Schönen guten Abend, liebe Damen und Herren, grüße euch liebe Freunde. Ich begrüße euch zur Vorlesestunde im DorfTV und wünsche einen interessanten Abend. Mein Name ist Robert Steher. Ich lese vier sogenannte Tags aus dem Prosa-Text Plan, erschienen Ende 2020 im Passagen Verlag. Plan, Tag 1 erschienen Ende 2020 im Passagen Verlag. Plan Take 1 Kurz vor dem Aufwachen träume ich vom Park und von der Straße. Autos fahren in gleichmäßigen Abständen, nicht zu langsam, nicht zu schnell. Keiner hupt oder schert aus. Im Park spielen Kinder friedlich mit Bällen. Ich reiße das linke Schlafzimmerfenster auf und schüttle die Bettwäsche aus, bevor ich sie zum Lüften in den Fensterrahmen hänge. Die Türen der Kleiderschränke mache ich weit auf, um ausreichend Luft durchströmen zu lassen. Im Bad säubere ich den Körper besonders gründlich, vermeide Rötungen oder Wundscheuen von Hautpartien, welche die Folge zu heftigen Reibens mit Seife und oder Waschlappen sein könnten. Beim Trinken des Frühstückstees verbrühe ich mir beinahe die Zunge. Bevor ich mich an die Arbeit mache, läutet das Telefon. Warum ich mich noch nicht gemeldet habe, will das Mitglied des Clubs, mit dem ich gestern gesprochen habe, wissen. Heute Abend um 19 Uhr, sagt der Mann. Als ich ihn fragen will, wo das Meeting stattfinden wird, hat er schon aufgelegt. Am späten Vormittag sind viele Menschen unterwegs. Einige von ihnen marschieren ruhig und zügig durch die Straßen. Sie haben nicht viel Zeit zu verlieren, ohne übertriebene Eile an den Tag zu legen. Andere hingegen scheinen mehr oder weniger planlos in den Tag hineinzulaufen. Die Ströme von Menschen, der Verkehrsstrom zu dieser Tageszeit bergen die latente Gefahr, in eine Art Chaos zu kippen. Ein aus dem Ruder Laufen strukturierter Abläufe in der öffentlichen Ordnung ist für die Zukunft nicht auszuschließen. Das Café ist brechvoll mit Gästen. Carla ist noch nicht da. Als sie kommt, begrüßen wir uns kurz, bevor ich sie erwartungsvoll anblicke. Weißt du, wo die Clubmitglieder sich das letzte Mal getroffen haben? Frage ich leise. Sie schüttelt den Kopf. Wie kommst du darauf, dass ich das wissen könnte, sagt Carla und schaut an mir vorbei Richtung Bar. Nachdem der Kellner Carla einen Espresso und mir eine Melange gebracht hat, verstecken wir uns hinter unseren Tassen, trinken und lassen den Blick durch den Raum schweifen. Wann triffst du dich mit den Mitgliedern? bricht Carla das Schweigen. Um 19 Uhr. Soll ich mitkommen? fragt sie. Als ich die Antwort schuldig bleibe, trifft Carla Anstalten aufzubrechen. Ich bestelle eine weitere Tasse Kaffee, worauf Carla irritiert reagiert und nach knappem Gruß das Kaffee im Eilschritt verlässt. Ich bezahle meinen und Carlas Kaffee, worauf Carla irritiert reagiert und nach knappem Gruß das Kaffee im Eilschritt verlässt. Ich bezahle meinen und Carlas Kaffee und schlage den kürzesten Weg nach Hause ein. Der direkte Weg zum Haus ist blockiert durch eine Straßensperre. Als ich Passanten nach dem Grund für die Blockierung frage, gibt keiner eine Antwort. Mein Unmut steigert sich zur Wut darüber, einen Umweg nehmen zu müssen und kostbare Zeit zu verlieren. Ich stelle mir vor, die Verantwortlichen für diese Verkehrsbehinderung mit Vorwürfen mangelnder Planung, mutwillig provozierter Desorganisation zu konfrontieren. Wie Angeklagte stehen die Männer, auch Frauen, gesenkten Hauptes vor mir, während ich ihnen ihre Verfehlungen und Versäumnisse Punkt für Punkt mit erhobener Stimme, deren Lautstärke sich zum Schreien steigert, entgegenschlägere. Meine Anklage mündete den Vorwurf, keinen Plan zu haben bei der Gestaltung und Lenkung des städtischen Verkehrswesens. Während ich auf dem Umweg nach Hause über leere Getränkedosen stolpere, zeichne ich in Gedanken einen verbesserten Stadtplan mit ungestalteten Straßenzügen, Parks und Verkehrslinien. Alles könnte klarer, strukturierter und effizienter sein. Zu Hause angekommen, stelle ich mich ans Wohnzimmerfenster und lasse einen Blick über die Umgebung schweifen. Ich erwache in der Morgendämmerung. Ich variiere den morgendlichen Startvorgang, indem ich zuerst die Fenster im mittleren und im Arbeitszimmer öffne, bevor ich jene im Schlafzimmer aufmache und, wie immer, die Bettwäsche aus dem Rahmen hänge. Beim Duschen experimentiere ich mit Wassertemperatur. Zum Frühstück trinke ich starken Kaffee. Ich laufe zur Bushaltestelle und lese auf der Anzeigetafel, dass der Linienbus 10 Minuten Verspätung hat. In der Straße, wo sich das Amt des Planungsstadtrats befindet, gehe ich in die linke Richtung und stehe nach wenigen Schritten vor der richtigen Adresse. Ich atme tief durch und gehe ins Hochbatter, klopfe an die Tür und betrete den Eingangsbereich. Sie wünschen, fragt mich eine unfreundlich blickende Frau unbestimmten Alters, als ich schnurstracks auf die mit dem Namen des Stadtrats beschilderte Tür zusteuere. Ich möchte Ihren Chef sprechen, antworte ich mit Nachdruck in der Stimme. Haben Sie einen Termin, erwidert die Frau Barsch. Erst jetzt bemerke ich eine Anzahl Leute, welche im hinteren Teil des Raumes auf Holzbänken sitzen. Ich bin wegen der Reformpläne hier, die ich dem Herrn Stadtrat per Mail übermittelt habe. Es ist dringend, insistiere ich mit Zunehmend lauter Stimme. Die Vorzimmerdame sieht mich verständnislos und abweisend an. Zwei der Wartenden heben die Köpfe. Das sagen alle, sagt die Frau genervt. Was ich dem Stadtrat zu sagen habe, sagen keineswegs alle, rufe ich ungehalten. Alle mal herhören, wende ich mich an die Leute auf den Sitzbänken, als der Stadtrat die Bürotür öffnet und in den Warteraum tritt. Was soll der Lärm? fragt der Mann von oben herab und fixiert zuerst die Sekretärin, dann mich. Bevor die Frau nach einem raschen Seitenblick auf mich etwas erwidern kann, ergreife ich die Initiative und wende mich direkt an den Verantwortlichen. Sehr geehrter Herr Stadtrat, Sie erinnern sich gewiss an mein Ihnen vor wenigen Tagen zugesandtes Mail, in dem ich Ihnen meine Kritikpunkte und Reformvorschläge bezüglich des Lebens im öffentlichen Raum unserer Heimatstadt unterbreitet habe. Ich möchte, wenn Sie etwas vorzubringen haben, lassen Sie sich einen Termin geben, sagt der Politiker gleichgültig, fragt in Richtung der Wartenden, wer ist der Nächste und was tun Sie denn in seinem Büro? Während ich perplex vor der Sekretärin stehen bleibe, sagt sie, der nächste freie Termin ist in einem Monat, ich kann Sie gern vormerken. In einem Monat? Blitzartig drehe ich mich um und stürme in das Büro des Politikers. Den erschrockenen Ruf der Sekretärin und das aufgestörte Murm der Wartenden ignoriere ich. Als ich vor dem Schreibtisch des korpulenten Mannes stehe, in seine geröteten Augen schaue, prallen wir beide zurück und sagen eine Zeit lang nichts. Während ich mich setzen und seiner kurzen Rede anheben will, schlägt der Stadtrat mit der flachen Hand auf die lederne Schreibunterlage seines Arbeitstisches und bezeichnet mein Verhalten als Ungeheuerlichkeit, welche er sich unter keinen Umständen bieten lassen werde. Ich kontre mit dem Vorwurf, der Ignoranz gegenüber meiner Eingabe und Initiative. Auf mein digital übermitteltes Schreiben hätte ich lediglich eine nichtssagende Antwort erhalten. Ein kurzfristiger Termin für eine Unterredung sei laut seiner Sekretärin nicht möglich. Es sei eine Frechheit, wie mit engagierten Bürgern wie mir umgesprungen werde. Was zum Teufel wollen Sie? Was glauben Sie, wie viele Bürger mich jeden Tag wegen irgendwelcher Sachen sprechen wollen? Und jetzt gehen Sie. Wir blicken einander wütend und voller Abneigung an. Ich bringe kein Wort der Erwiderung hervor. Am ganzen Leib zitternd mache ich abrupt Kehrt, laufe aus dem Büro und schlage die Tür hinter mir zu. Beim Durchqueren des Vorraums würdige ich die Sekretärin und die wartenden Menschen keines weiteren Blickes. Auf der Treppe zum Ausgang stolpere ich und halte mich am Geländer fest. Der unmögliche Kerl hätte nicht die Kuzpe, mich derart brüsk abzuwimmeln, stünden nicht einflussreiche Menschen, sogenannte Pressure Groups, hinter ihm, die es dem Mann ermöglichen, um die Zukunft des Zusammenlebens in dieser Stadt besorgte Menschen wie mich wegzuschicken und ihre Anliegen zu ignorieren. Ich stoße zwei Männern, die mir partout nicht ausweichen wollen, den linken bzw. rechten Ellenbogen in die Seite. Die beiden, offenbar miteinander bekannt, wenden sich gleichzeitig mir zu. Können Sie nicht aufpassen, blafft mich der Größere der beiden mit lauter Stimme an. Die Männer bauen sich mit bedrohlich wirkender Körperhaltung von mir auf. Ich trete einen Schritt zurück und fixiere abwechselnd den einen und den anderen. Wer hat hier nicht aufgepasst? Er wird recht gereizt, darum bemüht, mir die aufkeimende Angst vor den grob schlechtig aussehenden Typen nicht anmerken zu lassen. Inzwischen sind einzelne Fußgänger auf uns aufmerksam geworden und stehen geblieben. Als meine Angreifer dies bemerken, drehen sie sich abrupt um und gehen davon. Ich vermeide jeden Blickkontakt mit den Umstehenden, atme tief durch, erhebe mich und gehe schwankenden Schrittes weiter. Ich durchwandere Viertel unserer Stadt, in denen ich lange nicht oder überhaupt noch nie gewesen bin. Jede Straße, jeder Platz und jeder Park, die ich durchquere, bestätigen mir aufs Neue, dass ich richtig liege mit meinen Ambitionen. bestätigen mir aufs Neue, dass ich richtig liege mit meinen Ambitionen. Wer das nicht erkennt oder nicht erkennen will, ist entweder ein Egoist, Ignorant, verantwortungslos oder alles zugleich. Alle Ignoranten zusammen, mit denen ich bis dato konfrontiert wurde, lassen mich an meiner Mission nicht zweifeln. Ich werde den Weg, den ich eingeschlagen habe, weitergehen. Widerstände müssen aus dem Weg geräumt, Kampfgefährten gewonnen werden. Nach dem Heimkommen lege ich mich auf die Couch und wickele mich in die Decke. Im unruhigen Schlaf, der mich nach wenigen Augenblicken übermannt, träume ich vom Chaos, welches hinter jeder Hausecke lauert. Autos stoßen frontal zusammen, Benzin fließt aus leckgewordenen Tanks auf die Fahrbahn. Menschen schreien vor Wut und vor Schmerz. Keiner hilft dem anderen, einige gehen aufeinander los. Abfallkübel quälen über, Ratten springen durch den Müll, Kinder weinen vor Schreck. Im Schacht, in dem ich gefangen bin, ist es feucht und heiß. Ich rudere mit Armen und Beinen, doch ich kann weder hinauf noch hinunter. Insekten befallen meinen Körper, leises Stöhnen, spitze Schreie. Take 3. Duschen und Anziehen sowie Mundhygiene müssen an diesem entscheidenden Tag besonders sorgfältig durchgeführt werden. Schließlich repräsentiere ich eine zukünftige Reformbewegung, deren Initialzündung heute, an diesem Nachmittag, erfolgen wird. Auf dem Weg zur Versammlungsfläche im Park fallen mir beschädigte und abgerissene Plakate auf. Auf den Bänken und Wiesen rund um die Fläche sitzen Menschen unterschiedlichen Alters und Geschlechts und reden angeregt miteinander. Es ist gut, wenn der Reformkonvent von vielen verschiedenen Menschen besucht wird. Leute aus allen Gesellschaftsschichten sollen sich meiner Bewegung anschließen. In weniger als einer Stunde starten wir. Von mehreren Seiten nähern sich Passanten dem Veranstaltungsgelände. Erst jetzt fällt mir auf, dass die Klarsichthüllen mit den Hinweisen nicht mehr an Bäumen und Pfosten kleben. Wahrscheinlich haben interessierte Personen sie mitgenommen. Eine halbe Stunde vor Beginn des Konvents sitzen etliche Leute, die meisten jüngeren Alters, auf der Wiese in der Sonne. Klima und Atmosphäre stimmen. Jemand ruft nach mir. Ich drehe mich um und erblicke einen der Nachbarn, die ich lange nicht gesehen habe. Freut mich, dass sie sich Zeit nehmen, sage ich ich und schüttle dem Nachbarn die Hand. Zeit wofür? fragt der Mann und schaut mich verständnislos an. Für die Bürgerversammlung, erwidere ich. Okay. Der Nachbar hebt die Hand zum Gruß und schendet über die Wiese davon. Kurz darauf läutet das Telefon in meiner Tasche. Carla. Wann kommst du? frage ich gereizt. Ich schaffe das jetzt nicht, treffen wir uns später im Café, meint Carla unbekümmert. Ich unterbreche augenblicklich die Verbindung und bin versucht, das Telefon ins Gras zu werfen. Knapp vor dem definitiven Start des Konvents vermeine ich erwartungsvolle Blicke auf mich gerichtet zu sehen. Mein ohnehin schon hoher Adrenalinpegel steigt weiter, ich spüre die Motivation, es gelingt mir den Ärger vakaler zu vergessen. Ein paar Männer, deren Alter schwer schätzbar ist, steuern auf mich zu. Sie wirken unsicher, nervös, als sie vor mir stehen bleiben und fragen, ob hier die angekündigte Versammlung stattfindet. Ich nehme Haltung an und bestätige den Männern, dass sie hier genau richtig sind. Ich freue mich über ihr Erscheinen. Die Gruppe bleibt direkt vor mir stehen und ringt mich förmlich. Ich entschuldige mich bei der Gruppe. Es ist 2 Uhr und die Versammlung beginnt. Wir starten jetzt, rufe ich in den verschiedenen Richtungen, wo die Teilnehmer auf Bänken und der Wiese sitzend warten. Zunächst reagiert niemand auf meinen Zuruf. Ich muss lauter rufen, um mich gegen den im Park herrschenden Lärmpegel durchzusetzen. Die Männer der Gruppe schauen mich erwartungsvoll an. Nach dem dritten Aufruf, bei dem mich der Größte der Männer akustisch unterstützt, antwortet eine Frau, die mit einer Freundin auf der am nächsten stehenden Bank sitzt. Warum schreien sie denn so? Weil ich jetzt beginnen und die Leute nicht länger warten lassen möchte. Beginnen? Womit? Wenn Sie nicht zu unserem Reformkonvent gekommen sind, ersuche ich Sie, woanders hin zu gehen, sage ich ungeduldig. Gehen Sie doch woanders hin, wir wissen nichts von einer Konvention, keifen die beiden Frauen unisono. Von der Wiese ruft ein Mann herüber, wir wollen unsere Ruhe haben. Wenn auch, mit Ausnahme der Gruppe, bis jetzt niemand auf meinen Eröffnungsruf reagiert hat, räusper ich mich, ein weiteres akustisches Zeichen setzend, entsprechend laut und beginne zu sprechen. Einige wenige drehen sich nach mir um und mustern mich von oben bis unten. Ich steigere die Lautstärke und lege größeren Nachdruck in die Stimme. Langsam müssten diejenigen, welche auf der Wiese und in diesen säumenden Bänken sitzen, aus ihrer Lethargie erwachen und sich um den Redner nicht scharen. Der Konvent hat begonnen, ich halte die Eröffnungsrede. Unmittelbar vor und seitlich von mir steht die Männergruppe, der harte Kern sozusagen. Ihre Mitglieder applaudieren nach jedem zweiten Satz, den ich sage. Sie fungieren als Anheizer. Weiter weg stehenden und sitzenden Versammlungsteilnehmern verstellen sie allerdings die Sicht auf den Redner. Erste Wortmeldungen, Zwischenrufe kommen noch während meiner Rede. Ich unterbreche und ersuche die Betreffenden, ein paar Minuten mit ihren Diskussionsbeiträgen zu warten. Eine kleine Gruppe junger Frauen und Männer kommt näher. Was soll das Geschwafel? Lassen Sie uns in Ruhe. Die Leute hier, eine sich aggressiv gebärdende Frau, Wortführerin der Gruppe, beschreibt mit der Hand einen großen Bogen. Wollen das nicht hören. Meine Gruppe öffnet den Halbkreis, den sie um mich gebildet hat, und dreht sich nach der aggressiven Frau und ihrem Gefolge um. Wollt ihr Streit? Sagt einer meiner Anhänger halblaut. Ich suche abzuwiegeln, um ein Gespräch zu beginnen mit diesen Leuten, die einige Meter entfernt auf der Wiese stehen geblieben sind. Wenn auch nicht alle wegen des Konvents hier sind, so glaube ich doch, dass ich bei vielen Menschen Interesse wecken kann. Bemühe ich mich, ruhig zu bleiben. Für diesen Schwachsinn wollen sie Unterstützer finden. Einer der Begleiter der Frau greift sich an die Stirn. Darauf brechen diese Leute in Lachen aus, drehen sich abrupt um und gehen davon. Einer aus meiner Gruppe macht Anstalten, ihnen nachzulaufen. Ich halte ihn am Arm zurück. Bevor ich weiter spreche, überblicke ich das Veranstaltungsgelände. Die Anzahl der Anwesenden ist kleiner geworden. Haben sie schon genug gehört? Keine Lust oder Bereitschaft, sich einzubringen? Auf die können wir verzichten, sagt einer aus der Gruppe historisch. Ich schaue ihn an, zucke die Achseln. Die Kerngruppe meiner Anhänger hat sich um mich geschart. Von den Nachbarn ist keiner gekommen, auch niemand von denen für die Stadtplanung Verantwortlichen hat sich blicken lassen. Nicht einmal die beiden Popmusiker, die im Mailverkehr ein gewisses Interesse an meinem Anliegen geäußert, es für cool befunden haben, sind gekommen. Unter den gegebenen Umständen verzichte ich darauf, die Eröffnungsrede zu beenden. Aus Enttäuschung über die Ignoranz und Gleichgültigkeit der Menschen in dieser Stadt werde ich vorläufig keinen zweiten Termin für eine Versammlung ansetzen. Eine Reformkanzelle hat sich gebildet. Die Männer meiner Gruppe haben sich nicht verabschiedet, sie stehen, im wahrsten Sinn des Wortes, zu mir. Ich danke euch fürs Kommen, sage ich, und schüttle jedem der Gruppenmitglieder die Hand. Wir wollen mehr mit der Initiative erfahren, sagt einer von ihnen. Unbedingt stimmen die übrigen Männer zu und nicken freundlich. Ich betone meine Freude über die Unterstützung. Gleich morgen, schlage ich vor, könnten wir uns wieder treffen, um das weitere Vorgehen zu besprechen. Wenn jeder aus der Gruppe bestimmte Aufgaben zur Umsetzung meiner, unserer Reformbestrebungen übernehme, sei ein Erfolg letzterer möglich, seien dringend notwendige Maßnahmen auch ohne breite Unterstützung realisierbar. dringend notwendige Maßnahmen auch ohne breite Unterstützung realisierbar. Erzähl uns morgen mehr, dann schauen wir weiter, sagt einer aus der Gruppe, der sich bis jetzt im Hintergrund gehalten hat. Wir vereinbaren ein Treffen für den nächsten Tag, ich schlage das Gasthaus in der Nähe meiner Wohnung vor und beschreibe den Männern den Weg. Als die Gruppe außer Sicht weiter ist, laufe ich auf schnellstem Weg nach Hause. Es ist höchste Zeit für die tägliche Ruhephase. Obwohl mein Atem vor Aufregung und Ärger unregelmäßig geht, schlafe ich auf dem Sofa nach wenigen Augenblicken ein. Als ich erwache, ist die Nacht hereingebrochen. Es ist Schlafenszeit, Kopfschmerzen und Übelkeit plagen mich. Ich gehe zum straßenseitigen Fenster, öffne es und atme tief durch. Dann gehe ich zu Bett und versuche wieder zu schlafen. Erst im Morgengrauen verfalle ich in einen kurzen Schlummer. Der Schacht, in den ich gefallen bin, erweitert sich zur Höhle. Im Dunkeln tappe ich vorwärts und stoße mit dem Kopf gegen Felsvorsprünge. Im Traum spüre ich keinen Schmerz. Benommen robbe ich über den staubigen Boden. Aus weiter ferner Musik. Take 4. Am Morgen gilt mein erster Gedanke dem Fortschritt der Interventionen durch die Mitglieder unserer Gruppe. Dieser Tag wird neue Aktionen, Veränderungen bringen. Ich beeile mich mit den morgendlichen Verrichtungen, ohne es an Genauigkeit fehlen zu lassen. Ich öffne Fenster und Schränke, lüfte die Bettwäsche und gehe ins Bad, um die Zähne zu putzen und zu duschen. Ich kleide mich an, koche Kaffee und esse ein Butterbrot. Um die einzelnen Initiativen besser koordinieren zu können, ist es erforderlich zu wissen, wer an welchem Einsatzort womit beschäftigt ist. Gut möglich, dass einige Mitglieder der Gruppe, MDGs, sich bereits untereinander vernetzt haben. So entstehen schlagkräftige Unterabteilungen, bestehend aus einer überschaubaren Anzahl von Gruppenmitgliedern, die unterschiedliche Aufgaben übernehmen, an verschiedenen Orten in der Stadt aktiv werden. Meine lenkende Hand ist vonnöten, um die Aufgaben und Einsatzorte systematisch den UAS, Unterabteilungen sowie Einzelkämpfern zuzuweisen. Neben dem Einsatz im Feld, auf den Straßen, in den Parks, in Geschäften und Lokalen sind direkte politische Interventionen unter Drucksätzen der sogenannten Entscheidungsträger von entscheidender Bedeutung für die Umgestaltung des Lebens in unserem Gemeinwesen. Bloße Anregungen seien sie auch mit Nachdruck vorgebracht, fruchten nichts bei diesen Leuten. Meine Mitarbeiter werden Ultimaten stellen, im direkten Gespräch auf die Notwendigkeit grundlegender politischer Veränderungen drängen. Die Entscheidungsträger werden auszuführen haben, was wir wünschen. Es gilt, vollendete Tatsachen zu schaffen. Den Verkehrsfluss behindernde Straßenblockaden sind zu beseitigen, Parkbepflanzungen vorzunehmen. Für die Nutzung öffentlicher Plätze sind generell striktere Regeln durchzusetzen. Zähigkeit und Beharrungsverwöhnung sind notwendige Eigenschaften der Mitglieder unserer Einsatztruppe. Dass die Männer, welche sich mir angeschlossen haben, diese Charaktermerkmale besitzen, bezweifle ich nicht einen Augenblick. Das konzertierte Zusammenspiel nicht nur der Einsatzkräfte an verschiedenen Schauplätzen, sondern vor allem jenes Letzterer mit den Kollegen, die auf die Politiker einwirken, muss immer wieder neu koordiniert werden. Jeden Tag, so beschließe ich, geht eine Direktive von der Zentrale hinaus an die im Einsatz befindlichen MDGs. Die Direktive mit der Nummer 1 enthält folgendes. Die über die Stadt verstreuten Einsatzorte und Zeiten, durchzuführende Aktionen, Verantwortungsträger, die unter Feuer genommen werden müssen. Umfang und Breite der täglichen Aktionen hängen von der Anzahl zur Verfügung stehender MDGs ab. Ich werde mit meiner ganzen Autorität darauf pochen, dass möglichst immer alle oder die meisten von ihnen einsatzbereit sind. Nur wer sich mit Feuereifer für unsere Sache einsetzt, kann Mitglied unserer Gruppe sein. Zaudern und zögerliche Haltung dulde ich nicht länger. Wer nicht auf Abruf bereitsteht, öfter als einmal ein diesbezügliches Zeitproblem rückmeldet, hat mit Konsequenzen zu rechnen. Diese können Ausschluss, Verwarnung oder andere Disziplinierungsmaßnahmen bedeuten. Nur mit starker Geschlossenheit und Disziplin können wir unsere Pläne in die Tat umsetzen. Nur auf diese Weise kann unsere Bewegung die Oberhand gewinnen. Das Panorama der Schauplätze, Situationen und mit diesen verbundenen Aktionen wird sich befruchtend auf den weiteren Verlauf unserer Mission auswirken. Hier in der Einsatzzentrale, der Kommandobrücke, geht ein reger Gedankenaustausch zwischen den MTGs untereinander sowie zwischen Ihnen und mir vonstatten. Dieser Austausch bildet die solide Basis für meine Entscheidungen. Wichtige Entscheidungen muss die Führung treffen. Als Gründer und Mastermind unserer Reformgruppe ist meine Position an ihrer Spitze unangefochten. Ich beschließe, Direktive Nummer 1 sofort nach dem Hochfahren des Rechners an den Mailverteiler mit den Adressen aller MDGs abzuschicken. Um sicherzustellen, dass die Direktive auch tatsächlich befolgt wird, erwäge ich für morgen einen Inspektionsrundgang zu einzelnen Einsatzorten. Beruhigt beginne ich die früharbeitliche Ruhephase. Ich spiele laute Orchestermusik und schlafe trotzdem sofort ein. Einige Takte der Orchestermusik wiederholen sich ständig. Bevor ich aufstehen und die Stopptaste drücken kann, schlafe ich erneut ein und träume vom Spaziergang durch einen medallischen Garten. Langstilige Sonnenblumen wachsen in regelmäßigen Abständen die Höhe. Laubbäume mit ausladenden Ästen, die im Luftzug eines milden Windes wippen. Weitere Blumen in verschiedenen Farben verströmen intensiven Duft. Vom dicksten Ast eines der Bäume am Rand des Gartens baumelt eine Gliederpuppe. Sie hängt an einem Seil, das um den Hals geschlungen ist. Ich trete näher und schaue der Puppe ins Gesicht. Das Gesicht trägt meine Züge. Ich weiche zurück und erwache. Der Laserabtaster springt zwischen verschiedenen Passagen auf der Disc hin und her. Ich finde Gefallen an diesem hörbaren Chaos und stelle den Regler auf halbe Lautstärke. Ich esse eine Schnitte Schwarzbrot mit einer dünnen Schicht Aufstrich, trinke ein Glas Wasser. Eine Viertelstunde später beschließe ich den Tag und gehe zu Bett. Die Wände des Schachts, auf dem ich auf- und abfahre, sind das Glas. Hinter dem Glas stehen Puppen mit grell geschminkten Gesichtern. Schwelle von Wasser fließen das Glas hinunter. Die Konturen der Puppengesichter verschwinden. Erst einmal, servus Robert, danke, dass du da bist. Danke für die Gelegenheit zur Lesung. Gerne. Mir sind dir eine, wie immer, sehr exakten Beschreibungen aufgefallen. Mir ist aufgefallen, dass du so springst zwischen den Traumsequenzen und dem realen Geschehen in dem Text. Der Text beschäftigt sich mit Stadtentwicklung, könnte man sagen. Könnte man sagen, ja. Und hat einen sehr teils skurrilen Charakter für mich. Das ist mir mit der Zeit fast aufgefallen, das war nicht von Haus aus die Intention, ich habe es zulassen. Im Stifterhaus haben auch Leute gesagt, das ist ein subtiler Humor. Keine Ahnung, ob das jetzt ein Lob ist. Interessiert dich das Thema oder war das nur ein Text oder ist das wirklich etwas, was dich beschäftigt? Ja, sagen wir es so. Im Prinzip gehe ich natürlich aus von dem Typen, dem männlichen Ich-Erzähler, der zu Hause sitzt und Sachen beobachtet. Und sich immer mehr hineinsteigert. Einerseits will er irgendetwas verändern, will Leute finden, aber das geht dann, was man im letzten Abschnitt, im letzten Take, den ich gelesen habe, geht es dann immer mehr in Richtung, ich vermeide das Wort jetzt nicht, einerseits Obsession, da steigert sich so eine Paranoia, weil diese Versammlung im dritten Abschnitt, im Prinzip ist ja niemand gekommen. Es sind ja nur lauter Leute zufällig im Park sitzen. Da hab ich einen kleinen Volksgarten von mir gehabt, aber das spielt keine Rolle direkt jetzt. Das ist einfach so. Gut, nicht? Und eigentlich ist ja niemand da, nur die paar Leute, die sich später im Text, das hab ich da jetzt nicht gelesen, Rauscheid, dass das ein Stammtisch einfach ist. Die drei Männer? Die paar Männer, ja, die haben ihren Stammtisch sitzen, wo sie sich da treffen und dann zerbröselt er schnell wieder. Und da im letzten Abschnitt steigert es irgendwas hinein, was überhaupt nicht real ist. Er hat ja gar keine Einsatztruppe und das kriegt dann etwas sehr Autoritäres. Er will dann alle zwingen, klar der Staat hat wie im Litten ab, aber er will dann eigentlich, mein Druck ausüben ist recht und schön, aber es geht dann immer mehr in eine Richtung und das Ganze am Ende steigert sich das dann noch mehr, dass er eigentlich einen kompletten Zwang hat und sich in eine autoritäre Herrschaftsvorstellung hineinsteigert mit seiner Truppe. Und dann kommen auch Uniformierte ins Spiel. Davon ist am Anfang natürlich keine Rede. Und das ist immer stark gegangen. Und das Thema beschäftigt mich aber schon. Es hat ja keinen Sinn, wenn ich jetzt etwas künstlich herbeinehme. Obwohl das gegen mich eine gewisse Plakativität kriegt, die aber von mir schon beabsichtigt worden ist. Das ist aber bei mir von Anfang an, habe ich mitgehört, dass das in eine rechte Richtung geht. Mit diesem Bestimmen und ich ersetze meine Untergebenen. Das stellt sich so vor. Die husten ja immer etwas. Die Leute beachten gar nicht. Da gibt es ja Passagen, wo ich im Haus mit den Nachbarn reden will. Und die sagen dann, sind miteinander in Ruhe. Da kommt jemand wie ein komisches Positionwesen. Das wird nicht sehr ausgebreitet, aber so kurze Szenen auch. Und da im Park, wo ich den anderen Nachbarn treffe, von dem ich gar nichts weiß. Er teilt einen Flugzettel aus und biegt sich auf die umliegenden Häuser und ist dann auch wieder weg. Das hat einfach keine Resonanz. Wenn man das als Spinnerei betrachtet. Und das ist dann Wasser auf seine Mühlen, dass er da immer mehr einsteigt. Dass er weiter tut. Und stärker wird in seiner Aktivität. Hat schon ein bisschen was auch im Realen. Ja sicher. Hat schon was im Realen. Ja sicher. Hat schon was im Realen. Eine reine Fantasie ist es nicht. Das ist kein Realismus. Aber es kippt dann über in eine Obsession, in Vorstellungen, wie da immer in diesem letzten Abschnitt, wo es überhaupt nicht real ist. Es gibt keine Einsatztruppe und es sind keine Orte, die ins Bezieren kommen. Und es tut sich gar nichts. Ich bedanke mich nochmal, bitte, Robert, für das Dasein, für das Mitmachen bei unserer Vorlesestunde. Und bei Ihnen zu Hause und bei euch zu Hause bedanke ich mich für das Wieder-Dabei-Sein und sage in 14 Tagen wieder schönen Abend noch bei der Vorlesestunde im DorfTV. Danke.