Herzlich willkommen an diesem frostig-winterlichen Donnerstagabend bei einer weiteren Ausgabe der Sendereihe Wassermeyer sucht den Notausgang hier aus dem Corona-bedingt provisorischen Studio von DorfTV im sogenannten Wohnzimmer in der Abteilung Zeitbasierte Medien an der Kunstuniversität Linz. Ja, ich freue mich sehr, die erste Sendung in dieser Senderei im neuen Jahr einem Thema zu widmen, das uns ja alle gefesselt hält. Es geht tatsächlich einmal mehr um die große Krise, die uns in ihren Bann gezogen hat. Die Corona-Pandemie stößt uns ja immer wieder vor große Schwierigkeiten und vor Herausforderungen und wir wissen auch gar nicht, wie es weitergeht. Ein ganz besonderes Thema ist dabei, vor allem natürlich auch Gegenwart und Zukunft unserer demokratischen Verfasstheit, der Demokratie, unserer demokratischen Institutionen und umso mehr freue ich mich, heute einen ganz besonderen Gast bei mir willkommen heißen zu können, per Video zugeschaltet aus Wien, nämlich die Politikwissenschaftlerin und Demokratieberaterin Tamara S. Frau S., schön, dass Sie heute dabei sind, auch wenn es nur per Video ist. Danke trotzdem für die Einladung und für die technischen Möglichkeiten, die ihr da zur Verfügung stellt. Wunderbar, danke. Ich habe bei meinen Recherchen bemerkt, dass Sie eigentlich schon eine große Bekanntheit erlangt haben. Auch in Oberösterreich haben Sie immer wieder auch Vorträge, Auftritte, werden eingeladen. Dennoch möchte ich ein paar Eckpunkte zu Ihrer Person sagen, das meines Erachtens wichtig ist. Ich darf Sie also ganz kurz vorstellen. Tamara Eß ist Politikwissenschaftlerin, politische Bildnerin und Demokratieberaterin. Sie berät Städte und Gemeinden beim Ausbau partizipativer Demokratie und ist Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat der Europäischen Demokratiehauptstadt. Aktuell nimmt sie außerdem einen Forschungsauftrag an der Sigmund-Freud-Universität wahr und lehrt an der Universität Wien und ist, das sollte hier Erwähnung finden, Träungen im Rahmen von Wassermeyersucht und Todesgang, die eher persönlichen Charakter hat. Wir alle stecken im Moment in der Krise, machen eine ganze Menge neuer Erfahrungen. Viele sprechen vom Ausnahmezustand. Können Sie mal quasi darlegen, Ihre doppelte Perspektive, Sie als Privatperson, die ja auch im Alltag lebt, den Alltag bestreiten muss, wie Sie diesen Ausnahmezustand wahrnehmen beziehungsweise inwieweit der sogenannte Ausnahmezustand, die Ausnahmesituation auch in Ihrer Forschungs- und Vermittlungstätigkeit sozusagen Perspektiven verändert hat oder auch gar neue Fragen aufgeworfen hat? Ja, also ich beginne mal mit dem privaten Ausnahmezustand, der eben durch diesen gesellschaftlichen Ausnahmezustand bedingt ist. Man ist ja zurückgeworfen aufs Daheimbleiben, auf das sogenannte Homeoffice. aufs Daheimbleiben, auf das sogenannte Homeoffice. Ich gehe auch nur einmal in der Woche ins Büro, wenn es irgendwas geht, auszudrucken, zu scannen oder all die technischen Möglichkeiten, die man zu Hause nicht hat. Also das sind kleinere Einschränkungen. Ich muss sagen, mein Alltag war auch schon vorher sehr Internet-basiert, eigentlich sehr Recherche-basiert, konnte vorerst vieles von zu Hause aus machen. Was jetzt natürlich auch fehlt, ist die persönliche Begegnung, gerade wenn es um politische Bildung geht. Ich arbeite ja viel auch mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen, mit Erstwählerinnen, Erstwählern. Politische Bildung hat natürlich auch Möglichkeiten online und digital, aber die persönliche Begegnung kann nichts ersetzen. Persönliche Begegnung ist dann auch das, was mich privat besonders betrifft. Irgendwie bleibt ja nur noch die Arbeit über. Wir haben ja einen sozialen Lockdown, hakeln müssen wir trotzdem. Das heißt, ich arbeite eben meine Sachen ab und nachher geht man dann weder auf ein Bier noch auf ein Glas Wein und ist dann halt wieder zu Hause. Also mit der Motivation ist es dann nicht immer ganz so leicht. weil sich das jetzt auch nicht auswirkt, darauf muss ich in Kurzarbeit, verliere ich überhaupt einen Job, sondern es ist alles umständlich, aber es ist jetzt nicht so existenzbedrohend. Rechtlich muss man ja sagen, verfassungsrechtlich waren wir nie in einem Ausnahmezustand. Wir haben auch in der Verfassung hier gar keine Regelungen, zum Beispiel nach deutschem Vorbild oder nach französischem Vorbild, dass wir so einen Ausnahmezustand hätten, wo jetzt das Parlament nichts mehr zu sagen hätte und nur noch die Regierung oder gerade nur, weil doch nur der Bundespräsident etwas zu sagen hätte. Wir haben zwar diese Möglichkeit der Notverordnungsrechte, aber da dürfte diese Not nicht eingetreten sein. Das heißt, was wir untersuchen oder was ich mir genauer anschaue, wie ist denn der Staat hier organisiert in so einer Krise? Ist er demokratiekonform organisiert? Passt denn das alles noch mit unserer liberalen, rechtsstaatlichen Demokratie zusammen? Und da überschneidet sich natürlich vieles, was man sich eben auch privat erlebe, sei es jetzt, wenn es darum geht, nehme ich eben an einer Versammlung teil, nehme ich an einer Demonstration teil, zum Beispiel gegen die UG-Novelle, die sie ja vorgestern auch auf DorfTV diskutiert haben. Und wie wirkt sich das aus auf meine Teilhabe als Bürgerin oder gerade eben auch, wenn es darum geht, Gewerbefreiheit, all das ist ja auch eingeschränkt. Wie kann ich eigentlich mein Gewerbe der politischen Bildung noch ausüben, wenn es so eingeschränkt ist? Also das ist hier sehr, sehr verzahnt und ich muss mich da auch immer wieder bemühen, das irgendwie zu reflektieren, aus einer objektiven Sicht zu sehen, auch gerade, weil man ja auch sehr subjektiv, man ist ja so teilnehmende Beobachterin an dem Ganzen und es gibt eben vieles, was mich an Maßnahmen persönlich stört, wo ich aber als Demokratiewissenschaftlerin sagen muss, ja rechtlich, selbst demokratiepolitisch ist das alles noch in Ordnung, obwohl es einfach extrem lästig mittlerweile ist. Ich möchte bei dem einen Gedanken zur Freiheit noch bleiben. Etwas, was ja gerade auch dieser Tage vielfach strapaziert wird. Ich denke da immer gern natürlich auch an Hannah Arendt, die gerade auch in ihrer Banalität des Bösen, mit der sie sich ja sehr viel befasst hat, darauf hinweist, dass diese Banalität des Bösens ja gerade auch in der Unfähigkeit der Menschen Ausdruck findet, sich seiner eigenen Vorstellungskraft zu bedienen. Das lässt sich hervorragend umlegen, gerade auch auf die aktuelle Situation, wo ja viele sogenannte Corona-Skeptikerinnen, Skeptiker, Leugner, Leugnerinnen ja auch auf die Straße gehen, die Maßnahmen zurückweisen, teilweise auch sehr viel mit Aggression und hassvoller Sprache. Dennoch, sie beanspruchen Freiheit, unter welchem Verständnis auch immer. Tatsächlich aber müssen wir natürlich schon auch die Frage stellen, wie weit wir diese Freiheit in Anspruch nehmen können, gerade wenn es im Hinblick geht um die Zerstörung etwa unserer Lebensgrundlagen. Und wir wissen gleichzeitig ja auch, dass vielfach diese Pandemie, an die wir uns vielleicht lange Zeit gewöhnen müssen, ihre Ursachen auch hat, gerade auch im Umgang des Menschen mit seiner Natur, mit der Umwelt. Wie ordnen Sie das ein? Welche Rolle spielt bei Ihren Überlegungen, über die wir dann noch vielfältig reden werden, dieser Begriff, diese Idee der Freiheit eine Rolle? Zum einen sind natürlich Freiheitsrechte Voraussetzung der Demokratie. Und wenn wir uns die Entwicklung moderner Staaten anschauen, haben wir in den letzten Jahrzehnten, ja jetzt schon Jahrhunderten, diese Freiheitsrechte hart, teilweise blutig erkämpft, überhaupt auf die Straße gehen zu können, sich versammeln zu können, den Versammlungsort frei wählen zu können, dort seine Meinung frei äußern zu können. Meinungsäußerungsfreiheit, lange erkämpft, auch in vielen anderen Staaten der Welt, heute noch nicht ermöglicht. Also das sind Grundvoraussetzungen, dass wir uns überhaupt austauschen können, dass wir überhaupt Meinungen austauschen können, dass wir auch den Mächtigen, also denen, die gerade politisch am Ruder sind, hier auch die Meinung mitteilen können zwischen den Wahlterminen. Oder gerade das Versammlungsrecht ist auch besonders wichtig, weil es eben nicht nur ein Staatsbürgerschaftsrecht ist, sondern es ist ein Menschenrecht. Das heißt, es kann von allen hier in Österreich lebenden Menschen wahrgenommen werden, auch diejenigen, die nicht die Staatsbürgerschaft haben, die nicht eben durch Wahlen die Politiker und Politikerinnen abwählen können, die eben nur durch Versammlungsrecht hier eigentlich die Möglichkeit haben, ihren Unmut kundzutun. Und auf der anderen Seite hat dann der Staat auch ein Sicherheitsversprechen abgegeben. Wenn wir zwei, drei Jahrhunderte zurück schauen, wie hat sich eigentlich dieser moderne Staat entwickelt? Wieso geben eigentlich wir Menschen Steuern ab? Wieso lassen wir eigentlich zu, dass es eine Polizei und eine Verwaltung gibt, die ja doch, auch wenn es kein Ausnahmezustand ist, stark in unser Leben eingreifen, indem sie uns eben Teil unseres Geldes abnehmen in Form von Steuern, indem sie uns zwingen, um so viel KMH nur zu fahren, einen Gurt anzulegen, was auch immer. Es gibt ja vieles, was auch von Kritikern einer absoluten Freiheit hier kritisiert wird. Also warum machen wir da eigentlich mit? Weil uns der Staat ein Sicherheitsversprechen gegeben hat. Er sagt, ihr seid jetzt nicht mehr so vogelfrei, jeder kann mit euch machen, was er will, sondern ihr seid durch den Staat eingehegt. Aber für diese Sicherheit bezahlt ihr eben quasi mit einem Teil eurer Freiheit. Und hier in so einer Pandemie oder auch in anderen Krisensituationen zeigt sich ganz stark, wie sehr Freiheit und Sicherheit eigentlich ständig miteinander abgewogen werden müssen, oftmals eben in Konflikt kommen. Der Staat hat ja nicht nur, um unsere Gesundheit zu stützen, beziehungsweise ein Vorsorgesystem hier aufzubauen, damit es uns eben ja nicht an Gesundheit mangelt oder damit, wenn wir krank werden, auch wieder Gesundheitsversorgung bekommen, sondern er muss ja auch diese anderen Freiheitsrechte wie Erwerbsfreiheit, Religionsfreiheit, Meinungsäußerungsfreiheit, auch all das gewährleisten. Und wir haben es dem Staat übertragen, bitte Sorge dafür, dass wir diese Freiheit noch ausüben können. Und jetzt sehen wir eben in einer Situation, kann man wirklich tagtäglich zuschauen, wie das abgewogen werden muss. Keine leichte Abwägung. Sie haben es gerade angesprochen mit den Demonstrationen, unter der Überschrift auch Querdenker-Demonstrationen. Gerade aktuell wird ja hier auch darüber nachgedacht, teilweise auch stark eingefordert, diese Demonstrationen im Vorfeld schon mal zu verbieten mit der Ansage, ja man weiß, dass sich die Menschen eben dort nicht pandemiekonform benehmen, ohne Maske, ohne gebührenden Abstand demonstrieren. Also sollte man das doch gleich verbieten. Manchmal kommt es auch von einer anderen, eher weltanschaulichen Begründung her zu sagen, diesen Leuten, wo eher gemeint ist, diesen Rechtsautoritären, manchmal auch diesen Spinnern, diesen wollen wir keine Plattform bieten. manchmal auch diesen Spinnern, diesen wollen wir keine Plattform bieten. Aus Sicht der Demokratiewissenschaft geht man diese zweitgenannte Begründung überhaupt nicht. Es hat jeder das Recht, seine Meinung zu äußern, eine Demonstration hier anzumelden, anzuzeigen, sagt man eben auch, sich den Demonstrationsort auszusuchen und eben hier dieses Versammlungsrecht auszuüben. Natürlich kann das Versammlungsrecht, wie übrigens jedes Freiheitsrecht, eingeschränkt werden. Wir brauchen da zum Beispiel nur schauen in die Europäische Menschenrechtskonvention. Da wird immer im ersten Absatz das jeweilige Freiheitsrecht schön beschrieben. Was bedeutet Meinungsfreiheit? was bedeutet Versammlungsfreiheit. Und jeweils im zweiten Satz steht dann, unter welchen Bedingungen man es einschränken darf. Und da ist zum Beispiel öffentliche Sicherheit oder die öffentliche Gesundheit einer der Gründe, wo man es sehr wohl einschränken darf. Nur, auch das steht sowohl in der Menschenrechtskonvention als auch in der europäischen Grundrechtecharta, als auch in den einzelnen nationalen Gesetzen, gerade auch in Österreich steht. Es muss verhältnismäßig sein und es muss das gelindere Mittel sein. Das heißt, eine pauschale Einschränkung, wenn man sagt, ja, das sind Menschen, die entsprechen nicht meinem Weltbild oder die schaden vielleicht eher dem demokratischen Diskurs, Das genügt nicht für eine Einschränkung. Man kann Auflagen geben und das versucht ja auch die Polizei und sagt ja, wir müssen, sie müssen Masken tragen, sie müssen Abstand halten. Und wir haben gesehen vor eineinhalb Wochen mittlerweile im Rahmen der Proteste gegen die Novelle zum Universitätsgesetz, das funktioniert ja auch. Man kann sich sehr wohl Corona-konform versammeln und demonstrieren. Passiert das nicht, kann die Polizei noch immer einschreiten und diese Versammlung auflösen. Also es geht darum, hier einen Modus zu finden, diese Freiheitsrechte natürlich zu gewährleisten und in der Gesundheit auch immer abzuwägen. Und das ist das, was wir gerade live miterleben können. Wann löst die Polizei auf bzw. wieso geht sie gegen Gegendemonstranten und Demonstrantinnen schärfer vor, als gegen diejenigen, die ohne Abstand und ohne Maske demonstrieren? Und da muss dann nochmal abgewogen werden, wenn die Polizei jetzt eingreift und es eskaliert, ist dann nicht die Gesundheitsgefährdung höher. Und das ist jeweils eben pro Demonstration abzuwägen und nicht pauschal im Vorhinein. Jetzt waren Sie im vergangenen Jahr unglaublich schnell. Ich habe hier ein Buch zur Hand genommen, halte das jetzt auch in die Kamera, das Sie geschrieben haben, erschienen im Mandlbaum Verlag. Das Buch trägt den Titel Krisendemokratie, sieben Lektionen aus der Corona-Krise. Sie haben es tatsächlich geschafft, schon in den ersten Monaten des ersten Lockdowns zum Füller zu greifen. Das Buch ist, glaube ich, Anfang Juli erschienen. Mir ist gleich mal aufgefallen, Frau Ehes, schon die Wahl Ihres Titels, denn vielfach wird gesprochen von Demokratie in der Krise. Sie aber wählen den Titel Krisendemokratie. Können Sie ganz kurz näher ausführen, was Sie dabei bewogen hat, diesen Titel so zu wählen. Ja, also vielleicht noch vorab auch zum Zeitpunkt, zu dem es erschienen ist. Mir war das ganz wichtig, auch mal in Form so einer Zeitkapsel festzuhalten, was kann sehr schnell schieflaufen. Also mir ging es vor allem um diese erste Akutphase von Mitte März bis Ende April, etwa in den Mai hinein, wo ich festgehalten habe, was ist passiert in der Staatsorganisation im Umgang mit Demokratie, mit demokratischen Abläufen, was hat noch gut funktioniert und wo hat man sehr schnell gesehen, hier, das hält die liberale Demokratie eben in dieser Facette nicht aus. Und darauf spielt dann auch der Titel an. Es geht nicht darum, dass die Demokratie in der Krise ist. Also das ist, ich sehe es schon so als Gemeinplatz, das sagen wir seit 20, 30 Jahren und wahrscheinlich hat es die Generation vor uns auch gesagt, jeder erlebt immer irgendetwas als krisenhaft und wenn wir uns jetzt mal anschauen, allein in den letzten 15 Jahren, da war immer Krise. Zuerst war irgendwie Finanz-, Weltwirtschafts-, Staatsschuldenkrise, dann war die sogenannte Flüchtlingskrise, die ich ja eher als Solidaritätskrise nennen möchte. Ständig ist Klimakrise, natürlich auch zu Recht. Und jetzt ist eben gerade Corona-Krise. Also wann ist denn mal Normalzustand? Also das heißt, wir können nicht davon ausgehen oder darauf spekulieren, dass Demokratie nur in guten Zeiten, in sogenannten langweiligen Zeiten funktioniert. nur in guten Zeiten, in sogenannten langweiligen Zeiten, funktioniert. Man wünscht ja immer den Menschen, mögest du in ruhigen und langweiligen Zeiten leben, weil dann nimmt irgendwie alles seinen Lauf. Das spielt es nicht. Das spielt es, wie wir sehen, in der Pandemie nicht. Das spielt es auch auf die nächsten Jahre und Jahrzehnte nicht, gerade wenn wir uns die fortlaufende Erderhitzung anschauen, gegen die wir viel zu wenig unternehmen und wo wir in Situationen kommen werden, in denen dann, wenn wir unsere Demokratie nicht krisenfest und krisenfit machen, dann uns letztendlich offenbar nur die autoritären Maßnahmen bleiben. Und darauf zielt eben das Buch auch schon mal abzusehen. Schauen wir uns an, wenn wir uns auf so Akutphasen nicht vorbereiten, wenn wir nicht schon den Regelzustand so gestalten, dass wir eben demokratiekonform handeln können. ein autoritäres Gelegenheitsfenster. Und je nachdem, welche der Personen da gerade in der Macht sind, schauen wir nach Ungarn, schauen wir nach Polen, reißt man dann dieses Fenster weiter auf und bringt es dann auch nicht mehr zu, auch nicht mehr durch Gerichte, nicht mehr durch Zivilgesellschaft. Und deshalb spreche ich eben von einer Krisendemokratie, also wie Demokratie auch in Krisenzeiten, die uns länger und tiefgehender begleiten werden, gut funktioniert. Und gut funktioniert heißt für alle gesellschaftliche Ungleichheiten ausgleichend und nicht nur verstärkend. Ein Gedanke in Ihrem Buch gleich zu Beginn hat sehr schnell meine Aufmerksamkeit gefunden, weil ich dem sehr viel abgewinnen kann. Sie beschreiben die Situation ja so, dass in der Krise uns oder jetzt auch in diesem Ausnahmezustand, wo sehr stark politisches, staatliches Handeln erwartet wird, durchaus auch mit sehr viel Zustimmung gegenüber leicht autoritären Zügen, dass das uns ja deshalb um die Ohren fliegt, weil wir uns dann, wenn wir uns in einem sogenannten Normalzustand, in einem Regelzustand befinden, uns eigentlich gar keine Gedanken machen, wie denn Voraussetzungen geschaffen würden oder sollten für ein demokratisches System, nämlich gerade für den Krisenfall. für ein demokratisches System, nämlich gerade für den Krisenfall. Das war ja auch einer der Punkte, wieso ich dieses Buch sehr schnell schreiben konnte und analysieren konnte, weil die Analysen dazu habe ich schon in den letzten Jahren, also eigentlich schon im letzten Jahrzehnt, in dem ich mich mit Demokratie und der Entwicklung unserer Demokratie, vor allem in Österreich, aber auch im Vergleich mit unseren Nachbarländern und auf europäischer Ebene befasse. Also es war schon vorher klar, wo es holprig läuft, wo wir schon längst Verbesserungen vornehmen sollten. Wir hatten auch 2015, 2016 im österreichischen Nationalrat eine Enquete-Kommission zur Stärkung der Demokratie. Also das Thema ist bewusst. Es gibt hier und da immer Demokratie-Konvente, zwar nicht auf Bundesebene, aber in den einzelnen Ländern, allen vor allem vor Arlberg, aber auch Salzburg macht man sich Gedanken, wie kann man denn diese populistische Spitze nehmen, die sich in den letzten Jahren entwickelt hat und hat hier eben Bürgerräte zum Beispiel verwirklicht, als einen, nicht den letzten und nicht den einzigen, aber als einen wichtigen Schritt. Das heißt, all das, wo wir jetzt sehen, das kracht zusammen oder es kracht zumindest an ganz wesentlichen Pfeilern. Wir haben es gesehen eben zum Beispiel in der Logistik, in der Stellung des Parlaments. All das konnte ich ja auch nur so schnell analysieren und aufzeigen, weil sich das schon sehr lange angekündigt hat, weil wir da schon in den letzten Jahren, wenn ich sage wir, dann geht es um Kolleginnen und Kollegen, mit denen ich zusammenarbeite, sowohl in Wissenschaft als auch in der Praxis. Es sehen ja da so viele politische Bildnerinnen und Bildner, andererseits auch Menschen, die eben selbst im Nationalrat oder in den Landtagen oder in den Gemeinden vor Ort sind, die wissen ja auch selbst, was läuft unrund in der österreichischen Demokratie. Was läuft unrund in der österreichischen Demokratie? Und diese Akutphase vom März bis Mai und da jetzt eben auch Auslaufen, diese Konsolidierungsphasen einer Krisendemokratie, haben dann nur noch mal deutlicher, vielleicht für eine breitere Öffentlichkeit auch mal deutlicher, weil selbst am eigenen Leib dann mal gespürt und gesehen, weil man dem Staat so sehr in seinen Maschinenraum hineinschauen konnte, das aufgezeigt, dass es nicht gut läuft. Seit einigen Jahren beschäftigen wir uns mit einem Phänomen, das gemeinhin beschrieben wird als die sogenannte Politik der Angst. Das ist ja auch eine der Umstände, die dazu führt, dass gerade auch in Europa, auch in Österreich rechtsextreme, rechtspopulistische Parteien, Gruppierungen erfolgreich sind, weil immer wieder auch Angst bewusst eingesetzt wird, um Stimmengewinne zu erzielen. Jetzt spielt der Faktor Angst gerade in der Pandemie eine ganz, ganz große Rolle. Sie beschreiben das ja auch in Ihrem Buch. Umso mehr wäre jetzt eigentlich auch gefordert, Überlegungen anzustellen, im Hinblick sozusagen diese Angst auch zu überwinden. Meine Frage ist in diesem Zusammenhang auch sehr stark, wenn wir deutliche demokratiepolitische Verbesserungen erzielen wollen, Stichwort mehr Bürgerinnen-Bürger-Beteiligung oder generell auch mehr direkte Demokratie. Wie soll denn das gehen, wenn so viele Menschen, die hier herausgefordert werden, eigentlich in Angst leben und das teilweise sehr, sehr berechtigt, wenn es ums nackte Überleben geht? Also wir sehen auch in der gesamten Corona-Krise jetzt eine politische Konfliktlinie, die ja auch schon vorher da war, wo wir auch sehen, dass das grundsätzliche Vertrauen in die öffentlichen Institutionen, in die Handelpersonen, das heißt in die Politikerinnen und Politiker, abnimmt, fehlt, wo man auch schon vorher ein Gefühl auch von Kontrollverlust hatte, auch Systemmisstrauen hatte, das dann doch einige Parteien natürlich auch noch zusätzlich geschürt hat. Und das führt jetzt auch zu diesem Misstrauen. Wir sehen das ganz besonders in der Impfpolitik. Aber auch überhaupt, wir haben auch einen Misstrauen in das politische System. Ist denn überhaupt noch die Demokratie das Herrschaftssystem, diese Möglichkeit, miteinander umzugehen, das uns hier aus der Krise hilft oder das uns, wie Sie sagen, die Gesundheit erhält oder hier diese angst irgendwie bearbeitet oder sind nicht andere andere systeme oder autoritäre handlungsweise ist nicht das chinesische system viel erfolgreicher ist lesen wir dann zum beispiel china kaum am einbußen im handelsindex wirtschaft und wieder kommen dann solche Überlegungen. Ja, bräuchte nicht auch einen starken Mann? Und diese Sehnsucht nach dem nach dem starken Mann hat sich in den letzten Jahren schon abgezeichnet. Das Meinungsforschungsinstitut Sorba erhebt das jedes Jahr im sogenannten Demokratie Monitor. Da wird immer abgefragt, wie steht man denn zu der Aussage, ich zitiere, es sollte einen starken Führer geben, der sich nicht um Parlament und Wahlen kümmern muss. Und mit geringen Schwankungen haben wir da immer zwischen 13, manchmal sogar bis 20 Prozent in den einzelnen Jahren, die sagen, ja, es bräuchte jemanden, der sich hier mal durchsetzt, weil wie wir das Parlament und die Wahlen wahrnehmen, da tut sich nichts oder es tut sich zu wenig. Wir sehen es in der Klimakrise. Seit 30 Jahren wissen wir eigentlich darüber Bescheid, wahrscheinlich schon seit mehr, wenn man an all die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler denkt, die das schon in den frühen 80er noch aufgezeigt haben. Aber bis jetzt tut sich eigentlich zu wenig. Und was ich eben auch stark kritisiere an unseren demokratischen Einrichtungen und Institutionen, und wir sehen es hier auch im Krisenmanagement nochmal, ist, dass hier nicht alle, die betroffen sind, tatsächlich mit einbezogen werden. Vor allem wird hier eben abgestellt auf Virologen, Public Health Manager, Gesundheitswissenschaftler, auch Mathematikerinnen und Mathematiker, die errechnen, wann haben wir welche Stufe erreicht und so weiter und so fort. Was mir in diesen Beraterstäben, sofern sie denn überhaupt transparent sind, was man aber quasi sieht, auch wer dann auftritt bei diversen Pressekonferenzen, oder ganz praktisch Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter, Kindergärtnerinnen und Kindergärtner, Personen aus den Pflegeheimen, die hier auch einbezogen werden, die erzählen können, was sind eigentlich ihre Ängste. Und es steht gerade sehr diese eine Angst im Vordergrund, hier zu erkranken oder auch längerfristige Nebenwirkungen durch die Krankheit, Nachwirkungen oder vielleicht auch durch die Impfung. Und wir werden auch immer bombardiert mit Studien, mit Informationen auf Seiten der Wissenschaft und die sollen dann verarbeitet werden. Es gibt aber kein Gremium, in dem wir das gemeinsam auch solidarisch verarbeiten können. Ich schaue da gerne auch in andere Länder, ob das jemand besser macht, hier mal diesen Unmut auf der Bevölkerung dort abzuholen, damit er sich eben nicht letztlich dann auf der Straße, manchen vielleicht sogar gewalttätig äußert, sondern ob man das vielleicht schon institutionell aufgreifen kann. Ich nenne mal drei Beispiele. Deutsche Stadt Augsburg, das britische Bristol oder das französische Grenoble. Was haben sie gemeinsam? Diese Städte haben sogenannte Corona-Beiräte eingerichtet. In diese Beiräte werden Menschen nach einem Zufallsprinzip gelost und alle drei Monate wird das dann quasi erneuert, kommen quasi neue Teilnehmerinnen und Teilnehmer, wie Sie und ich. Jemand, der jetzt nicht in der Politik verantwortlich tätig ist, kann da hineingelost werden, genauso gut meine Großmutter oder unsere Cousinen und Cousins. Jemand, der einfach seine Expertise des Alltags mal einbringt und sagt, mir als Kindergärtner geht es so, mir als Altenpflegerin geht es so. Und hier ein Gremium zu schaffen, wo an die Augsburger, Bristeler oder Grenobler, Politikerinnen und Politiker mal rückgemeldet wird. Wie kommen denn deren Pandemiebekämpfungsmaßnahmen eigentlich an? Und hier ein Gremium zu schaffen, in dem diese Angst oder Ängste, die sich ja eben nicht nur gesundheitlich, sondern ökonomisch, finanziell, sozial, psychosozial äußern, hier mal ein Gremium zu geben und zu sagen, wir hören uns eigentlich mal an, wie diese Maßnahmen, die wir da seit mittlerweile fast einem Jahr setzen, wie die tatsächlich ankommen. Und wir hören uns nicht nur die üblichen Verdächtigen an, die sich gut organisieren können, die uns vielleicht ohnehin mit Bürgerinitiativen, Petitionen oder auf anderen Wegen erreichen, sondern wir fragen die, die sonst nicht zu Wort kommen, die oft auch mal gern überhört werden oder die zwar immer gern als systemrelevant gelten, aber eigentlich spricht man mehr über sie statt mit ihnen. Das führt mich genau zum nächsten Thema. Wir haben gestern einen historisch denkwürdigen Tag erlebt, nämlich das Ende der Amtszeit von US-Präsident Donald Trump. Diese Amtszeit ist zu Ende. Was uns sicherlich weltweit noch erhalten bleibt, ist das, was wir jetzt gemeinhin als sogenannten Trumpismus bezeichnen. ein Politikprinzip, ein Politikverständnis, auch in der Ausübung eine Melange, eine Gemengelage aus Lügen, Verschwörungsglauben, gesellschaftlicher Spaltung und so weiter, das ja nicht nur ein den USA vorbehaltenes Phänomen ist, wir haben das ja auch hier in Europa, in gewissen Zügen auch in Österreich. Sie sind ja in der politischen Bildung tätig und werden da wahrscheinlich gerade auch von Jugendlichen immer wieder auch gefragt werden, wie ist denn was möglich? Wie erklären Sie eigentlich in der politischen Bildung Menschen, die sich tatsächlich die Frage stellen, wie kann jemand wie Donald Trump mit diesem Trumpismus in den USA 75 Millionen Wählerstimmen finden. Ja, Trump war gerade immer in den Workshops für Erstwählerinnen und Erstwähler ein sehr großes Thema, auch eben durch diese mediale Aufmerksamkeit, die er auch schon vorher hatte, durch diese Sendung der Apprentice, aber vor allem, weil er durch seine Tweets auch als Zugänglicher eingestuft wurde. Das ist vielleicht schon ein Hinweis, was auch seine Popularität ausmacht. Er schert sich eben wenig um seine Pressesprecher, Pressesprecherinnen oder darum, wie er eigentlich ankommt, sondern er haut seinen Tweet raus, auch zu Nachtstunden oder wann auch immer. Und das ist dann in der Welt und das macht ihn auf eine Weise sehr zugänglich. Und was wir an Trump zugespitzt sehen, es gab ja auch Trumps before Trump, also vor allem in den USA, wenn ich denke an Ronald Reagan, das war eigentlich der erste Medienpräsident, der damals natürlich noch ohne Social Media, aber damals eben schon auf dieser Medienklaviatur sehr geschickt gespielt hat. ist, wie man eine sehr starke, teilweise auch stark diskriminierende Wortwahl verwendet, um Aufmerksamkeit zu schaffen. Also diesen ständigen Tabubruch, mit dem man eben in die Medien kommt und mit dem man Aufmerksamkeit generieren kann. Und das sehen wir ja durchwegs, gerade bei Rechtspopulisten, Rechtsautoritären, den den Tabubuch in der Sprache gepaart mit, das wird man doch noch sagen dürfen, obwohl sie es ja eh ständig und überall sagen dürfen. Aber diese Unterstellung, dass es eigentlich ja nicht in Ordnung wäre und dass es eigentlich so nicht gesagt werden dürfe, schafft natürlich nochmal Aufmerksamkeit. Was wir auch bei Trump sehen, und das ist etwas, wenn wir jetzt Richtung Trumpismus denken, wo wir zwar in Europa noch nicht in dieser Form oder in dieser Breite und auch Tiefe das Problem haben, wo wir aber in den nächsten Jahren und Jahrzehnten aufpassen müssen, ist das Thema soziale Ungleichheit. Trump hat stark eben mit diesem America first gespielt, wir holen uns die Industrie wieder zurück, wir schaffen Arbeitsplätze, weil eben in den letzten Jahren und Jahrzehnten die sozioökonomische Ungleichheit in den USA noch viel stärker geworden ist. Das hat jetzt in erster Linie nicht so viel damit zu tun, dass Arbeitsplätze oder dass die abgewandert werden nach Asien oder in andere Bereiche, jedenfalls außerhalb der USA, sondern hat auch stark mit einem Steuersystem zu tun, hat stark damit zu tun, wie überhaupt das Finanzsystem in den USA läuft und dass wir ja so etwas wie wohlfahrtsstaatlichen Eingriff hier nur minimal haben. Und daher ist es eben auch ganz wichtig für mich auch in der politischen Bildung zu vermitteln, wie wichtig eigentlich unser Wohlfahrtsstaat ist, unsere Daseinsvorsorge, dieser Ausgleich oder dieser versuchte Ausgleich von sozialer Ungleichheit, wie wichtig das eigentlich für die Demokratie ist. Wir sehen nämlich in all diesen Demokratiebefragungen immer wieder, wer spricht sich denn noch für die Demokratie aus? Wer sagt denn noch, dass das ein gutes System ist? Und wer sagt eher, ich fühle mich da nicht mehr gut aufgehoben oder dieses demokratische System Österreich ist für mich nicht da. Und das sind dann diejenigen, die weniger durch soziale Netze aufgefangen werden, die auch schon armutsgefährdet sind oder die jetzt gerade in der Krise, in der Wirtschaftskrise auch die Angst haben, dass es den Abstieg gibt. der Wirtschaftskrise auch die Angst haben, dass es den Abstieg gibt. Kollege Oliver Nachtwey von der Universität in Basel hat ein Buch geschrieben, Abstiegsgesellschaft, das sehr prägnant umschreibt, wie wir uns eigentlich quasi seelisch auch wiederfinden. Es gibt einen großen Angst abzusteigen. Es geht gar nicht mehr so sehr darum, dass es den nächsten generationen besser gehen wird wenn wir alle brav arbeiten die kinder wenn es besser haben nein auch wenn wir unter anführungszeichen brav arbeiten geht es kommt man eben so über die runden aber vermögensaufbau ist kaum mehr möglich und und eigentlich schaut so aus dann müssten wir den Abstieg fürchten. Und gerade jetzt, eben in der Corona-Krise, auch als ökonomische Krise, müssen wir darauf achten, dass wir hier nicht in eine noch stärkere soziale Krise kommen. Wir sehen es jetzt schon, also wenn man sich anschaut, allein die Dokumentationen, die ich in der letzten Woche gesehen habe, über neue Gesichter der Armut am Schauplatz, die Krise der Frauen. habe über neue Gesichter der Armut am Schauplatz, die Krise der Frauen. Wir haben eine ganz neue Armut von Menschen, die sich noch vor ein paar Monaten oder vielleicht heute vor einem Jahr nie gedacht haben, dass sie mal so in diese Armutsfalle rutschen würden. Und das ist aber eingetreten. Und das schadet enorm der Demokratie, weil natürlich die Demokratie auch dieses Versprechen hat, für alle da zu sein und sozialen Ausgleich zu schaffen. Und wenn das nicht geschafft wird, wenn die Perspektivenlosigkeit größer wird, dann haben wir hier ein Einfallsrohr für Rechtspopulisten und Rechtsautoritäre wie eines Donald Trump. Jetzt stehe ich dennoch vor dem, ich empfinde es so, Widerspruch, dass wir Phänomene sehen, die jetzt bei aller Wertschätzung nicht unbedingt in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dieser sozialen Frage stehen. Ich greife jetzt eins heraus, diese immer mehr erstarkende, auch in Österreich mittlerweile bekannte QAnon-Bewegung, der sich interessanterweise viele Menschen anschließen und das sind nicht nur Armutgefährte, da sind eine ganze Menge Menschen auch dabei, die durchaus Geld haben, die im Leben stehen, die auch an dieser Gesellschaft partizipieren können, dennoch folgen sie kruden Ideen wie dieser Überlegung, es gibt da irgendwo unter der Erde einen Deep State, wo kleine Kinder gefoltert werden und da sozusagen ein sinistres Machtwerk von Staaten geht, das sich unserer Kenntnis entzieht, aber sozusagen uns unterwerfen will. Das sind derart krude Gedanken, dass ich mir zum einen die Frage stelle, was ist eigentlich von der Aufklärung geblieben, gerade auch in unseren Gesellschaften des 21. Jahrhunderts. Wir haben Bildungssysteme, wir versuchen Menschen auch in der Demokratie zu erziehen. Was kommt denn da Ihrer Meinung nach zum Ausdruck? Es klingt ja nicht nur so, dass Menschen abgehängt werden in ihrer sozialen Dimension, sondern offensichtlich auch sehr starke Machtlosigkeit und Ohnmacht versantasien. Also auch das Gefühl, dass man eigentlich viel weniger Einfluss hat, als man tatsächlich nehmen könnte. Und wir erleben doch sehr viel Verlust, beziehungsweise auch wenn ich jetzt anschaue, wenn hier auch ältere Personen, die jetzt nicht von Armut gefährdet, Armut gefährdet sind oder sozial, sozioökonomisch bessergestellte. Auch hier gibt es eben Verlustängste, Gestaltungsverlustängste und diese Zukunftshoffnung, die vielleicht mal da war, die aber allgemein auch verloren gegangen ist. Und was wir eben da in der politischen Bildung auch immer sehen, es ist immer leichter greifbar, jemanden persönlich anzugreifen. als sich tatsächlich mal anzuschauen, wie funktioniert unser gesellschaftspolitisches System und was ist eigentlich das Problem an Bill Gates. Es ist nicht, dass Bill Gates Geld hat und dadurch irgendwelche Stiftungen finanzieren kann nach seinem Gutdünken, sondern das Problem ist eigentlich, dass man mit Geld mehr Einfluss und mehr Macht hat, als es eine einzelne demokratische Stimme noch sein kann. Wir sehen das im Kleinen immer wieder bei Parteispenden. Wer kann sich wie wo einen besseren Vorteil verschaffen? Wie kann ich über Parteispenden auf Gesetzgebung Einfluss nehmen? Und das ist in Österreich immer noch eher im kleinen Rahmen. Aber wenn wir hier wieder auf Trump und das amerikanische Wahl- und Wirtschaftssystem gehen, da noch viel stärker. Und es ist immer wieder beim Punkt politische Bildung. Es ist nicht so einfach zu durchschauen, was sind denn die wirklichen Stellschrauben oder wo mangelt es denn wirklich am demokratischen System? Und was den demokratischen System tatsächlich stahlert, ist diese Übermacht des Geldes. Also wie viel kostet es mich eigentlich, hier in den USA in ein Amt zu kommen. Und im Kleineren kann man ja noch fragen, wie viel kostet es mich in Österreich für dieses oder jenes Gesetz zu lobbyieren. Wir haben da ja auch in Österreich gerade einige Skandale laufen. Wer ist wie käuflich? Wer hat mit welcher Parteispende für welche Politikrichtung lobbyiert? Parteispende, für welche Politikrichtung lobbyiert. Und das ist natürlich etwas, was wir uns systemisch kritisieren müssen. Und das ist aber schwierig, weil wir einerseits fehlt uns da an politischer Bildung. Also wir sind längst nicht so aufgeklärt, wie wir uns das alles wünschen würden. Ich kämpfe seit Jahren dafür, mehr politische Bildung in den Schulen, schon am besten vom Kindergarten an. Und politische Bildung bedeutet für mich nicht, dass ich die Kinder und Jugendlichen abfrage, wisst ihr, wie viele Menschen im Nationalrat sitzen oder wie viele in Oberösterreich im Landtag sitzen und wer sitzt denn dort? Sondern für mich ist politische Bildung, wie kann ich gestaltend Einfluss nehmen und wie kann ich mich solidarisieren, wie kann ich für das Gemeinwohl arbeiten und all diese politische Eigenverantwortung, die muss immer auch gemeinwohlorientiert sein. Und Demokratie ist auch eine Zivilisationstechnik, die wir lernen müssen, wie Lesen, Schreiben, Rechnen. Aber da mangelt es uns vollkommen. Es bringt nicht viel, wenn ich dann 14-, 15-Jährige einmal in der Woche ein bisschen politisch bilde oder einmal nach Wien ins Parlament für eine Tour schicke. Demokratie muss eine Alltagserfahrung sein. Und das ist etwas, was wir eben hier noch nicht so verankert haben, dass wir sagen könnten, wir können uns wirklich darauf verlassen, dass wir alle gute Demokratinnen und Demokraten sind. Also da braucht es viel mehr. Es braucht auch mehr in der Ausbildung der Lehrerinnen und Lehrer. Politische Bildung kann immer nur so gut sein, wie das, was die Lehrerinnen und Lehrer mitbringen. Und da hängt vieles momentan am persönlichen Engagement, das sehr groß ist unter den Lehrerinnen und Lehrern. Aber es fehlt auch am institutionellen Rückhalt. Da wir das seit einigen Jahren, seit wir das Wahlalter auf 16 gesenkt haben, wird da einiges aufgebaut und nachgeholt. Aber Sie und ich können uns erinnern, wie viel Demokratie wir in der Schule damals gelernt haben. Und hätte ich dann nicht weiter studiert, ich wäre wahrscheinlich auf diesem Niveau auch stehen geblieben. Und das ist auch niemandem vorzuwerfen, zumindest ich werfe es niemandem vor. Es ist unsere gesamtgesellschaftliche Aufgabe, hier etwas daran zu ändern. Jetzt hat in den vergangenen Tagen und Wochen für Schlagzeilen gesorgt, dass große, gigantische Social-Media-Plattformen wie Facebook, Twitter, Donald Trump den Account gesperrt haben. YouTube ist jetzt in die Verlängerung gegangen, sperrt Donald Trump den YouTube-Kanal eine Woche mehr. Das ist deshalb interessant, wie genau diese Plattformen ja jemanden wie Donald Trump groß gemacht haben. Jetzt beginnt das aber auch schon in Österreich. Herbert Kickl hat eine Rede im österreichischen Nationalrat gehalten in der Corona-Debatte, die für YouTube offensichtlich so satzungsunverträglich war, dass man ihn ebenfalls gesperrt hat. Was ist denn da Ihrer Meinung nach davon zu halten? Also auf einer persönlichen moralischen Ebene finde ich es natürlich immer eine Erleichterung, wenn man Trump endlich mal das abdreht so dass er nicht noch mehr menschen anstacheln kann hier dass das weiße haus oder oder den kongress oder was auch immer einzunehmen auf einer wissenschaftlichen ebene die ich dann hier auch die dann bei mir auch immer wieder gewinnt, nachdem ich mal quasi die erste moralische Überwundung habe. Nach welchen Regeln arbeitet denn hier Facebook und Twitter und YouTube? Also wer erstellt denn diese Regeln, wann es denn Zeit ist, jemanden da zu streichen? Sind das die gleichen Regeln, nach denen ich eigentlich mich nicht oben ohne auf Twitter oder Facebook zeigen dürfte. Also ist das die gleiche moralische Regel? Und wer erfindet die? Ist das bei Facebook Sarah Zuckerberg persönlich? Oder ist das vielleicht ein, das würde ich befürworten, bringt man da vielleicht mal quasi so einen Nutzerrat, alle Nutzerinnen und Nutzer zusammen und sagt, machen wir uns doch, dass Facebook oder Twitter, das ist unser gemeinsames soziales Medium und daher sollten nicht nur A, unsere Daten auch uns gehören und nicht weiterverkauft werden, das wird eine andere Geschichte, sondern b wir sollten uns gemeinsam über unsere Nutzungsbedingungen klar werden. Also was sage ich, demokratisieren, wie kann ich diese Plattformen demokratisieren, indem ich jetzt zum Beispiel mal diese Gremien schaffe, wo nicht der CEO oder ein Head of sonst irgendeiner Division sagt, ja, es reicht aber mal mit Herrn Kickl und Herrn Trump, weil wir haben uns irgendwann mal die Regel gegeben, dass das und das nicht geht, sondern wie wollen wir uns eigentlich hier demokratischer organisieren und fragen wir doch mal, machen wir doch mal quasi so ein Weltparlament der Facebook-Nutzerinnen und Nutzer. Moderieren wir das ordentlich und kommen wir dann zu einem gemeinsamen Statement, zu einem gemeinsamen, ich weiß nicht, Zwölf-Punkte-Programm, was geht und was geht nicht. Damit könnte ich mich noch abfinden, wenn ich sehe, das ist halbwegs demokratisch legitimiert. Tatsächlich ist es aber jetzt so, dass das alles privatwirtschaftliche Unternehmen sind, denen wir uns ausliefern, sie und ich wahrscheinlich auch ausliefern müssen in einem gewissen Bereich, weil wir so eben auch kommunizieren können mit Kolleginnen und Kollegen oder gerade wie DorfTV auch Zuseherinnen und Zuseher erreicht haben. Darüber hinaus müssen wir uns aber auch Gedanken machen, wie können wir das auch gestalten? Das sind alles unsere Daten, das sind unsere Meinungen und letztlich auch unsere Demokratien, in die da eingegriffen wird. Wir haben es zum Beispiel beim Brexit gesehen, inwiefern Social Media Kampagnen das dann noch drehen können. Und dann geht es um ein paar Prozent von Remain oder Leave. Und dann geht es darum, wer hier die größere Wirtschafts- und Online-Macht hat. dann bin ich noch eher bereit zu sagen, denen kann ich dann auch folgen, als dieses einseitige Ausgeliefertsein, wo man dann nur sagen kann, moralisch ist es in Ordnung, demokratisch aber überhaupt nicht. beim Einlauf in die Zielrunde nochmal auf Ihr Buch zurückkommen, denn das trägt ja nicht nur den Titel Krisendemokratie, sondern auch sieben Lektionen aus der Corona-Krise. Frau Eß, für die verbleibende Zeit können Sie uns sozusagen sehr komprimiert sagen, welche Lektionen wir aus der Corona-Krise sehr unmittelbar tatsächlich lernen sollten. Ich kann vielleicht mal mit etwas beginnen, wo ich schon erste Lerneffekte oder eine kleine Lernkurve sehe. Und das betrifft Parlament und da vor allem die Oppositionsparteien. Das ist auch etwas, was ich gleich in meinem ersten Kapitel sehr kritisiere, diese Selbstaufgabe der Opposition in den ersten Wochen, diese Selbstaufgabe der Opposition in den ersten Wochen, dass hier, wenn schon keine Alternativen zur Krisenbewältigung aufgezeigt wurden, so doch wenigstens die Kontrollmacht, und die hat das Parlament, aber es hat es leider aufgegeben in dieser ersten Phase, diese Kontrollmacht holt man sich jetzt schrittweise wieder zurück. Wir haben schon gesehen beim vergangenen Herbst, aber wenigstens seit Jänner haben wir jetzt so einen kleinen Corona-Untersuchungsausschuss eingerichtet von der SPÖ und von den NEOS. Das ist eigentlich ein Unterausschuss beim Rechnungshof-Ausschuss. Und da werden jetzt mal ein bisschen die Corona-Politik, die Management-Politik der Regierung untersucht, wenn es um Vergabe und so weiter geht. Also das ist hier ganz wichtig und das ist etwas, was mich als Demokratiewissenschaftlerin sehr freut, dass das Parlament und insbesondere die Opposition ihre Kontrollmacht hier ein wenig wiedergewinnt oder entdeckt. Ganz wichtiger Punkt, auch schon angesprochen, ist hier mehr Menschen, alle die davon betroffen sind, auch in die Lösungen für die nächsten Monate und selbst wenn wir dann eine Impfung haben und die Pandemie in ihrer Akutphase vorbei ist, wir haben soziale Verwerfungen, wir haben wirtschaftliche Verwerfungen, die uns noch die nächsten Jahre beschäftigen werden und es braucht hier nicht nur die Kompetenz von ein paar Wirtschaftswissenschaftlern und ein paar Sozialwissenschaftlern, sondern es braucht die Kompetenz der vielen und der vielen Betroffenen. Also auch hier bin ich für Einrichtungen von so Corona-Bürgerräten, Corona-Beiräten, wo auch diejenigen gehört werden, die sonst hier überhaupt nicht vorgekommen sind. Etwas, was mir noch stark fehlt, ist auch der Kulturbereich. Auch hier habe ich dem Buch ein Kapitel gewidmet, wo es eben darum geht zu sagen, ja Kultur ist auch demokratierelevant, gerade weil es uns auf einer viel niederschwelligeren Ebene als das politische Bildung manchmal kann, Alternativen aufzeigen kann, die Mächtigen kritisieren kann und viel zugänglicher ist und auch in der Breite viel zugänglicher sein kann und eine wichtige Stütze auch für demokratische Vereinbarungen und Verabredungen sein kann. Das wurde leider in der Corona-Krise vollkommen außer Acht gelassen. Es scheint, dass die Kulturnation Österreich rein touristisch verstanden wird. Es ist aber wirklich eine Stütze für die Demokratie. Ich nehme das jetzt als Schlusswort, denn wir sind tatsächlich am Ende der Sendezeit. Vielen herzlichen Dank, Tamara Eß, Politikwissenschaftlerin und Demokratieberaterin. War ein sehr spannendes Gespräch zu einer Menge von Themen, die man ja jetzt noch unendlich lange weiter fortsetzen könnte. Das Thema Corona-Demokratieentwicklung wird uns ja auch weiterhin beschäftigen. Auf alle Fälle vielen herzlichen Dank. Ein großes Dankeschön auch an die Zuseherinnen und Zuseher von DorfTV, die wieder mit großem Interesse dabei waren. Die nächste Ausgabe von Wassermeyer sucht den Notausgang gibt es dann Ende Februar mit der Publizistin Lea Suse-Michel. Sie ist Chefredakteurin des feministischen Magazins Anschläge. Auch da können wir eine ganz spannende Debatte erwarten. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen noch einen schönen Abend. Und wie immer schließe ich mit dem Appell, bleiben Sie dem Sender Ihres Vertrauens, nämlich DorfTV, weiterhin gewogen. Vielen herzlichen Dank und auf Wiedersehen.