Was ist Corona? Ja, ich schließe mit dem Thema quasi an, ein bisschen anders, aber Corona. Ich lese zwei kurze Erzählungen und die erste trägt den Titel Corona Love Story. Nur selten erhielt er Post. Wenn, dann waren es Prospekte und Rechnungen. Dennoch freute er sich, wenn seine Frau rief, die Post ist da. Dann lief Herbert hinaus. Der Anblick des Kastenwagens erregte ihn. Dieses Postgelb, auch an trüben Tagen, leuchtete es. Reichte ihm die Briefträgerin ein Kuvert durch das geöffnete Fenster, lächelte er sie an und sie lächelte zurück. Blond war sie und viel zu jung für ihn. Immer geschminkt, aber dezent. Einmal hatte er sie in Zivil gesehen. Gute Figur, die in der Postjacke gar nicht zur Geltung kam. Sie sind mir die liebste Kundschaft, meinte sie eines Tages, und dass er beinahe der Einzige wäre, der nie etwas bestellte. Sogar Steine lassen sich die Leute liefern, erzählte sie. Vorhin wäre ein Paket aufgerissen und da hätte sie hineingeschaut. Wie soll ich denn das tragen, sehen sie mich an. Ihr Lachen, es war, als ginge die Sonne auf. Steine, würden sie sich Steine bestellen? Herbert, nimmst du Petersilie aus dem Garten mit rein? Herbert schämte sich. Um wie viel lieber hätte er mit der Briefträgerin über Steine geredet, als seiner Frau Petersilie zu pflücken. Als der Wagen zurücksetzte, beschloss Herbert, nicht länger der liebste Kunde sein zu wollen. Er bestellte online, was er nicht brauchte. Fast täglich ging die Sonne nun auf und er half der Briefträgerin, die schweren Pakete auszuladen. Sicherheitsabstand wurde keiner eingehalten. Wenn die Terrasse fertig gepflastert ist, dann lade ich sie ein, sagte Herbert. Auf einen Kaffee. Er hatte sich diesen Satz vorher zurechtgelegt. Die Briefträgerin lächelte. Es werden gerade viele Terrassen gepflastert, meinte sie. Und dass sie gekündigt hätte. Ende des Monats bin ich weg, aber sie können mir auf TikTok folgen. TikTok, er hatte davon gehört. Kaum war sie weg, löschte Herbert die lustigen Videos auf seinem Handy, um Speicherplatz freizugeben und die App zu installieren. Von dem Tag an war ihm die Briefträgerin noch näher. Er nannte sie nun Nadine, natürlich nur in Gedanken. Und manchmal, da flüsterte er heimlich ihren Namen, Nadine. Und die zweite Erzählung heißt Wohnblock. Seit fünf Tagen habe ich sie nicht mehr gesehen. Jeden Tag hat sie geschaukelt, den ganzen Sommer lang, jeden Tag. Die schaukelt ja jeden Tag, zwei Stunden mindestens. Das ist doch nicht normal, hat die eine Nachbarin gesagt. Geht die nicht arbeiten, hat sie gefragt. Aber seit fünf Tagen schaukelt niemand mehr. Seit fünf Tagen wundert sich keiner mehr. Lass sie halt schaukeln, habe ich gesagt. Das stört doch keinen. Seit fünf Tagen stört sie keinen mehr. Seit fünf Tagen ist sie weg. Gott ruft jeden zu sich, hat die Vorbeterin gesagt in der Kirche. Aber Serena hat er nicht gerufen. Die ist freiwillig gegangen, hat sie gesagt in der Kirche. Ein Angler hat sie gefunden, in einem Auto, im See heißt es, voll mit Tabletten. Ihre Freundin auch, aber die ist nochmal davongekommen. Wenn die das in der Kirche so sagen, dann wird es schon stimmen, hat die Nachbarin gesagt. Sonst würden sie es ja nicht sagen. Ihr Abschiedsbrief, den hat sie nicht selbst geschrieben, heißt es. Vielleicht. Weißen Mord? In einer Diskurvanze in München heißt es, Drogen. Und vergewaltigt sind sie worden, wird erzählt. Kein Wunder, wird sie denken, die Nachbarin so leicht bekleidet, wie die Sarina immer herumgelaufen ist. Einem Jäger wollten die Mädchen das Gewehr entreißen, heißt es. Erschießen wollten sie sich. Früher, da sind solche Leute nicht mal begraben worden, hat die Nachbarin gesagt. Und dass die Eltern froh sein können, wird sie denken, dass die Tochter überhaupt einen Platz bekommt innerhalb der Friedhofsmauern. Die hat Brot weggeworfen in den Restmüll, hat die Nachbarin gesagt. Brot? Wo kommen wir dahin, wenn die Leute Brot wegwerfen in den Restmüll? Und die Mutter, die haben es eingeliefert. Die Freundin auch auch nicht vernehmungsfähig, heißt es. Dass sie komisch ist, die Mutter. Beim Beten war sie gar nicht dabei. Nur der Vater mit seiner neuen Frau und dem Kind. Fast keine Leute waren in der Kirche. Die hat keine Freundinnen gehabt, die Sarina, heißt es. Vorne ist die Familie gesessen. Aber kondolieren wollte denen keiner. Sie hat immer gegrüßt, hat jemand gesagt beim Hinausgehen, das muss man ihr lassen. Vor der Wohnungstür stehen noch ihre Schuhe. Da stehen immer noch ihre Schuhe vor der Wohnungstür, sagt die Nachbarin, aber auf der Schaukel im Hof, da schaukelt niemand mehr. Danke.