Schönen guten Abend, liebe Damen und Herren, grüße euch liebe Freunde. Ich begrüße euch zur Vorlesestunde im DorfTV und wünsche einen interessanten Abend. Guten Tag, mein Name ist Sven Dauben-Merkel. Ich wohne in Gunzkirchen und um Gunzkirchen wird es heute auch gehen. Ich möchte Ihnen einen Text vorlesen, der keine große Literatur ist, sondern eine kleine Literatur. Und heißen tut er Gehen in Gunzkirchen. Schuld ist natürlich meine Frau. Zu jeder Tages- und manchmal auch Nachtzeit sagt sie, drehen wir eine Runde? Oder einladender, Lust auf einen Spaziergang? Wobei die Frage rein rhetorischer Natur ist. Besonders gefährdet bin ich, wenn die Sonne scheint, selbst wenn es vorher zwei Wochen lang geregnet hat und alle Wege in Matsch und Gatsch versinken. Sonnenschein, auch im Hochwinter, zieht sie magisch an. Und das ist ja prinzipiell etwas Schönes. Trotzdem, die Lage hat sich seit Beginn der Corona-Pandemie deutlich verschärft. Seit meine Frau im Homeoffice ist, alles von zu Hause aus erledigt, sucht sie nach Stunden und Stunden vor dem Computer eine Gelegenheit zur Bewegung. Und dann, wenn ich müde und abgekämpft aus der Arbeit komme, fängt sie mich gleich an der Haustüre ab. Zieh dich nicht aus, komm wir drehen eine Runde. In Gunzkirchen zu leben hat unbestritten Vorteile und das ist mir nicht erst seit dem Ausbruch der Pandemie klar. Allerdings fallen mir die Vorteile nicht gleich ein. Gerade was Superlative betrifft, ist die Auswahl etwas eingeschränkt. Nehmen wir zum Beispiel die Beschaffenheit des Gemeindegebietes. Wie soll man es den Menschen aus dem Mittleren Westen oder dem fernen Osten, also aus Salzburg oder Wien, am besten beschreiben? Soll ich vom Leder ziehen und davon künden, dass die Grenze im Süden von den wilden, reißenden Fluten der urwüchsigen Traun gebildet wird? Nun, nicht seit den massiven Flussbegradigungen des 20. Jahrhunderts. An die einstige Wildheit erinnern heute höchstens noch der keltische Ursprung des Namens und die Staumauer des Kraftwerks Traunleiten während der Schneeschmelze im Frühling. Traunleiten während der Schneeschmelze im Frühling. Oder soll ich den ahnungslosen Wanderer warnen vor den unüberwindbaren eisigen Höhen des Irachmassivs im hohen Norden? Ja, durchaus, sollte ich, denn bei Glatteis ist selbst mit diesem Hügelchen nicht zu spaßen. Und das nahe Pickel bei Wels bleibt unerreichbar fern. Sind es die weiten Prärien des Alpenvorlandes, die sich gen Westen bis an den Horizont ergießen? Naja, seit ein gigantisches Transportunternehmen in der Nachbargemeinde Ede die Firmenzentrale errichtet hat, ist der Fernblick doch enden wollend. Ich nehme sogar an, dass diese Spedition mit ihrem riesigen LKW-Abstellplatz aus dem Weltall gut zu erkennen sein muss. Bliebe also noch der Osten, wo sich die Stadt Wels, einst vor knapp 2000 Jahren das Schmuckstück des römischen Imperiums in der Provinz Ufernoricum, heutzutage wie ein Krebsgeschwür immer weiter hinein in die Welser Heide frisst, bar jeden Plans und in der immer gleichen Abfolge von logistikalen Fachmarktzentren und sinnlos dazwischen eingestreuten Siedlungskomplexen, durchschnitten und geteilt von Eisenbahntrassen und eingekesselt und umgürtet von Autobahnen. Dass Wels einst ein Schmuckstück war, mag man kaum glauben. Von diesem brachialen Wachstum grenzt sich Gunstkirchen nicht ab. Im Gegenteil, es geht darin auf, und auch wenn es für einheimische Schmerzvollklingen mag, ob der Mensch aus der Fremde, der die B1 entlang jagt, wirklich weiß, ob er noch in Wels oder schon in Gunstkirchen ist, liegt einzig und allein an den Ortsschildern, die die Straßenverwaltung dankenswerterweise aufgestellt hat. Ursprünglich war Gunstkirchen für viele Jahrhunderte sehr, sehr klein. Eine Kirche auf einem Friedhofshügel, umgeben von einer fast kreisrunden Mauer. Drumherum eine Handvoll Bürgerhäuser. Das war bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts alles. Inzwischen wurden und werden im Ortszentrum Neubauten errichtet. Es gibt das Gemeindeamt, dahinter die architektonisch gelungene Musikschule, daneben der Schulkomplex in Form eines Fragezeichens. Entstanden durch stetige Erweiterungen. Dem gegenüber wiederum ragt das postmoderne Veranstaltungszentrum auf, das von innen schöner ist als von außen, immerhin. Dazu kommen mehrere große Firmen, die unmittelbar und unübersehbar an das Ortszentrum angrenzen und es einengen, sowie drei Wohnviertel, die sich leicht nach ihren Straßennamen unterscheiden lassen. Die Straßen der Bäume und die der Blumen und die der berühmten Männer aus Wissenschaft und Technik. Ja, leider, fast nur Männer. Die bislang einzige Ausnahme stellt der kleine Lise-Meitner-Weg dar, eingeklemmt zwischen Christian, Doppler, Physiker, Fritz, Regel, Chemiker und Josef, Ressel, Erfinder. Würde der Gemeinderat ein Wohnviertel mit Straßennamen von berühmten Frauen planen, bin ich mir sicher, die weibliche Hälfte der Einwohnerschaft stünde begeistert mit Rat und Tat zur Seite. Das wäre doch ein schönes Zeichen der Zeit, nicht wahr? Man kann auf den Straßen und Wegen uns Kirchens ganz wunderbar spazieren. Zu sehen gibt es dabei alles und nichts. Also alles Mögliche und eigentlich nichts Besonderes. Aber das ist ja das Wesen des Spaziergangs, dass man sich treiben lässt und die frische Luft genießt. Wenn man freilich jeden Tag und an den Wochenenden von seiner besseren Hälfte hinausgejagt wird, erschöpfen sich allmählich die Eindrücke. Da hilft es, kreativ zu sein und so manchen Weg mal in die eine Richtung mal in die andere Richtung zu gehen. Was allerdings nichts daran ändert, dass man immer dieselben Leute trifft, ihnen über den Weg rennt, bloß wenn man von der anderen Richtung kommt, dass die einen nicht kommen sehen. Fremde trifft man selten, denn wer hierher zieht wird schnell zu einem Einheim. trifft man selten. Denn wer hierher zieht, wird schnell zu einem Einheim. Schon lange ist Gunzkirchen mit dem oberösterreichischen Zentralraum verschmolzen. Es gibt, abgesehen von der neu errichteten Freizeitanlage, keinen, jedenfalls keinen touristischen Grund, unsere Gemeinde zu besuchen. Es gibt aber sehr wohl Gründe, hier zu leben. Und die habe ich mir, seit ich vor bald einem Vierteljahrhundert des Berufes wegen hergezogen bin, nach und nach erwandert. Eben das verdanke ich meiner Frau, die mich immer wieder zwingt, auch bei Wind und Wetter mit ihr unsere Runden zu gehen. Wo geht man hin? Wo geht man hin? Wir haben die Namen frei erfunden. Etwa die Gänserunde oder die Hasenrunde, dann die Dorfrunde, die wir permanent variieren, die Auwaldrunde, welche eine Vielzahl von Routen erlaubt, etwa eine Erweiterung entlang der Traun, die sich bis nach Wels ausdehnen lässt, die Westrunde, die uns zur Umfahrung von Lambach bringt, sehr romantisch. Der Oberschacher Törn und so weiter. Mal latschen wir die Stifter-Siedlung ab, um uns an den Gärten dort ein paar gute Ideen abzuschauen für unseren eigenen. Mal spazieren wir durch die verstreuten Häuser der Siedlung in der Au und fragen uns, wie weit wohl das Hochwasser der Trauen vordringen wird, sollte der Damm einmal brechen. Nehmen wir zum Beispiel die kleine Hasenrunde, die wir so getauft haben, weil vor vielen Jahren solche Nagetiere durch den Garten eines Hauses hoppelten. Nun, inzwischen lebt keines dieser Tiere mehr. Es ist anzunehmen, dass man ihnen klassisch das Fell über die Ohren gezogen und sie anschließend verspachtelt hat. Doch den Namen haben wir behalten. Die Runde drehen wir auf, denn sie ist unserem Häuschen nah und sie beginnt am Gemeindefriedhof. Dieser liegt neben der Westbahntrasse. Und auch wenn in der Vergangenheit Lärmschutzwände errichtet wurden, fragt man sich doch, wie man sich hier zur letzten Ruhe betten lassen kann. Bei jedem Begräbnis muss der arme Pfarrer zum Megafon greifen, anders lassen sich das Ave Maria oder das Glaubensbekenntnis nicht verkünden. Der Eisenbahnlärm verebbt wieder und dann herrscht tatsächlich himmlische Ruhe für maximal fünf Minuten. Von der Westbahn aus geht es durch ein Eichenwäldchen auf Feld und Flur zu. Nach einem sanften Anstieg und der Unterquerung einer Hochspannungsleitung folgt die Siedlung Lehen, die von zwei Vierkanthöfen eingerahmt wird. Vierkante sind die charakteristischen Bauernhöfe unserer Gegend. Diese bäuerlichen Minitruzburgen bezeugen den Wohlstand der hiesigen Bauernschaft. Und auch wenn nicht alle Vierkanter gleich gut erhalten sind, der landwirtschaftliche Schwerpunkt liegt bei uns bei der Schweinezucht und der Futtermittelerzeugung. Das macht sich, vergleicht man die relative Dichte dieser Bauernhöfe mit anderen Gegenden in Österreich offensichtlich bezahlt. Ich bin überzeugt davon, dass die Landbevölkerung über viele Generationen hinweg überaus fleißig gewesen ist und hart gearbeitet hat. Aber das tun andere Bauern und Bäuerinnen in anderen Weltgegenden auch. Die Vierkantler sind wohl eher ein Ausdruck dessen, dass der oberösterreichische Zentralraum ein fruchtbares Gebiet und uralter Siedlungsraum ist. Schon die Kelten betrieben hier nachweislich Landwirtschaft. Es folgten die Römer, die Bajowaren und so weiter und so fort. Bis schließlich am Ende des vorigen Jahrhunderts meine Wenigkeit einwanderte. Auch heute erfreut sich Gunstkirchen Regen Zuzugs. Denn seit ich hier lebe, wuchs die Bevölkerung stetig an, nämlich von rund 5000 Einwohnern auf 6300. Doch wer sind die Menschen, die hierher einwandern? Woher kommen sie und was wollen sie? Was erhoffen sie sich hier zu finden und zu gewinnen? Grob vereinfacht lässt sich sagen Jobs und Baugründe. Ja, ja, das klingt banal, aber so ist das eben mit Wahrheiten. In Gunzkirchen gibt es beinahe mehr Arbeitsplätze als Arbeitnehmer. Und das verdanken wir der Industrie, also mehreren großen Firmen und einem internationalen Konzern. Geneigte Zuschauerinnen und Zuschauer, wenn Sie aus Gunstkirchen sind, werden Sie an dieser Stelle müde lächeln und längst wissen, welcher Konzern gemeint ist. Allen anderen sei die Anekdote von dem reichen Chinesen erzählt, der auf einer einsamen Insel Kambodschas gerade seinen Jet Ski aus dem Wasser hatte ziehen lassen und sich plötzlich einem dicken weißen Mann mit runden Brillen gegenüber sah, der ihn unbedingt mit seinem Wasserfahrzeug fotografieren wollte, wobei der Weiße aufgeregt plapperte, This engine was made in Kunstkirchen! This machine is from my hometown! Look at the sign! Rotax Bombardier!« Woraufhin der Chinese meinte, ich sei aus Kanada. Tja, so kann's gehen. Und geht man von Lehen ein kleines Stückchen weiter gen Norden, folgt der Ortsteil Irnharting, mit Schmuckenhäusern und hübschen Gärten. Warum in einem der Gärten der Besitzer einen mehrere Meter hohen Steinwall um den Schwimmdreich herum hat errichten lassen, lässt sich nachvollziehen. Warum dieser Wall mit einem gut fünf Meter hoch aufragenden Hinkelstein bekrönt wurde, der vom Lehnerweg aus betrachtet fatal an einen erigierten Penis erinnert, nicht. Wie auch immer, der Ortsteil Irnharting steht stellvertretend für die Baugründe, die es hier haufenweise gibt. Und so poppen die Einfamilienhäuser und Doppelhäuser zu Dutzenden auf. Direkt daneben verfällt das Schloss Irnharting, Namensspender der Siedlung. Überall in Gunskirchen wird gebaut und gebaut und gebaut. Nicht immer schön, aber immer mutig drauf los. Aktuell sind Flachdächer groß in Mode. Dazu kommen Mehrfamilienhäuser mit Miet- und Eigentumswohnungen auf den Baulücken im Ortszentrum, um den Bedarf an Wohnungen zu decken. Es ist im Laufe der Jahrzehnte der prozentuelle anteil der bäuerlichen bevölkerung gesunken und der absolute die absolute zahl der zuwanderer kontinuierlich gestiegen und das ist nicht überraschend bei speckböck gürtelgemeinden erwähnenswert in dem zusammenhang ist dass zehn prozent der einwohner kroatische wurzeln hat das lässt sich im ganzen ort gut hören, wenn Kroatien bei Fußball-Weltmeisterschaften ein Spiel bestreitet. Auch ohne selbst fernzusehen, kennt man den Spielstand. Die Zahl der eingewanderten Bayern liegt hingegen nicht einmal im Promillbereich. Seit 1977 lebe ich in Oberösterreich, seit 1997 in Gunzkirchen. Und ich kann mich erinnern, dass Wels einst hinter dem Maximarkt endete und nur leere Felder folgten. Früher einmal war die Welser Heide nicht bloß ein Begriff aus dem Schulatlas. Zwar war die Zersiedelung zwischen Linz und Machtränk schon weit vorangeschritten, aber auf dieser Seite, im Westen des Bezirks Welsland, herrschte noch weitgehend jene heile Welt, auf die sich Volkstümler und Brauchtumsbeschwörer so gerne berufen. Der Ausverkauf der Heimat ist weit vorangeschritten und auch das ist eine schmerzliche Tatsache. Lassen wir Wilhamming und Lockenberke links liegen und schwenken wir über Wallensdorf nach Baumgarting ein, so weicht das Gefühl des Verlustes allmählich. Wir folgen nun nicht mehr der Hasenrunde, sondern wechseln in den Oberschacher Törn. Die Streusiedelungen werden seltener, der Anteil der Bauernhöfe wächst mit jedem Kilometer. Auch das Landschaftsbild verändert sich. Es wird deutlich hügeliger. Auch das Landschaftsbild verändert sich. Es wird deutlich hügeliger. Einst haben die Gletscher der Eiszeiten Endmoränen vor sich hergeschoben und allem Anschein nach sind einige von ihnen bis nach Gunskirchen gekommen. Meine Privatgeologin und Ehefrau spricht von Tertiärhügelland, das natürlich erst nach dem Rückzug des Tethysmeeres entstanden sei. Die Grenze zum dreifach terrassierten Trauntal bildet an dieser Stelle der Grünbach. Ach, und wo wir schon bei nutzlosem Wissen sind, wussten Sie, dass der Grünbach in keinen anderen Fluss mündet, sondern sang und klanglos kurz vor Machtrenk versickert? Nein? Na, schön, jetzt wissen Sie's. Dass sich der Grünbach verdünnisiert, liegt am Untergrund, dem Schotter, der einstigen Welser Heide. Schotter ist auch so ziemlich der einzige Bodenschatz, der sich auf dem Gemeindegebiet finden lässt, was im Laufe der Jahrzehnte zu mehreren großen Löchern nordöstlich und kleineren Löchern südwestlich des Ortsgebietes geführt hat. Aber das ist nun wirklich keine große Neuigkeit. Jeder Gartenbesitzer in Gunzkirchen, der einmal seinen Spaten ins Erdreich stieß, weiß, dass wir alle steinreich sind. Der wertvollste Schatz, der je in Gunzkirchen gehoben wurde, ist uns geistig gestohlen worden und zwar gleich doppelt. Aber der Reihe nach. 1913 fand ein Jungbauer beim Flügen eine Bronzestatue, kaum größer als eine Handspanne. Zwar liegt der Fundort Hof nahe der Gemeindegrenze, aber eben doch auf Gunzkirchener Gebiet, weshalb die Bezeichnung Venus von Wels glatter Betrug war. Geistiger Diebstahl Nummer 1. Der nächste Missbrauch folgte während der Nazi-Herrschaft. Da die nackte Frauenfigur wohlproportioniert war und somit dem völkischen Ideal entsprach, kam der Welser Nazibürgermeister Schuller auf die Idee, Kopien der Göttin als Ehrenpreise an Parteimitglieder zu verschenken, allen voran an Hermann Göring. Und so wurde aus der Darstellung einer jugendlichen, liebreizenden Göttin, die ihr Antlitz in einem Spiegel betrachtet und dabei verträumt mit den Haaren spielt, eine Nazi-Stampe. Geistiger Diebstahl Nummer 2 Der letzte Akt dieser Posse ist eine unterlebensgroße Kopie, die der aktuelle Welser Bürgermeister kürzlich in der Fußgängerzone hat aufstellen lassen. Natürlich war die Aufregung riesig und seither wird medial gestritten. Das hat sich unsere kleine Venus nicht verdient. Und um den Streit zu beenden und die Göttin der Liebe aus der Schusslinie zu holen, mache ich hiermit folgenden Vorschlag. Wir kaufen die Originalstatue zurück. Laut dem Euro-Rechner entsprechen 2600 Schilling exakt 188,55 Euro, aber in Gunzkirchen ist man großzügig, darum zahlen wir glatt 200 Euro und sagen zu den Wälsern, passt schon, den Rest und die ganzen Kopien dürft ihr behalten. Leider fällt mir zu dem Nationalsozialismus noch eine andere Geschichte ein, und die ist keine Posse, sondern eine unvorstellbar grausame Tragödie. Viele im Ort wissen, dass der Auwald ganz im Süden der Gemeinde der Endpunkt eines berüchtigten Todesmarsches ungarischer Juden war. In den letzten Wochen des Zweiten Weltkriegs trieb die SS mindestens 15.000 völlig entkräftete Menschen von Mauthausen nach Gunzkirchen. Und bei dem 55 Kilometer langen Fußmarsch starb jeder Zehnte. Nach der Ankunft im notdürftig errichteten Lager krepierten weiterhin jeden Tag Dutzende, dann Hunderte Menschen, an Hunger, Entkräftung, Krankheiten und Ruhrgewalt durch die Wachmannschaften. In den letzten Tagen brach die Versorgung vollständig zusammen. Als die amerikanischen Befreier Anfang Mai den Wald erreichten, waren zwei Drittel der Menschen gestorben und weitere starben nach der Befreiung. Das erste, was den heute noch lebenden GIs von damals einfällt, wenn man sie nach ihren Erinnerungen fragt, ist der Gestank. Der Gestank nach verwesenden Leichen und menschlichen Exkrementen. Sie nannten es den Gestank von Gunstkirchen. Geht man heute durch den Auwald, vermag man sich das Ausmaß des Grauens kaum vorzustellen. Nur wer genau weiß, wo, findet noch einige wenige Betonfundamente von den Baracken unter dem Waldlaub. So schrecklich dieser Teil der Geschichte ist, es ist eben Teil unserer Geschichte und die kann man sich nicht aussuchen. Was man aber sehr wohl beeinflussen kann, ist, wie man damit heute umgeht. In dieser Hinsicht ist in Gunzkirchen etwas Einmaliges geschehen. Es wird alljährlich der Opfer gedacht und das seit mehr als 30 Jahren. Ursprünglich ging die Initiative von der Welser Antifa aus, aber inzwischen tragen große Teile der Bevölkerung und auch die lokale Politik die Feierlichkeiten mit. Jedes Jahr, am 1. oder 2. Samstag im Mai, kommen sie und Überlebende und ihre Nachfahren aus Ungarn zusammen. Zuletzt wohnten 200 Menschen den Reden von Würdenträgern bei und hörten Musikdarbietungen und Textbeiträge der Kinder der örtlichen Mittelschule. Die Medien beachten die kleine Gedenkveranstaltung kaum. Und dennoch ist sie unendlich wichtig. Wir haben gemeinsam einen Weg gefunden, mit diesem Abgrund menschlichen Verhaltens umzugehen. Anständig und würdevoll. Zumindest versuchen wir, aus der Geschichte zu lernen, so schwer das auch fällt. Und das ist ein Grund, stolz zu sein. Nichts weniger als das. Ist Oberschacher endlich erreicht, kommt der Moment der Entscheidung. Weiter hinauf Richtung Norden, Liedering, bis hin zum ovalen Barockkirchlein St. Peter, es ist noch ein ganzes Stück Weg, gen Westen auf Kappling zu oder in den Osten nach Niederschacher und Oberndorf. Bevor wir uns entscheiden, drehen wir uns um und blicken zurück. Die Aussicht lohnt sich. Die Alpen entfalten sich vor unseren staunenden Augen. Wir erkennen den Traunstein, das Dachsteinmassiv und den großen Priel. Und hätten wir in der Schule besser aufgepasst, würden wir noch viel mehr erkennen. Davor breitet sich Gunstkirchen vor uns aus, bunt zusammengewürfelt, wie es nun einmal ist, und selbst die Hochhäuser am Stadtrand von Wels lassen grüßen. Beinahe ein Idyll. Den Blick auf die Welser Autobahn verwehrt uns dankenswerterweise ein kleines Wäldchen. Wenden wir uns den Weg bergab nach Niederschacher und bevor wir Holzkassen und die Straße nach Pichl erreichen, geht es einen Feldweg hinein und ab ins Tal des Pfalzbaches, wobei wir eine Menge Hasen und Rehe aufscheuchen. Mit etwas Glück finden wir die kleine Betonbrücke, die uns über den Bach leitet und schon steigen wir hinauf zur Ortschaft Pfalzbach mit der wunderschönen spätgotischen Wallfahrtskirche als Ziel. Müsste ich eine Sehenswürdigkeit in Kunstkirchen benennen, so käme dieses Kirchlein wohl am ehesten für diesen Job in Frage. Ich will mich aber nicht mit Details wie dem Netzrittengewölbe oder dem Klang der Glocken aufhalten. Vielmehr möchte ich hervorheben, dass die Kirche Maria Falstbach im Zentrum des Gemeindegebietes liegt. Mit einem einfachen physikalischen Experiment lässt sich das überprüfen. Kleben Sie eine Karte vom Gemeindegebiet Gunzkirchens auf einen Karton und schneiden Sie entlang der Gemeindegrenzen den Karton aus. Anschließend suchen Sie den Schwerpunkt des Kartons, indem Sie den Karton auf einem Finger balancieren. Was findet sich an dieser Stelle auf der Oberseite der Karte? Voila, Pfalzbach. Und jetzt, wo wir die Gemeindekarte schon ruiniert haben, passt auch noch ein weiterer Hinweis. Gunzkirchen ist flächenmäßig die größte Gemeinde im Bezirk Welsland. Mit über 36 Quadratkilometern verweisen wir Steinerkirchen oder Traun und Buchkirchen auf die Plätze 2 und 3. Wir sind also die allergrößten in Welsland. Ach, ist das schön. Jetzt habe ich doch noch einen Superlativ gefunden. Und gleich fällt mir noch ein zweiter ein. gefunden. Und gleich fällt mir noch ein zweiter ein. Nehmen Sie nun eine Karte von Oberösterreich, kleben Sie diese auf einen weiteren Karton und schneiden Sie entlang der Landesgrenzen unser Bundesland aus. Anschließend suchen Sie wieder mit dem Finger den Flächenschwerpunkt des Kartons. Und was finden Sie, wenn Sie an der Stelle auf die Oberseite schauen? Richtig, Wenn Sie an der Stelle auf die Oberseite schauen, richtig, Gonskirchen, Quoterat Demonstrandum. Wir liegen also direkt im Herzen Oberösterreich. Aber das wissen Sie ja längst. Ja, ich möchte mich auf dieser geografischen Einführung in De Heimatstadt, deinen Heimatort. Marktgemeinde. Marktgemeinde, Ort. Zu dir setzen. Danke, dass du da bist, Sven. Ich habe eine Vermutung. Die Vermutung ist, du hast diesen Text nicht für heute geschrieben, sondern für die Ortschronik von Kronzkirchen. Woher du das noch weißt? Und du glaubst, die Leute werden froh sein über das Erwähnen der Nazizeit? Das ist tatsächlich bei uns durch diese Gedenkfeier kein Problem mehr. Es wird vielleicht noch den einen oder anderen geben, aber im Grunde genommen ist es Konsens in der Gemeinde. Und wir sind ein bisschen traurig, weil das heuer durch Corona nicht möglich war, die große Feier abzuhalten. Aber wir arbeiten schon an der nächsten Gedenkfeier, weil ja die Mittelschule Gunstkirchen immer eingepumpt ist. Mittel? Ja, als ehemaliger Physiklehrer ist man nicht zentral, aber ich habe zumindest das ganze Fotografisch immer begleitet. Physiklehrer ergibt die nächste Frage. Es ist interessant, dass ja heute schon der dritte Lehrer hier an diesem Platz sitzt bei der Aufnahme. Und wie geht es dem Sven Daubenmerkel mit diesen beiden Positionen. Hier der ehemalige Lehrer und inzwischen Schulleiter. Gratuliere übrigens. Oh, vielen Dank. Und zweitens der Autor. Wie geht es dir damit? Schwierig. Schwierig, wirklich. Weil ich habe relativ rasch lernen müssen, dass ich das Schreiben auf die Ferien beschränke, weil im Schulalltag ist es undurchführbar. Man kann nicht an einem Text arbeiten. Und ich werde auch auffallen, dass die meisten meiner Texte so sechs, sieben, acht Seiten haben nicht länger. Das sind die Osterferien. Das ist die Zeit, die man Zeit hat zum Schreiben. Richtig. Also ich müsste wahrscheinlich in den Sommerferien längere Texte angeben. Aber die letzten Sommerferien waren ein bisschen anders ausgibt ja die sieht lehrer was du warum wird man fürs bieter weil physik das aufregendste ist was ich mir vorstellen kann einfache vorstellungsgabe? Nein, aber sagen wir mal so, die Philosophie war unbefriedigend. Sie verlor sich im Nichts. Bei der Physik konnte man sich zumindest auf das verlassen, was man bis auf Weiteres wusste. Wobei ich auch inzwischen schon gelernt habe, dass auch die Physik ausufert, je mehr wir ins Detail kommen. Aber trotzdem ist es mir immer noch lieber, ich verlasse mich auf Experimente und versuche zu extrapolieren, als dass ich mich im völlig freien Gedankenspielraum bewege. Ja, die Physik ist faszinierend. Ich weiß, das klingt komisch für Normalsterbliche, aber ich habe da nie so drüber nachgedacht. Es wurde immer spannender, je mehr man sich damit beschäftigt. War das drauf gekommen, dass das deins wird? Ja, eigentlich, das ist komisch. Ich war ja ursprünglich gelernter Chemiker und habe erst Lehrer im zweiten Bildungsweg gemacht und habe halt Physik dazu gemacht, weil das einfach war, weil es naheliegend war. Wenn man von einer HTL kommt, ist das keine große Sache, Physik zu lernen, zu studieren. Aber mit dem Unterrichten und gerade weil es so viele Widerstände gab, weil viele das Vorurteil haben, dass die Physik eigentlich fad ist und langweilig und kaum zu verstehen ob ich das umso mehr gerät und heute weiß ich also nur wer vor leidenschaft brennt kann andere entflammen und also ich habe zumindest wann immer irgendwo so bier stunde jetzt aufbaut nachher für sich na sie sind begeistert hat man wieder hat man wieder irgendwelche wagen geschuft wenn man die massenträger zeigen wollten. Und ich habe alles eingesaut mit gefärbtem Wasser. Auch da die Massenträger hat wirkt. Es ist wirklich schwer zu erklären, aber was man liebt, macht man gern. Du bist gerne Lehrer gewesen. Ist es eine Strafe, dass du jetzt Schulleiter bist? Ist es eine Strafe, dass du jetzt Schulleiter bist? Eigentlich nein. Nein, weil ich mich meinen Kolleginnen sehr verbunden fühle. Und weil ich mich dem Standort Gunzkirchen auch sehr verbunden fühle. Wenn du mal, seit 1995 arbeite ich dort an der Schule. Also dann, ich habe wahrscheinlich schon Inventarnummer irgendwo draufgegeben. Kann ich schon. Naja, ich habe wahrscheinlich schon Inventarnummer irgendwo draufgegeben. Na ja, ihr wisst. Dann ist man einfach mit Leib und Seele für den Standort da. Und dann kam noch was anderes dazu, das hängt ebenfalls damit zusammen, wenn man so lange in einem Berufsfeld ist, eben Lehrer, dann war das für mich tatsächlich die letzte Chance, in meinem Berufsleben etwas Neues auszuprobieren. Und unter dem Aspekt habe ich es gemacht, aber da habe ich noch nichts von Corona gewusst. Okay, ich glaube, wir sind mit der Zeit eh schon am Ende und hoffen nicht drüber. Ich bedanke mich bei dir, dass du hier bist. Ich danke für die Einladung. Ich bedanke mich bei euch und Ihnen wieder fürs Zuschauen hier bei unserer Vorlesestunde im DorfTV und hoffe, dass Sie in 14 Tagen wieder dabei sind, wenn wir zur Vorlesestunde einladen. Immer mittwochs, alle 14 Tage um 19.03 Uhr. Danke. Thank you.