Wie ist die Situation von Flüchtlingen in der Schweiz? Die meisten von euch wissen, dass ich mich seit vielen Jahren mit der Situation von Flüchtlingen hier bei uns beschäftige und seit vielen Jahren darüber schreibe. Drei kurze Texte heute wieder zum Thema. drüber schreibe. Drei kurze Texte heute wieder zum Thema. Der erste ist von einem Mann, der in Moria war. Der zweite ist von einer Frau, die eben so dort war. Und der dritte ist von einer Frau, die dort war und jetzt in Österreich lebt. Man kommt dir nicht an, dieser Feuchtigkeit, dieser Nässe. Man kommt dir nicht an, alles ist feucht, zumindest feucht. Du kriegst die Feuchtigkeit nicht weg, selbst wenn es am Tag halbwegs warm wird draußen. Wenn du dich in die Sonne stellst, irgendwo unten am Meer zum Beispiel oder weiter hinten bei den Olivenbäumen, du spürst die Wärme zwar, solange du in der Sonne stehst, aber kaum, dass die Sonne hinter einer Wolke verschwindet, spürst du sie wieder, diese Feuchtigkeit. Sie kriecht wieder aus deinem Hemd heraus, aus deiner Hose, aus deinem Haar, aus deinem Bart. Du kannst nichts tun gegen sie. Sie ist unsichtbar, unhörbar. Du spürst sie nur, diese Feuchtigkeit. Und wenn du sie am Tag manchmal vergisst, sie ist da. Sie bleibt da. Und in der Nacht, wenn du dann in deinen Schlafsack kriechst, der schon stinkt und der schon so schwer ist von der Feuchtigkeit und von der Nässe und vom Dreck, dieser Schlafsack, den du tagsüber draußen auf das Zelt hängst, das auch nass ist, du hängst ihn trotzdem drauf, weil du hoffst, dass er trocken, trockener wird, wenn die Sonne auf ihn scheint, aber dann musst du ihn wieder hineinlegen in das Zelt und den, der auch in diesem Zelt wohnt, auch in diesem Zelt schläft, bitten, auf ihn aufzupassen, dass ihn niemand stiehlt, diesen verdammten Schlafsack, während du dich um das Essen für euch beide anstellst, in dieser Stunde, die du dort stehst und wartest auf das Essen, besser gesagt auf die Verpflegung, denn essen kann man das, was sie dir dort meistgebend nicht nennen, dieses kalte, klebrige Zeug, das du nicht essen willst, weil es so eigenartig fremd riecht und schmeckt, dass du aber essen musst, weil du essen musst, Essen musst, dich ernähren musst, damit du nicht krank wirst. Du brauchst dieses Essen, damit du halbwegs Kraft hast. Kraft, dich zu wehren. Zu wehren gegen diese Feuchtigkeit, gegen diese Kälte, diese Unmenschlichkeit. Unschlichkeit. Dieser Dreck, das geht nicht weg, egal was du tust, das kriegst du nicht weg. Überall dieser Dreck, den schleppst du herein in dieses Zelt. Er ist überall. Da kannst du noch so vorsichtig sein, den bringst du nicht weg. Du hast ihn an den Füßen, er klebt an den Schuhen, er klebt an deinem Rock, den bringst du nicht mehr weg. Du brauchst nur kurz hinausgehen vor das Zelt und schon stehst du in diesem Dreck. Am Weg zur Toilette nichts als Dreck, überall wo du hingehst nur Dreck. Morast, der kleben bleibt an deinen Schuhen, deinem Rock. Du kriegst ihn nicht weg, wie du den Dreck in dir selbst nicht wegkriegst. Den Dreck in dir, der wächst und wächst. Noch sieht man ihn nicht, aber du spürst ihn, diesen Dreck. Und du weißt nicht, was du tun sollst mit all dem Dreck. und du weißt nicht, was du tun sollst mit all dem Dreck. Du kriegst ihn nicht los, den auf dem Boden nicht und den in dir nicht. Er klebt an deinen Schuhen und deinen Füßen und deinem Rock, der eine, und klebt an deiner Gebärmutter, der andere. Du kriegst sie nicht weg. Wärst du doch nicht auf die Toilette gegangen damals in der Nacht, dann wäre dir das nicht passiert. Und jetzt siehst du ihn alle paar Tage, diesen Dreckskerl, wenn du zur Toilette gehst. Und er schaut dich an und du weißt, was er denkt und du spürst, was er denkt, dieser Dreckskerl. Und du kannst dich nicht wehren gegen diesen Blick, der dich verfolgt, dich verfolgen wird, egal wo du hingehst, egal wohin gehen wirst. Er wird dich verfolgen, dieser Blick. Du wirst ihn nicht vergessen, diesen Blick, diesen dreckigen Blick, diesen dreckigen Kerl, diesen verdammten Aufseher, dieses Schwein von Sicherheitsmann, der da mitten in der Nacht über dich hergefallen ist, hinter der Toilette. Nie wirst du ihn vergessen. Ich habe mich erst hier in Österreich kennengelernt, hat sie zu mir gesagt. Sarah aus Afghanistan. Und ich habe sie mit großen Augen angeschaut und dann hat sie weitergeredet. Alles, was mir in Afghanistan verboten war, was ich nicht einmal gedacht habe, was ich mir nie hätte vorstellen können, das habe ich hier gelernt. Nicht nur die Sprache, ja natürlich zuerst die Sprache, aber so viele andere Dinge habe ich hier gelernt. Ich gehe alleine auf die Straße, ich fahre mit dem Fahrrad, ich frage Menschen, die ich nicht kenne, nach dem Weg. Ich gehe einkaufen. Ich kaufe Sachen nur für mich. Manchmal kaufe ich sogar kleine Dinge, obwohl ich sie gar nicht brauche, nur weil sie mir gefallen. rede mit ihnen. Ich habe österreichische Freundinnen. Ich frage sie, was ich wissen will und sie geben mir Antworten. Antworten auf meine Fragen. Auf meine Fragen, von denen ich in Afghanistan gar nicht gewusst habe, dass es sie gibt. Hier habe ich gelernt, dass ich auch über persönliche Probleme reden darf und mein Mann macht es genauso wie ich. Hier dürfen wir miteinander lachen, wenn uns danach ist, ohne dass die Eltern, die Onkeln und Tanten, die Brüder und Schwestern uns deshalb schimpfen. Wir dürfen mit unseren Kindern lustig sein, mit ihnen spielen, ihnen Geschichten erzählen. Hier darf Ali die Kinder in den Kindergarten und in die Schule bringen, ohne dass seine Freunde ihn verachten. Hier habe ich schwimmen gelernt. Hier habe ich gelernt, vor vielen Leuten zu reden. Hier habe ich Eislaufen gelernt. Hier habe ich gelernt, wie man Putenschnitzel macht. Hier habe ich gelernt, dass ich mich mit Freunden mit Wange berühren, begrüßen und verabschieden darf. Hier habe ich gelernt, dass ich auch Nein sagen darf. Hier in Österreich habe ich gelernt, was Leben bedeutet. Dankeschön.