Wie machen wir jetzt weiter? Gespräche mit Menschen, die Zukunft denken. Ein gemeinsames Projekt von Welt der Frauen und der Plattform Movement21. Wir wollen Sie gerne anregen, in dieser besonderen Zeit mit uns verschiedene Facetten zu beleuchten, die uns bewegen. Und ich habe heute einen ganz besonderen Gast dazu eingeladen. Das ist Pater Anselm Grün. Und er ist uns jetzt aus der Abtei Münster-Schwarzach in Deutschland zugeschaltet. Grüß Gott, Pater Anselm. Grüß Gott, Frau Eiland. Schön, dass Sie sich Zeit für uns nehmen. Danke. Pater Anselm, Sie leben in einem Kloster. Jetzt geht es ja darum, wie die Welt sich gerade verändert, was wir gerade erleben. Bleiben wir mal in diesem Bild, stellen wir uns vor, die ganze Welt ist ein großes Kloster und Sie sind der Abt. Was würden Sie als Abt jetzt machen? Gut, ich würde die Situation als Schase nehmen, wirklich mal in der Zelle zu bleiben. Wir Penitenten, wir geloben ja die Stabilitas, stabil bleiben, sich selber aushalten. Ich denke, das ist das Erste, dass man auch mal sich selber aushalten kann, ohne große Kontakte. Aber ich kann mich nur aushalten, wenn ich mit Neugier auf mich schaue. Wenn ich Angst habe, da könnte irgendwas auftauchen, meine Schuldgefühle oder dass mein Leben nicht stimmt, dann werde ich immer davonlaufen. Und so ist es eine Chance, sich selber besser kennenzulernen und ja zu sagen, dass selber neue zeiten an sich kennen zu lernen das ist das eine und dann das zweite ist wir brauchen ein neues verhältnis von nähe und distanz nur nähe das ist auch nicht gut das merkt man wenn man die ganze familie im home office ist dann geht es sich auf die nerven und diese Aggressionen sind immer ein Zeichen, ich brauche auch Zeit für mich, ich muss auch für mich selber sorgen. Also das ist das Erste. Das Zweite ist sicher, welchen Sinn können wir dem Ganzen geben, dass wir nicht einfach uns als Opfer fühlen, wir arme Opfer von dieser ganzen Pandemiekrise und jammern und haben alle möglichen Zerstörungstheorien. Sondern es ist so und wie reagieren wir aktiv? Wenn wir da offen bleiben, dann schwächen wir uns selber. Viele Menschen sind aber trotzdem so innerlich etwas empört, dass ihnen ihre Freiheit genommen worden ist. Wie geht man mit so einer inneren Empörung um? Gut, die Wut kann man durchaus zulassen. Es ist auch ärgerlich, es ist anders. Aber dann ist die Frage, steige ich mich rein in die Wut oder verwande ich die Wut in etwas Aktives und sage, gut, es ist zwar ärgerlich, aber ich lasse mich nicht unterkriegen. Ich gestalte meine Zeit so, habe vielleicht mehr Zeit, zu lesen, zu schreiben, zu telefonieren, mit anderen Menschen in Berührung zu treten, Kontakt zu treten. Ich kann andere Dinge machen. Also ich muss in die Aktivität, sonst, wenn ich nur in der Wut bleibe, schade ich mir selber. Sie haben unmittelbar gleich nach Beginn der Corona-Krise ein Buch geschrieben. Ich halte es kurz her, da geht es um Quarantäne. Wie schafft man das? Jetzt könnte man sagen, Sie als Ordensmann sind sozusagen ein Lockdown-Spezialist, weil es zum Ordensleben dazugehört, immer wieder mal so Auszeiten zu haben, wo man sich abkoppelt vom normalen Alltag. zu haben, wo man sich abkoppelt vom normalen Alltag. Worin besteht da der Sinn? Was erfährt man da in diesen Zeiten? Und wo könnte eine Lehre für uns nicht-klösterlich lebende Menschen sein? Gut, schon der Pascal hat im 17. Jahrhundert gesagt, das ist das große Gefahr des Menschen oder der große Fehler, dass keiner mehr allein in seinem Zimmer bleiben kann. Wir müssen immer Abwechslung haben, Vergnügen und allein mal mit sich zu sein und zu spüren, wer bin ich eigentlich, das gehört wesentlich zu Menschen. Natürlich, dass allein sein kann dann auch eine Hilfe sein, offen zu werden für Gott. Aber Peter Schellenbaum, ein Schweizer Psychologe, sagt einmal, die Kunst besteht darin, das Alleinsein in ein Alleinsein zu verwandeln, sich einzufühlen, auch mit all den Menschen, die jetzt auch allein sind und die auf sich selber gestellt sind. Dann entsteht eine neue Qualität von Miteinander über die Distanz hinweg. Sie leben zwar im Kloster, aber Sie kommen sehr viel herum, haben viel mit Menschen zu tun. Und ich nehme an, Sie werden auch jetzt so einen Blick auf das Ganze haben. Was nehmen Sie denn an Veränderungen wahr? Worin könnte möglicherweise eine Chance dieser großen Pandemie bestehen? Ich denke, es ist eine neue Nachdenklichkeit entstanden. Was ist der Sinn unseres Lebens? Wie sollen wir leben? Welchen Lebensstil sollen wir in Zukunft haben, auch nach der Krise? auch nach der Krise. Das Zweite ist, zumindest am Anfang ist eine neue Solidarität entstanden, momentan drückt die ein bisschen auseinander, aber das ist für mich trotzdem wichtig. Solidarität, wir haben gespürt, wir können uns anstrecken mit dem Virus, negativ infizieren, wir können uns aber auch positiv infizieren. Also mit der Stimmung, mit der wir am Morgen in den Tag gehen, da stecken wir ja auch unsere Umgebung an. Da haben wir auch eine Verantwortung, was geht von mir aus? Geht von mir Bitterkeit, Aggression, Hass aus oder geht von mir Hoffnung aus oder auch Wohlwollen? Also wir hängen miteinander zusammen, wir sind alle miteinander verbunden. Und das in einer positiven Weise zu verbinden. Und das Dritte ist sicher der Sinn. Jesus sagt in der Bibel auch, wir sollen die Zeichen der Zeit erkennen. Das ist sicher ein Zeichen der Zeit, aber wir können nicht sofort die Antwort geben. Bei Jesus sind die Zeichen der Zeit immer ein Impuls, umzudenken, mit Tanoja anders zu denken. Und ich denke, das ist sicher diese Krise, die Herausforderung, anders zu denken. Wir müssen entweder das Gleiche denken oder Neue denken. Das Andersdenken bezieht sich für viele ja auch auf die Frage, wie wirtschaften wir, wie gehen wir mit der Natur um, wie gehen wir mit den Ressourcen um, wie gehen wir auch zum Beispiel mit den Tieren um. Das Überspringen dieser Zoonosen hat ja auch damit zu tun. Und jetzt sind sie katholische Priester und Pater und man sagt doch, die Tradition macht euch die Erde untertan, also unterwerft euch alles, sei mit Schuld an dieser Haltung, die wir jetzt so praktisch ausbeuterisch auf die Welt angelegt haben. Wie sehen Sie das? Ist da eine Mitverantwortung? Muss tatsächlich auch von den Glaubensgemeinschaften da aktiv etwas gemacht werden? In der Bibel gibt es ja zwei Schöpfungsberichte und in dem einen steht, macht euch die Ehre untertan. Das ist allerdings nicht so, wie wir es dann in der Aufklärungszeit gesehen haben, dass wir die Herren sind und mit unserem Verstand alles machen können. Der zweite Schöpfungsbericht, wo Adam in den Garten Eden gestellt wird, da ist es eine Aufgabe, den Garten zu hegen und zu pflegen. Also das ist viel sanfter als beim ersten, wobei wir natürlich das Machtortier der Untertanen auch falsch verstanden haben, aber sicher hat das Christentum, vor allem in der Aufklärungszeit, das auch wirklich als ausbeuterisch interpretiert. Im Mittelalter war es weniger, die Mönche haben ihren Ort gepflegt, sodass die 1000 oder 2500 Jahre dort leben konnten. Da muss ich ja sorgfältig und achtsam umgehen und für Bendigt ist ganz wichtig, achtsam umgehen mit den Dingen, mit der Natur. Da haben wir sicher als Christen in den letzten paar hundert Jahren viele Fehler gemacht und wir brauchen da auch ein Umdenken. Aber wichtig ist mir, dieser Umweltschutz und der neue Umgang mit der Natur braucht auch eine spirituelle Grundlage. Mit Moralisieren schaffe ich keinen neuen Umgang. Wenn ich Gott überall wahrnehme, auch in der Natur, auch in den Tieren, in den Pflanzen, dann werde ich auch anders umgehen. Oder auch der Blick für das Schöne. Wenn ich die Schönheit der Natur wahrnehme, gehe ich auch anders um. Die deutsche Sprache verbindet ja schön mit schauen, aber auch mit schonen. Das Schöne schone ich und ich denke, da braucht man eine neue Form von Spiritualität. Dazu gehört auch, denke ich, ein schonender Umgang mit Ressourcen. Jetzt habe ich von Ihnen gelesen, Sie sind der höchst erfolgreiche Buchautor. Sie haben, glaube ich, eine Auflage von 20 Millionen Exemplaren, also unglaublich. Und Ihr Abtfreund, Notka Wolf, sagt, Sie kommen mit 50 Euro pro Monat Taschengeld aus. Wie gibt es das? Ich brauche weniger, ich brauche eigentlich gar nichts. Kein Taschengeld. Ich habe früher was gebraucht, wenn ich unterwegs war und einen Cappuccino getrunken habe. Aber meistens kriege ich am Vortragsort dann schon Cappuccino. Dann war ich unterwegs, gar nichts mehr. Also ich brauche kein Geld. Luxus ist für mich keine Frage. Wir haben im Kloster genug und ich lasse mich darauf ein. Ich kaufe nie was. Also wäre es dann nicht konsequent, dass Sie Ihre Bücher herschenken, wenn das so ist? Das Kloster muss ja auch was leben und wir haben eine Schule und gerade Bildung darf man nicht sparen. Wir werden unsere Schule für 30 Millionen. Da muss ja irgendwo das Geld auch herkommen. Und das tragen Sie bei mit Ihren Büchern. Sie sind unglaublich erfolgreich, aber auch tüchtig. Sie haben ja zwei Bücher in der jetzigen, nicht einmal ein Jahr, Corona-Krise geschrieben. Ein dickeres gibt es auch noch, was Gutes Leben ist. Und ich glaube, ein drittes ist gerade herausgekommen mit der Mike D. Kelly oder kommt gerade heraus. Wie geht das? Wie kann man so viele Bücher in so kurzer Zeit schreiben? Wie sind Sie organisiert? Das erste Buch war ein Tänne. Das war bei einem Gespräch, da haben wir den ganzen Nachmittag gesprochen. Und dann hat der Piero uns teilweise geschrieben und ich habe es ergänzt und so weiter. Das war dann in fünf Tagen fertig. Das andere dickere, gut, da habe ich natürlich länger geschrieben, aber in der Corona-Zeit hatte ich ja mehr Zeit, weil da kann man ja wieder verbessern und umändern. Das ist einfach dann so gewachsen. Haben Sie so fixe Schreibzeiten? Also sind Sie ein sehr strukturierter Mensch? Sie haben ja schon gesagt, also bei der Frage, wie kann man denn umgehen mit dieser Spezialsituation, dass man es mit sich auch aushalten soll. Braucht es dazu Struktur, Rituale? Ja, sicher. Früher als Zelleran habe ich sechs Stunden in der Woche gehabt, am Dienstag und Donnerstag morgens zwischen sechs und acht oder am Sonntagnachmittag. Jetzt in der Corona-Krise habe ich nachmittags und abends öfter Zeit, also nachmittags habe ich auch Gespräche, Zeltlaufgespräche, aber jeden Abend hatte ich Zeit. Und da konnte man natürlich mehr schreiben. Zu Ihnen kommen ja auch viele Menschen, die tatsächlich Krisen haben, die sich in persönlichen und spirituellen Krisen befinden. Wie kann man denn beschreiben, was Menschen in großen Krisen durchleben und wie man ihnen helfen kann, einen Weg zu finden? Gut, die Krise ist ja immer das Gleichgewicht der Kräfte kommt durcheinander. Also das, worauf ich bisher gebaut habe, das zerbricht. Und das Erste, das Wichtige ist, dass man sich keine Vorwürfe macht, meine Kr eine Krise gerät. Dass ich es einfach wahrnehme, da ist was zerbrochen. Aber was kann jetzt neu entstehen? Das Bild aus den Trümmern, wo etwas Neues geschieht, oder es ist was zerbrochen, weil es noch nicht der Entwurf war für mein Leben. Ich habe vielleicht meine Vorstellung vom Leben, wollte ich unbedingt durchsetzen. Aber die Vorstellung, da waren vielleicht auch infantile Wünsche dabei und die zerbrechten. Und das Zerbrechen ist immer eine Chance aufzubrechen für mein wahres Selbst. Wer bin ich eigentlich und was entspricht meinem wahren Wesen? Das ist die Chance der Krise, dann immer authentischer zu werden. Können Sie das für sich schon beantworten? Was ist mein wahres Wesen? Das wahre Wesen kann man nicht beschreiben. Man kann es nur vielleicht spüren, wenn ich mal still bin und das Gefühl habe, es stimmt, es ist stimmig. Ich bin so im Einklang mit mir. Dann darf ich vertrauen, dass ich so in Berührung bin mit dem wahren Wesen. Aber beschreiben kann man das nicht, dieses einmalige Bild. In der Bibel steht, man soll sich von Gott kein Bild machen und das auch von uns. Wir haben natürlich negative Selbstbilder und die soll man loslassen. Und dann aber das Geheimnis dieses innersten Kernes, das kann man nur erahnen. Sie sind ein Mönch, Sie sind ein frommer Mann. Sie haben ein paar Mal schon in der Sprache das jetzt auch verwendet. Für viele ist diese religiöse Sprache auch ein verschlossenes Tor. Sie erschließt sich nicht mehr. Man hat eben keine Vorstellung, was ist da damit gemeint. Gibt es Übersetzungen? Wie kann man das, was Sie zum Beispiel als Gott bezeichnen, was Sie mit Spiritualität, mit dieser Verbundenheit bezeichnen, kann man das anders auch sagen als religiös? verwältigen. Die Sprache muss auch offen sein für das Transzendente, für das Geheimnis. Aber natürlich ist es eine ständige Herausforderung. Ich habe ja noch ein Buch geschrieben nach der Krise, Selbstermächtigung des Glaubens, wo ich den Menschen versuche Mut zu machen, dass sie ihrem eigenen Glauben trauen, dass jeder so eine Weisheit der Seele hat und die entspricht letztlich dem religiösen Glauben. Aber wie Sie sagen, viele können mit den religiösen Glauben. Aber wie Sie sagen, viele können mit den religiösen Formen nichts anfangen. Aber den Namen Gott, natürlich kann ich sagen, das Geheimnis, das alles übersteigt, also der Kalvaner oder das Grund allen Seins. Aber wir kommen nicht ganz ohne die Worte aus. Aber wir sollen vorsichtig sein und immer auch spüren, was die Menschen verstehen. Das ist für mich eine ständige Herausforderung, eine Sprache zu finden, wo die Menschen sich berührt fühlen. Und gerade die Bibel spricht ja nicht nur über Gott, sondern auch über die Menschwerdung, wie kann der Mensch so leben, dass es seinem Wesen entspricht. Pater Anselm, kehren wir zum Schluss unseres Gesprächs nochmal an den Anfang zurück, an dieses Bild. Die Welt ist ein Kloster und Sie sind der Abt. Jetzt haben wir so eine Zustandsaufnahme gemacht, wie die Lage jetzt ist. Jede Gruppe braucht ja auch immer eine Perspektive nach vorne, an der sie sich orientiert, wo man auch ein Ziel hat. Sie haben schon das Wort Sinn erwähnt. Wenn wir jetzt nach vorn schauen, als Welt, als Gemeinschaft in einer bisher einmaligen Situation, worauf können wir unser Vertrauen setzen? Was erwarten Sie wird zum Beispiel in einem Jahr sein? Ich kann nicht sagen, ich erwarte, sondern ich hoffe. Also hoffen ist etwas anderes als Erwartung. Erwartungen können enttäuscht werden. Aber ich hoffe, dass in der Welt eine neue Solidarität und Verantwortung füreinander wächst, und Verantwortung füreinander wächst, auch ein neues Gespür für den anderen Menschen und auch ein Suchen nach dem Sinn des Lebens. Und Viktor Frankl, der Wiener Psychologe, hat ständig vom Sinn gesprochen und er spricht auch auf weltliche Weise, aber trotzdem ist für ihn Sinn auch immer offen für das Religiöse, für das Geheimnis. Was trägt uns eigentlich und was ist der Sinn meines Lebens? Ist er nur Geld zu verdienen? Da sind es sicher die Liebe und Erfahrungen zu machen mit Menschen, aber vielleicht auch das Gefühl, diese Würde zu spüren. Und die Würde des Menschen macht halt aus, dass in uns etwas ist, was diese Welt übersteigt. Vielen Dank, Pater Anselm Grün, für diese Ermutigung zum Schluss, für diesen Zuspruch des Besonderen und der Würde. Vielen Dank nach Münster-Schwarzach. Alles Gute für Sie und für Ihre nächsten Bücher, die ja schon im Entstehen sind, wie wir gehört haben. Ich danke Ihnen sehr herzlich, dass Sie dabei waren, dass Sie sich interessiert haben, Antworten zu bekommen auf die Frage, wie machen wir jetzt weiter. Nächste Antworten gibt es in der kommenden Woche. Und sollten Sie dazwischen schon Lust auf mehr haben, dann lesen Sie doch die Welt der Frauen oder besuchen Sie unsere Website oder die von Movement21, wo es schon Podcasts zu diesem Thema gibt. Bleiben Sie gesund, alles Gute und auf Wiedersehen.