Frosin, das werktägliche Infomagazin von Radio FRO auf 105,0. Also letzte Woche wurde Österreich das erste Mal von einem islamistischen Terrorakt erschüttert. Am 2. November wurden bei einem terroristischen Amoklauf in Wien vier Personen getötet und 23 weitere teils schwer verletzt. Als erste Reaktion darauf werden die Rufe nach weniger Toleranz gegenüber allen Menschen, die anders sind, auf der einen Seite reflexartig laut und der Verteidigung einer toleranten Haltung als Grundwert einer liberalen Demokratie auf der anderen Seite. Grund genug, um sich den Begriff Toleranz einmal näher anzuschauen. Herr Rehnoldner, Sie unterrichten am Institut für Religionspädagogik an der Pädagogischen Hochschule der Diözese Linz. Vielleicht erzählen Sie zu Beginn kurz ein bisschen was zu Ihrer Person. Also ich bin Theologe und Philosoph, doziere an der Pädagogischen Hochschule. Meine Studentinnen und Studenten wollen Lehrberufe entweder in der Primarstufe oder in der Sekundarstufe ergreifen. Politik, Religion, aber auch andere literarische und naturwissenschaftliche Lehrpersonen, die allgemeine schulwissenschaftliche Lehrveranstaltungen besuchen. Das ist meine Hauptaufgabe. Die Pädagogische Hochschule liegt am Salesianungweg, also ein kleines Stück unterhalb des Freien Berges, so in der Kapuzinerstraße rechts, sehr schön gelegen in Linz. Und die Auseinandersetzung natürlich mit Ethik, sozialer Gerechtigkeit, Sozialethik, die ist für mich also irgendwie Hauptthema. Privat lebe ich im Bezirk Freistaat in Wadberg und bin da verheiratet. Meine Kinder sind schon ziemlich groß und nur eines wohnt noch regelmäßig, da wo ich auch wohne. Okay, danke. Wir sprechen heute über den Begriff Toleranz, der in diesen Tagen ein sehr strapazierter ist. Vorweg, was ist denn Ihr persönlicher Toleranzbegriff und fällt Ihnen vielleicht ein Beispiel ein, wann waren Sie das letzte Mal tolerant? Tolerant ist eine unbedingte notwendige Bürgertugend, die brauche ich auch persönlich jeden Tag. Also wir begegnen in der Gesellschaft immer anderen und anders geordneten Menschen und wir müssen ein gewisses Maß an Offenheit dafür haben, dass die so sein dürfen. Also ich muss jeden Tag daran arbeiten, dass ich das Maß nicht nur an mir nehme und nicht irgendwie innerlich damit rechne, dass andere genauso ticken wie ich und dann kommt es natürlich zu Enttäuschungen, weil alle anders sind, sondern ich muss ein gewisses Maß an Fremdheit und Andersheit positiv integrieren im Sinn von Bereicherung. Das ist eine Grundhaltung, ohne die man in der Gesellschaft nicht konstruktiv leben kann. Also wer ganz wenig oder fast gar keine Toleranz aufbringt, gar keine, das gibt es nicht, aber wenn das sehr, sehr schlecht entwickelt ist, weil manche Menschen leiden wirklich daran, dass sie nicht tolerant sein können, dann ist man mit allen im Streit. Dann kann man mit niemand anderem zufrieden sein. Das sind Menschen, die man so als grundsätzlich brummig und unversöhnlich und schwierig ständig im Konflikt wegen jeder Kleinigkeit erlebt. Solche Erfahrungen machen wir manchmal im Leben und das ist häufig ein Zeichen von einer letztlich krankhaften Entwicklung im Menschen, dass er das nicht ertragen kann. Das kann ja auch etwas zu tun haben mit zu geringem Selbstwert, dass man sich selbst so unsicher ist, dass man es sozusagen notwendig hat, andere herunterzumachen, um sich ein Minimum an Selbstachtung zu erhalten. Dann in dem Fall ist es krankhaft, wenn man so gelagert ist. Also ich brauche jeden Tag Toleranz. Ich muss mich da auch manchmal überwinden. Ich kann auch ungeduldig sein oder mir kann etwas auf die Nerven gehen und das muss ich bearbeiten. Und eine gute Frage dazu ist zum Beispiel die Frage, warum an mich selbst gerichtet, warum provoziert dich denn das? Was stört dich denn daran? Weil da kommt man meistens darauf, dass das auch etwas mit mir zu tun hat. Und woher kommt der Begriff überhaupt? Also so die Geschichte der Toleranz, des Toleranzbegriffes. Ich habe gelesen von Toleranzedikten, das Toleranzedikt von Nantes zum Beispiel. Vielleicht können Sie da uns ein bisschen mitnehmen. Also das Wort Toleranz kommt aus dem Lateinischen. Tolerare heißt dulden, billigen gelten lassen, etwas anderes. Das ist noch nicht lieben, wertschätzen oder so. Das ist weniger. Dulden heißt einfach mal, es darf sein. Und das taucht für mich zum ersten Mal in der Geschichte auf 311. Ein römischer Kaiser hat, das ist dann bekräftigt worden noch einmal zwei Jahre später durch Kaiser Konstantin, also 311 oder 313, das lassen wir jetzt für gleich gelten, hat erlaubt, dass das Christentum im Römischen Reich offiziell gelebt werden darf, wenn sich die Christen an die allgemeinen Sitten und Gepflogenheiten halten. Also da merkt man schon an diesem Nachsatz, sie müssen brav sein, sie müssen sich anständig verhalten und wenn sie das tun, dann sollen sie in Frieden Christen sein können. Und wir wissen ja, dass das nicht selbstverständlich war. Es hat vorher ja Christenverfolgungen gegeben im Römischen Reich. Das ist Toleranz. Ich glaube, das beschreibt es sehr, sehr gut. Und das ist in der Geschichte in verschiedenen Geschichte 1783, 1785 von Kaiser Josef II. Nach einer Phase von über 150 Jahren Protestantenverfolgung in Österreich, hat der Kaiser Josef II. quasi erlaubt, das muss man wirklich so formulieren, das ist ganz genau richtig, er hat genehmigt, er hat gestattet, dass Protestanten in Österreich sein dürfen und dass sie sich auch Protestanten nennen dürfen. Also sie können sich registrieren lassen als getaufte gläubige evangelische Christen, das konnten sie vorher nicht. Sie mussten sich, wenn sie getauft waren, als Katholiken deklarieren. Es gab Geheimprotestanten, die dann sozusagen nur so getan haben als ob. Und mit dem Toleranzpatent von Josef II. wird eingeräumt, dass man legal evangelisch sein darf. Da dauert es dann noch 100 weitere Jahre, bis diese evangelischen Christen auch öffentliche Kirchen mit Kirchtürmen bauen dürfen. Zunächst dürfen sie sich nur in Betthäusern versammeln, die dürfen keinen Turm haben. Dann dürfen sie einen Turm haben, der nur ein paar Meter hoch ist. Wieder 20 Jahre später dürfen sie einen Turm haben, aber der Turm muss in jedem Fall niedriger sein als der Turm der katholischen Kirche im selben Ort. Dann haben sie noch die Vorschrift, dass die Kirche, das kann man in Linz sehr schön sehen, auf der Mozartkreuzung, die evangelische Kirche, ist nicht vorne an der Fassadenreihe der Landstraße, sondern dahinter. Das entsprach einer damaligen gesetzlichen Vorschrift. Also die evangelischen Kirchen dürfen nicht ganz vorne an der Häuserzeile stehen, weil das zu repräsentativ aussieht. Also Sie sehen schon, Toleranz ist hier durchaus mit einer gewissen Diskriminierung verbunden. Toleranz ist hier durchaus mit einer gewissen Diskriminierung verbunden. Wenn man diese Frage vergleicht mit der Behandlung von Schwarzen in den USA von heute, dann kann man sehr schnell sehen, es gibt auch eine Entwicklung von der Sklaverei im 19. Jahrhundert. ohne Wahlrecht, mit Rassentrennung im öffentlichen Leben, Benachrangung hinter den weißen Bürgern, noch bis mitten ins 20. Jahrhundert, Martin Luther King hat dagegen gekämpft, dann in den 60er Jahren die rechtliche Gleichstellung der Schwarzen, das ist noch nicht lange her, und bis heute sehen wir ja unter Präsident Trump starke öffentliche Benachteiligungen. Viel mehr Häftlinge in den Gefängnissen sind Schwarze, viel mehr Arme sind Schwarze. Weiße Polizisten können auf Schwarze schießen und werden dann sehr leicht von weißen Richtern freigesprochen, dass sie angeblich nur in Notwehr gehandelt hätten. Also es gibt immer noch einen großen Anteil an Diskriminierung von Schwarzen, aber immerhin einmal am Papier und in den theoretischen Rechten sind diese Menschen gleichgestellt. Man sieht also, es ist gar nicht so leicht, aus einer Diskriminierungssituation in eine vollkommene Gleichstellung aufzusteigen, was natürlich eine Weiterentwicklung der Gesellschaft ist. Es ist natürlich gerechter, wenn die Menschen gleich behandelt werden und da können wir sehen, dass Toleranz durchaus auch etwas Kleindimensioniertes sein kann, dass man mal ein bisschen zugesteht, das noch sehr gönnerhaft und von oben herabklingt und noch gar nicht wirklich auf gleicher Ebene. Das ist also auch das, was oft kritisiert wird am Toleranzbegriff. Da kommen wir später vielleicht auch nochmal dazu, dass wir uns das nochmal ganz näher anschauen. Jetzt grundsätzlich nochmal zum Toleranzbegriff. Also wir haben jetzt, Sie haben es schon mal ausgeführt, okay, der hat seine Grenzen sozusagen im Sinne, wie weit geht das? Aber grundsätzlich, es ist ein Grundwert, oder? Würden Sie schon zustimmen? Auch ein Grundwert der österreichischen Demokratie,. generell einer liberalen Demokratie, damit auch ein europäischer Grundwert, den man so will, dem würden Sie zustimmen, oder? Wer nicht tolerant ist, kann kein guter Mitbürger sein. Der zerstört irgendwie die Gemeinschaft. Aber wir haben natürlich alle eine gewisse Neigung zur Intoleranz. Und das ist sozusagen genauso wie Höflichkeit nicht vom Himmel fällt und wie wir uns um einen liebevollen Umgang mit Mitmenschen bemühen müssen, genauso müssen wir uns um Toleranz bemühen. Okay. Und steht die Toleranz dann nicht im Widerspruch zur Erfolgs- und zur Leistungsgesellschaft? Nein, überhaupt nicht. Tolerante Gesellschaften können außerordentlich effizient und leistungsorientiert sein, weil sie besser kooperieren können. Wenn die Menschen sich mit zu viel Vorurteilen begegnen, dann entstehen keine guten Teams. Das ist auch wirtschaftlich schädlich, dann können sie nicht zusammenarbeiten. Und jetzt, wenn ich es mit Konkurrenz verbinde, also Konkurrenz ist ein hohes Gut im Kapitalismus, da soll ich eigentlich nicht tolerant sein, oder? Dass der andere auch Erfolg hat, das ist und so weiter. Das würde ich nicht so sehen. Auch einem Konkurrenten muss ich einen gewissen Respekt entgegenbringen, in dem Sinn, dass ich sehe, der kann auch was. Also wenn ich mich so grenzenlos überlegen fühle, dass ich den Konkurrenten unterschätze, dann verliere ich den Konkurrenzkampf. Also auch um selbst fit zu sein, brauche ich ein gewisses Maß an Achtung vor dem anderen. Und deshalb ist ja zum Beispiel gerade jetzt die US-amerikanische Demokratie sehr, sehr stark auf diesem Konkurrenzprinzip aufgebaut. Man geht davon aus,issen Respekt haben. Und deshalb können sie auch demokratisch abstimmen. Und sonst wäre ja ihre Demokratie immer korrupt, weil sie immer heimlich schauen, einen Geschäftsvorteil gegenüber den anderen herauszudrehen. Also das amerikanische System vertraut darauf, dass die Menschen quasi bei aller Konkurrenz und allen Gegnerschaften, die sie im Einzelnen haben können, im Grunde aber auch wieder so etwas wie ein Bild von einer allgemeinen Gleichheit haben. Oft ist es auch so, dass es allerdings heißt, dass zu viel Toleranz quasi negativ sei. Sie haben gesagt, es ist eine Bürgerinnenpflicht gleichzeitig, aber wird gerade das als sogenanntes Gutmenschentum dann gern mal verunglimpft. Das heißt, ohne jetzt auf das näher einzugehen, was jetzt mit Begriffen ist oder mit Schubladisierungen, würde mich interessieren, ob Sie sagen, es gibt auch sozusagen Punkte, es gibt Grenzen der Toleranz. Man muss die Toleranz manchmal vor sich selber schützen sozusagen. Naja, da muss man etwas unterscheiden. Also zunächst, wer sich über Gutmenschen lustig macht oder den Begriff des guten Menschen irgendwie verächtlich darstellt, der offenbart nur, dass er selbst nicht gut sein will, dass er irgendwie ein schlechter Mensch ist. Das darf man nicht tun. Das ist ethisch komplett verboten und sehr, sehr schlecht. Wir müssen uns alle darum bemühen, auch im Sinn der Mitmenschen, irgendwie gesellschaftlich gute Menschen zu sein. Wer sich darum überhaupt nicht bemühen will und das mit Zynismus irgendwie ausdrückt, also dass Gute sozusagen blöd sind oder dumm sind, wer das so darstellt, gut Menschen, das ist so ein lächerlich wachender Ausdruck, der offenbart schon selbst, dass er negative Absichten hat, dass er gegen die anderen eingestellt ist. Das sollten wir nicht. Also das ist eine ethisch ablehnenswerte Haltung. Wir sollen uns bemühen, gut Menschen zu sein. Nur wir sollen nicht überheblich werden und glauben, wir seien die Allerbesten. Das ist etwas anderes und wenn der Stott das meint, sagen, naja, die kommen sich besser vor, dann hat er vielleicht etwas Berechtigtes. Das ist etwas anderes. Und die Toleranz muss man glaube ich unterscheiden gegen Menschen als solche mit ihren Eigenschaften, wie das in den allgemeinen Menschenrechten begriffen ist. Dazu sind wir verpflichtet. Also Menschen so zu achten, wie sie nun mal sind, heißt zum Beispiel mit ihrer Hautfarbe, mit ihrem Geschlecht, mit ihrer religiösen, weltanschaulichen Überzeugung. Aber das ist nicht dasselbe, wie alle Taten zu billigen. Also zum Beispiel Toleranz gegenüber einem Mörder kann sich darauf beziehen, dass der auch unter menschenwürdigen Umständen zum Beispiel im Gefängnis leben muss oder eine Chance auf Resozialisierung bekommen soll, aber nicht in Bezug auf seine Tat. Also ich kann einen Mord nicht tolerieren. Das darf sogar gar nicht sein. Also wenn man so sagt, übertriebene Toleranz oder wo Toleranz zu weit geht, dann ist das eben Toleranz gegenüber destruktiven Handlungen. Also auch die gesellschaftliche Toleranz hat insofern Grenzen, als sie einer Intoleranz gegenüber nicht grenzenlos tolerant sein kann. gescheitert ist, die sich mit Hilfe demokratischen Wettbewerbs zu Mandaten verholfen haben und dann die Parlamente dominiert haben und alle demokratischen Freiheitsrechte abgeschafft haben. Also da sieht man sozusagen, die Demokratie hat mit ihrer Toleranz dann selber ein Dilemma und kann unter Umständen auch es ermöglichen, dass ihre eigenen Gegner quasi sich ihrer mit Mehrheit bemächtigen. Bei Trump gab es ja auch diese Befürchtung, dass er eventuell zu sowas imstande sein könnte, dass er dann quasi einen Verfassungsputsch durchführt. Das ist jetzt nicht geschehen, aber grundsätzlich kann man mit solchen Gefahren schon rechnen. Das heißt, eine tolerante Haltung muss auch intelligent sein und erkennen, welche Handlungen nicht zu billigen sind. Aber dem Menschen als solchen, glaube ich, müssen wir grundsätzlich mit Toleranz begegnen. Das heißt, braucht wahre Toleranz vielleicht Haltung, kann man es so ausdrücken? Also einen eigenen Standpunkt und die Bereitschaft Nein zu sagen? also einen eigenen Standpunkt und die Bereitschaft Nein zu sagen? Es ist sicher ein Vorteil, wenn man sich als erwachsener Mensch über seine eigenen Grundüberzeugungen klar wird, nämlich sie auch beschreiben kann. Es ist ja nicht so, dass wir immer genau das Gleiche denken. Unsere Kontinuität im eigenen Leben verläuft nicht ganz ohne Brüche. Wir machen ja auch Erfahrungen. Zum Beispiel Menschen sind enttäuscht und treten aus der Kirche aus. Um jetzt irgendein simples Beispiel zu wählen. Oder sie haben in ihrer Frühzeit, in ihrer Jugend waren es glühende SPÖ-Wähler. Oder sie können jetzt auch eine beliebige sonstige Partei einsetzen. Und im Laufe der Jahrzehnte sind sie da enttäuscht und finden sich was anderes. Oder sie dachten mal, sie wollen fünf Kinder haben. einsetzen und im Lauf der Jahrzehnte sind sie da enttäuscht und finden sich was anderes oder sie dachten, sie wollen fünf Kinder haben und als sie dann das erste Wickelkind in der Nacht immer aufweckt, kommen sie darauf, dass mit ein oder zwei viel besser zurechtkommen. Das heißt, unsere sogenannten Grundüberzeugungen und heiligen Werte, mit denen wir so herumwerfen, sind viel weniger heilig und viel weniger grundsätzlich, als wir meinen. Und im Laufe einer längeren Lebensgeschichte ändern wir sie manchmal ab. Und wenn wir das auch selbst beschreiben können, also in diesem Sinn uns selbst einen Spiegel vorhalten können, irgendwie auch mal Distanz zu uns haben können und sagen können, ich bin offensichtlich ein Mensch, der an das und das glaubt. Wenn wir das sagen können, entwickeln wir automatisch Verständnis dafür, dass es andere Menschen geben mag, die etwas anderes glauben. Und dass diese Menschen nicht grundsätzlich schlecht sind, sondern dass wir die irgendwie wie Geschwister akzeptieren müssen. Auch Geschwister sind ja unterschiedlich. Der Streit unter Geschwistern ist ja legendär. Das ist ja ein völlig falsches Bild zu glauben, Familien seien immer harmonisch. Familien schließen sich nur gerne nach außen zusammen und tun so, als ob sie nach innen harmonisch wären. Und wenn es dann irgendwo aufplatzt bei einer Scheidung oder bei einem Streit ums Erbe, dann sieht man, so ganz harmonisch war es nicht. Das ist aber ein Normalfall. Also Geschwister braucht man ja ein Stück weit auch, um mit ihnen zu streiten oder Mitschüler oder Kindergartenfreunde, weil man seine eigenen Grenzen ausprobieren und kennenlernen muss. Aber aus einem guten Streit und aus einer guten Streitkultur lernt man eben auch den anderen so zu respektieren, dass er eben anders ist. Er ist nicht ich, aber er ist irgendwie gleichrangig mit mir. Und natürlich auch die Forderung zu stellen, der andere muss auch mich als gleichrangig akzeptieren. Das darf ich verlangen. So funktioniert Demokratie, glaube ich. Das ist das, was man lernen kann, soll, würde ich sagen. Ist das etwas, was im Bildungssystem ausreichend gelehrt wird, wo Menschen ausreichend unterstützt werden? Natürlich sollte das auch in den Familien praktiziert werden, aber ist es auch im Bildungssystem so, dass das ausreichend unterrichtet wird? Diese Schulung, die Reflexion etc., die Auseinandersetzung mit der eigenen Haltung, mit dem Ändern, mit all diesem? Ausreichend ist es nie. Man muss das immer kritisieren und es muss immer mehr sein, es muss immer besser sein. Lehrerinnen reden sich gern drauf heraus und sagen, wir können nicht das ersetzen, was die Eltern versäumt haben. Eltern sagen gerne, nicht einmal in der Schule können sie den Kindern das beibringen, was wir ihnen nicht beibringen konnten. Aber wir müssen auch eine gewisse Toleranz Jugendlichen gegenüber haben. Also wir erziehen erwachsene Menschen und solange sie noch nicht erwachsen sind, müssen sie auch ein Probierstadium durchlaufen können. Also es gibt Eltern oder Lehrpersonen, die sich mit der Pubertät schwer tun und man kann aber auch sich über ein dreijähriges Kind ärgern. Toleranz ist etwas, was nicht an einem Tag gelernt wird und man kann das auch nicht so messen und überprüfen, wie viel davon in der Schule vermittelt werden kann. Aber die heutige Schule hat Chancen, weil sie eben verschiedene Formen von Unterschiedlichkeit auch unter Kindern und Jugendlichen vermitteln kann. Ich habe einen Sohn, der ausgezeichneter Schüler eigentlich immer war, seine ganzen Schuljahre hindurch. Und der war in seiner Volksschule in einer I-Klasse Er hatte längere Zeit einen Sitznachbarn mit Down-Syndrom. Den hat er außerordentlich geschätzt, er hat mit ihm gelernt, die haben sich gegenseitig ergänzt. Also er hatte das Glück, das hatte ich nicht, als ich so alt war wie er, dass er völlig ohne irgendeine Form von Verachtung mit dem umgehen konnte. Da sieht man sozusagen, die Integrationspädagogik hat da einen Schritt weiter gemacht. Und das ist natürlich was, was Sie jetzt schon angedeutet haben, Multikulturalität und Menschen verschiedener Herkunft, das müssen wir da auch machen. Weil natürlich, man muss immer denken, wir erziehen ja Kinder nicht für die Welt von heute, wir sollen ja nicht nach rückwärts blicken, was habe ich in meiner Kindheit erlebt sondern noch vorwärts in welcher welt werden sie leben müssen und das ist selbstverständlich eine welt die aus den nachkommen bosnischer syrischer einwanderer genauso besteht wie heute menschen mit österreichischen großeltern die schon länger als vier waren fußnote wenn wir einmal in unsere eigenen Taufmatriken reinschauen und sozusagen Ahnenforschung betreiben. Wir heiraten nicht unsere Geschwister, sondern immer Menschen aus dem Nachbardorf, die von woanders hergekommen sind. Und vor 100 Jahren, bitte, hat man sich in Österreich darüber geprügelt, wenn ein Mädchen sich verliebt hat in einen Burschen aus einem Dorf zehn Kilometer entfernt. Man hat die als Ausländer betrachtet und die Einmischung dieser Fremden da ins eigene Dorf irgendwie skandalisiert. Das, was wir da heute machen, dass wir Menschen bosnischer Herkunft oder türkischer Herkunft so schlecht behandeln, das ist im Prinzip etwas, was im kleineren Rahmen immer schon stattgefunden hat, aber man muss das überwinden. Man muss das überwinden. Das ist unfair und es ist ganz klar, dass die Toleranz heute von uns natürlich auch verlangt, mit dieser gesellschaftlichen Zusammensetzung und unterschiedlichen Herkunfts- friedlich und freundschaftlich zurechtzukommen, also auch das Anderssein in dieser Form gut zu integrieren. Sie würden also nicht sagen, dass die Toleranz sozusagen manchmal vielleicht ein Deckmantel für Ignoranz ist, dass sie sozusagen der Integration eigentlich im Weg steht? Können Sie die Frage ein bisschen präzisieren? Sie würden also nicht sagen, dass die Toleranz manchmal so ein Deckmäntelchen ist, dass man sich umhängt, wenn es jetzt um Integration geht, um eigentlich Ignoranz, das heißt den fehlenden Willen einer echten Auseinandersetzung zu verdecken. schlecht, dann ist es ein Missbrauch. Aber Auseinandersetzung mit dem anderen ist immer nötig. Sonst gibt es kein gesellschaftliches Zusammenleben. Also ich kann mich auch über meinen Nachbarn ärgern. Er muss nicht türkischer Herkunft sein und ich kann trotzdem entdecken, dass er irgendwas ganz anders macht und deshalb mit ihm intolerant umgehen. Und das muss ich mit unterschiedlichen Lebensentwürfen und verschiedenen Menschen zustande bringen. Dazu muss die Schule erziehen. Das ist unbedingt notwendig. Und weil Sie jetzt vorher angesprochen haben, also Kritik der Schule, also wenn das versäumt wird, wenn das nicht gelernt wird, dann ist es sicher auch in der Schule ein Versagen. Ich glaube aber, dass die Schule ein guter Lernort dafür ist. Ich bin da nicht so pessimistisch. Ich glaube, dass die große Angst vor den andersartigen Menschen vor allem von den älteren Generationen ausgeht und dass die heute 15, 16-jährigen längst gelernt haben, dass sie eine Normalität anzunehmen und viel positiver und entspannter damit umgehen. Was nicht heißt, dass es nicht Konflikte geben kann. Aber diese grundsätzliche Haltung der Intoleranz ist, glaube ich, bei den jungen Leuten schwächer ausgeprägt als bei den Älteren. Was mich optimistisch stimmt, denn es sind diese jungen Menschen, die mit dieser Gesellschaft auch ganz normal und alltäglich zurechtkommen müssen. Okay, wenn wir nochmal kurz zur Bildung zurückgehen, da ist für mich vor allen Dingen die spannende Frage, bräuchte es nicht mehr Raum, sage ich jetzt einmal, für diese Art der Bildung? Weil es ist relativ stark abhängig, dass die einzelnen Personen, die einzelnen Lehrpersonen sozusagen das mit reinnehmen dann in die verschiedenen Fächer und in diese ganze soziale Auseinandersetzung, die in so einer Schule zum Beispiel passiert. Aber wäre es nicht wesentlicher, also wir reden über Wertekurse jetzt zum Beispiel für Menschen, die von woanders herkommen, wären es nicht auch für uns womöglich nicht schlecht, wenn wir sozusagen eigene Fächer oder ein eigenes Fach hätten, das hier Raum bietet, einerseits eben für diese Werte und Grundhaltungen und Tugenden, wie Sie es genannt haben, Raum zu geben, andererseits vor allem für das, was wir zwischendurch einmal gesagt haben, dass es dazu ja eben auch eine Auseinandersetzung mit dem Wechsel der eigenen Werte und Haltungen bedarf. Sprich, da geht es dann auch um Reflexion. Das ist ja alles nicht ganz trivial sozusagen. Ich wäre nicht sehr dafür, dass wir in der Schule einfach Wertekunde oder sowas lernen. Ich halte überhaupt die Diskussion über die gesellschaftlichen Werte bei uns für ganz, ganz schädlich und die läuft fast immer in Richtung Intoleranz, weil die Menschen nämlich nicht wirklich darüber sprechen, was sie mit ihren Werten meinen, sondern den Begriff der Werte wie einen Hammer verwenden, um darstellen zu können, dass andere irgendwie schlechtere oder weniger Werte haben. Und das ist eine leere Diskussion, da kann nie was rauskommen. Diese Diskussion ist von vornherein unfair. Also der Beschuldigte bleibt immer der Beschuldigte, er kann es überhaupt nicht rechtfertigen, ihm wird keine Chance gelassen. Wenn ich sage, mir ist der Wert der Gesundheit sehr wichtig und frage dann unter 30 Schülerinnen und Schülern, von denen von mir aus fünf türkische Abstimmungen sind, dann werden alle zustimmen und sagen, ja, Gesundheit ist wichtig. Aber wenn ich sage, ich habe höhere Werte und dann kann ich es immer so drehen, dass meine Werte höher stehen als die der anderen. Also der Begriff der Werte, der deutet immer auf so einen Wettlauf hin, wo man sich selbst als den Besseren herausstellen möchte. Deshalb lehne ich das sehr, sehr stark ab. Etwas anderes ist, aber Ihre Frage zielt auch darauf, sollen wir das nicht ernster nehmen? Ja, in der Schule würde ich meinen, im Sinne eines Unterrichtsprinzips, denn das ist von Mathematik bis Deutsch und Physik überall gleich wichtig, dass wir in einem wertschätzenden und toleranten Umgang miteinander umgehen. Das ist nicht ein spezifisches, besonderes Fach, sondern es ist eine Grundhaltung, die erlernt werden muss. Und wenn man ein Fach sucht, wo man explizit darüber sprechen kann, dann denke ich, ist es in erster Linie, bietet sich da der Religions- oder Ethikunterricht ein. Deshalb unterstütze ich das sehr, sehr stark, dass ein verpflichtender Ethikunterricht in Österreich geschaffen wird. Das halte ich für eine positive Entwicklung politisch. Und dann gibt es natürlich schon Fächer, die mehr dazu geneigt sind, wie zum Beispiel Deutsch wegen der Literatur. Denn die Literatur reflektiert solche Dinge. Lessing zum Beispiel, Toleranzidee, das ist doch Literatur. Da gehört es hin. In der Lehrerinnenausbildung ist es noch einmal was anderes. Da gibt es in der Tat auch bei uns an der Pädagogischen Hochschule einen Studienschwerpunkt. Also unsere Studierenden für die Primarstufe müssen zwischen den Semestern 5 und 8 ihres Bachelorstudiums Schwerpunkte wählen. Es gibt ungefähr 5 bis 10 Schwerpunkte, das pendelt ein bisschen und da gibt es einen sozialen Schwerpunkt, der sich speziell mit diesen Fragen beschäftigt. Den wählen aber nicht alle Studierenden, aber das halte ich für sehr, sehr positive Entwicklung und ich selber lehre auch in diesem Schwerpunkt und merke, dass sich angehende Lehrerinnen sehr, sehr intensiv auch solche Fragen stellen, wie sie damit umgehen sollen. Da gibt es eine pädagogische Schulung dazu. Okay und wenn wir jetzt noch einmal reinzoomen in die Begriffe, noch einmal ganz genau nehmen, was wäre jetzt der Unterschied zwischen Akzeptanz und Toleranz? Das ist eher ein sophistischer Streit. Ich glaube, die meisten Menschen verstehen es umgangssprachlich so, dass Akzeptanz etwas stärker ist, also sozusagen etwas mehr Zuneigung, Empathie. Wenn ich jemanden akzeptiere, dann kommt er quasi als Schwiegersohn in Frage oder so. Er ist mir ein bisschen näher, ich lasse ihn auch positiv gelten, während Toleranz nur so eine neutral bis negative, distanzierte Form ist. Ich bringe dich gerade heute nicht um, aber mehr kannst du von mir nicht erwarten. Und sowas ist immer eine schlechte Haltung. Also eine negative Toleranz im Sinne einer strikten Abgrenzung ist gesellschaftlich nie gut. Eine solche Haltung sollten wir uns nicht einnehmen. Und weil ich jetzt selber zufällig das Beispiel vom Schwiegersohn gewählt habe, Eltern müssen immer darauf gefasst sein, dass Partner ins Haus kommen, die ganz anders sind, als sie sich das vorgestellt haben. Das ist eine ganz normale soziale Entwicklung. Übrigens glaube ich auch, dass wir den Toleranzbegriff von der ethnischen Herkunft auch ein bisschen ablösen müssen. Er gilt nicht nur dort, sondern die ethnische Andersheit hilft uns nur sozusagen, sie verstärkt unsere Vorurteile. Aber wir haben, wenn wir gar keine Zuwanderung hätten, hätten wir dasselbe Problem auch, zum Beispiel zwischen den Generationen. Also ältere Menschen verstehen manches nicht so, was jüngere Menschen tun oder es kommt ihnen irgendwie seltsam oder unanständig vor und sagen, früher hätte sich das nicht gehört, das hätten wir da. Denken Sie an Menschen, die mit dem Handy herumlaufen und scheinbar Selbstgespräche führen. Ein 80-Jähriger mag den Kopf schütteln und sagen, was tun denn die? Komisches Verhalten. Es ist nicht komisch, aber es ist mir unverständlich. Und sowas haben wir auch. Oder junge Leute sagen, dieser ältere Herr, der ist so förmlich, der drückt sich so seltsam aus und so weiter. Also Toleranz müssen wir immer auch innergesellschaftlich haben und sie wird nicht nur durch Zuwanderung erschüttert, sondern dadurch, dass immer neue und andere Menschen da sind und alte wegsterben, dass wir nie die gleichen bleiben und immer in einer Weiterentwicklung stehen und da haben wir ein konservatives Element in uns, das sich dagegen wehrt, das das irgendwie nicht haben will, diesen Wandel. Es möchte irgendwie festhalten, es sollte alles so bleiben, wie es gestern war. Das gelingt nie. Das heißt, menschliche Reifung besteht immer damit, sich in einem gewissen Maß damit anzufreunden, dass diese ständige Änderung stattfindet. dass diese ständige Änderung stattfindet. Wir haben vorher schon festgehalten, dass Toleranz bei der Intoleranz der anderen endet oder enden muss. Zählen Sie jetzt den religiösen Extremismus quasi genau dazu? Dort muss unsere Toleranz enden, wie zum Beispiel dem radikalen Islamismus, dem jetzt diese Taten hier zuzuordnen sind. Würden Sie das sagen? Ja, also Grundhaltungen, die zur Gewalt neigen, die andere so stark ausschließen, dass sie sie echt diskriminieren oder schädigen wollen, darf man als solche nicht billigen. Das hat nichts mit Toleranz zu tun. Also ich kann natürlich, wenn ich den Täter zum Beispiel des Anschlages vom 2. Novemberabend in Wien, wenn ich den vorher noch erwische, dann kann ich ihn als Mensch natürlich in irgendeiner Form respektieren und in ein Resozialisierungsprogramm bringen und ihn irgendwie kontrollieren, dass er so etwas nicht tut und dann verdient er als Mensch trotzdem einen gewissen Respekt. Das ist etwas anderes, er kann seine Taten nicht billigen und wenn ich zum Beispiel wissen würde oder Hinweise darauf hätte, dass der ein Begriff ist, so etwas zu tun, dann muss ich aktiv dagegen vorgehen. Das ist ethisch geboten. Also Toleranz gegenüber Gewalttat oder Toleranz gegenüber dem Bösen als solchen ist immer falsch. Es ist die Frage, ob wir erkennen, wo das Böse anfängt. Wir können nicht nur, weil ein Mensch finstert reinschaut, uns immer sofort quasi physisch entgegenwerfen und sagen, du bist ein potenzieller Mörder und ich hindere dich jetzt daran, am Mord zu gehen. Wir wissen das nicht. Der Mensch ist auch ein Geheimnis. Und deshalb ist das immer ein relatives Tun. Aber den anderen in seiner Existenz sollen wir grundsätzlich bejahen und ich möchte auch alle warnen, die jetzt falsche Schlüsse ziehen und sagen, aha, jetzt haben wir es gesehen. Da begeht einer ein Attentat unter Berufung auf Islam. Also ist der Islam schlecht. Die verhalten sich genauso wie dieser Attentäter. Dieser Attentat unter Berufung auf Islam, also ist der Islam schlecht. Die verhalten sich genauso wie dieser Attentäter. Dieser Attentäter ist Ausdruck derselben Geisteshaltung. Die dürfen wir nicht annehmen. Wir dürfen von ihm nicht lernen. Wir müssen uns dieser Haltung entgegenstellen. Die Haltung muss sein, jeder Mensch darf Christ, Islam, Agnostiker, Atheist sein, wie er möchte. Aber Gewalttaten sind abzulehnen und Grundhaltungen, die den anderen nicht dulden wollen, das zeichnet ja diesen Attentäter aus. Dieser Attentäter hat innerlich eine Grundhaltung, die Menschen nicht dulden will, die sich fröhlich am Schwedenplatz von Wien, also in einem Lokal treffen oder die irgendwie da ihren Abend genießen, die vielleicht in seinen Augen ein zu säkulares, lustiges Leben führen, das gönnt er ihnen nicht, die hält er nicht für also am richtigen Weg und dann nimmt er sich heraus, gegen die vorzugehen und das ist eine Haltung, die absolut abzulehnen ist und die wir dann auch nicht selbst in der Gegenreaktion annehmen dürfen, sonst werden wir ihm ähnlich. Das sollte man nicht machen. Hat das Ganze dann auch was überhaupt mit Religionen zu tun? Also muss sozusagen auch innerhalb der Religionen hier vielleicht auf irgendwas geschaut werden oder irgendwas geändert werden oder hat es mehr mit einem Missbrauch zu tun? auf irgendwas geschaut werden oder irgendwas geändert werden oder hat es mehr mit einem Missbrauch zu tun? Ja, Religionen eignen sich dazu quasi hergenommen zu werden. Warum? Weil der Missbrauch darin besteht, dass man quasi, wie zum Beispiel bei einem islamistischen Attentäter, einen göttlichen Auftrag konstruiert. Also ein göttlicher Auftrag, das ist etwas, was von außer der Welt kommt, wofür man sich nicht rechtfertigen muss, wofür man keine Vernunftgründe angeben braucht, sondern man ist quasi auserwählt. Wenn Gott mir sagt, töte deine Nachbarn, dann stelle ich mich keiner Diskussion, weil Gott gewissermaßen höher steht als die Menschen. Sie können gar nicht diskutieren. Und insofern gibt es in der Religion ein gefährliches Element. Das wissen wir übrigens auch aus dem Christentum. Ketzerverfolgung, Hexenverbrennungen, Kreuzzüge. Also die Christentumsgeschichte ist voll von Verbrechen, die aus religiösem Fanatismus begangen worden sind. Aber, Gegenzug, die säkularen Ideologien sollen nicht glauben, dass nicht in ihrem Namen das Gleiche geschehen kann. Also auch Menschen, die eine Grundüberzeugung gehabt haben, zum Beispiel im nationalistischen Sinn, haben in den 30er Jahren Massenmorde begangen in Europa. in der Sowjetunion, unglaubliche Verbrechen, da waren keine explizit religiösen Motive dahinter, aber man könnte sagen, ideologische Motive, die vielleicht etwas religionsähnliches haben, die so ein ähnliches Grundgebäude sind. Das heißt, alle diese Grundüberzeugungen, das gilt auch für den Liberalismus, sind nicht frei davon, dass jemand sich in ihnen so reinsteigern kann und einen solchen Extremismus entwickeln kann. Aber das ist nicht dasselbe, was diese Religionen eigentlich wollen, sondern es ist einfach eine Entwicklung unter ihrem Dach und auf das müssen sie kritisch hinschauen. Ich denke, das gilt auch für den Katholizismus, der ja auch extrem rechte, konservative, sektenähnliche Organisationen in sich hält, die auch in der Geschichte, zum Beispiel jetzt in Spanien, Frankos, verheerende Untaten begangen haben, unter dem Deckmantel Gott, Glaube, Vaterland, Christentum, Katholizismus. Also keine Religion, aber auch nicht der Islam, ist davon frei, dass sich sowas einnistet und dass Menschen dieses religiöse Gedankengebäude quasi nutzen und missbrauchen für solche extremistischen Anschauungen. Deshalb muss man das aktiv nach innen aufarbeiten und bekämpfen. Das müssen die Religionen leisten, aber das heißt nicht, die Religionen sind schuld, dass es so etwas gibt. Also Religionen gibt es immer. Wenn es keine Religionen gäbe, dann gäbe es andere Grundüberzeugungen, wie ich schon sagte, die auch religionsähnlich sein können. Also die richtige Forderung kann nicht sein, schaffen wir alle Grundüberzeugungen ab, dann kann niemand mehr fanatisch werden. Das ist ein Irrweg, sondern alle Menschen müssen im Rahmen ihrer Grundüberzeugung aber auch ein Auge darauf haben, ob sie sie nicht irgendwo als Vorwand zur Intoleranz, zum Fanatismus benutzen oder ob sie, ich sage jetzt einmal, Glaubensbrüder oder Schwestern haben, also ähnlich Gesinnte, die so etwas tun und dagegen müssen sie ankämpfen. Abschließend vielleicht noch die Frage, es wird ja jetzt nicht zuletzt auch eben von der Politik gerade eben auch die Einigkeit unserer Gesellschaft beschworen. Toleranz ist da ein wesentlicher Baustein dazu, haben Sie ausgeführt vorhin auch, dass es eben auch um die Generationen zueinander geht, Familien innerhalb etc. geht, Familien innerhalb etc. etc. Was wäre denn sonst noch anzustreben für ein gelungenes Miteinander? Ist die Einigkeit unserer Gesellschaft da eigentlich etwas, was Sie als guten Begriff hier wahrnehmen zum Beispiel? Das wäre vielleicht auch gar nicht uninteressant, aber grundsätzlich würde ich gerne jetzt am Schluss vor allen Dingen beleuchten, was braucht ein gelungenes Miteinander, was braucht es eben um die Umsetzung all dem zu fördern, einen positiven Toleranzbegriff eben von der Politik, von den einzelnen Personen in unserer Gesellschaft. Einheitlichkeit ist sehr neutral und lässt sich von beiden Also zu glauben, wir können uns sozusagen eine reine Gesellschaft von weißen Bürgern oder von männlichen oder einer dominierenden Gruppe, die immer schon aus Österreich abgestammt ist, konstruieren und nur die sollen untereinander einig sein und dann umso aggressiver gegen die anderen vorgehen, die irgendwie anders ausschauen oder so, das wäre genau das Gegenteil dieser Solidarität. Deshalb finde ich also den Solidaritätsbegriff etwas besser. Aber das Wichtigste ist nicht das Wort. Man kann es auch Einigkeit nennen. Es gibt auch positive Formen von Einigkeit, dass Menschen einfach spontan sich zusammenschließen und sich zusammengehörig fühlen. Die Frage ist immer, schließen sie sich zusammen für ein besseres Gemeinwohl, also füreinander, also ist da sowas wie Liebe für den anderen Menschen, Achtung vor den Mitmenschen spürbar oder schließen sie sich zusammen gegen eine andere Gruppe, also zum Beispiel Antisemitismus oder Antislamismus oder die Dunkelhäutigen sind schlecht oder die männer gegen die frauen also wenigstens einen fußballspieler die rapid fans haben ein gewisses recht darauf gegen die anhänger von red bull salzburg zu sein wenn die in ihr stadion kommen es dürfen aber wenn das die form ist in der wir uns gesellschaftlich zusammenschließen ist schlecht wir kämpfen nicht gegen red bull sondern wir sollen eine gemeinsame bessere zuk schaffen. Deshalb muss es eine in diesem Sinn grenzenlose Solidarität sein und diese haben wir in der Demokratie einfach deshalb nicht ausreichend gelernt, weil wir die Demokratie nur in einem nationalen Rahmen kennen. Also was wir noch entwickeln müssen im 21. Jahrhundert, das ist eine Solidarität mit der gesamten Menschheit, die über unseren Staat oder über die gleich aussehenden oder ähnlich gearteten Menschen von gleicher Abstammung oder so hinaus geht. Das müssen wir in der Tat entwickeln, sonst können wir zum Beispiel die Klimakrise nicht bekämpfen. Das ist eine neue Situation, in der frühere Generationen in dem Ausmaß nicht gestanden sind, wie wir heute. Und heute, junge Menschen müssen in der Schule, aber auch in ihrem Elternhaus lernen, eine solche grundsätzliche Achtung vor Menschen, die ganz weit weg leben und die nie zu uns kommen, auch zu entwickeln. Das brauchen wir. Warum? Weil wir in einer globalisierten Welt leben, die so viel miteinander verbindet. Das heißt, wir können uns auch gegenseitig sehr schaden. Wir sollten nicht vergessen, wir können nicht nur Täter sein, dass wir jetzt andere irgendwie ausbeuten und ihnen schaden. Wir können auch Opfer werden, zum Beispiel von irgendwelchen Börsenzusammenbrüchen in Tokio oder New York. Also wir brauchen ein gewisses menschheitliches Verständnis von Toleranz. Wir müssen in gewissem Ausmaß Weltbürgerinnen und Weltbürger werden und das geht nur auf der Basis der Menschenrechte und der allgemeinen Gleichheit und Gleichwertigkeit eines jeden Menschen. Das ist eine Bürgertugend, die heute dringend notwendig ist und die ältere Generationen vielleicht noch weniger verstehen als jüngere. Sie verstehen, manche verstehen nicht so sehr wie notwendig diese Tugend ist. Es ist aber überlebensnotwendig. Wer sie nicht erlernt, wird nicht nur bös oder intolerant, sondern er lebt auch in Gefahr, dass er weniger lange lebt. Also das kann auch zu seinem eigenen Schaden ausgehen, diese Intoleranz. Wir brauchen das notwendigerweise. Die Klimakatastrophe, aber auch Covid-19, ich will jetzt das nicht zum hundertsten Mal Covid-19 diskutieren, aber viele dieser modernen Krisensituationen führen uns das vor Augen. Das ist nicht national beschränkt, wir sind voneinander abhängig. Unser Verhalten wirkt auf andere ein und das Verhalten anderer wirkt auf uns ein und Lösungen bestehen immer nur darin, dass wir im Respekt miteinander eine Strategie entwickeln. Vielen herzlichen Dank, Herr Renoldner, für Ihre Ausführungen. Dankeschön.