weg. Und ich kann immer noch nicht gescheit Maschinen schreiben, was ich wirklich gut konnte. Also ich habe im Schnitt auf einer DIN A4-Seite maximal einen Tippfehler gemacht. Also wenn ich heute in einer Zeile weniger als vier Tippfehler mache, dann ist das schon ein Erfolg. Und das kränkt mich. Das ist eine Gemeinheit. Es passt nicht zu mir. Und ich will keine Manuskripte abgeben, wo der arme Lektor aus diesem Gewirr von Buchstaben vielleicht was herauszuzeln muss. Du übertreibst. Du übertreibst. Aber das wieder übers Schreiben ins Leben zurückfinden? Ja. Ja. Ganz einfach, ja. Ja. Wenn du dich hinsetzt und den ersten Satz schreibst, egal ob er jetzt mit oder ohne Rechtschreibfehler ist. Weißt du, wo es lang geht? Nein. Wo du hinschreibst? Vielleicht wo ich hinschreibe, aber wo das ist, weiß ich nicht. Ja? Ja, es ist ein... Ja, sie sind... Ich weiß, wo ich hin möchte, aber ich habe keine Landkarte von dort, wo ich hin möchte. Und wie es dort heißt, weiß ich auch nicht. Und ich hoffe, dass ein paar Menschen, die mir wichtig sind, dort auch sind. Diese Frage zielt ein bisschen auf den Unterschied zwischen der Prosa und dem Gedicht. Gibt es da einen Unterschied? Ja, schon. Wie würdest du den beschreiben? Also bei der Prosa habe ich ein ganz striktes Gerüst, das ich aber dann völlig umhaue. Davon bleibt nichts übrig. Aber wenn ich es nicht habe, kann ich nicht anfangen. Also ich brauche einen sauberen Plan, um ihn umzuwerfen. Das ist nicht sehr ökonomisch, aber es ist halt so. Machen sich die Figuren in der Prosa selbstständig? Ja. Dann verstehe ich, was du meinst. Die folgen mir ja nicht. Die folgen dir nicht, ja, okay. Die Hilde Domin hat gesagt, es ist ihr geht so, sie ist dann zu zweit. Das Schreiben ist so eine schizophrenische Arbeit. Ja. frene Arbeit. Die eine Domin, die die Kreative ist und die zweite, die aufpasst, dass das Handwerk stimmt. Und die, also sozusagen mit dieser Gespaltenheit ist sie auch, was Gedicht verfassen angeht, am Tisch, am Schreibtisch gesessen und hat geschrieben. Apropos, weil es mir einfällt, frage ich es lieber gleich, bevor ich es vergesse. Hast du bestimmte Tageszeiten, wo du besser bist, im Frühaufstehen und Hinsetzen und arbeiten oder lieber eine spät berufene? Am allerbesten bin ich dann, wenn ich in der Nacht was schreibe, aber nicht aufschreibe, weil ich meinen Mann nicht aufwecken will und in der Früh weiß ich es nicht mehr, aber da schreibe ich großartige Texte. Alle meine wirklich guten Texte. Die Lavant hat gesagt, sie hat so viel, ich bin gut, weil sie hat viele Gedichte verbrannt, ich bin gut im Zerstören von Gedichten. Die Frage, die mich noch bewegt, ist die Domain von heiße und kalte. Die hat diese zwei Typen, heiß und kalt, beschrieben. Wenn du Gedichte schreibst, ist die Emotion stärker oder die Ratio? Schon eher die Emotion, aber manche Gedichte sind aus der Ratio entstanden und dann hat die Emotion sich eingemischt. Also das gibt es auch. Ich habe vorher natürlich geschwindelt, weil ich gesagt habe, das letzte Mal Rilke. Wir wissen es ja oft nicht, die wir im Schweren sind, bis übers Knie, bis an die Brust, bis ans Kinn. Aber sind wir denn im Leichten froh? Sind wir nicht fast verlegen im Leichten? Unser Herz ist tief, aber wenn wir nicht hineingedrückt werden, gehen wir nie auf den Grund. Und doch, man muss auf dem Grund gewesen sein. Darum handelt es sich. Rilke hat das damals an einen Freund, einen ungarischen Schriftsteller geschrieben. Ich habe auch mit der Cecily Korti darüber geredet, Stichwort Winzirast, die ein Buch mit diesem Titel verfasst hat. Muss man, Renate, tatsächlich am Grund gewesen sein? Ich weiß nicht. Ich glaube, es... Ich meine... Um den Reichtum des Lebens auch genießen zu können. Ich glaube schon, dass so eine, nicht nennen das immer so eine Gewissenserforschung, Du musst dich und alles, was dich ausmacht, komplett infrage gestellt haben, komplett in Frage gestellt haben, weil wahrscheinlich jede Form von Auseinandersetzung mit Kunst im weitesten Sinn eigentlich eine Anmaßung ist, weil wir, wissend, dass wir das nicht können, etwas schaffen wollen, das es vorher nicht gegeben hat. Und das geht ja nicht. Es hat immer alles schon vorher gegeben. Und in dieser Anmaßung und mit vollem Bewusstsein der eigenen Unzulänglichkeit arbeitet man dann und weiß, es reicht nie. und diese Gleichzeitigkeit von Glauben an, das klingt jetzt dann so religiös, ich meine das gar nicht so religiös, aber es ist gleichzeitig Wissen, du kannst es nicht und gleichzeitig daran arbeiten, als ob alles davon abhinge, dass du da das richtige Wort findest. Und diese Gleichzeitigkeit von Hochmut, und das ist ja eigentlich Hochmut. Und Selbstvernichtung, das ist schon manchmal ein bisschen schwer zu ertragen. Gerade bei der Lektüre, also zum Beispiel Seite 38, das Gedicht über die Wahrheit. Ich habe so den Eindruck, es ist ein Vorteil des Älterwerdens, jetzt rede ich einmal von mir, rede ich einmal von mir, dass man schon den Mut haben kann, ein bisschen ehrlicher. Bei dir habe ich den Eindruck, es kommt immer wieder so ein Stück der Suche nach demütigerer Haltung dem Leben gegenüber einzunehmen. Das musst du jetzt aushalten. Ich bewundere, ich habe das bewundert, weil im Lesen eine andere Renate Welsch ist mir entgegengekommen. Darum freue ich mich auch so, dass das Literaturhaus hier vorgeschlagen hat, wir zwei sollen ein Gespräch machen. Also es gibt so viele Wahrheiten und diese, ja, am besten ist, du liest das Gedicht bitte vor. Was ist Wahrheit? Deine Wahrheit, meine Wahrheit, ihre Wahrheit, seine Wahrheit? Müssten nicht alle Wahrheiten Punkte sein an dem Kreis, der sich um die eine Wahrheit dreht, um die eine Wahrheit dreht, die eine, die alle enthält, die Runde, an der niemand sich stößt, sich niemand blutige Wunden holt, die niemanden ausschließt, die vielleicht sogar wärmen könnte, wenn es droht, kalt zu werden? Geben, was man nicht hat, ist nicht möglich, sagen sie. Man kann aber bekommen, was man nicht hat, indem man es gibt. Weil die Sehnsucht eine große Kraft ist. Unlogisch, aber wahr. Vielleicht ist diese vertrackte Sehnsucht nach umfassender Liebe, nach Versöhnung und Harmonie eine angeborene Fehlstellung, eine Störung, ein Mangel an Wirklichkeitssinn kann sein. Wirklichkeitssinn kann sein. Vielleicht ist sie sogar behandelbar. Ich werde mich nicht behandeln lassen. Ich hatte wirklich getan, was ich konnte. Kein Stück Wäsche über Silvester hängen lassen. Linsen gekocht zu Neujahr und Kekse in Fischform gebacken. Es hätte ein gutes Jahr werden müssen. Manchmal, ich gebe es zu, hat mich der Neid gefressen, wenn andere leichtfüßig hüpfend wussten, was Sache war. Der Neid hat mich wieder herausgewirkt. Ich war doch nicht so recht nach seinem Geschmack. Kein schöner Anblick. Es wäre besser gewesen, ich hätte die Milch der frommen Denkungsart getrunken, obwohl Haut drauf war. Was wünscht sich Renate Welsch zu Weihnachten? Aber wenn ich jetzt sage Frieden, dann ist das tatsächlich das, was ich mir wirklich wünsche. Auch, dass mir einer meiner Söhne verzeiht, dass ich so bin, wie ich bin. Aber diese offenen Türen, diese Bereitschaft, du zu sagen, ohne abzuwägen und ohne zu vergleichen. Das wäre schön. zu vergleichen. Das wäre schön. Hast du uns eine Weihnachtsgeschichte mitgebracht? Ja, habe ich. Wenn Sie noch etwas hören wollen. Das wollte ich noch, weil das lustig ist, dass meine Lebensgeister sich von einem läppischen Schnupfen in die Flucht schlagen ließen, beweist, dass sie feige und unfähig sind, überdies auch treulos. Sie sind daher fristlos entlassen, die Stelle wird neu ausgeschrieben. Erwa mit dem Christkind. Ich hatte ein Bilderbuch vom Christkind. Das war auf allen Bildern ein Mädchen mit blonden Locken und blauen Augen und Sternen im Haar. Es backte Kekse in einen Backofen, der auf einer weißen, dicken Wolke stand. Es packte Geschenke in leuchtend buntes Papier, aber nur für brave Kinder. Ein paar Tage, nachdem ich es bekommen hatte, sagte meine Oma, wir suchen jetzt ein paar von deinen Spielsachen aus, die darfst du den armen Kindern schenken. Sind die armen Kinder alle schlimm? fragte ich. Meine Großmutter runzelte die Stirn. Wie kommst du auf die Idee? Natürlich nicht. Manche sind vielleicht schlimm und andere sind wieder sehr brav. Ja, dann bekommen Sie ohnehin Geschenke vom Christkind. Da brauchen Sie meine alten Sachen nicht. Meine Oma schüttelte den Kopf und machte ein trauriges Gesicht. Am Abend hörte ich, wie sie zu meinem Papa sagte, dieses Kind macht mich noch wahnsinnig mit seinen Fragen. Damals hatte ich das Wort logisch gelernt. Fast alles, was ich logisch fand, brachte mich in Schwierigkeiten. Logische Fragen waren gefährlich, es war besser, den Mund zu halten. Das fiel mir schwer. Bald darauf führte mich meine Oma in die Kirche und zeigte mir Maria und Josef und das Kind in der Krippe. Gottes Sohn, oh wie lacht lieb aus deinem göttlichen Mund, sang der Chor. Ich stupste meine Oma. Wieso Gottes Sohn? Weil das Christkind Gottes Sohn ist, flüsterte sie zurück. Was zappelst du so? Musst du aufs Klo? Weil das Christkind Gottes Sohn ist, flüsterte sie zurück. Was zappelst du so? Musst du aufs Klo? Ich war völlig verwirrt. So sehr ich auch nachdachte, ich fand keine Lösung für dieses Problem. Daheim betrachtete ich wieder die Bilder in meinem Buch. Damals glaubte ich noch, dass man in Büchern die richtige Antwort auf alle Fragen findet. Das Christkind war ein Mädchen, aber meine Oma hatte von Gottes Sohn gesprochen. Sehr verwirrend. Ein Jahr darauf bekam ich zu meinem Geburtstag am 22. Dezember ein Christkind aus Wachs. Es hatte ein Beinchen angezogen und eines ausgestreckt. Seine Wangen waren rosig, seine Augen braun und die Fingerchen so zart, dass ich schon beim Anschauen aufpassen musste, keins abzubrechen. Es trug eine richtige Windel aus weißem Stoff und lag auf Stroh in einer Krippe aus Holz. Wunderschön. Aber war es nun ein Bub oder ein Mädchen? Ich zupfte an der Windel. Die war angeklebt und genau, dass sie ärgerlich war, obwohl ich doch gar nichts gefragt hatte. Die Krippe stand auf dem kleinen Tisch neben meinem Bett. Ich schaute das Christkind an und plötzlich fand ich es ganz furchtbar, dass es so nackt auf dem kratzigen Stroh liegen musste und ich auf einem weißen Leintuch zugedeckt mit einer warmen Tuchend. Ich stand auf, holte ein Taschentuch und legte es auf das Stroh, aber es stach immer noch durch den dünnen Stoff. Die Decke in meinem Puppenwagen war viel zu groß. Schließlich fand ich eine Lösung. Ich schlich ins Badezimmer, holte eine Schere und Heftpflaster, schnitt eine Ecke von meiner Tuchhund ab, füllte das Taschentuch mit Federn und klebte es zu. Dann machte ich dasselbe mit einem zweiten Taschentuch. Jetzt lag mein Christkind zwischen zwei weichen Federbetten und hatte es warm. Zufrieden kroch ich ins Bett zurück und dachte nicht daran, die angeschnittene Ecke auch zuzukleben. Als Oma am Morgen in mein Zimmer kam, war der Boden übersät mit Federn und der Luftzug von der offenen Tür ließ die Federn auffliegen. Oma hustete. Als sie sah, was ich getan hatte, schlug sie die Hände über dem Kopf zusammen. Ich war beleidigt. Immer hatte sie gesagt, dass man teilen muss. Ich hatte geteilt und was bekam ich dafür? Nichts als Ärger. Oma sammelte das Stroh ein, das ich aus der Krippe geworfen hatte. Das Christkind ist doch keine Puppe. Von Rechts wegen sollte ich es dir wegnehmen und erst wieder geben, wenn du vernünftig geworden bist. Wahrscheinlich hat sie gesehen, wie verstört ich reingeschaut habe. Das Christkind blieb auf meinem Tisch und ich deckte es mit der Taschentuch, Tuchen zu, sobald Oma die Tür hinter sich geschlossen hatte. So hast du es wenigstens warm, sagte ich. Danke, Renate Wesch. Ich danke. Ich darf mich auch ganz herzlich bedanken bei Renate Welsch und Michael Kerbler für ein sehr interessantes und nunmehr auch vorweihnachtliches Gespräch oder eine vorweihnachtliche Lesung. Ich darf Ihnen allen eine schöne Adventzeit wünschen, ein schönes, frohes Weihnachtsfest und einen guten Start ins neue Jahr, denn heute war die letzte Veranstaltung hier im Stifterhaus für 2024. 2024. Wenn Sie mögen, sehen wir uns wieder am 7.1., wenn Jakob Ebner sein historisches Wörterbuch zur österreichischen Literaturgeschichte hier präsentiert. Das ist sicher hochinteressant. Bleiben Sie uns gewogen und kommen Sie gut nach Hause. Vielen Dank.