Ich fange an immer mit den ganz basalen Fragen. Die erste ist, welchen Kulturbegriff verwendest du eigentlich? Das ist keine basale Frage, sondern eine zum Kulturbegriff, mit der man Bibliotheken füllen kann. Ich würde persönlich präferieren, von freier Kultur oder emanzipatorischer Kulturarbeit zu sprechen, im Bewusstsein, dass man das jetzt auch nie abschließend definieren kann, aber Kultur quasi wie einen Anspruch hat und nicht nur Belustigung, Berieselung ist, sondern die Gesellschaft, Gemeinschaft gestalten will. Wie hast du eigentlich angefangen, dich im Kulturbereich zu engagieren? Es ist passiert, einfach über Freunde, die in Kulturvereinen aktiv waren, wo man mitgeht, wo man dann mittut und im Nachhinein feststellt, ah ja, eigentlich war das so klassische ehrenamtliche Arbeit in einem Kulturverein. Und das hat sich dann aber relativ schnell, wenn man so möchte, eigentlich professionalisiert über freie Medienprojekte, bei denen ich sehr viel mitgearbeitet habe. Und da dann auch quasi im Kulturkontext über die andere Seite, wo ich beim ORF war, kurze Zeit auch im Kulturministerium und dann aber jetzt den Weg zurückgefunden habe, so gesagt habe, na, es ist schon auch spannender dort, was eigentlich passiert und die ganze Aktivität auch tatsächlich am Entstehen ist, mehr am Puls der Zeit zu sein. Also ich war definitiv zu frisch gefangen, um jetzt einen Überblick über die Szene zu haben. Das waren eher so erste eigene Gehversuche und mal Berührungspunkte finden. Was aber jetzt so im Nachhinein betrachtet sicherlich sehr auffallend war, dass die ganze Debatte um den Kulturbegriff eigentlich eine ist, die ich zumindest persönlich weniger in der Szene wahrgenommen habe, sondern sehr stark politisiert und zwar vom rechten Rand, würde ich sagen. Dort ist der Kulturbegriff verhandelt worden und vereinnahmt worden und ganz klar besetzt worden im Sinne von sehr engen Abgrenzungen, Korsetten, um ein Wir und ein Anderes zu erzeugen. Das war ganz klassisch, wo haben wir einen Raum, um überhaupt etwas veranstalten zu können, zum einen mit Publikum, zum anderen aber auch quasi in der Gemeinschaft, in der Gruppe, im erweiterten Kreis, wo man dann neue Sachen auch kennenlernt und einlädt. Wo kann man auch Ausstellungen organisieren, die auch partizipativ gestalten. Das waren dann Häuser, die leer standen, die es leider heute nicht mehr gibt, die mittlerweile abgerissen sind. Aber tolle Locations waren, aber halt mit einem wahnsinnigen Aufwand verbunden, dort überhaupt was organisieren zu können. Wie würdest du einschätzen, hat sich die Szene seitdem verändert? Ich habe das Gefühl, aber es ist wirklich ein Gefühl, Bauchgefühl, dass es sich mehr ausdifferenziert hat, also die Themen haben sich verändert und dass es zum Teil sehr wohl so einen Teil gab, der in Richtung Professionalisierung ging, vor dem Hintergrund der ganzen Debatte, die wir da über Creative Industries und Co. haben, die eigentlich eine sehr neoliberal geprägte ist, mit Selbstoptimierung, möglichst gut sich am Markt verkaufen, neoliberal geprägte ist, mit Selbstoptimierung, möglichst gut sich am Markt verkaufen, Portfolios erstellen etc. Und dann aber auch so die Gegenbewegung, die mehr auf die Anfänge zurückgeht, mehr quasi versucht wieder Räume aufzumachen und mehr Nischen zu besetzen, aber vor allem auch im Hinblick auf welche Themen werden wir arbeiten und wer kann überhaupt teilhaben und wen repräsentieren wir in dem, was wir tun. In welchem Zustand war denn der Laden, wie du ihn übernommen hast? Der war in einem guten Zustand, der ja sehr solide geführt wurde von meiner Vorgängerin, mit ganz klar auch einem Profil schon, das entwickelt war. Das heißt, man hat auf sehr viel aufbauen können und hat eher mit dem Blick von außen, den man am Anfang vor allem hat, dann eher schauen können, wo möchte man es noch weiter zuspitzen, wo möchte man auch noch neue Facetten dem Ganzen hinzufügen und auch vor allem zu fragen, wie kann man mit den Landesorganisationen zum Beispiel auch enger in der Praxis zusammenarbeiten. Weil das war ein großes Thema, wie ich gekommen bin, dass man hier mehr Synergien schafft und stärker sich vernetzt, auch zwischen den einzelnen Ebenen, also Gemeinde- bzw. Länderebene und dann die Bundesebene sowie EU-international. Würdest du, wenn du zurückschaust jetzt auf die Jahre, sagen, dass das ein bisschen das Hauptaugenmerk war? Ich sehe eigentlich auch, was den ganzen Bereich der Interessensvertretung betrifft, einen großen Bedarf, da stärker noch mit einer gemeinsamen Stimme zu sprechen. Das hat man jetzt im letzten Jahr während Corona sehr stark erlebt, dass wenn man zusammenhält und Solidarität auch tatsächlich lebt, wesentlich besser gehört wird und gesehen wird, als wenn es neun beziehungsweise dann zehn noch mit der Bundesrepublik Einzelstimmen gibt. Und insofern ist das natürlich ein Schwerpunkt gewesen, stärker noch gemeinsam aufzutreten. Solidarität ist ein sehr geflügeltes Wort, aber es wird nicht immer so wahrgenommen. Glaubst du, unser Bereich der Kultur tut sich besonders schwer, an einem Strang zu ziehen? Ich glaube, das liegt im Gewissen an der Natur der Sache, weil was ist der Bereich Kultur? Das ist extrem heterogen. Da gibt es divergierende Interessen, divergierende Schwerpunkte und auch ganz unterschiedliche Settings. Ob man jetzt einen Kulturverein hat, der sich in einer kleinen 500 oder bis 2000 Seelen Gemeinde versucht zu etablieren und eine Möglichkeit zu schaffen oder ob man in der Stadt extreme Raumknappheit hat und überhaupt mal in ganz anderen Setting operiert, abgesehen davon was man jetzt inhaltlich tut. Also insofern ist das immer ein Anspruch, der sehr leicht gestellt ist, aber es spiegelt ja auch die Gesellschaft wider und genauso komplex ist es. Und diese Spannungen muss man aber aushalten und die können produktiv sein, so müssen sie aber nicht notwendigerweise sein. Wie war der Stand der Dinge, als zu IG Kultur gekommen ist? Wir hatten ganz frisch die erste türkis-blaue Bundesregierung, die eigentlich von dieser ganzen Debatte, die wir haben über Kreativwirtschaft und Kultur muss rentabel sein und sich selbst tragen, so einen vorläufigen Höhepunkt markiert hat, auch politisch gesehen, wo eigentlich nicht viel Raum war für das, was wir freie Kulturarbeit und Kulturinitiativenarbeit nennen, sondern ganz klar entweder ist es Repräsentation und die dient dazu, international das Image von Österreich aufzupolieren oder es ist etwas, was ganz klar in die Wirtschaftsecke eigentlich zu stellen ist und man soll den Sprung in die wirtschaftliche Unabhängigkeit fördern. Viel Raum für etwas dazwischen hat es nicht gegeben. Du bist eigentlich gleich in einer ziemlich schwierigen Phase eingestiegen. Das war aber durchwegs bewusst so, weil genau dann beginnt es spannend zu werden, wenn man diese großen Diskussionen einmal führen kann, weil sie nicht Theorie sind, sondern weil sie tatsächlich passieren. Was war die Strategie der Igikultur? Man muss gerade in solchen Zeiten zum einen nach außen hin viel mehr auch quasi eine Wortstammfunktion übernehmen und nicht nur Klientelpolitik betreiben, was jetzt quasi einen ganz engen Rahmen betrifft, jetzt im Hinblick auf Kulturarbeiterinneninitiativen, die natürlich auch betroffen waren, sondern eher auch quasi größer gesellschaftlich denken, wie geht es überhaupt, fragen die im Bereich Migranten, Frauen politisch, Ökologie, NGO-Sektor insgesamt, was für Verschiebungen finden da statt und vor allem auch wirklich die sichtbar machen, dass da sehr wohl Umbrüche passiert sind, die im Einzelnen genommen vielleicht nur kleine Schritte sind, die keinen großen Aufreger darstellen, aber System haben und wirklich in eine ganz klare Richtung gegangen sind, wo kein mehr Raum ist für so ein gesellschaftspolitisches, kritisches Engagement, das dezidiert nicht gemeinnützig, sondern am Gemeinwohl orientiert ist. Und das Zweite ist natürlich, dass man solche Phasen auch dafür nützt, wieder stärker nach innen zu blicken, wenn auf der politischen Ebene der Erhalt des Status Quo schon eine Errungenschaft ist, und Themen aufzugreifen, für die sonst keine Zeit und kein Raum ist, beispielsweise wieder VRP stärker zum Thema zu machen, aber auch Schnittstellen von Kulturarbeit und anderen gesellschaftlichen Bereichen aufzuarbeiten. Also mein Eindruck ist, dass der Widerstand sehr wohl da war, jetzt Widerstand im weitesten Sinne, aber nicht diesen Organisationsgrad hatte und nicht diese öffentliche Breitenwirksamkeit, die es in der ersten schwarz-blauen Ära hatte. Und das ist natürlich auch ein Zeichen für eine Entwicklung, die jetzt nicht nur in Österreich stattgefunden hat, sondern die man schon länger beobachten kann. Takk for at du så med.