Wie ist der Theaterintendant? dir, passt überall rein, schaust einfach nach, welcher Paragraf und zack, schon weißt du es. Es hat auch keine Kapitel, sondern es hat Paragrafen, die streng einzuhalten sind. Und es ist natürlich schon in aller Bescheidenheit, es ist ein ganz besonderes Buch, es hat nämlich nicht nur eine Vorderseite, auf der der Intendant auf seinem Thron abgebildet ist. Es hat auch eine Rückseite. Und im Rücken des Intendanten, da ist richtig was los. Da ist richtig was los. Es hat kein Vorwort, sondern theatralisch natürlich ein Vorspiel. Vorspiel. Was ist denn das überhaupt, ein Intendant? Brockhaus, erste Bedeutung. Militärischer Verwaltungsangestellter, auch Leiter des Nachschubwesens oder der Bekleidungskammer. Vergiss das nie, junger Kollege. In Lateinamerika tragen Politiker und Verwaltungsbeamte diesen Titel. In Spanien war er der Leiter einer Intendencia, ein höherer spanischer Kolonialbeamter. In Frankreich ist ein Intendant ein höherer Verwaltungsbeamter und zu Zeiten des faschistischen Vigilregimes in Frankreich hießen die Kommandanturen der Konzentrationslager Intendance. Aber zurück zum guten alten Brockhaus, der ja in deutschsprachigen Landen die größte Relevanz besitzt. Manchmal erweist es sich als äußerst sinnvoll, sich penibel genau nach ihm zu richten. Wenn du den nur von blutigen Laien begehrten Titel künstlerischer Leiter trägst, dann bist du gar nichts. Bist du hingegen der Leiter des Nachschubwesens, der Bekleidungskammer und möglichst auch der Werkstätten, dann bist du der richtige Herrscher deines Hauses. Nur dann kannst du mit Fug und Recht das besitzanzeigende Fürwort mein in Bezug auf das vorübergehend von dir geleitete Theater gebrauchen. Dann und nur dann entscheidest du, was passiert. Du und nur du kannst als Leiter des Nachschubwesens bestimmen, was angekauft wird und was nicht. Du hast somit alle Bühnenbildner fest in der Hand. Die häufig sehr eigenwilligen Kostümbildnerinnen sind dir als Leiter der Bekleidungskammer ohnehin völlig ausgeliefert. Und die Kunst? Was ist mit der Kunst, magst du fragen, lieber junger Kollege? Und meinen, dass die Kunst, die künstlerischen Entscheidungen das Wichtigste am Theater seien. Mitnichten. Kunst kommt nicht, wie fälschlicherweise oft behauptet, von Können. Nein, nein, nein, nein, nein. Kunst kommt von Knete. Auch Zaster, Pinke, Pinke, Hochdeutsch, Geld, Österreichisch, Marie, siehe auch Paragraf 9. Du kannst die sogenannten künstlerischen Entscheidungen sehr wohl als Verwaltungsangestellter treffen. Denn natürlich verwaltest du auch das Personal. Also nicht nur die Tischler, Schweißer, Maler, Schneider, Innen, Bühnenarbeiter, Pferdner und was sonst noch alles an menschlichen Ressourcen zum Betrieb einer Theaterimmobilie nötig ist. Du entscheidest, wer angestellt oder angemietet wird. Du musst dich nur ein bisschen dem Vertragswesen auskennen und schon läuft alles so, wie du willst. Die militärischen Verwaltungsangestellten waren eine Erfindung der Fürsten und Potentaten, die im 19. Jahrhundert Theatergebäude in ihre Hauptstädte stellten, wobei angemerkt sei, dass sie dies neben dem Aufbau von schlagkräftigen Militäreinheiten und der Errichtung eines zentral auf ihre Städte zuläufenden Straßensystems hauptsächlich aus Repräsentationsgründen taten. Und da ein leer stehendes Gebäude, egal was seine Bestimmung sein möge, nicht vom Weitblick eines Herrschers zeugt, musste natürlich Personal in diese Zweckbauten. Angefangen hat das in vielen Fällen mit Orchester, Hoforchester mussten her, mit Musik kann man sich brüsten. Je größer das Orchester, desto mehr Ruhm für den Fürsten, je mehr Kontrabasshelse aus dem Orchester herausragen, desto größer sein Ansehen. Schon bald folgten Sänger und ein wenig Bahnen zu lenken und auch dort zu halten, bedienten sich die Herzogin und Grafen erfahrener militärischer Verwaltungsangestellter, was auch eine Zeit lang gut geht. Allerdings hat sich dieses System nicht erhalten, offenbar hat es sich nicht bewährt und die militärischen Verwaltungsangestellten konnten sich als Theaterleiter nicht ins 20. Jahrhundert retten. Die Gründe dafür sind einfach. Das sogenannte künstlerische Personal, siehe § 10 und folgende, ist zwar nicht gehorsamsgewohnt, häufig auch liederlich bzw. locker moralisch, keine Ordnung akzeptierend, kaum sorgfaltaufweisend, oft nachlässigt und besteht zum größten Teil aus unordentlichen Individualisten, aber blöd sind sie auch nicht. Und schon bald fanden sie die Schwächen der ihnen vorgesetzten militärischen Verwaltungsangestellten heraus. Diese ehrenhaften und soliden Herren waren natürlich besten Rufes, honorig und nicht zuletzt verheiratet. Was lag also näher, dass zum Beispiel eine jugendliche Sängerin sich einen Termin beim Herrenintendanten, auch der Titel Generalintendant war schon verbreitet, der krank, noch militärischer, wegen der Partien, die sie gerne singen wollte, erbart und den als gestreng bekannten Herrn nicht nur von ihrer gesanglichen Qualität überzeugte, sondern auch von ihrer lokomoralischen. Besonders hervortaten sie sich in diesem Zusammenhang Subretten, oft von ihren Männern oder Liebhabern entsandt. Nicht zu unterschätzen ist im Zusammenhang mit dem Untergang der militärischen Verwaltungsangestellten als Intendanten die Rolle der Tänzerinnen. In Einzelfällen auch der jungen, gut gewachsenen Tänzer. Die Kollegen, meine Kollegen des 20. und 21. Jahrhunderts hören die Geschichte ihres Berufsstandes nur äußerst ungern. Die meisten kennen sie gar nicht. Es schaut eben keiner in den Brock aus, wenn man ja eh Deutsch ohnehin, ohne dies alles weiß. Also ich muss noch hinzufügen, der Verlag bestand darauf auf eine Millionenauflage in Deutschland, schielend, dass gewisse Austriazismen ins Deutsche übersetzt werden. Und was macht denn so ein Intendant den ganzen Tag? Der große Schauspieler Helmut Lohner, der das Wiener Theater in der Josefstadt ein paar Jahre lang leitete, wurde am 5. Juli 1998 in einer kleinformatigen österreichischen Tageszeitung zitiert. Als Theaterdirektor zahlst du für zehn Minuten Freude mit zwei Stunden Ärger. Mindestens. Apropos Wien. Interessanterweise gibt es in Wien, der Hauptstadt der Titelitis, Klammer Titelverleihung, keinen einzigen Intendanten. Nicht am Burgtheater, nicht am Theater in der Joserstadt, nicht am Volkstheater, nirgends. Sie sind alle gewöhnliche Direktoren. Rund um Wien allerdings werden alle freilichtigen Wald- und Wiesentheater von Intendanten geleitet. Naja, Österreich. So, ein paar Ausschnitte aus Paragraf 1, wichtig, also wie werde ich? Die althergebrachte und sicherste Methode, die jedem von euch zugänglich ist und bleibt, das Hochdienen. Natürlich gibt es neben dem Hochdienen auch Abkürzungen dieses häufig beschwerlichen und langwierigen Weges. Beginne am Landes-, Stadt- oder Staatstheater, ein häufig langer und qualvoller Weg, beginne dort egal als was. Regieassistent ist am besten. Es ist dies zwar eine stinkfade, deutsch langweilige Beschäftigung, aber sie gewährt bessere Einblicke in die Zusammenhänge am Theater als jede andere Tätigkeit. Als Assistent lernst du, wie man so schön sagt, von der Pike auf alles, was du lebenslänglich brauchen wirst. Und wenn du anpassungsfähig und elastisch bist, werden deine Intendanten dir bei Abkürzungen des langen Marsches behilflich sein. Suche kreative Verhältnisse zu deinen Vorgesetzten. Am besten du findest deren Entscheidungen richtig. Wobei der kreative Widerspruch ebenso empfehlenswert ist. Kritisiere also gelegentlich eine Entscheidung in geringem Maße und mit zurückgenommener Stimme. Und dann, nach kurzem Überlegen, umso mehr heimenter stimmst du zu. Diese Technik nennt man den Pseudowiderspruch. Also, ist das aber wirklich gut? Und dann, ah, jetzt verstehe ich es, das ist ja großartig. Gehe stets behutsam mit dem Wörtchen aber um. Wie du ja sicher weißt, sagt ein Führer in Jura Seifers Theaterstück der Weltuntergang, kein aber, aber ist ein marxistischer Ausdruck. Mach dich also nicht verdächtig. Und nütze deine Chancen. Achte auf unvorhergesehene Ereignisse. Versuche unvorhergesehene Ereignisse vorherzusehen. Nicht jeder hat das Glück des Verfassers dieser Zeilen, dass Michael Gorbatschow den eisernen Vorhang fallen ließ und damit wegen Stasi-Verwandzung der amtierenden Intendanten von einem Tag auf den anderen 40 neue gesucht wurden und damit auch Außenseiter eine Chance bekamen. Erkunde stets gründlich die Situation an dem Haus, an dem du gastierst oder engagiert bist. Nütze zum Beispiel Todesfälle. Beachte den Gesundheitszustand deiner Oberspielleiter. Operettenregisseure sind ältere Herren mit angegriffenem Gesundheitszustand. Und zuletzt das Wichtigste. Die wichtigste Institution des deutschsprachigen Theaters, der Deutsche Bühnenverband. Ihm gehören alle Städte und Länder an, die Theater unterhalten. Er gliedert sich in mehrere Gruppen, wortführend und entscheidend sind natürlich die Rechtsträger, also jene, die für die Theaterblechen Deutsch bezahlen. Aber er verfügt auch über eine Intendantengruppe, die zwar im Verband nicht wortführend ist, aber das große Wort führt. Einer unserer Douillons nannte sie die Gruppe der Erfolgreichen, weil jeder dort drinsitzende Intendant ständig von seinen großen Erfolgen redet, nie von seinen Pleiten und seinen schlechten Besucherzahlen. Und natürlich schielt dort jeder nach den Posten des anderen. Am meisten wird natürlich nach oben geschielt. Aber ein Auge auf das Unten zu halten, ist ebenfalls nicht unwichtig. Vor dem Absacken ist keiner gefeit. Doch weiter mit dem Bühnenverband. Die österreichischen Theater sind da übrigens assoziiert. In diesem sitzen die Mochatscheks, auch Machertscheks, Deutsch, Anführer, Chefs, Verantwortliche, Manager, Macher des deutschsprachigen Theaters. Der Bühnenverband verfügt unter anderem auch über einen künstlerischen Ausschuss. Dort sitzen jene Intendanten drin, die das Spiel, das sogenannte Intendantenkarussell, am besten verstanden haben. Dieser künstlerische Ausschuss, was nicht im Sinne von Ausschuss ist gleich Abfall gemeint ist, berät die Geldgeber unter anderem beim Geldgeben meist vergeblich. Wobei er sich häufig der Technik des Pseudowiderspruches, je weiter vorne, bedient. Nein, er berät sie vor allem bei der Findung neuer Intendanten. Ist also eine Kaderschmiede, in der meist ein paar jüngere Oberspielleiter oder Regisseure von ihren Chefs auf das Reservebankerl, Vergleiche Fußball, Reservebank, gesetzt werden. Diese Ratschläge werden von den Geldgebern meist aus taktischen Gründen befolgt, um das Ablehnen der Ratschläge Geld zu geben, zu kompensieren. Das ist die sogenannte Trostpflaster-Technik. Gelegentlich wird die Intendantengruppe auch Intrigantengruppe genannt, vermutlich aus sprachliche Schlampigkeit. So, wir gehen zu dem nächsten Kapitel. Paragraf 8. Dein Umfeld. Betrachte ab dem Zeitpunkt der Unterschriftsleistung auf deinem Intendantenvertrag das Gemeinwesen, in dem du künftig deinen Hauptwohnsitz haben wirst, als deine Stadt. Lass deinen Oberbürgermeister und die gesamte politische Kaste in dem Glauben an ihre Wichtigkeit und nenne deine Stadt ihnen gegenüber unsere Stadt. Aber gehe davon aus, dass du aufgrund deiner überragenden Erfolge schon bald die populärste Person sein wirst und man ohne dich an der Seite schon die nächste Wahl nicht gewinnen wird. Achte auf Äquidistanz zu allen politischen Parteien. Versichere jedem einzelnen Parteivorsitzenden, er möge, dass dein Herz für seine Fraktion schlägt. Er möge dir aber verzeihen, dass du als Verantwortungsträger und aus Rücksicht auf die Öffentlichkeit deine wahre Gesinnung verschweigen musst. Tritt allen Vereinen bei. In vielen Fällen wird man dich darum bitten, egal wofür oder wogegen der Verein ist, tritt bei. In jenen Fällen, in denen man dich nicht zum Beitritt einlädt, warte auf eine günstige, vertrauliche Situation, lobe den Vereinszweck und ersuche bescheiden, Mitglied werden zu dürfen. Es wäre mir eine Ehre, Ihre Vereinstätigkeit mit meinem Mitgliedsbeitrag unterstützen zu dürfen. Am Tag, an dem du das nächste Engagement antrittst oder auch schon sobald du es abgeschlossen hast, trittst du ja eh, Klammer, ohnehin wieder aus. Das kann sich ja kein Mensch leisten, in all deinen Wirkungsstätten, in allen Vereinen zu bleiben. Dringend anzuraten ist die Mitgliedschaft im Lions Group oder den Rotariern. Vielleicht kannst du sogar einen Freimaurer in deiner Umgebung ausfindig machen und dazu motivieren, dich für die Aufnahme in seine Loge vorzuschlagen. Wenn du das schaffst und dich noch dazu im Bühnenverein brav benimmst, dann stehen dir alle Türen offen und du hast so gut wie ausgesorgt. Paragraf 5, dein Vorgänger. Nur eine kurze Passage aus diesem Paragraf 5, ja, der Hervorgänger. Tue alles in deinen Kräften Stehende, um der Star der Stadt zu werden. Lege deine weltverbessernden Ambitionen und so du sie hast, deine politische Vergangenheit ab. Mache einen populären Spielplan, stelle neue Besucherrekorde auf, eröffne deinem Städtchen den Eingang in überregionale Medien. Das Selbstbewusstsein eines Oberbürgermeisters und eines Landrates wird dies immens stärken. Ich habe den richtigen gewählt. Und die Menschen deines Städtchens werden denken, oh Gott, hoffentlich bleibt uns der lange erhalten. Scheue dich nicht, Vordenker dieser Weltuntergangsstimmung zu sein, indem du von Zeit zu Zeit nebenbei die Endlichkeit deiner vertraglichen Verpflichtung erwähnst. Heute hängt das Porträt des Verfassers dieser Zeilen dort, wo es hingehört, in der Galerie der Ehemaligen, in den Wandelgängen des zweiten Ranges. Es ist eben eine liebgewordene Tradition, dass man Intendanten aufhängt. Dass der Brauch, seine Vorgänger bildlich zu verewigen, aus dem westafrikanischen Königreich Benin stammt, ist wohl allgemein bekannt. Paragraf 22. Die Kantine. Sie ist gleich nach deinem Büro der wichtigste Ort des Theaters. Sei sorgsam bei der Bestellung deines Kantinenpächters. Eine Pächterin ist grundsätzlich zu bevorzugen. Abgesehen davon, dass sich deine Künstler, und sie sind alle großgewordene Kinder, bei einer richtigen Kantinenmutti ausweinen können, ist sie erfahrungsgemäß eine bessere Verbündete als ein Mann. Sie kann beruhigen, sie kann trösten und entscheidet letztlich, und das ist nicht unwesentlich, darüber, wann die Sperrstunde ist. Besserwisserische Kollegen befürworten die Abschaffung der Kantine, weil dort eh nur auf den Intendanten geschimpft wird. Irrtum! Irrtum! Der Hauptzweck der Kantine besteht darin, dass sie dort auf dich schimpfen und nicht, oder zumindest zumindest weniger anderswo. In der Kantine sollen sie ihren Dampf ablassen. Unterschätze diese Ventilfunktion nicht. In Italien, wo die Theaterimmobilien über keine Kantinen für das Personal verfügen, der Verfasser musste die entsprechende Erfahrung in Südtirol machen, frequentieren die Darsteller die umliegenden Kaffeehäuser, italienisch Bars, und machen dort ihrem Unmut Luft und setzen dort Gerüchte in Umlauf. Und wenn du ein leutseliger Chef sein willst, dann nimm gelegentlich Mahlzeiten in der Kantine ein. Zwar werden dann die Gespräche mit deinem Eintreten schlagartig verstummen, aber man wird es dir hoch anrechnen, dass du dich dem gleichen Fraß aussetzt wie deine Mitarbeiter. Phras aussetzt wie deine Mitarbeiter. Paragraph 4. Der Regie-Intendant. Es erfand also einer der pfiffigen Kleinstaatenfürsten den Oberschauspieler. Und irgendjemand, es ist nicht bekannt, ob es einer der Fürsten oder einer der frisch kreierten Oberschauspieler war, erfand das Wort Regisseur. Eine wahrhaft großartige Wortschöpfung vereinigt sie durch einerseits das Wort Regieren mit dem französischen Flair des künstlerischen Regisseur. Häufigst werden, wie bekannt, Intendanten aus dem Kreis der Regisseure gewählt, was recht sinnvoll scheint, da der Regisseur an der Front steht. Im Sinne des Systems der militärischen Verwaltungsangestellten scheint dieser kriegerische Terminus doch recht angebracht. Und vergiss bitte nicht, dass du von Feinden umgeben bist. Feinde, die dir deinen Aufstieg neiden und ihrerseits nach dem Intendantenstuhl gieren. Zum Regisseur selbst wäre zu sagen, dass er im Regelfall über keine Ausbildung verfügt. Zwar gibt es in großen Städten an den Hochschulen für Musik und Theater gelegentlich Regieklassen, aber meistens handelt es sich dabei nur um Appendices an die Schauspielklassen. Der Unterricht für angehende Regisseure wird dort zu einem Teil von alten Hasen gegeben, also von Handwerkern der in jeder Hinsicht alten Schule. Nehmen wir also den konventionellen Lehrer und die in § 1 bereits genannte führende österreichische Theaterlehranstalt. Ebenso den Älteren eines vorher schon erwähnten Brüderpaares, also dem Bruder des Oscar-Preisträgers, der in einem Film von Quentin Tarantino spielte und den Oscar für die beste Nebenrolle gewann. Dieser Bruder, der Bruder des Oscar-Preisträgers, durfte unter Aufsicht des Herrn Professors einen Einakter von Georges Fedot in Szene setzen. Er tat dies sehr gründlich, indem er seine zwei Kollegen aus der Schauspielabteilung wie folgt instruierte. Irene, also das ist nicht meine Irene, andere Irene. Irene, du gehst nach deinem ersten Satz in die Mitte und dann vier Schritte vor. Und du, Paul, du drehst dich mit einer Vierteldrehung nach rechts. Irene sagt dann ihren nächsten Satz und dreht sich nach links. Daraufhin wendet sich Paul nach rechts, worauf Irene vier Schritte zurückgeht und redet bitte laut. Der Professor beobachtete das Geschehen genau. Sie wollen zum Theater, Herr W., Schüler W., eifrig. Ja, Herr Professor, ja. Professor, sagen Sie, Herr W., wollen Sie Regisseur werden oder Platzanweiser? Wollen Sie Regisseur werden oder Platzanweiser? Wie bereits erwähnt wurde aus diesem jungen Kollegen, dem Bruder des Oscar-Preisträgers, nichts, was von mir blieb, ist allein diese Anekdote, die leider auch häufig im Zusammenhang mit erwachsenen Regisseuren angewendet werden kann. Wir gehen weiter bei § 12, deine Regisseure. Triebfeder und Urmotivation aller Regisseure ist der Geltungsdrang. Sie wollen schlicht und ergreifend Vorgesetzte sein. Sie wollen anderen sagen, was sie zu tun haben. Sie wollen sich bei Premieren als Letzte, also als Wichtigste verbeugen und sogar vom jeweiligen Hauptdarsteller auf die Bühne gebeten werden. Regisseure halten auf der ersten Probe lange sogenannte Konzeptionsgespräche, ersten Probe lange sogenannte Konzeptionsgespräche, die keine Gespräche sind, sondern Vorträge, mittels derer sie ihre tiefen Kenntnisse des inszenierenden Werkes und die zeitlose, ja gerade heute aktuelle Bedeutung seines Autors untermauern. Der Großteil der Schauspieler langweilt sich währenddessen unendlich und wartet darauf, auf welcher Seite er endlich drankommt. Unbegreiflich aber wahr ist, dass in Einzelfällen Damen des Ensembles auf dieses Gerede hereinfallen und den Kerl faszinierend finden. faszinierend finden. Häufig sind auch Nachbesprechungen von Proben endlos, was dann aber gar niemand mehr faszinierend findet. Abenteuerlich ist es auch, was Regisseure in Intendanten bei den Vorbesprechungen erzählen. Blende in dieser Situation mit Detailkenntnis. Frage zum Beispiel nach der Anzahl der Statisten im dritten Akt. Nicht etwa, weil du sein Konzept beeinflussen willst, sondern weil du das frühzeitig wissen willst, um ihn bei der Umsetzung seiner kühnen Überlegung bestmöglich zu unterstützen. Häufig wirst du feststellen, dass er vom dritten Akt überhaupt keine Ahnung hat. Der Besuch seiner Schlussproben wird dich eindrucksvoll davon überzeugen, wie wenig er von seinem Gerede auch wirklich theatralisch umsetzen konnte. Paragraf 17. Deine Schauspieler. Wenn ein Schauspieler Glück hat, so hat er einen festen Vertrag, der ihm für ein oder zwei Jahre sein Ein- und Auskommen sichert. Häufig kommt es vor, dass Schauspielerentlohnungen nicht Gage, sondern monatliche Beleidigung genannt werden. In der Regel muss er alle paar Jahre das Engagement wechseln und mit Sack und Pack in eine andere Stadt übersiedeln, was häufig mit Partnerinnenwechsel verbunden ist und zu Patchwork-Familien wienerisch Fleckerlteppich führt. Halte dein Mitleid mit dieser schwierigen Situation deiner SchauspielerInnen dennoch in Grenzen. Sie wollen einerseits ihr Engagement bei dir nicht verlieren, andererseits sich aber ständig verbessern und an ein größeres Theater wechseln, sind sie doch alle wirklich großartige Bühnenkünstler und zu höherem berufen. Wichtig für dich zu wissen ist, dass sie alle paar Jahre den Intendanten, also ihren obersten Chef wechseln und pro Spielzeit fünf oder mehr Regisseure, also direkte Vorgesetzte haben, was zu einem eher biegsamen und elastischen Charakter führt. Kurz, auf die Charakterfestigkeit des Schauspielers solltest du nicht bauen. Schauspielers solltest du nicht bauen. Jetzt kommt eine Geschichte, die mir passiert ist und die mich bei den letzten Lesungen noch sehr berührt hat, weil es wirklich einmalig war und dieser Kollege ist inzwischen leider auch verstorben. Erfreulicherweise gibt es auch Ausnahmen. Selten, aber doch. Ein älterer Schauspieler, zu Zeiten der Deutschen Demokratischen Republik auch Oberspielleiter eines kleinen Theaters an der polnischen Grenze und durch die Wende wie so viele arbeitslos geworden, den der Verfasser dieser Zeilen für zwei Jahre fest engagiert hatte, verabschiedete sich auf besondere Weise. Er kam nach einer Vorstellung ins Intendantenbüro. Ich habe gesehen, dass im Kreml noch Licht brennt und möchte mich verabschieden. Solltest du übrigens Einfluss darauf haben, wo sich dein Büro befindet, so ist, falls du ein fleißiger Intendant bist und die Abendstunden zur Arbeit nützt, ein vom Bühnentürdel, sehe § 12 aus, gut sichtbares Fenster zu empfehlen. Wir verabschiedeten uns also sehr herzlich. Er war ein braver Bühnensoldat. Als er beim Gehen schon in der Tür stand, drehte er sich mit der Türklinke der Hand noch einmal um und sagte nach kurzer Pause, halb leise und mit ernstem Blick, du warst kein Arschloch. Ich habe Bild und Ton noch 25 Jahre danach im Gedächtnis als das schönste Kompliment meiner Laufbahn. Gleichzeitig wirft es natürlich ein vielsagendes Bild auf unsere Intendantenkollegen. Noch ein Satz zu den Schauspielern. den Schauspielern, die Ernsthaften unter ihnen befinden sich vor und nach der Vorstellung in einem ganz besonderen psychischen Aggregatszustand. Das österreichische Schauspielergesetz, ja, so etwas gibt es, spricht davon, dass sie bis zu einer halben Stunde vor und nach der Vorstellung nicht voll zurechnungsfähig sind. Der Verfasser dieser Zeilen verdrosch einst als junger Schauspieler nach einer sehr ernsthaften Vorstellung einen Besucher, der durch Zwischenrufe gestört hatte. Der Zuschauer klagte, aber die Gewerkschaft, die sich der Angelegenheit mit Freude annahm, erreichte eine Einstellung des Verfahrens. Paragraf 21. Du selbst. Auch nur ein paar Auszüge. Du selbst. Verhaltens. Empfehlungen. Es ist unter Intendanten üblich, das sich vorübergehend von ihnen geleitete Theater, siehe Einleitung, als mein Theater zu bezeichnen. Natürlich ist es dein Theater, aber besiege deine Eitelkeit, nenne es unser Theater. Der Öffentlichkeit signalisierst du ihre Wichtigkeit und hausintern täuscht du Augenhöhe vor, was vor allem zu Beginn deiner künftig segensreichen Tätigkeit einiges an Erleichterungen bringt. Es ist für deine Mitarbeiter schwierig genug, sich an einen neuen Chef zu gewöhnen. Überrumple sie nicht. Sei maßvoll im Umgestalten des Büros deines Vorgängers, also deiner neuen Kommandozentrale. Stelle auf keinen Fall die Möbel sofort um und kaufe auf gar keinen Fall neue. Ändere Möbelage und Ausstattung nur Schritt für Schritt nach deinem Geschmack und deinen Bedürfnissen. Vermeide es unbedingt, deinen Schreibtisch in die Alpha-Position zu stellen. Das heißt, du darfst keinesfalls das Fenster hinter dir haben. Die Dramaturgen, Ausstatter und Regisseure und manch andere wissen, was das bedeutet. Du siehst dein Gegenüber in hellem Licht, die anderen hingegen dich nur unscharf. Eine Machtdemonstration aus den USA der 50er Jahre, die in unseren Breiten längst durchschaut wurde und abgekommen ist. Deine Besucher wissen, dass du der Chef bist. Du brauchst das nicht noch zusätzlich zu betonen. Überlasse deine Handbibliothek nicht im Zufall. Natürlich hast du die Fachbücher in Griffweite, aber gib deinem Regal unbedingt eine persönliche Note. Stelle eine Gesamtausgabe eines Autors hinein, der nicht zur üblichen Theaterliteratur zählt, aber auch nicht ganz unbekannt ist. Dringend zu empfehlen sind auch Randbereiche deiner Tätigkeit, nämlich Bücher über Marketingstrategien, Personalführung und natürlich Machiavellis il Principe, Deutsch der Fürst. Miss den Grad deiner Popularität an der Zeit, die du zum Rathaus brauchst. Gehe zu Fuß, auch wenn du ein schnittiges Auto fährst. In den meisten Städten stehen die Theater im Zentrum, also in relativer Nähe zum Rathaus. Wenn der Fußweg von deinem Theater zum Rathaus ungefähr zehn Minuten dauert und du eine halbe Stunde brauchst, weil du so oft lobend angesprochen und in ein Gespräch über deine Vorstellungen verwickelt wirst, dann hast du es geschafft. Beschimpfen kostet in der Regel keine Zeit, weil es im Nachrufen passiert. Paragraph 19, deine Nichtkünstler. Das Theater ist jener Betrieb mit den meisten unterschiedlichen Gewerken unter einem Dach. Abgesehen vom künstlerischen Personal arbeiten an deinem Theater in alphabetischer Reihenfolge. Ober, österreichisch Garderobier, Hausmeister, Hausverwalter, Kaschöre, Kassierer, Kraftfahrer, Maler, Maskenbildner, Orchesterwarte, Personalleiter, Personalverwaler, Einlasspersonal, österreichisch Bieteure, Schlosser, Schneider, Damen und Herren, Schuster, Tapezierer, Tontechniker, Tischler, sonst nichts. Also außer deren jeweilige Leiter. Wie recht hatte doch Karl Kraus, als er meinte, was die Deutschen von den Österreichern trennt und unterscheidet, ist die gemeinsame Sprache. Das beste Beispiel ist der Pförtner. Außer dieser Zeilen begrüßte einmal den Pförtner des Linzer Landestheaters mit Guten Morgen, Herr Portier, worauf dieser vor Freude aufging wie ein Gernknödel. Deutsch-Hefe-Kluss. Wissens, sagte er, seit der Machtübernahme unseres Theaters durch deutsche Intendanten vor mehr als 20 Jahren, sagt man Pförtner zu mir. Dabei habe ich in der Schule gelernt, dass der Pförtner ein Schließmuskel am Hintern ist. Seit die da Pförtner zu mir sagen, glaube ich immer, die nennen mich Arschloch. Weil die da Pförtner zu mir sagen, glaube ich immer, die nennen mich Arschloch. Und Herr Pförtner, also Herr Arschloch, macht die Sache auch nicht besser. So weit, so gut. In Österreich sitzt also am Bühnentürdel ein Portier, in Deutschland an der Pforte ein Schließmuskel. Wir sind am Ende des auszugsweisen Vortrages aus dem Büchlein der Theaterintendant, ein kleiner Ratgeber, wie man es wird und möglichst lange bleibt. Und ich beende freiwillig mit dem Kapitel Zugabe, das aus Zitaten über Theater oder Theaterberufe besteht und zwar auch in der Auszugsweise. Kunsttheoretiker. Wir müssen uns von dem Gedanken trennen, dass unsere Intendanten dafür bezahlt werden und sie werden sehr gut bezahlt, dass sie etwas tun. Sie werden vielmehr dafür bezahlt und sie werden sehr gut bezahlt, dass sie gewisse Dinge nicht tun. Glaube Heinrich, Dichter und Burgtheaterdirektor, Schauspieler und Räuberbanden brauchen gute Anführer, sonst sind sie alle drei nichts wert. Derselbe, ein guter Theaterdirektor benötigt maximal drei Jahre, um sich überall Feinde zu schaffen. Anmerkung Ihres Verfassers maximal. Fürstenberg, Kadel, deutscher Bankier über den Aufsichtsrat. In guten Zeiten nutzlos, in schlechten ratlos. Ebenfalls Fürstenberg, Karl, deutscher Bankier, mit Bankiers kann man sich auch über Musik unterhalten, mit Musikern nur über Geld. Und das letzte und ermutigende Wort gehört Goethe, Und ermutigende Wort gehört Goethe, Johann Wolfgang von Dichter und was oft übersehen wird, Theaterdirektor. Denn freilich mag ich gern die Menge sehen, wenn sich der Strom nach unserer Bude drängt und mit gewaltig wiederholten Wehen sich durch die enge Gnadenpforte zwängt. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.