Herzlich willkommen an diesem bereits frühlingshaft anmutenden Freitagabend bei einer weiteren Ausgabe der Sendereihe Wassermeyer sucht den Notausgang hier aus dem Studio von DorfTV im sogenannten Wohnzimmer der Abteilung Zeitbasierte Medien in der Kunstuniversität Linz. Ja, in wenigen Tagen, genau genommen am 8. März, begehen wir wieder einmal einen internationalen Frauentag. Dann ist die öffentliche Aufmerksamkeit auf Frauen gerichtet, die dann schon oft wieder nach Mitternacht, am Tag darauf, mit all ihren wichtigen Anliegen, Problemen, Bedürfnissen, weitgehend mit Ignoranz und Gleichgültigkeit konfrontiert sind. Ich gehe davon aus, dass wir auch dann wieder davon lesen werden, dass gerade vor dem Hintergrund der Corona-Krise besonders Frauen zu den Verliererinnen zählen. Auch dann werden wir wieder davon lesen müssen, dass unglaublich viele Frauen eigentlich Opfer von Gewalttaten werden, oft auch mit tödlichen Folgen. Und das, denke ich, ist doch ein wichtiger Hintergrund, auch ein wichtiger Anstoß, sich diesem Thema mal zu widmen. Und umso mehr freue ich mich, dass ich heute bei dieser Ausgabe meiner Gespräche zu Politik und Kultur in Grüßenzeiten einen ganz besonderen Gast begrüßen darf, der mir jetzt auch per Video aus Wien zugeschaltet ist, vielleicht auch vielen bekannt, Lea Susemichl. Lea Susemichl ist Chefredakteurin, leitende Redakteurin der feministischen Zeitschrift Anschläge und ich darf sie jetzt hier begrüßen über Video. Frau Susemichl, freut mich sehr, dass Sie heute bei uns im Studio sind. Danke, ja, ich freue mich sehr über die Einladung. Ja, ich vermute, dass manche vielleicht Lea Susi Michel kennen, dennoch mache ich es auch diesmal so, dass ich ein paar wichtige biografische Eckpunkte nenne. Lea Susi Michel ist in Deutschland geboren und aufgewachsen, studierte Philosophie und Gender Studies in Wien mit Schwerpunkt eben feministische Sprachphilosophie. Als Autorin, Lehrbeauftragte und Vortragende arbeitet sie hauptsächlich zu den Themen feministische Theorie und Bewegung und feministische Medienpolitik. Seit 2006 ist sie eben leitende Redakteurin des feministischen Magazins Anschläge, dem ich dann ja auch noch ein bisschen Aufmerksamkeit schenken möchte. Aber Frau Susi Michel, ich beginne auch bei Ihnen, wie ich es so oft tue, mit einer etwas persönlichen Frage. Wir alle stöhnen mittlerweile seit einem Jahr unter dieser Corona-Krise. Seit einem Jahr unter dieser Corona-Krise, wir mussten sehr, sehr viel von liebgewonnenen Gewohnheiten Abstand nehmen. Unter anderem waren wir doch auch lange Zeit gezwungen, uns privat zu Hause aufzuhalten. Inwieweit empfinden Sie auch diese Zeit, gerade auch als politisch aktive Frau, als einen Verlust an öffentlichem Raum? Es ist definitiv zu einem Verlust des Öffentlichen gekommen. Andererseits finde ich ganz spannend, dass es während der Corona-Krise und durch die Corona-Krise auch zu einer ganz neuen Reflexion von Öffentlichkeit versus privat gekommen ist. Das ist ja eine Frage bzw. ein Gegenstand, der die feministische Theoriebildung immer schon sehr interessiert hat, weil es einfach diese klassische Aufteilung gibt. Frauen sind im Bereich des Privaten eingeschlossen und den Männern gehört der öffentliche Raum. Und diese ausufernde und exzessive Mediennutzung, also dieser Umstand, dass wir jetzt alle den öffentlichen Raum eben im eigenen Wohnzimmer haben, so wie ich jetzt, dass ich aus meinem eigenen Wohnzimmer quasi im öffentlichen Raum spreche, finde ich, bietet auch die spannende Möglichkeit, dieses Verhältnis nochmal ganz neu zu diskutieren. Auch diese Fluchtmöglichkeiten, die sich jetzt auftun, einfach dadurch, dass sich alles ins Netz verlagert und wir alle möglichen Veranstaltungen, alle möglichen Diskursformate jetzt online haben. Also mich nervt das massiv, wie glaube ich die allermeisten anderen auch. Aber andererseits glaube ich, dass wir vielleicht auch Stücke dieser neuen Netzkultur, die für viele eben auch ganz neue Partizipationsmöglichkeiten bietet, das musste ich auch erst quasi lernen von Personen, die dann gesagt haben, sie sind einfach eingeschränkt in ihrer Mobilität oder haben ein schwaches Immunsystem, was nicht nur während Corona ein Problem ist. Und die können plötzlich an Dingen teilnehmen, an denen sie vorher nie teilnehmen konnten. Also es ist in gewisser Weise auch barrierefreier. Andererseits ist es natürlich gerade für Frauen mit kleinen Kindern, auch das weiß ich aus eigener Erfahrung. Oft leichter, man geht an einen anderen Ort und kann dann wirklich dort in Ruhe sich ganz anderen Dingen widmen, als man hat immer die Kinder im Nebenzimmer und im Nacken, die einen sofort wieder stören bei der Mediennutzung. Und noch ein Aspekt. Wir hatten in unserem letzten Heft so eine Kolumne, die mir auch sehr zu denken gegeben hat, nämlich das Heimspiel. Also wir haben verschiedene Kolumnen. In der Kolumne geht es eben um Eltern und um Erziehungsarbeit. Und da hat der Kolumnist geschrieben, dass sie ein Kind zu Besuch hatten und das Kind hat kaum was zur Tür rein nach dem iPad gegriffen und wollte quasi allein sein und spielen und er war so briskiert deswegen und verwundert und hat gesagt, sag mal, das kannst du doch auch zu Hause machen, du bist doch jetzt hier zum Spielen. Und die Antwort war, ich kann es zu Hause nicht, weil die hatten geflüchtete Menschen noch aufgenommen bei sich und waren in einer ganz kleinen Wohnung, ganz viele Menschen, ganz viele Kinder und es war ein stetiger Kampf und es gab einfach keinen Rückzugsraum. Und für dieses Kind war der Rückzugsraum dann tatsächlich das Videospiel, diese kurze Flucht in einen eigenen Raum, wo man eben nicht ständig von der ganzen Familie belagert wird. Also das sind alles Aspekte, die bei allen Nachteilen, die das definitiv mit sich bringt, dass wir jetzt nur noch online kommunizieren, die es zumindest lohnen, da nochmal neu drüber nachzudenken. Ich habe Sie eingangs bereits kurz angesprochen, am Montag, dem 8. März, ist mal wieder internationaler Frauentag. Ich kann mich noch erinnern, ein paar Jahre zurückblickend, da war noch die Rede oder sehr bewusst auch die Rede davon, dass es sich bei diesem Frauentag eigentlich um einen internationalen Kampftag handelt. Jetzt frage ich dich, ob du eventuell meinen Eindruck teilst, vielleicht auch nicht, du eventuell meinen Eindruck teilst, vielleicht auch nicht, dass eigentlich schon sehr viel des Kämpferischen an diesem einen Tag verloren gegangen ist. Das ist halt ein Tag, da schließen sich Bündnisse zusammen, gehen auf die Straße, manifestieren Missstände. Auch da natürlich die Analysen, die Botschaften, sie wiederholen sich Jahr für Jahr. Ist das für dich etwas, womit du dich zufrieden geben willst? Oder was meinst du, wie kann man da wieder auch mehr das Kämpferische hineinbringen? Also ich würde da widersprechen. Ich würde sagen, sorry, wenn meine Stimme ab und zu etwas ein bisschen kratzig oder kieksig ist. Ich bin sehr erkältet. Normalerweise klinge ich nicht ganz so rau. Ich würde widersprechen und sagen, dass der 8. März im Gegenteil in den letzten Jahren wieder sehr kämpferisch geworden ist, wenn wir an die Frauenstreiks denken, die in den letzten Jahren mit unglaublichem Erfolg in lateinamerikanischen Ländern, aber zum Beispiel auch in Spanien stattgefunden haben. Also da gab es eine ganz neue Kraft der Bewegung, ganz, ganz viel Mobilisation. Das hat es nur leider nicht in adäquater Weise in die Medien geschafft. Aber grundsätzlich gab es schon so einen neuen Funken irgendwie mit den Women's Marches, besonders nach Trumps Inauguration, aber nicht nur dadurch ausgelöst, sondern eben vor allem auch durch diese ganz starke Bewegung in Lateinamerika gegen Femizide, die ein Vorbild für viele andere feministische Bewegungen auch in Europa war. Und das sind einmal die sozialen Bewegungen, die feministischen Bewegungen, die auf der Straße sind. Und dann gibt es natürlich den 8. März als Symbol politischen Tag, wo sich dann alle PolitikerInnen einmal im Jahr dazu herablassen, feministische Themen auf die Tagesordnung zu setzen und die dann genauso schnell auch wieder vergessen. Und das ist selbstverständlich ärgerlich und daran muss sich etwas ändern. Aber die Straßenkämpfe, möchte ich fast sagen, die in den letzten Jahren wieder stattgefunden haben, versuchen ja gerade die Auseinandersetzung mit feministischen Themen zu verstetigen und eben dazu beizutragen, dass es eben nicht dabei bleibt, dass es nur den 8. März gibt und danach war es das wieder mit dem Feminismus. Ich nütze jetzt gleich die Gelegenheit und werde die aktuelle Ausgabe eurer Anschläge mal kurz zur Hand nehmen, in die Kamera halten. So sieht sie aus. Das ist ja immer wieder auch sehr eindrucksvoll mitzuverfolgen, wie die Anschläge einerseits immer wieder auch ums Überleben kämpfen. Da hat dann vor drei Jahren, wenn ich mich richtig entsinne, eine große Kampagne gegeben um Unterstützung und Abonnements im Hintergrund unserer Medienlandschaft, der öffentlichen Diskurse. Da gibt es eine ganze Menge Leerstellen, die einfach nicht gefüllt sind, wo dringend auch noch demokratiepolitischer Nachholbedarf gegeben ist. Welche Rolle spielt dabei tatsächlich feministische Publizistik, feministischer Journalismus? Da kann ich jetzt drei Stunden drüber reden, weil das ein Thema ist, das mich eben schon sehr lange beschäftigt und sehr intensiv. Ganz grundsätzlich glaube ich, dass alternative Medien, also der Begriff ist ja leider so ein bisschen diskreditiert, weil die Rechten sich so das Schlagwort alternative Medien angeeignet haben. Wir haben jetzt gerade ein Bündnis BAM gegründet vor zwei Jahren, wo wir den Begriff quasi reclaimen, also Bündnis alternativer Medien. Also ich glaube grundsätzlich, dass linke, emanzipatorische, alternative Medien unglaublich wichtig sind. Einfach, weil Medien ein demokratiepolitisch essentielles Mittel der Kritik und Kontrolle sind und weil, wie Sie eben schon gesagt haben, ganz viele Themen und ganz viele Kritiken in den sogenannten Mainstream-Medien, in den etablierten Medien einfach immer noch kaum einen Platz haben und nicht diskutiert werden. Also wird ja kleinen Medien, die wir ja alle sind, oft vorgeworfen, dass das letztlich immer nur so ein Preaching to the Converted ist. Also die Menschen, die diese Medien lesen, dass sie einen Druck aufbauen können und dass es quasi auch einen Thementransfer gibt. Also von Fragen, die erstmals in kleinen feministischen Medien diskutiert wurden, die dann halt oft, dauert es sehr lange und quälend langsam ist das, bis das dann irgendwie auch mal in anderen Medien diskutiert wird. Langsam ist das, bis das dann irgendwie auch mal in anderen Medien diskutiert wird. Aber es wird diskutiert irgendwannchten, die ständig versuchen daran zu arbeiten, dass immer neue Tabus gebrochen werden und dass immer krass Medien und insbesondere auch feministische Themen sind eben nicht nur diese klassischen Frauenthemen, wie sie genannt werden, sondern jedes Thema ist letztlich ein feministisches Thema. Also es gibt kein Thema, das es nicht wert ist, auch unter einer feministischen Perspektive betrachtet zu werden. Ganz egal, ob es jetzt Asylpolitik ist oder eine Steuerreform, von der bestimmte marginalisierte Gruppen einfach immer ganz besonders betroffen sind. Und oft sind das Perspektiven und Analysen, die man in anderen Medien nie findet. Also ganz egal, es ist keine Klimakatastrophe. Frauen sind von der Klimakrise anders betroffen. Und die Analyse, wie sie das sind, die gibt es einfach in anderen Medien immer noch viel zu wenig. Nun ist es meines Erachtens unbestritten so, dass Österreich bei einer Betrachtung der geistig-kulturellen Großwetterlage ja durchaus als rechtskonservativ zu bezeichnen ist. Da interessiert mich natürlich sogleich, ist das für Sie oder ist das für feministische Interventionen, gerade auch in die Öffentlichkeit, ist das eher ein Ansporn oder muss man da nicht doch drauf achten, da nicht allalong doch sehr mürbe zu werden? Beides. Das ist ambivalent. Einerseits stachelt es einen immer wieder an und macht mir immer wieder dann ist es natürlich so, dass man irgendwann auch fatalistisch zu werden droht und denkt, das hat alles keinen Sinn und wie kann das sein, dass wir solche Rückschläge erleben. Also jetzt gerade global gesehen, da sah es in den letzten Jahren ja wirklich düster aus. Überall sind rechtspopulistische Strongmen wie Trump, aber auch wie Bolsonaro oder Viktor Orban, Putin, wer auch immer an der Macht und setzen eine immer reaktionärere Politik durch. Einerseits, aber andererseits gibt es auch diese erstarkende feministische Bewegung, die meiner Meinung nach viel zu wenig gesehen wird und gewürdigt wird. Also es gab MeToo, das hat natürlich entsprechend Aufmerksamkeit bekommen, aber wie vorhin schon angesprochen, also es gab beeindruckende Streiks von Frauen, die kaum medial rezipiert wurden oder der Widerstand in Polen gegen die Verschärfung von Abtreibungsgesetzen. Also das waren riesige Erfolge und ich glaube, es gibt überall auf der Welt immer mehr Bewegungen, die aufbegehren und deswegen würde ich sagen, es gibt einfach beide Entwicklungen. würde ich sagen, es gibt einfach beide Entwicklungen. Ich greife gleich das eine Stichwort auf, das Sie genannt haben, MeToo, vielen auch bekannt als Hashtag, Hashtag MeToo, das ja tatsächlich in den vergangenen Jahren mehr Beachtung gefunden hat als viele andere Kampagnen, Bewegungen, Ansätze. Das hat natürlich auch vielfach damit zu tun, dass das tatsächlich auch Eingang gefunden hat in viele Mainstream-Medien, die auch global umspannt sind. Jetzt ist das so, dass dadurch auch feministische Zugänge, feministische Kritik natürlich größere Beachtung und auch Popularität gefunden hat. Es gibt aber natürlich auch jede Menge Kritik. Und ich greife da jetzt durchaus willkürlich eine Kritik heraus, die mir halt sehr stark auch ins Auge gestochen ist. Jene der deutschen Philosophin Svenja Flass-Pöhler, die ja quasi das schon auch zurückweist und betont, dass dadurch, also durch MeToo, eigentlich sich viele Frauen, die über sexuelle Übergriffe auch am Arbeitsplatz, in ihren Werdegängen, wo auch immer sozusagen geklagt haben und auch die Solidarität mit anderen Frauen suchen, weil es derer auch so viele sind, dass sie gemeint hat, dass sich die Frauen damit überhaupt nichts Gutes tun, sondern sich im Gegenteil über diesen Hashtag MeToo eigentlich in eine Opferrolle, wie sie es bezeichnet hat, hineingetwittert haben. Was halten Sie dem entgegen? Ja, wo soll ich anfangen? Also insbesondere Svenja Flaspöhler, die ja so ein Buch geschrieben hat, die potente Frau, das wirklich, wirklich ärgerlich war und auch wirklich sehr, sehr schwach philosophisch, hat im Grunde etwas wiederholt, einen Vorwurf, den es ja auch immer, immer, immer wieder gibt historisch und der verlässlich in dem Moment kommt, wo Frauen aufbegehren und versuchen eine Grenze zu ziehen. Also dieses, ihr manövriert euch selbst in die Opferposition, dadurch, dass ihr quasi nicht länger Opfer sein wollt. Also wenn man sich das genau anschaut, ist diese Argumentation wirklich absolut absurd, weil MeToo ja genau darauf abgezielt hat, nicht mehr Opfer sein zu wollen und daraus zu kommen, was ja auch passiert ist zum Glück. Also zum ersten Mal, deswegen bei allem, was man kritisieren kann, der Vereinnahmung, die ja immer wieder stattfindet bei solchen Bewegungen, war MeToo unglaublich wichtig und hat unglaublich viel angestoßen und stößt es bis heute an, obwohl auch da leider zu beobachten ist, dass sie so ein bisschen an Kraft verliert, nicht zuletzt wegen diesem starken Backlash, den MeToo heraufbeschworen hat. Aber letztlich war es unglaublich wichtig, dass Frauen sich solidarisiert haben und verbündet haben und gesagt haben, wo es überall im Argen liegt. Aber sofort, und dann kam sofort der bekannte Vorwurf, ja, ihr macht euch selbst zum Opfer oder ihr seid lustfeindlich. Auch das ist ein Vorwurf, den es immer schon gibt. Also wo bleibt denn das Prickeln, wo bleibt denn das Flirten und wo kommen wir denn dahin, wenn ein Mann einer schönen Frau kein Kompliment mehr machen kann? Also das ist so Flasspöhler-Argumentation. Das ist natürlich vollkommener Unsinn. Also das war immer schon Unsinn, aber es wurde immer schon gesagt und das ist quasi das, was das Klischee der Radikalfeministin auch zu allen Zeiten ausgezeichnet hat, dass man sagt, die sind lustfeindlich. Und da hat auch die ganze sexpositive Bewegung des Feminismus scheinbar nichts geändert. Und dann wird, was auch so ein beliebtes Argument ist, ja, es gibt so viele Grauzonen bei Sexualität und es ist so schwierig. Und es gab ja hier auch die Diskussion vorher schon um den sogenannten Pograpsch-Paragrafen. Was droht denn da den armen Männern, wenn die dann versehentlich bei einer Frau irgendwie an der Hüfte anstreifen und sofort ein Verfahren am Hals haben? Das ist natürlich vollkommen blödsinnig und widerspricht allen realpolitischen Verhältnissen, allen hegemonialen Verhältnissen. Also wir hatten gerade einen US-Präsidenten, der, obwohl er des sexuellen Missbrauchs beschuldigt war und uns sehr viel Evidenz dafür vorlegt, dass das tatsächlich auch der Fall ist, dass er das getan hat, der trotzdem ungehindert die Amtszeit durchgestanden hat. Und dafür gibt es tausend Beispiele, dass sehr viel passieren muss, damit Männer, mächtige Männer wirklich dafür belangt werden, was sie Frauen systematisch oft über lange, lange Zeit antun. Und es wird immer so gemacht, da geht es um irgendwelche kleinen blöden Kommentare, die einmal rausgerutscht sind, also einmal zu viel getrunken hat und die armen Männer werden jetzt alle an den Pranger gestellt. Blaming und so ein klassisches Umkehren der Täter-Opfer-Perspektive, das da passiert. Auch das ist eine Strategie, eine ganz perfide, die letztlich immer wieder zu beobachten ist. Also es sind die armen Männer, die jetzt diese wild gewordene feministische Meute ständig fürchten müssen und ihres Lebens nicht mehr sicher sind. Also wie gesagt, die Fälle, wo es so Verurteilungen gab, selbst bei Harvey Weinstein, der hat noch im Verhandlungssaal gesagt, er ist das Opfer. Also, so ist er zitiert worden. Er ist das wahre Opfer dieser ganzen Geschichte. Da gibt es einfach überhaupt keine Einsichtigkeit und kein Schuldbewusstsein und keine Reue. Und das macht einfach sichtbar, wie übel die ganze Situation noch ist und wie wenig Bewusstsein es für Gewalt gibt. Und auch dieses Argument, da würden verschiedene Gewaltformen miteinander vermischt und jede sexistische Bemerkung wäre so schlimm wie eine brutale Vergewaltigung. Das ist einfach absoluter Blödsinn. Also gerade Feministinnen haben sich immer bemüht, ganz differenziert und genau über unterschiedliche Formen von sexueller, sexualisierter Gewalt zu sprechen und einfach zu zeigen, welche Bandbreite es gibt, ohne das alles gleichzusetzen. Aber es ist eben wichtig, darauf hinzuweisen, dass es eine bestimmte sexistische Alltagskultur gibt, die entscheidend dazu beiträgt, dass solche Vorfälle immer wieder bagatellisiert werden, wie das eben jetzt auch der Fall ist. Aber auch dazu ergänzend gibt es natürlich Kritik, durchaus auch immer wieder sehr tölpelhaft vorgetragen, die sagt, dass ja eigentlich genau in diese Auseinandersetzung etwa unter dem Schlagwort MeToo sehr viel Energie fließt, die anderswo fehlt, denn tatsächlich sind noch immer sehr, sehr viele Missstände unverändert. Frauen haben immer noch weniger Einkommen. Es gibt noch immer nicht ausreichend Kinderbetreuungseinrichtungen, weil sozusagen den Frauen in ihren ökonomischen Notwendigkeiten auch nicht Rechnung getragen werden soll. dem was abgewinnen, beziehungsweise es ist ja unbestritten tatsächlich so, dass noch vieles im Argen liegt. Wo kann man denn den Hebel ansetzen? Auch in der politischen Übertragung, dass sich hier tatsächlich jetzt mal endlich was ändert? Also, das ist ein ganz schwieriger Vorwurf, weil da letztlich zwei verschiedene Dinge gegeneinander ausgespielt werden. Also einmal sagen, das gibt es ja auch ganz oft, da sind irgendwelche privilegierten weißen Frauen, die jetzt über ihre Luxusprobleme sprechen, weil ihnen einmal jemand ins Dekolleté gestarrt hat. Und auf der anderen Seite gibt es die Frauen, die jeden Tag kämpfen und mit ganz anderen Sachen zu dealen haben. Das ist einfach falsch und letztlich auch ein Ablenkungsmanöver, weil bei MeToo geht es nicht nur um wenige Promis, die dann irgendwelche reichen, mächtigen Filmproduzenten anklagen, sondern MeToo hat das große Verdienst, dass es sichtbar gemacht hat, wie verbreitet sexualis aller Frauen irgendwann in ihrem Leben machen muss. Und ich glaube nicht, dass Frauen, die gleichzeitig keine Kinderbetreuung haben und zu wenig Geld haben und in verschiedenster Form struktureller Diskriminierung ausgesetzt sind, erzürnt darüber sind, dass andere Frauen über ihre Vergewaltigung sprechen. Also das eine schließt das andere nicht aus und man muss letztlich an allen Ecken und Enden ansetzen und alle Hebel in Bewegung setzen. Also das ist ja, ja das ist so eine Riesendebatte, an die das anknüpft von die neue Empfindlichkeit, die im Grunde sich völlig von den realen Verhältnissen entfernt hat. Und das würde ich vehement bestreiten, dass das der Fall ist. Frau Susi-Michel, hauptausschlaggebend dafür, dass wir uns heute hier zu diesem TV-Gespräch treffen, ist ein Buch, das Sie gemeinsam mit Jens Kastner veröffentlicht haben. Ich halte es jetzt wieder einmal in die Kamera. Es trägt den Titel Identitätspolitiken. Das hat natürlich gleich mein Interesse und meine Aufmerksamkeit gefunden. ein spannendes Thema, das die Welt ja jetzt auch schon wieder seit einiger Zeit durchaus diskursiv herumtreibt. Können Sie mal eingangs, bevor wir diese große Kiste öffnen, sagen, wo haben Sie persönlich Ihre Intention gesehen, dieses Buch in Angriff zu nehmen? Ganz grundsätzlich war es eigentlich der Wunsch, so diese verhärteten Lager,seits dieser leidenschaftlichen Verteidigung von Identitätspolitik. Und grundsätzlich war es wirklich der Versuch, so diesen Sweet Spot zu finden, der einerseits Probleme, die mit Identitätspolitiken verbunden sind, mit linken Identitätspolitiken, das ist übrigens ganz wichtig, das Buch handelt dezidiert von linken Identitätspolitik, nicht von rechten, wobei wir sie zur Abgrenzung natürlich auch aufgreifen. Also einerseits diese Probleme nicht unter den Teppich zu kehren und durchaus zu sagen, wo es manchmal einfach in Aporien, in Widersprüche führt und andererseits aber die großen Verdienste von Identitätspolitiken, von linken Identitätspolitiken zu würdigen, was derzeit einfach viel zu wenig passiert. Einer der namhaftesten und bekanntesten Kritiker linker Identitätspolitiken ist ja Francis Fukuyama, vielen auch noch bekannt aus vielen anderen Zusammenhängen. Nicht zuletzt hat er schon mal das Ende der Geschichte gesehen, nachdem mit dem Ende des Kalten Krieges er den Kapitalismus alleinig siegen gesehen hat. Er kritisiert jetzt, dass mit linken Identitätspolitiken eigentlich eine Situation geschaffen wird, wo alle sozusagen sich nur noch selbstreferenziell auf klein klein sozusagen sich ihrer eigenen Sorgen und Nöte, den eigens empfundenen Marginalisierungen, Unterdrückungen, Benachteiligungen widmen, aber damit eigentlich die Demokratie, so sein Argument, die Demokratie eigentlich irgendwo in die Mottenkiste schicken. Das ist natürlich Humbug, aber es ist dennoch etwas, was große Diskussionen auslöst. Können Sie mal vielleicht anhand eines Beispiels oder vielleicht sogar zweien ein bisschen erläutern, damit man das auch für unser Publikum ein bisschen konkreter fassen kann, was es eigentlich auf sich hat, inwieweit können identitätspolitische Zugänge, Herangehensweisen tatsächlich beitragen, Marginalisierung, sozusagen an den Rand der Gesellschaft gedrängt zu werden, überwinden? Okay, das ist, wie gesagt, ein sehr, sehr komplexes und großes Thema. Ich versuche es trotzdem mal möglichst verständlich zusammenzufassen. Also diese Kritik von Fukuyama, mit der er nicht allein ist, sondern die ganz laut geworden ist, insbesondere nach der Wahlnieder jetzt, Hillary Clinton hat sich nur mit sogenannter Identitätspolitik beschäftigt, das heißt mit Feminismus, mit Black Lives Matter, mit LGBTIQ-Rechten. Und das hat sich jetzt bitter gerecht, weil es gibt eben den weißen Arbeiter und der fühlt sich überhaupt nicht mehr repräsentiert. Also das ist auch so ein Schlagwort, dass es in dem Zusammenhang gibt, ein Begriff von Coppedge, die Repräsentationslücke. Und diese weiße Arbeitärschaft, ich benutze hier bewusst die männliche Form, hat sich gerecht und eben rechts gewählt und wendet sich jetzt global gesehen überall den Rechtspopulisten zu. Das heißt, Identitätspolitik, linke Identitätspolitik wird dafür verantwortlich gemacht, dass Menschen gar nicht anders können, als rechts zu wählen, weil die linksliberalen Eliten sie einfach nicht mehr rep Welt und so weiter. Also das ist die These, die seit Clintons Niederlag, aber auch schon vorher immer vehementer quasi ins Feld geführt wird von den Kritikern linker Identitätspolitik. Aber was ist diese Identitätspolitik jetzt mal ganz grundsätzlich? Grundsätzlich geht es bei Identitätspolitik immer darum, dass Menschen unfreiwilligerweise, das ist ganz wichtig, dass man sich das bewusst macht, zu einem Kollektiv zusammengefasst werden. Also denen wird eine gemeinsame Eigenschaft genommen, die ihre Identität bestimmen würde. Frauen sind gebärfähig und dieses Merkmal führt dazu, dass sie zu einem Kollektiv zusammengefasst werden, was ganz konkrete Manifeste Auswirkungen auf ihr Leben hat. Also Frauen erleben die gläserne Decke, erleben strukturelle Diskriminierung, nicht deshalb, weil sie ganz individuell bei ihrer Karriereplanung was falsch gemacht haben, sondern sie erleben sie, weil sie dem Kollektiv Frauen zugehören. Menschen, die migrantisiert werden, erleben rassistische Gewalt deshalb, weil sie dieses Label MigrantIn etc. verliehen bekommen haben. Und das ist ganz wichtig, sich klarzumachen, dass das keine selbstgewählte Identität ist und dass das auch keine naturgegebene Identität ist, sondern dass das etwas ist, was von außen kommt. Tani Heisey-Codes hat das so schön auf den Punkt gebracht. Er hat gesagt, es gibt nicht Rassismus, weil es Schwarze gibt, sondern es gibt Schwarze, weil es Rassismus gibt. Und Identitätspolitik ist jetzt im Grunde der Versuch, dieser Marginalisierungserfahrung, dieser Diskriminierungserfahrung selbstbestimmt etwas entgegenzusetzen. Also diese Identität haben wir nicht selbst gewählt. Wir wurden zu Frauen gemacht, wie Simone de Beauvoir das sagen würde. Aber in dieser Existenz als Frauen setzen wir uns zur Wehr und wir nehmen diese Identität quasi als Hilfskonstrukt, um gemeinsam kollektiv uns organisieren zu können und gemeinsam aufbegehren zu können. Und das ist schon ein ganz wichtiger Punkt, dass es eben ein Hilfskonstrukt ist. Und das ist etwas, was unserer Meinung nach eben Identitätspolitik, linke Identitätspolitik im Unterschied zu rechter auch auszeichnet, dass es eben keine essentialistische ist, das heißt man geht nicht von einem Wesen, von einer Essenz aus, die alle schwarzen Menschen, alle Frauen, alle Lesben miteinander verbindet, sondern es ist quasi eine Haltung, eine politische Positionierung, um sich organisieren zu können. Und Identitätspolitik, auch das versuchen wir in dem Buch zu zeigen, ist eben auch nichts, was die Lesben und Schwulen machen, was die Frauen machen, was Black Lives Matter macht, machen, was die Frauen machen, was Black Lives Matter macht, sondern auch die ArbeiterInnenbewegung war letztlich eine identitätspolitische Bewegung. Und das hören die nicht gern, die die Identitätspolitik immer so kritisieren, weil sie quasi, das ist ja immer das, was dem entgegengesetzt wird. Also wir müssen uns für soziale Gerechtigkeit einsetzen, wir müssen uns verbünden, wie das die Proletarierinnen gemacht haben und aufhören mit diesem identitätspolitischen Vierlefanz, mit diesen Luxusproblemen. Aber wie gesagt, auch die Arbeiterinnenbewegung ist identitätspolitisch konstituiert, nämlich insofern, als dass es eben um das berühmte Klassenbewusstsein ging. Also die ersten ArbeiterInnen haben sich als Schuster gesehen oder als Waschfrau, als die Fabriken entstanden sind, die haben sich noch nicht als ArbeiterInnen selbst definiert. Also das war das Resultat eines langen Prozesses, der eben auch herbeigeführt wurde, weil man eben gesagt hat, es ist wichtig, dass ihr euch als politische, als proletarische Subjekte selbst definiert und seht, um dann gemeinsam kämpfen zu können und gemeinsam für soziale Gerechtigkeit euch einzusetzen. Also da ist schon was absolut schief, diese Spaltung aufzumachen. Bei den einen geht es um irgendwelche Transgender-Close und bei den anderen geht es um soziale Gerechtigkeit. Also das ist ganz absolut falsch, weil feministische Bewegungen, um jetzt das wieder zitiert auf den Feminismus zurückzuführen, Um jetzt das wieder zitiert auf den Feminismus zurückzuführen, ging es immer auch um soziale Gerechtigkeit. etwas, was immer wieder gesagt wird, auch zum Beispiel von Sarah Wagenknecht und der Aufstehen-Bewegung. Also diese Art von linker Politik, die eben dezidiert an proletarische Traditionen anschließen will, ja, da wird ja immer so getan, als seien das eine bloß Luxusprobleme und die Mehrheit der Menschen seien davon gar nicht betroffen. Dazu vielleicht auch was ganz Interessantes, also bei dieser ganzen Argumentation, Trump konnte quasi nur gewinnen, weil die armen Arbeiter vor den Kopf gestoßen wurden, das ist im Grunde auch so eine ganz antiquierte Vorstellung davon, wer die Arbeiterinnenschaft ist. Also das sind ja schon längst nicht mehr diese verschwitzten, rußverschmierten Männer, die da alle noch im Kopf haben und die vor allem die Sozialdemokratie offenbar immer noch im Kopf hat. In Wien gab es übrigens eine ganz erhellende und entlarvende Kampagne. Da war von der SPÖ so ein Sujet wirklich mit dem Bauarbeiter, mit dem Helm und verschwitzt und darüber stand Arbeit. Und ich dachte zuerst, das war so eine, wo dann quasi erst ein paar Wochen später die Schrift dazu kam, also der Text. Und ich dachte erst, ach endlich, nehmen Sie sich mal selbst so auf die Schippe und hinterfragen Ihre Vorstellung davon, wie quasi Ihre Zielgruppe aussieht. Und dem war aber mitnichten so. Also die haben das überhaupt nicht ironisch gemeint, sondern das war wirklich das Bild von Arbeit, das die SPÖ in Wien hat. Und ich würde behaupten, dass das eben ganz, ganz viele auch noch haben. Und dazu vielleicht auch ganz interessant so ein paar Zahlen. Ich habe unlängst bei irgendwo eine Statistik gelesen, dass dieser Waspelt-Arbeiter jetzt in den USA, der ja immer als der eben, der nicht mehr wahrgenommen wird und den man nicht ausreichend quasi für den man keine Politik mehr macht, das sind irgendwie 50.000 Arbeiter, die es noch gibt und die verdienen im Schnitt, ich weiß nicht mehr ganz genau, aber ungefähr 60.000 US-Dollar im Jahr. Demgegenüber stehen fast eine Million Care-Arbeiterinnen oder noch nicht mal den ganz großen Begriff Care-Arbeiterinnen, sondern glaube ich wirklich nur Hausangestellte, die eine Million, also im Vergleich zu 50.000, die 20.000 im Jahr verdienen. Also da kann man sich wirklich fragen, wer die Arbeiterinnen tatsächlich sind. Und dieses Bild, glaube ich, muss ganz dringend korrigiert werden. Und deswegen ist es auch absolut falsch, da immer wieder das alte Argument zu strapazieren, da immer wieder das alte Argument zu strapazieren, dass Frauenpolitik etwas ist, was sich letztlich erübrigt, wenn man Politik für soziale Gerechtigkeit und soziale Gleichheit macht. schon seit fast 150 Jahren anhören. Wir sollen uns doch bitte mit den Genossen verbünden und nicht mit den Feministinnen der Bourgeoisie, weil wenn der Sozialismus erstmal da ist und die gute sozialdemokratische Politik gemacht werden kann, was auch immer, dann erledigt sich die Unterdrückung der Frauen von selbst. Also die Geschichte hat gezeigt, dass dem definitiv nicht so war. Jetzt habe ich Ihrem Buch sehr wohl entnommen, dass Sie ja quasi die Chance in Identitätspolitiken, so wie Sie es verstehen und deuten und anwenden, vor allem darin sehen, dass es zu mehr Solidarität kommt. Dennoch müssen wir, glaube ich, aber auch sehen, dass es gerade in der Linken ein großes Unbehagen mit dem Begriff Identität gibt. Das war ja auch dieses Erfolgskonzept der Rechten in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten, diese rechtspopulistischen Erfolge, die ja quasi sozusagen auch aus Identität, Kultur sozusagen zwei Seiten der ein und derselben Medaille gemacht haben. Nämlich nach dem Muster Wir, das ist das Innen, das Zentrum und da gibt es natürlich ein Außen, gegen das man sich sozusagen wehren muss. Das ist natürlich trotz alledem sehr problematisch. Wie gehen Sie denn unbefangen oder mit weniger Unbehagen mit diesem Begriff der Identität um? Unbehagen mit diesem Begriff der Identität um? Wie gesagt, ganz wichtig ist, dass dieser Begriff der Identitätspolitik eben nicht essentialistisch gedacht wird, sondern als etwas, das verliehen wird und dass das im Grunde auch der Gradmesser und der Indikator dafür ist, um welche Form der Identitätspolitik es sich handelt, ob es tatsächlich noch eine emanzipatorische Identitätspolitik ist. Und natürlich sind die Grenzen oft fließend und gibt es Querfronten an beiden Seiten. Aber jetzt mal, ich glaube, dass man trotzdem sagen kann, dass rechte Identitätspolitik dieses Bewusstsein dafür, dass Identität nichts Fixes, nichts Naturgegebenes ist, sondern etwas historisch Gemachtes, Gewordenes, dass es dieses Bew gibt eine europäische Identität, die muss verteidigt werden oder bei rechtsextremer Politik auch diese Vorstellung von einem wirklich reinen, von einem reinen identitären Kern, der Menschen voneinander unterscheidet und der eben unbedingt verteidigt werden muss, dass es da nicht zu Durchmischung kommt und so weiter. Und dieses Bewusstsein dafür, dass Identität eben nichts Fixes ist, sondern etwas ist, was veränderbar ist, ein soziales, gesellschaftliches, historisches Konstrukt, den muss es meiner Meinung nach zumindest bei emanzipatorischer Identitätspolitik immer geben. Und weitere Kriterien sind so, dass es rechter Identitätspolitik wirklich immer um Exklusion geht und darum, Privilegien zu sichern. Und bei Linker geht es um Inklusion und um Partizipation. Also das ist letztlich das große historische Verdienst und auch das gegenwärtige Verdienst von Identitätspolitik bei allen Problemen, die ich jetzt auch alle nicht völlig vom Tisch wischen will. Und natürlich gibt es Entwicklungen, die manchmal problematisch sind und die man sich genau anschauen muss. Aber ganz grundsätzlich geht linke Identitätspolitik wirklich immer darum, für Partizipation, für Teilhabe zu kämpfen. wirklich immer darum für Partizipation, für Teilhabe zu kämpfen. Und sie ist der große emanzipatorische Motor, um immer wieder klarzumachen, diese versprochene Gerechtigkeit, diese Gleichheit, auch diese soziale Gleichheit ist noch nicht eingelöst. Wir müssen uns weiter darum bemühen. Es gibt immer noch Menschen, einzelne Gruppen, die noch nicht in diesem Wir enthalten sind. Im Oktober vergangenen Jahres, selbst von hier aus, von links aus, habe ich versucht, das ein bisschen mitzuverfolgen, zu beobachten. Habe auch mit zahlreichen Menschen gesprochen, die sich politisch engagieren. Und da sind ja verschiedene linke Gruppen auch angetreten zu dieser Wahl. Und auch da war klar zu erkennen, und das wurde auch immer wieder offen ausgesprochen, Identitätspolitiken, sozusagen diese Linie, die quasi die Gegensätze sichtbar macht. Da gibt es noch Linke, die sich ja auch engagiert haben, die sich der alten marxistischen Schule verpflichtet fühlen, festhalten am Hauptwiderspruch. Man muss nur sozusagen den Charakter der Ausbeutung, die Ausbeutung an sich, dieser kapitalistischen Warenwelt überwinden, dann leben wir im Paradies. Andere wiederum sagen, nein, wir können die Menschen nur dort abholen, wo wir sie tatsächlich in ihren unmittelbaren Problemen, sozusagen Themen auch finden, eben sozusagen dann auch verschiedene marginalisierte Gruppen. Wie viel Spaltungspotenzial oder sozusagen Hinderungspotenzial an einer politischen Einigung sehen Sie darin, bein bzw. wie sollte die Linke damit umgehen? Ich würde sagen, das ist nun wirklich nicht primär ein Problem von Identitätspolitik oder zumindest nicht von einer Art Identitätspolitik, wie sie immer wieder ins Feld geführt wird, sondern das sind einfach Spaltungsprozesse, die es in politischen Gruppen immer und überall gibt und die natürlich ärgerlich sind. Also die hat es zu allen Zeiten gegeben, bei 68 die vielen K-Gruppen und so weiter. Aber die gibt es auch bei den Rechten und die gibt es auch bei ganz normalen, im Parlament vertretenen politischen Parteien. Also diese Form von ideologischen Lagerbildungen und auch Unversöhnlichkeiten zum Teil, die sind da, die gibt es in der feministischen Bewegung und mit denen muss man sich auseinandersetzen. von wir müssen unsere Differenzen begraben und damit ist eigentlich immer gemeint, wir müssen sie ignorieren, wir müssen uns quasi auf die gemeinsame Sache, die gemeinsamen Ziele oder zumindest den gemeinsamen Gegner konzentrieren. Die mag manchmal sinnvoll sein, um quasi eine gemeinsame Aktion zustande zu bringen und wie alle politisch aktiven Menschen bin auch ich wahnsinnig genervt von solchen Diskussions- und Spaltungsprozessen. Aber ganz grundsätzlich, glaube ich, müssen wir einfach diese Auseinandersetzung führen. Es führt kein Weg dran vorbei. Sie sind wichtig und sie lassen sich einfach nicht vermeiden. Und sie sind, ja, sie lassen sich einfach nicht vermeiden. Also diese Vorstellung, es gibt das, dass das Geeinte, die geeinte Linke, die an einem Strang zieht und diese ganzen Konflikte und Kämpfe hinter sich lässt, die ist zwar verlockend, aber sie ist einfach nicht realistisch. Und ich glaube, damit müssen wir uns ein für alle Mal abfinden und aufwenden, immer wieder diese Forderung zu wiederholen, dass wir uns die Hand reichen und gemeinsam alles, was uns trennt, vergessen, um geschlossen auftreten zu können. Weil letztlich ist auch das, was Solidarität ausmacht, eben ein Prozess von Kämpfen. Also es ist eben nicht diese große, auch das ist ja oft so eine männliche Fantasie und so eine männliche Geste, ich reiche dem Bruder die Hand. Und das ist quasi die große Geste, die völlig selbstlos ist und die nichts mit meiner persönlichen Erfahrung zu tun hat und meiner persönlichen Situiertheit, sondern die rein aus politischer Überzeugung entsteht. von Auseinandersetzungen, von schmerzhaften und harten Debatten darüber, wofür man eigentlich steht und für wen man eintreten will. Also das wird ja dann auch immer sichtbar, immer dann, wenn gesagt wird, wir fordern jetzt Solidarität und das ist ja oft dann so von der Position des Privilegierten. Also die Männer fordern von den Frauen Solidarität für die eigene Sache. Die Linke fordert Solidarität von migrantisierten Menschen, die bitte jetzt nicht weiter spalten sollen. Das ist ja quasi im selben Atemzug wird diesen Menschen ja die Solidaritätstark gefordert, dass bitte ihre Anliegen auch Gehör finden mögen. Und das wird dann sofort als Spaltungsversuch, als Separatismus gedeutet. Vorwurf von mangelnder Solidarität, der kommt immer dann, wenn die eigene Position infrage gestellt wird. Also es ist ja auch bei diesem vorhin schon erwähnten Vorwurf, das sind doch alles Probleme, die die Mehrheit der Menschen überhaupt nicht tangieren. Da ist es ja auch, wird ja sichtbar, wer ist denn dieses Subjekt, das aus dieser Position der Mehrheit sprechen kann. Das ist halt der alte weiße Mann, sorry, das ist auch schon so ein Trigger, das zu sagen, aber in aller Regel ist er das eben, der sich nie in Frage stellen musste, der seine Position als universalistische, als Mehrheit der Menschenposition verkaufen konnte. Und sie ist es einfach nicht. Und in dem Moment, wo man darauf hinweist, kommt der Vorwurf der Spaltung und der Zerstörung von Geschlossenheit und der Unmöglichkeit, eine Bewegung aufzubauen. Und bei der feministischen Bewegung gibt es diese Diskuss trotzdem gibt es eine ganz starke Bewegung, trotz all dieser Auseinandersetzungen und diese Auseinandersetzungen sind einfach wichtig, auch wenn man sie sich immer wieder und auch ich in einzelnen Momenten wegwünschen würde und ich glaube, auf lange Sicht haben sie quasi dazu beigetragen, dass die linken Bewegungen, dass die sozialen Bewegungen immer gerechter und immer inklusiver wurden und dass immer mehr Menschen sich mit den Zielen identifizieren konnten. Frau Susi Michel, ich nehme das jetzt als Schlusswort, denn wir sind tatsächlich am Ende der Sendezeit. Ich freue mich sehr, dass auch die Stimme angesichts der Entkältung gehalten hat. Ich glaube, das Gespräch war sehr, sehr eindrucksvoll, sehr viele Denkanstöße, Anregungen, gerade auch natürlich jetzt im Hinblick auf den diesjährigen Internationalen Frauentag 2021 am Montag, 8. März. Internationalen Frauentag 2021 am Montag, 8. März. Ja, ich darf mich bei Ihnen sehr herzlich bedanken für die Zeit und auch, dass Sie mit mir heute im Studio diskutiert haben. Das Gleiche gilt natürlich auch den Zuseherinnen und Zusehern von DorfTV, die wieder mit Interesse dabei waren. Ich denke, das war heute sehr, sehr aufschlussreich und bringt uns alle auch sehr viel weiter. In diesem Sinne darf ich schließen, wie immer mit dem Ersuchen. Bleiben Sie dem Sender Ihres Vertrauens, nämlich DorfTV, auch weiterhin gewogen. In diesem Sinne noch einen schönen Abend und auf Wiedersehen.