Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich begrüße Sie zu unserer heutigen Veranstaltung in der Reihe zum Mittag bei Stifter. Seit 2009 laden wir zur Mittagsstunde immer wieder Autorinnen und Autoren zu Lesungen und oder Gesprächen in unserem Haus ein. Anlässlich des 100. Geburtstages sowie des 50. Todestages von Marlen Haushofer widmen sich die Mittagslesungen im heurigen Herbst. Einige hätten schon im Frühjahr stattfinden sollen. Wir alle wissen, warum das nicht möglich war, dem Werk dieser bedeutenden oberösterreichischen Literatin. Wir haben junge Schreibende eingeladen, sich mit dem Oeuvre Haushofers auseinanderzusetzen, eines ihrer Werke auszuwählen und daraus zu lesen. Im Anschluss an die Lesung gibt es ein kurzes Gespräch und dann, wie immer, ein Teller Suppe. Sie kennen das. Zu Gast ist heute in einer ausnahmsweise leeren Literaturgalerie, die nächste Ausstellung kommt erst und die alte ist, wie Sie sehen, schon abgebaut, Lisa Viktoria Niederberger, die ich ganz herzlich hier bei uns im Stifterhaus begrüße. Lisa Viktoria Niederberger stammt aus Linz und hat in Salzburg Kunstgeschichte und Germanistik studiert. Sie war Mitherausgeberin der Literaturzeitschrift Erostepost. Sie veröffentlichte Prosa-Texte in unterschiedlichen Magazinen und Anthologien. Ihr Debüt, der Kurzprosa-Band Misteln, erschien 2018 in der Edition Mosaik. Einige Exemplare davon finden Sie auf unserem Büchertisch. Das kann ich Ihnen wärmstens empfehlen. Das kann ich Ihnen wärmstens empfehlen. 2019 erhielt Lisa-Viktoria Niederberger die Talentförderungsprämie des Landes Oberösterreich. Und aus dem Werk Haushofers hat sie sich die Novelle Wir töten Stella ausgesucht. Und ich höre jetzt schon auf und freue mich auf die Lesung, auf einen kurzen Ausschnitt aus diesem Text. Sie hören auf, ich fange an, nämlich ganz tatsächlich mit dem Anfang von Wir töten Stella. Danke, es ist interessant, immer wieder fremd Texte zu lesen und nicht die eigenen. Macht demütig. Wir töten Stella. Ich bin allein. Wir töten Stella. ihn und Annette nur gestört und ich wollte ja endlich allein sein. Zwei Tage liegen nun vor mir, zwei Tage Zeit, um niederzuschreiben, was ich zu schreiben habe. Aber ich kann mich schlecht sammeln, seit dieser Vogel, lauter, seit dieser Vogel in der Linde schreit. Es wäre mir lieber, ich hätte ihn heute früh nicht entdeckt. Das verdanke ich meiner schlechten Gewohnheit, stundenlang am Fenster zu stehen und in den Garten zu starren. Hätte ich nur einen flüchtigen Blick hinausgeworfen, so wäre er mir nie aufgefallen. Sein Gefieder ist so grau-grün wie die Rinde des Baumes. Erst nach einer halben Stunde bemerkte ich ihn, weil er zu schreien und zu flattern anfing. Er ist noch so jung, dass er nicht fliegen und noch viel weniger Mücken fangen kann. Zuerst dachte ich, seine Mutter werde sogleich kommen und ihn ins Nest zurückbringen, aber sie kommt nicht. Ich habe das Fenster geschlossen und höre ihn immer noch schreien. Aber sie wird bestimmt kommen und ihn holen. Wahrscheinlich hat sie noch andere Junge zu versorgen. Er schreit übrigens so laut, dass sie ihn, wenn sie am Leben ist, unbedingt hören muss. Es ist lächerlich, dass dieser winzige Vogel mich so irritiert. Ein Zeichen für den schlechten Zustand meiner Nerven. Schon seit einigen Wochen sind meine Nerven in diesem elenden Zustand. Schon seit einigen Wochen sind meine Nerven in diesem elenden Zustand. Ich kann keinen Lärm hören und manchmal, wenn ich einkaufen gehe, fangen plötzlich meine Knie zu zittern an und der Schweiß bricht mir aus. Ich spüre, wie ein Tropfen über Brust und Schenkel rinnt, kalt und klebrig und ich fürchte mich. Jetzt fürchte ich mich nicht, denn in meinem Zimmer kann mir nichts geschehen. Außerdem sind sie ja alle fortgegangen. Nur das Fensterglas sollte viel stärker sein, dass ich dieses Geschrei nicht mehr hören müsste. Wäre Wolfgang hier, würde er versuchen, den Vogel zu retten, aber natürlich wüsste er ebenso wenig wie ich, was man tun könnte. Man muss eben abwarten. Die Vogelmutter wird noch kommen. Sie muss kommen. Ich wünsche es mit meiner ganzen Kraft. Übrigens kann mir ja auch auf der Straße nichts geschehen. Wer in Gottes Namen sollte mir denn etwas antun? Und selbst wenn ich in ein Auto liefe, wäre es nicht schlimm. Ich meine nicht wirklich schlimm. Aber ich bin ja so vorsichtig. Ich schaue jedes Mal nach links und rechts, ehe ich über die Straße gehe, aus Gewohnheit, wie man es mir beigebracht hat, als ich noch ein kleines Mädchen war. Nur der freie Raum um mich herum macht mir Angst. Man merkt es mir nicht an, aber niemand hat es noch bemerkt. Sie kann doch höchstens im nächsten Garten sein oder im übernächsten. Jedes Haus hat hier einen Garten, unserer ist einer der größten und ungepflegtesten. Er ist nur dazu da, dass ich ihn vom Fenster aus sehen kann. Jetzt sind endlich die Lindenblätter herausgekommen, seit es so warm geworden ist. Alles ist ja heuer um Wochen verspätet. Ja, es scheint mir seit einigen Jahren, dass unser Klima sich allmählich verschiebt. Wo sind die glühenden Sommer meiner Kindheit, die schneereichen Winter und der zögernde, sich ganz langsam entfaltende Frühling? Wenn es plötzlich wieder kalt würde, wäre das sehr böse für den kleinen Vogel. Aber ich mache mir unnötige Sorgen. Es ist ja sogar ein wenig phönig. Es kommt ja auch gar nicht an auf diesen winzigen Vogel. Es gibt ja so viele von ihnen. Wenn ich ihn nicht gesehen und gehört hätte, wäre er mir ganz gleichgültig. Ich wollte ja auch gar nicht über diesen unglückseligen Vogel schreiben, sondern über Stella. Ich muss über sie schreiben, ehe ich anfangen werde, sie zu vergessen. Denn ich werde sie vergessen müssen, wenn ich mein altes, ruhiges Leben wieder aufnehmen will. Denn das ist es, was ich wirklich möchte. In Ruhe leben können, ohne Furcht und ohne Erinnerung. Es genügt mir, wie bisher, meinen Haushalt zu führen, die Kinder zu versorgen und aus dem Fenster in den Garten zu schauen. Wenn man sich ruhig verhält, so dachte ich, kann man nicht in die Angelegenheiten anderer verstrickt werden. Und ich dachte an Wolfgang. Es war so angenehm, ihn täglich um mich zu haben. Vom Tag seiner Geburt an hat er immer zu mir gehört. Vom Tag seiner hätte ich Stellas wegen unser friedliches Beisammensein gefährden sollen. Nun, es hätte nicht schlimmer für mich enden können, wenn ich es getan hätte. hätte. Stella rächt sich an mir und nimmt mir das Einzige, an dem mein Herz noch hängt. Aber das ist Unsinn. Stella kann sich ja gar nicht rächen. Sie war schon als Lebende so hilflos, wie hilflos muss sie jetzt erst sein. Ich selber räche Stella an mir. Das ist die Wahrheit und es ist auch ganz in Ordnung so, so sehr ich mich dagegen sträube. Freilich habe ich immer schon gewusst, es würde mal der Tag kommen, es hätte dazu nichts steller bedurft. Früher oder später wäre Wolfgang für mich verloren gewesen. Er gehört zu den Leuten, die sich keine Illusionen machen und die Konsequenzen ziehen. Auch ich mache mir keine Illusionen, aber ich lebe so, als machte ich mir welche. Früher dachte ich, ich könnte noch einmal von vorne anfangen, aber dazu ist es jetzt viel zu spät. Dazu war es eigentlich immer zu spät, nur wollte ich das nicht zur Kenntnis nehmen. Nichts könnte sich mehr lohnen, denn Wolfgang ginge doch von mir weg. Und das ist gut für ihn. Irgendwo las ich, dass man sich an alles gewöhnen könne und Gewohnheit die stärkste Kraft in unserem Leben sei. Ich glaube es nicht. Es ist nur die Ausrede, die wir gebrauchen, um nicht über die Leiden unserer Mitmenschen nachdenken zu müssen, ja, um nicht einmal über unsere eigenen Leiden denken zu müssen. Es ist wahr, der Mensch kann vieles ertragen, aber nicht aus Gewohnheit, sondern weil ein schwacher Funke in ihm glimmt, mit dessen Hilfe er in aller Stille hofft, eines Tages die Gewohnheit zerbrechen zu können. Dass er es meist nicht kann, aus Schwäche und Feigheit spricht nicht dagegen. Oder sollte es zwei Sorten Menschen geben, die einen, die sich gewöhnen, und die anderen, die es nicht können? Das kann ich nicht glauben. Wahrscheinlich ist es nur eine Frage der Wenn wir in ein gewisses Alter kommen, fällt uns Angst und wir versuchen, etwas dagegen zu tun. Wir ahnen, dass wir auf verlorenen Posten stehen und unternehmen verzweifelte kleine Ausbruchsversuche. Wenn der Erste dieser Versuche misslingt, und er tut es in der Regel, ergeben wir uns bis zum Nächsten, der schon schwächer ist und uns noch elender und geschlagener zurückwirft. und geschlagener zurückwirft. So trinkt Richard regelmäßig seinen Rotwein, ist hinter Frauen und Geld her, meine Freundin Luisa verfolgt junge Männer, deren Mutter sie sein könnte und ich stehe vor dem Fenster und schaue in den Garten hinaus. Stella, dieser dummen jungen Person, ist gleich der erste Ausbruchsversuch geglückt. Es wäre mir viel lieber, ich könnte mit ihr tauschen und müsste nicht hier sitzen und ihre jämmerliche Geschichte schreiben, die auch meine jämmerliche Geschichte ist. Viel lieber wäre ich tot wie sie und müsste den kleinen Vogel nicht mehr schreien hören. Warum schützt mich niemand vor seinem Geschrei, vor der toten Stella und dem quälenden Rot der Tulpen auf der Kommode. Ich mag rote Blumen nicht. Meine Farbe ist blau. Es gibt mir Mut und rückt alle Menschen und Dinge von mir ab. Richard glaubt, ich trage meine blauen Kleider nur, weil sie mir zu Gesicht stehen. Er weiß nicht, dass ich sie zum Schutz trage. Das Blau hält alles von mir fern. Stella liebte Rot und Gelb und sie lief in dem roten Kleid, das ich ihr geschenkt hatte, in einen gelb lackierten Lastwagen. Applaus Du hast Germanistik studiert, ich habe das am Anfang schon gesagt. Haushofer war dir also, nehme ich an, auch schon vor dieser Lesung oder vor der Anfrage zu dieser Lesung ein Begriff. Kanntest du ihr Werk oder speziell einige Werke von ihr? Die Wand habe ich gelesen vorher. Also Gegenwartsliteratur und vor allem Gegenwartsliteratur von Frauen ist nach wie vor im Universitätsbüro oder in der Germanistik extrem unterrepräsentiert. Es gibt ein paar Frauen, österreichische Autorinnen, Marlene Haushofer, Anna Mitkutsch, die natürlich thematisiert werden, aber es ist am Rande. Aber das hast du während des Studiums gelesen? Nein, die Beschäftigung mit der Wand, die war aus privatem Literaturinteresse. Ich habe etwas recherchiert, bin auf einen neuen Begriff gestoßen, der mir noch nicht bekannt war, nämlich auf die Bookstar Grammarin. Da spricht man das so aus. Das heißt, du hast einen Instagram-Account und stellst dort auch Bücher vor, gibst Leseempfehlungen, kritisierst und lobst. Und ich habe da drauf geschaut und das mit Interesse angeschaut und bin natürlich, das liegt nahe bei der Durchsicht, auch auf dieses Buch gestoßen. Und du schreibst, ich zitiere das fünfte, ich beginne so, es gibt hier zwei Texte in diesem Buch. Der erste Text ist Wir töten Stella und die zweite Novelle ist das fünfte Ja. Und du hast beide gelesen und sagst, Stella hat mich wirklich reingezogen. Und beim fünften Ja war das aber nicht so. Jetzt die Frage vorweg, die du mir schon beantwortet hast. Die Frage vorweg, die du mir schon beantwortet hast, du hast dir Stella nicht selbst ausgesucht für diese Lesung, sondern hast gefragt, was kann man empfehlen? Genau. Und bist du mit der Empfehlung also zufrieden? Ich bin mit der Empfehlung sehr zufrieden. sehr zufrieden. Vielleicht sprechen wir da eh später noch darüber. Ich habe einige sehr interessante Parallelen zwischen Wir töten Stella und einer Erzählung von mir selber gefunden. Wir haben uns auch darüber unterhalten, dass die Passage, die ich jetzt vorgelesen habe, mich witzigerweise ziemlich an das erste Gedicht, das jemals von mir veröffentlicht worden ist, erinnert, weil es da auch um Vogelbetrachtungen geht, mit der die Betrachterin nicht wirklich zufrieden ist und die die Betrachterin als störend empfindet. Wir töten Stella hat mir unglaublich gut gefallen und das fünfte Jahr, die zweite Novelle, die in diesem Sammelband drinnen ist, die ist halt vom Erzählstil ganz anders, weil die Protagonistin vier Jahre alt ist. Das fünfte Jahr erzählt die Geschichte eines Kindes, das gerade fünf Jahre alt wird. schwierig, glaube ich, dass man als erwachsener Autor oder als Autorin einem kindlichen Charakter eine überzeugende Stimme verleiht. Wenn es nicht um ein Buch von Kindern für Kinder quasi ist. Hättest du ein Beispiel, wo das funktioniert? Nein, eben nicht. Wir haben uns vorher darüber unterhalten, mir fällt kein Buch ein aus der Gegenwart-Literatur, wo ich finde, ein Erwachsener schreibt ein Kind und das ist nicht anstrengend oder nicht lästig. Es wird dann immer die Blechtrommel genannt von Günter Grass, wo ich den Protagonisten auch anstrengend finde. und das ist halt einfach mein persönlicher Geschmack und jetzt weiß ich wieder, warum man nichts ins Internet schreiben sollte, wo man dann nachher nicht irgendwie auf Bühnen rechtfertigen kann, wieso das Internet vergisst nichts. Wir haben ja vorher gesprochen, also ich kann das durchaus nachvollziehen. Also ich bin auch eher bei Wirthüttensteller als bei Das fünfte Jahr. Ich bin auch eher bei Wir töten Stella als bei Das fünfte Jahr. Das fünfte Jahr ist die erste-Texten in diesem Band, also nicht nur Wir töten Stella, auch die Mansade, in gewisser Weise auch die Wand, also thematisch gesehen, unglückliche Beziehungen, unglückliche Bekanntschaften, vielleicht schwierige Bekanntschaften, das nicht ausbrechen können aus einem Gefüge, in dem man gefangen ist oder in dem man sich gefangen fühlt, das man vielleicht auch irgendwie braucht, also ein sonderbares Wegwollen, aber doch dableiben müssen. Körperliche, emotionale Abhängigkeiten, das gibt es bei Haushofer, das gibt es auch bei dir. Mit dem Mond muss man dann laufen, das ist die erste Geschichte in diesem Buch. In diesem Buch ist es eine etwas befremdliche Geschwisterbeziehung, aber auch die Beziehung zu einem Dritten, der in diese Paarbeziehung irgendwie reinkommt und den sie von früher kennen. Am auffälligsten ist es wahrscheinlich in Da ist kein Regenbogen, das ist die zweite Geschichte mit einer Frau, die aus einer Affäre irgendwie nicht rauskommt. Aber auch in dem dritten Text, Daheim auf der Tankstelle, macht sich also eine Hochschwanger auf dem Weg zum Vater ihres ungeborenen Kindes und das ist auch nicht ganz im Sinne des Vaters, glaube ich. Siehst du zuerst einmal die thematischen, oder magst du was zu den thematischen Bezügen sagen, die du hier findest? zu den thematischen Bezügen sagen, die du hier findest? Ich glaube, dass sehr viele dieser Themen, wenn es um Beziehungsstrukturen, um schwierige Beziehungsstrukturen, sei es jetzt wie bei Wir töten Stella und in einem meiner Texte, wie geht man denn mit Betrügen um? und in einem meiner Texte, wie geht man denn mit Betrügen um? Dass das Themen sind, die jedem Menschen, der in Beziehungen steckt oder so früher oder später aktiv oder passiv oder zumindest aus dem näheren Bekanntenkreis irgendwo mal begegnen, genauso wie dieses Kinderthema. Es ist ja in Wirthüttenstelle die Mutter-Kind-Bindung ganz ein zentrales Thema, so wie, wie richtig gesagt, in meinem Text, daheim auf der Tankstelle. Das sind Lebensrealitäten von 50 Prozent der Weltbevölkerung. Natürlich ist es wichtig, die in der Literatur zu thematisieren. Und Marlene Haushofer ist ganz oft in diese Frauenliteraturecke gestellt worden und das ist mir auch schon passiert. Und ich wehre mich halt ein bisschen gegen den Begriff, dass Frauenliteratur etwas Abwertendes ist, weil es eben Themen sind, die 50 Prozent der Weltbevölkerung voll betreffen. Und deswegen denke ich mir, also ich schreibe am leichtesten über Sachen, wo ich ein bisschen einen Bezug dazu habe, Also ich schreibe am leichtesten über Sachen, wo ich ein bisschen einen Bezug dazu habe, wo ich vielleicht nicht unbedingt autobiografisch, aber selbst erlebtes oder erzähltes, beobachtetes verarbeiten kann. Und ich glaube, dass viele Autoren das machen, vielleicht Haushofer auch. Who knows? Who knows, ich nehme es an. Und stilistisch? Stilistisch, in der Passage, die ich jetzt vorgelesen habe, arbeitet Haushofer ganz viel mit so Innenschau. Also es passiert jetzt im Sinne von Handlungsfortschritt nicht wirklich viel. Ich habe jetzt zeitenlang vorgelesen, dass sie an einem Fenster steht und obwohl sie nach draußen schaut, gleichzeitig nach innen schaut. Und dieses Wechselspiel zwischen Außenschau und Innenschau, ich glaube, das finden Leserinnen in meinem Werk auch recht viel. Und diese literarische Taktik, recht viel Inhalt über wenig Handlung zu transportieren, das ist ein Kunstgriff, dem ich mich eigentlich auch sehr gern bediene, weil es total schön ist, wie viel man trotzdem vielleicht erzählen kann, während eigentlich nichts passiert, während zum Beispiel jemand im Zug aus dem Fenster schaut und einfach nur nachdenkt, reflektiert oder in einer Badewanne liegt. Es ist nur vordergründig quasi eine handlungsarme Prosa, aber viel, was dahinter liegt. Ich habe es gesagt, wir bieten uns heuer Haushofer, dennoch interessiert mich, gibt es sonst, Oder interessiert mich, gibt es sonst, du hast gesagt, du hast die Wand gelesen, aber gibt es sonst Autorinnen oder Autoren, wo du sagen würdest, also die finde ich wichtig oder ist sozusagen so etwas wie ein Vorbild,... Der erste, nennen wir es Erwachsenenautor, nach dem ich sehr süchtig war, war T.C. Boyle, der für mich nach wie vor immer so eine Art Vorbild bleiben wird, weil der ja nicht nur für Romane geschrieben hat, sondern regelmäßig immer wieder Kurzgeschichtenwände rausbringt. Und etwas, das ich als große Herausforderung der Kurzgeschichte empfinde, nämlich die Wahl des kurzen Moments, der dann tatsächlich erzählt wird. Diese Auswahl der Episode quasi, sodass eine Geschichte beim richtigen Moment einsetzt und aufhört, das ist eine der großen Herausforderungen meiner Meinung nach in der Kurzprosa und Tissi Boyle, der kann das unglaublich gut, genauso wie ein Österreicher, Clement Zetz, den ich auch unglaublich schätze. Ich bin, wie gesagt, ein großer Fan eigentlich, nach wie vor auch als Leserin von der Kurzprosa, die ein bisschen unterrepräsentiert ist, leider, gerade im deutschsprachigen Raum, meiner Meinung nach. Das stimmt, die ist nicht allzu präsent, aber... Vielleicht jetzt wieder zurück zu Haushofer. Wir haben hier im Oberösterreichischen Literaturarchiv Haushofer-Bestände, also einen Teilnachlass, unter anderem Manuskripte zur Mansarde und zu Himaut, wie Haushofer gearbeitet hat. Ich habe es vorher schon gesagt, das sind so glatten, so gebundene Hefte. Und Haushofer schreibt mit Kugelschreiber in teilweise unterschiedlichen Farben, in einer sehr leserlichen, schönen Schrift, ganz klar eigentlich diese Texte mit nur ganz wenig Korrekturen. Es ist mir vollkommen klar, ich schreibe keine Literatur, aber wenn ich einen Text schaue, weiß ich, so bringe ich das nicht mehr zusammen, weil ich sozusagen irgendwie schon mit Computer und mit Copy und Paste und Umstellen machen kann. Aber wie schaut dein eigenes Arbeiten aus? Gibt es einen Ort, einen Schreibtisch oder eine besondere Zeit? Vielleicht kannst du uns noch etwas sagen, wie du schreibst. Also diesen Ort, den gibt es tatsächlich. Das ist jetzt im Moment einfach bei uns zu Hause die Wohnzimmer-Couch mit den Füßen am Couch-Tisch und dem Laptop auf dem Schoß. und dem Laptop auf dem Schoß. Früher war ich wirklich so ganz klassische Kaffeehaus-Schreiberin, was ich aus bekannten Gründen jetzt auch nicht mehr so bin. Aber dieses Notizbuch und dieses einfach Aufschreiben von Beobachtungen oder so und dieses handschriftlich Planen von Texten, das gibt es bei mir schon auch mit dem Unterschied zu den Haushofer, dass es bei mir absolut unleserlich ist und dass ich, wenn ich meine handschriftlichen Notizen nicht innerhalb von ein paar Stunden oder maximal am Tag transkribiere, in digital, ich selber nicht mehr weiß, was ich da eigentlich wollte von mir. Ich bin jemand, der sehr gerne sehr viel beobachtet und der sich auch sehr gerne in die Situationen, die ich gerade schreiben möchte, bringt. Ich habe gestern, vorgestern eine Szene geschrieben aus meinem aktuellen Manuskript, die auf einem Spielplatz spielt, im Herbst. Was natürlich bedeutet, dass ich am Dienstag drei Stunden mit meinem Notizbuch auf diesem Spielplatz gesessen bin und einfach einmal geschaut habe, was da passiert. Was machen diese Kinder? Ist denen kalt? Gibt es da Kastanien? Was reden die eigentlich? Was haben die an? Wie schaut eigentlich eine Sandkiste im Herbst genau aus? Sachen, von denen ich als Frau ohne Kinder überhaupt keine Ahnung habe. Deswegen muss ich hingehen und schauen, bevor ich darüber schreiben kann. Das ist dein aktuelles Projekt? Das ist einfach, also ich arbeite jetzt an einem Manuskript, wo ich Personen aus den Misteln quasi eine zweite Chance gebe, nur mehr auftauchen dürfen, weil ich das, was ich vorher gesagt habe, diese Auswahl des Moments bei einer Kurzgeschichte, da bin ich da noch irgendwie nicht zufrieden. Ich habe das Gefühl, ich habe da Personen erfunden, die irgendwie vielleicht noch ein bisschen mehr erleben sollten, meiner Meinung nach. Die Zeit wird ohnehin schon knapp. Ich freue mich auf das Weiterleben und wir verfolgen das vielleicht. Kannst du das dann auch bei uns präsentieren? Das würde uns freuen. Ihr könnt mich gerne einladen. Ja, das machen wir auf jeden Fall. Also sage ich jetzt einmal. Warten wir noch ein paar Jahre, bitte. Aufmerksam möchte ich Sie auf jeden Fall auf die nächsten Termine in unserer Reihe machen, zum Mittag bei Stifter. Am 12. November ist Laura Freudenthaler zu Gast und am 26. November Florian Gantner. Eine Suppe dürfen wir Ihnen heute noch reservieren. Sie wissen, das wird im November dann schwierig werden, bei den kommenden Terminen nicht mehr möglich sein, aber seien Sie versichert, wir überlegen Alternativen, dass Sie nicht ganz ohne Verpflegung unser Haus wieder verlassen müssen. Wenn Sie jetzt in Richtung Suppe aufbrechen, bitte, Sie tragen ihn ohnehin schon alle Mund- und Nasenschutzaufsätzen. Es gibt zugewiesene Sitzplätze und die Suppe wird serviert. Also einfach Platz nehmen und warten. Und etwas Wichtiges habe ich noch gar nicht gesagt, es gibt Grießnuckerlsuppe. Ich danke Ihnen für Ihr Kommen, Dir ganz besonders und wünsche Ihnen allen einen guten Appetit und schauen Sie am 12. und am 26. November auch vorbei.