Bussi Bussi Entzugserscheinungen Bestandsaufnahme Status Covid-19 Nummer 24 am 9. November 2020 Vor einem Jahr war unser aller Hauptproblem das Rauchverbot in Lokalen. Vergangene Woche gab es Terror in der Innenstadt, den zweiten Lockdown im ganzen Land und einen US-Präsidenten, der von einer gestohlenen Wahl sprach. Wer Wahl nicht nur zündelt, sondern Brand stiftet und wer weiß, was damit noch anrichtet. Zu viel für eine Woche. Zu viel für uns alle. Zu viel von allem, außer vom Schönen und Angenehmen. Wie reagieren auf all das Vorgefallene? Mit Katatonie? Schockstarre? Knickt man die Schwanzflosse eines Heißverfällter in Katatonie? Schockstarre? Knickt man die Schwanzflosse eines Hais, verfällt er in Katatonie. Er leidet aufgrund der Fülle von Informationen, die durch die Nerven ins Hirn gejagt werden, eine Wahrnehmungsstörung und ist seiner Umgebung vorübergehend hilflos ausgesetzt. Ich fühle mich, als hätte wer meine Schwanzflosse geknickt. Dabei bin ich nicht mal ein Hai. Ich fühle mich, als triebe es mir die Kandare tief ins Maul, die mich verstummen macht, dabei bin ich nicht mal ein Pferd. Wir alle werden von diesem Jahr hart an die Kandare genommen. Wir sind aufgezäumt und eingeschränkt durch Corona-Schutzmaßnahmen. Ja, ja, eine Pandemie ist kein Ponyhof. Es wird Druck ausgeübt, es werden Freiheiten gekappt und dann auch noch Terror und November. Ja, meine Zungenfreiheit lasse ich mir nicht nehmen, meine Zungenfreiheit und meinen Humor. Mir ist gerade nach Wärme und Witze. Gebt mir ein wohliges Filzfeeling, gebt mir Wollsocken, gebt mir Plüschbuschen und Fließjacken. Sind Fließjacken nicht Vollbärte für Arme, Bauch und Rücken? Ja, mir ist gerade nach befreitem Auflachen. Gebt mir durchsichtige Witze. Welcher Beruf hat gerade beste Aussichten? Die Sichtvisierservisierung. Die Umrüstung der Sichtvisiere auf Schneewächten-Schutzschilder. Oh yeah, Winter is coming. Am Rathausplatz wird der Weihnachtsmarkt aufgebaut. All die eigens für Herbst und Winter gerüsteten Gaskärten sind zu. Will ich einen Kaffee, muss ich zum Friseur. Will ich ein Bier, muss ich Eislaufen gehen. Dieser Ansatz gefällt mir sogar. Wer Bier will, muss sich bewegen. Sportverbände wollen digitale Bewegungsoffensiven. Biermotivierte funktionieren bei mir besser. Zwei Stunden Eislaufen, Offensiven Biermotivierte funktionieren bei mir besser. Zwei Stunden Eislaufen, ein Bier, auch ein Pelonsystem. Wir brauchen neue Pelon- und Annäherungssysteme. Die Kontaktarmut wird langsam unerträglich. Ich habe Bussi-Bussi-Entzugserscheinungen. Ich habe einen Umarmungscold-Turkey. Ich bin so sozial entgiftet, ich zitter schon vor lauter Handschlaglosigkeit. Ich will aber wieder Handschlaganfälle. Ich will, dass mir endlich mal wieder wer auf die Schulter klopft. Ich will wieder gelegentlich einen Klopfer haben. Ich will an Türen klopfen, es wird mir aufgemacht und gemeinsam gegessen, getrunken, gelacht. Ich will wieder Unbeschwertheit. Es ist die Mühsamkeit der Dinge, die sich in den Abständen niederlässt. Jede Lücke zwischen den Sesseln ist gefüllt mit Schwere. Ich will den Menschen, den ich gerade zufällig treffe, eigentlich gar nicht so sehr mehr mag, aber respektiere, kenne und eben gerade zufällig treffe, herzlich und durchaus etwas überschäumend, euphorisch, ja, übertrieben begrüßen, umarmen, ja gerne auch links, rechts oder links, rechts, links küssen, ja küssen, umarmen, ja gerne auch links, rechts oder links, rechts, links, küssen, ja küssen, will Schultern spüren, will Wangen berühren, will an Brillenbügel prallen und in Armbeugen versinken, ja, ich will wieder in den Armen anderer liegen, will, dass andere in meinen Armen liegen, ich will kurz in die Ohren der Gegrüßten schauen und dabei allerhand entdecken und mich daran erfreuen, dass das mit der Kurzsichtigkeit immerhin noch klappt. Ich will sogar mir gar nicht so liebe Menschen zur Brust nehmen, Herzen und Drücken. Ich will lieber die Fahnen anderer riechen, als immer nur meinen Lungenauswurf im Maskenkörbchen vor mich hertragen und immer einatmen, ausatmen, einatmen, ausatmen. Ich fühle mich wie mein eigener Dampfgarer, will aber wieder am Dampf anderer teilhaben, will wieder am Leben teilhaben, will wieder Vollzeit leben und nicht ausgangsbeschränkt Gastronomie und kunstlos. Kunstverliebte kritisieren die Schließung der Kulturstätten-Töns aus kurz. Ja, ich bin ein Kulturverliebter, ein Kunstliebhaber und rege mich nicht bloß künstlich, sondern schriftlich, mündlich, video-botschaftlich auf. Und passend dazu, was ist jemand, der sehr empfindlich ist und zu Auszuckern neigt? Filigrantik. Richtig, ich bin filigrantig. Fällt da nichts Staatstragenderes ein? Oh doch, im Regierungsteam, im Seuchenquartett, das aktuell meist ein Seuchentrio und manchmal sogar ein Seuchenduo ist, herrscht Nonsenskonsens. Man ist planlos, aber sich einig. Na dann doch lieber vorübergehende Schuckstarre, meint Markus Köhle in der Montagsdepeche Nummer 24 am 9. November 2020. Danke fürs Zuhören. Nächste Woche hoffentlich fröhlicheres. Bis dann denn. Danke.