Stifter-Gedenktag Sehr geehrte Damen und Herren, seien Sie herzlich willkommen hier in der Literaturgalerie im Stifterhaus zum sogenannten Stifter-Gedenktag, dem Todestag unseres Hausherrn, des Dichters, Malers und Schulinspektors Adalbert Stifter Gedenktag, dem Todestag unseres Hausherrn, des Dichters, Malers und Schulinspektors Adalbert Stifter, an dem seit Jahrzehnten mit unterschiedlichen Veranstaltungen seiner gedacht wird. Wir begrüßen Sie heute Abend zu einem Vortrag und einer Lesung, die sich der Verbindung zwischen Herbert Eisenreich und Adalbert Stifter widmen und auch auf die literarische und essayistische Arbeit von Eisenreich eingehen werden. Eisenreich, am 7. Februar 1925 in Linz geboren, verstorben am 6. Juni 1986 in Wien, steht in der Literatur der Nachkriegszeit vor allem mit Lyrik und Aphorismen, kurz Prosa, Hörspielproduktion und eben zahlreichen Essays exemplarisch für eine formal konservative, dabei inhaltlich kritische Richtung. Früh spricht er Fragen von Nationalsozialismus und Holocaust an, früh auch die Frage nach einer österreichischen Literatur. In diesem Kontext ist vielleicht auch das 1967 im Residenzverlag erschienene kleine Stifterbuch Eisenreichs zu sehen, mit dem der Autor neue Aspekte in die Rezeptionsgeschichte von Stifters Werk und Wesen einführt. All das, wie auch der bevorstehende 100. Geburtstag des Autors, sind Anlass genug, Ihnen an diesem 28. Jänner Stifter zuzugesellen. Wir freuen uns sehr, dass Dr. Gerhard Zeilinger unsere Einladung angenommen hat, Herbert Eisenreich und dessen Sicht auf Stifter vorzustellen und begrüßen ihn ganz herzlich einmal mehr im Haus. Wie schön, dass du da bist. Gerhard Zeilinger beschäftigt sich als Literaturwissenschaftler vorrangig mit Literatur der Gegenwart. Ein besonderes Augenmerk kommt in seiner Arbeit jenen Autoren und Texten zu, die Fragen vor dem Horizont zeitgeschichtlicher Ereignisse, insbesondere der NS-Zeit, verhandeln. Exemplarisch möchte ich in diesem Zusammenhang Martin Pollack nennen, mit dem Gerhard Seilinger eine enge Freundschaft verbindet, dessen Tod am 17. Jänner uns sehr betroffen macht. Seilingers Interesse galt und gilt auch Stifter. Mit Julian Schutting und Magda Wolzug war er etwa im Jänner 2021 unter dem etwas provokanten, ich glaube von uns vorgeschlagenen Was geht mich Stifter an? Titel hier zu Gast, oder auch als Moderator der Reihe Aktuell, Zeitlos, Visionär, die Weltanschauung des Adalbert Stifter 2023. Adalbert Stifter bildet naturgemäß den Rahmen des Abends. Er soll gleich zu Beginn zu Wort kommen. Andreas Pühringer wird aus zwei geradezu ikonischen autobiografischen Texten Stifters lesen. Einleitend mein Leben, ein fragmentgebliebener oder als Fragment bewusst angelegter Text, in dem Stifter sich in Beziehung zur Welt, zur Welterfahrung und zur Sprachfindung setzt. Am Ende steht Stifters Erleben eines Schneefalls im Bayerischen Wald in Lackenhäuser, wo er sich häufig und gerne zur Erholung aufhielt. Das Naturschauspiel oder vielmehr Naturereignis wird zur existenziellen Erfahrung ja geradezu zum Gleichnis von Auslöschung und scheint den nahenden Tod Stifters 1868 vorwegzunehmen. Literarisch wie ontologisch lässt sich ein Bogen zum Vorgeburtlichen in Mein Leben schlagen. Wir begrüßen Andreas Pühringer, Schauspieler am Bühnen in Linz, Wien, Salzburg, Klagenfurt und so weiter, ganz, ganz herzlich im Stifterhaus, wo übrigens zuletzt im Hörtheater zu Franz Riegers die Landauer aufgetreten ist. Wir freuen uns sehr, dass du heute mit Stifter bei uns bist. Herzlich willkommen. Der heutige Abend macht zentrale Aufgaben des Adalbert-Stifter-Instituts des Landes Oberösterreich, formuliert bereits im Gründungsauftrag 1950 augenscheinlich. zeitgenössischem Schreiben, das immer wieder auch anknüpft an ein Davor, an prägende Texte, das anknüpft an Stifter 2025, gibt es dazu besonderen Anlass. Mit dem 220. Geburtstag Stifters, der am 23. Oktober zu feiern ist, feiern wir in diesem Jahr auch das 75-jährige Bestehen des ihm gewidmeten Instituts. Stifter wird im Rahmen von Vorträgen und Lesungen ein bisschen prägnanter noch als sonst durchs Jahr begleiten. Die heutige Veranstaltung macht den Anfang. Zum Internationalen Frauentag wird eine enge Freundin und Kollegin Stifters, Betty Paoli, im Zentrum stehen, zum Geburtstag dann eine Lesung stattfinden. Die Reihe Mittag bei Stifter bringt Gespräche mit Buchhändlerinnen zu ihren Lektüren und ihrer Beziehung zu Stifter. Vielleicht dürfen wir sie zum einen oder anderen Anlass oder auch zu allen, das wir am besten im Haus erwarten. Heute wünschen wir Ihnen einen schönen Abend mit unseren Gästen und mit Adalbert Stifter. Weit zurück in dem leeren Nichts ist etwas wie Wonne und Entzücken, das gewaltig fassend, fast vernichtend in meinem Wesen drang und dem Nichts mehr in meinem künftigen Leben glich. Die Merkmale, die festgehalten worden sind, es war Glanz, es war Gewühl, es war Unten. Es war Glanz, es war Gewühl, es war unten. Dies muss sehr früh gewesen sein, denn mir ist als Liege eine sehr weite Finsternis des Nichts um das Ding herum. Dann war etwas anderes, das sanft und lindernd durch mein Inneres ging. Das Merkmal ist, es waren Klänge. Dann schwamm ich in etwas Fächelndem. Ich schwamm hin und wieder. Es wurde immer weicher und weicher in mir. Dann wurde ich wie trunken. Und dann war nichts mehr. Diese drei Inseln liegen wie Feen und sagenhaft in dem Schleiermeere der Vergangenheit, wie Ur-Erinnerungen eines Volkes. Die folgenden Spitzen werden immer bestimmter. Klingen von Glocken, ein breiter Schein, eine rote Dämmerung. Ganz klar war etwas, das sich immer wiederholte. Eine Stimme, die zu mir sprach. Augen, die mich anschauten. Und Arme, die alles milderten. Ich schrie nach diesen Dingen. Dann war Jammervolles, Unleidliches. Dann Süßes, Stillendes. Ich erinnere mich an Strebungen, die nichts erreichten und das, an Töne, die in meinen Ohren und an Holzseligkeiten, die in meinem Wesen waren. Immer mehr fühlte ich die Augen, die mich anschauten, die Stimme, die zu mir sprach und die Arme, die alles milderten. Ich erinnere mich, dass ich das Mom nannte. Diese Arme fühlte ich mich einmal tragen. Es waren dunkle Flecke in mir. Die Erinnerung sagte mir später, dass es Wälder gewesen sind, die außerhalb mir waren. da gewesen sind, die außerhalb mir waren. Dann war eine Empfindung wie die erste meines Lebens. Glanz und Gewühl. Dann war nichts mehr. Nach dieser Empfindung ist wieder eine große Lücke. Zustände, die gewesen sind, mussten vergessen worden sein. Hierauf erhob sich die Außenwelt vor mir, da bisher nur Empfindungen wahrgenommen wurden. Selbst Namen, Augen, Stimme, Arme waren nur als Empfindungen in mir gewesen, sogar auch Wälder, wie ich eben gesagt habe. mir gewesen, sogar auch Wälder, wie ich eben gesagt habe. Merkwürdig ist es, dass in der allerersten Empfindung meines Lebens etwas Äußerliches war, und zwar etwas, das meist schwierig und erst spät in das Vorstellungsvermögen gelangt, etwas Räumliches, ein Unten. Dies ist ein Zeichen, wie gewaltig die Einwirkung gewesen sein muss, die jene Empfindung hervorgebracht hat Mom, was ich jetzt Mutter nannte, stand nun als Gestalt vor mir auf Und ich unterschied ihre Bewegungen Dann der Vater, der Großvater, die Großmutter, die Tante, ich hieß sie mit diesem Namen, empfand Holdes von ihnen, erinnere mich aber keines Unterschiedes ihrer Gestalten. Selbst andere Dinge musste ich schon haben nennen können, ohne dass ich mich später einer Gestalt oder eines Unterschiedes erinnern konnte. Dies beweist eine Begebenheit, die in jene Zeit gefallen sein musste. Ich fand mich einmal wieder in dem Entsetzlichen, zugrunde richtenden, von dem ich oben gesagt habe. Dann war Klingen, Verwirrung, Schmerz in meinen Händen und Blut daran. Die Mutter verbannt mich. Und dann war ein Bild, das so klar vor mir jetzt dasteht, als wäre es in reinlichen Farben auf Porzellan gemalt. Ich stand in dem Garten, der von damals zuerst in meiner Einbildungskraft ist. Die Mutter war da. zuerst in meiner Einbildungskraft ist. Die Mutter war da. Dann die andere Großmutter, deren Gestalt in jenem Augenblicke auch zum ersten Male in mein Gedächtnis kam. In mir war die Erleichterung, die alle Male auf das Weichen des Entsetzlichen und Zugrunde Richtenden folgte. Und ich sagte, Mutter, da wächst ein Kornhalm. Die Großmutter antwortete darauf. Mit einem Knaben, der die Fenster zerschlagen hat, redet man nicht. Ich verstand zwar den Zusammenhang nicht, aber das Außerordentliche, das eben von mir gewichen war, kam sogleich wieder. Die Mutter sprach wirklich kein Wort. Und ich erinnere mich, dass ein ganz Ungeheures auf meiner Seele lag. Und das mag der Grund sein, dass jener Vorgang noch jetzt in meinem Innern lebt. Ich sehe den hohen, schlanken Kornhalm so deutlich, als ob er neben meinem Schreibtische stände. Ich sehe die Gestalten der Mutter und Großmutter, wie sie in dem Garten herum arbeiteten. Die Gewächse des Gartens sehe ich nur als unbestimmten grünen Schmelz vor mir, aber der Sonnenschein, der uns umgab, ist ganz klar da. Nach dieser Begebenheit ist abermals dunkel. Dann aber zeichnet sich deutlich und bleibend die Stube ab, in der ich mich befand. Ganz vorzüglich sind es die großen dunkelbraunen Tragebalken der Diele, die vor meinen Augen sind und an denen allerlei Dinge hingen. Dann war der große grüne Ofen, der hervorspringt und um den eine Bank ist. Dann sagte die Mutter, der Zimmersepp wird uns einen Tisch machen, auf dem das Osterlehmlein ist. Der Tisch wurde fertig und bildete meine große Freude. Dessen, der früher gewesen war, erinnere ich mich nicht mehr. Der Tisch war genau viereckig, weiß und groß, und hatte in der Mitte das rötliche Osterlehmlein mit einem Feenlein, was meine außerordentlichste Bewunderung erregte. An der Dickseite des Tisches waren die Fugen der Bohlen, aus denen es gefugt war, damit sie nicht klaffend werden konnte, mit Doppelkeilen gehalten, deren Spitzen gegeneinander gingen. Jeder Doppelkeil war aus einem Stück Holz, und das Holz war rötlich, wie das Osterlamm. Mir gefielen diese roten Gestalten in der lichten Decke des Tisches gar sehr. Als dazu mal sehr oft das Wort Konskription ausgesprochen wurde, dachte ich, diese roten Gestalten seien die Konskription. Noch ein anderes Ding der Stube war mir äußerst anmutig und schwebt lieblich und fast leuchtend in meiner Erinnerung. Es war das erste Fenster an der Eingangstür. Die Fenster der Stube hatten sehr breite Fensterbretter und auf dem Brette dieses Fensters saß ich sehr oft. Ich fühlte den Sonnenschein und daher mag das Leuchtende der Erinnerung rühren. Auf diesem Fensterbretter war es auch allein, wenn ich zu lesen anhob. Ich nahm ein Buch, machte es auf, hielt es vor mich und las Burgen, Nagelein, Böhmisch, Heidel. Diese Worte las ich jedes Mal, ich weiß es. Obzuweilen noch andere dabei waren, dessen erinnere ich mich nicht mehr. Auf diesem Fensterbrett sah ich auch, was draußen vorging und ich sagte sehr oft, da geht ein Mann nach Schwarzbach, da geht ein Weib nach Schwarzbach, da geht ein Hund nach Schwarzbach, da geht eine Gans nach Schwarzbach. Auf diesem Fensterbrette legte ich auch Kienspäne ihrer Länge nach aneinander hin, verband sie wohl auch durch Querspäne und sagte, ich mache Schwarzbach. In meiner Erinnerung ist lauter Sommer, den ich durch das Fenster sah. Von einem Winter ist von damals gar nichts in meiner Einbildungskraft. Vielen Dank für diese eindrucksvolle Interpretation eines ganz besonderen, literarisch wirklich großartigen Textes. ganz besonderen, literarisch wirklich großartigen Textes. Es ist zugleich einer der eigentümlichsten und rätselhaftesten Texte in der Literatur. Der Anlass dazu, im September 1866, etwas mehr als ein Jahr vor seinem Tod, war Stifter noch einmal in Oberplan im Haus seiner Kindheit, dort wo im Jahr 1805 alles begonnen hat. Wolfgang Marz leitet seine großartige Stifterbiografie, Adalbert Stifter oder diese fürchterliche Wendung der Dinge, erschienen 1995, kann ich nur allen empfehlen. Wolfgang Marz leitet diese Biografie ganz bewusst mit diesem Text ein. Er spricht von verschwimmenden Bildern, die bis in die ersten Lebenswochen, also in die Nähe der Geburt zurückreichen, beziehungsweise sogar in einen pränatalen Zustand, als könnte das Ich eine diffuse Ahnung vom Zustand in der Fruchtblase haben. Stifter selbst schreibt von Ur-Erinnerung und einem Schleiermeer der Vergangenheit. Können das tatsächliche Erinnerungen sein, fragt der Biograf und ist zugleich überzeugt, dass das nicht bloße Fantasien und auch keine literarischen Erfindungen sind. Zu ernst, schreibt Wolfgang Matt, sei der Zustand gewesen, in dem sich Stifter befunden hätte. Jemand, der das nahende Ende vor Augen hat, der von Krankheiten und Depressionen erschöpft ist, hätte keinen Sinn mehr gehabt für literarische Posen. Vielmehr schreibt hier einer, weil er im Rückblick auf sein Leben um Klarheit bemüht ist. Und die paar Seiten, die Stifter damals geschrieben hat, die, sagt Wolfgang Matz, stünden wahrhaft einzigartig da in der Weltliteratur. Die Bedeutung und Großartigkeit dieses Textes hat auch Herbert Eisenreich erkannt. Er erwähnt ihn am Anfang seines Stifterbuches und nennt ihn einen zwar biografisch wertlosen, sprachlich aber ganz ungeheuren Text. Ja, es ist nicht eine objektive autobiografische Selbstdarstellung, sondern ein Stück wirklich grandiose Literatur mit dem Anspruch auf Wahrheit der beschriebenen Empfindungen. Natürlich eine rein subjektive Wahrheit oder sagen wir eine literarische Wahrheit. Wahrheit. So viel fürs Erste zu Stifter. Nun Herbert Eisenreich, dessen Geburtstag, wie wir gehört haben, sich demnächst am 7. Februar zum 100. Mal jährt. Und das sollte Anlass sein, gerade im Zusammenhang mit Stifter, wieder an ihn zu erinnern. Es gibt Autoren, die sind zu ihren Lebzeiten publizistisch sehr präsent, haben ihren festen Platz im Literaturbetrieb, sind geschätzt und werden geehrt, aber nach ihrem Tod geraten sie schnell aus dem Fokus der Leser. Herbert Eisenreich kennt man natürlich heute noch. Man kennt eigentlich nur seinen Namen und danach befragt, was er geschrieben hat, wird den meisten von uns kein Buchtitel einfallen. Die Frage, ob er denn kein nennenswertes Werk hinterlassen hätte, müsste sich in der Folge stellen und sollte zum Widerspruch anregen. Es ist in der Tat so, dass Herbert Eisenreich heute, wenn nicht zu den Vergessenen, so doch jenen Autoren zählt, die man nicht mehr liest. Und es wird den meisten von uns tatsächlich kein Buch einfallen, vielleicht dieses kleine Stifterbuch noch, das man sofort mit ihm in Verbindung bringt. Das ist den Gesetzen des Literaturbetriebs entsprechend natürlich schlecht, ohne eine signifikante Überschrift keine Wirkung. Warum das Beherber der Eisenreich so ist? Um noch einmal auf die Gesetzmäßigkeit des Literaturbetriebs zu verweisen, Eisenreich war einer der Autoren der zweiten Reihe. Das ist jetzt keine literaturwissenschaftliche Einordnung, ein solches Kriterium wäre fragwürdig genug, aber Bedeutung wird oft genug nun einmal so gemessen. Aber Bedeutung wird oft genug nun einmal so gemessen. Und nicht zuletzt hat das auch mit dem Umfang und der Morphologie eines Werks zu tun. Herbert Eisenreich war nie der große Epiker gewesen. Er hat zwar zwei Romane geschrieben, aber die waren wahrlich keine Erfolgsliteratur. Und man muss ihnen auch heute kein allzu großes Augenmerk schenken. Und man muss ihnen auch heute kein allzu großes Augenmerk schenken. Vielmehr lagen Eisenreichs Qualitäten im Essay, in der Kurzgeschichte, im Aphorismus. Essays, so vorzüglich und bedeutend sie sein mögen, sind leider immer nur ein Genre am Rand und haben gar oft nur Tagesaktualität, wenn sie in Zeitungen, Zeitschriften oder im Rundfunk veröffentlicht werden. Kurzgeschichten waren in den 1950er und 1960er Jahren überaus gefragt und haben Eisenreich eine breite Leserschaft gesichert, damals. Auch dieses Genre hat seine Relevanz schnell eingebüßt. Und mit Aphorismen kann man heute schon gar keine Leserinnen und Leser mehr ansprechen. Das bleibt also. Ein Umstand in der Rezeption ist auch, dass wir es mit einem sehr schmalen Werk zu tun haben. Es gibt von Herbert Eisenreich lediglich 16 Buchveröffentlichungen, die zwischen 1952 und 1985 erschienen sind, nicht mitgerechnet zwei Titel, die unter Herausgeberschaft fallen. Diese 16 Bücher sind überdies keine umfangreichen Werke und wenn man fragt, muss man sie kennen, lässt sich sicher trefflich streiten. Mein ganz subjektives Urteil vorweg, mit den Essays sollte man sich auseinandersetzen. Und es gibt ein Buch, und das wird uns heute Abend ja beschäftigen, das sogenannte kleine Stifterbuch, das es gewiss nicht verdient, dem vergessen anheimzufallen. Ich halte dieses Buch für eine ganz essentielle Stifterlektüre, eine geradezu geniale, ideale Einführung zu Adalbert Stifter und seinem Werk. Doch zunächst einiges zur Person und Werk Herbert Eisenreich. Er wurde 1925 in Linz geboren und als Linzer kann man ihn ohne weiteres bezeichnen, auch wenn er zunächst gar nicht hier aufgewachsen ist. Die Familie, der Vater war Bankangestellter, war ursprünglich im Umland von Linz zu Hause bei Ottensheim und übersiedelte dann 1929 nach Enns. Zwei Jahre später ein erster großer Einschnitt, Eisenreichs Vater starb 1931. Die Erziehung lag nun in den Händen der Mutter, sie stammte aus Südtirol, und einer Tante, einer Lehrerin. stammte aus Südtirol und einer Tante einer Lehrerin. Das hatte zur Folge, dass Eisenreich zunächst in Enz und schließlich in Bregarten die Volksschule besuchte, dann Gymnasium in Wien, weil er einen Freiplatz für begabte Schüler in der Bundeserziehungsanstalt in Wien-Breitensee erhielt. Diese Schule wurde 1938 allerdings in eine napolar, nationalpolitische Erziehungsanstalt umgewandelt, was zur Folge hatte, dass die Mutter, die katholisch und antinationalsozialistisch gesinnt war, den 13-jährigen Sohn von der Schule nahm. Eisenreich kehrte nach Linz zurück und wechselte in die damalige Oberschule für Jungen in der Käfenhüllerstraße und genoss eine humanistische Bildung. Hier zeigt sich etwas grundlegend Prägendes für sein ganzes späteres Leben. Zum einen die Ablehnung des Nationalsozialismus in der Familie, zum anderen ist es sein Deutschlehrer, der Lyriker Ernst Dirgal, der zu Eisenreichs Mentor wurde und ihn zum Schreiben anregte. Kurz vor der Matura im Mai 1943 wurde Eisenreich allerdings zum Reichsarbeitsdienst und danach zur Wehrmacht eingezogen. Er kämpfte in Frankreich. Im Jänner 1945 wurde er schwer verwundet und erst nach dem Krieg konnte er seinen Bildungsweg fortsetzen, zumindest das Gymnasium abschließen, hier in Linz. Er maturierte 1946 mit Auszeichnung. In einer Schülerzeitung, und das ist auch noch wesentlich, In einer Schülerzeitung, und das ist auch noch wesentlich, veröffentlichte er seine ersten Texte, Gedichte, Aufsätze, Rezensionen. Anschließend studierte er in Wien einige Semester Germanistik, Theaterwissenschaft und klassische Philologie, entschied sich aber dann, das Studium nicht fortzusetzen, sondern sich sein Leben mit Schreiben zu verdienen. In Wien, das ist wesentlich, fand er in Hans Weigl einen wichtigen Förderer, ebenso in Milodor, der ihn 1952 zur Tagung der Gruppe 47 in Miendorf mitnahm. Und im selben Jahr übersiedelte er nach Hamburg, zwei Jahre später nach Stuttgart, wo er als freier Schriftsteller und vor allem Mitarbeiter bei mehreren Rundfunkanstalten lebte. 1946, 1956 kehrte Eisenreich nach Österreich zurück. Er hatte bis dahin zwei Bücher veröffentlicht, eine Erzählung und einen Roman. Aber viel entscheidender, und einen Roman. Aber viel entscheidender, 1955 war sein Hörspiel, wovon wir leben und woran wir sterben, von Radio Bremen ausgestrahlt worden. Das verschaffte ihm einige Bekanntheit auch international. Das Hörspiel wurde in zwölf Sprachen übertragen und dafür wurde er 1957 mit dem Prix Italia ausgezeichnet. Man muss erwähnen, das Hörspiel war in der Nachkriegsliteratur eine der gefragtesten und wichtigsten Literaturformen, denken wir an Ingeborg Bachmann, an Ilse Eichinger oder Günter Eich. In erster Linie aber war Eisenreich weiterhin publizistisch tätig. Journalismus war sein Brotberuf, er schrieb für Zeitungen, Zeitschriften und dann für den ORF. Auch als Kurzgeschichtenerzähler machte er auf sich aufmerksam. 1971 erhielt er den Georg Mackensen-Preis für die beste deutsche Kurzgeschichte. deutsche Kurzgeschichte. Obwohl er sich 1958 im Mühlviertel in Sandl bei Freistaat ansässig machte, hatte er engen Kontakt zu Künstlerfreunden wie Helmut Gwaltinger, Rudolf Hausner oder Paul Flora und natürlich zu wichtigen Vertretern der österreichischen Nachkriegsliteratur, Franz Theodor Jokor, Hermann Friedl, Friedrich Thorberg und vor allem Heimito von Toderer, der ihm Freund und Vorbild wurde. 1967 übersiedelte er wieder nach Wien, nach Floridsdorf, 1972 ging er nach Israel, 1974 übersiedelte er nach Tamsweg, zuletzt lebte er wieder in Wien. Es sieht also nach einem sehr unsteten Leben aus. Damit stimmt fast auch überrein, Eisenreich war dreimal verheiratet. Im Alter von 60 Jahren dann die Diagnose Gehirntumor, an dem er ein Jahr später, 1986, starb. Die Gemeinde Wien würdigte ihn mit einem Ehrengrab. Zu seinem Werk und zur literaturgeschichtlichen Einschätzung. Sein erzählerisches Werk bildet die Kriegs-, die Gesellschaft der Kriegs- und Nachkriegsliteratur ab. Später problematisierte er gerne Mann-Frau-Beziehungen aus einer ziemlich pessimistischen Perspektive. Also ein Menschenfreund wie es Adalbert Stifter war, das war er wohl nicht. In seinen Kurz- und Kürzestgeschichten ist es oft geradezu eine Abrechnung mit der Gesellschaft. Als provokant wurden manche seiner Essays empfunden, er hatte einen Hang zur Überspitzung und Übertreibung, auch hier fällt ein manchmal stark pessimistischer Ton auf und eine konservative, mitunter reaktionäre Haltung, mit der er in vielen Artikeln auch nicht zurückhielt. Ich erinnere mich sehr gut an eine Glosse von ihm, wo er Zivildiener als Drückeberger bezeichnet hat. Und das hat auf mich natürlich keinen guten Eindruck gemacht. Und ich muss auch sagen, als ich in Wien 1982 zu studieren begonnen habe, ist er in Vorlesungen und Seminaren überhaupt nicht vorgekommen. Obwohl gerade mein Lehrer Schmidt-Dengler sich vor allem in den 1970er Jahren doch einigermaßen intensiv mit ihm auseinandergesetzt hat. Das hat freilich auch damit zu tun mit der Vorliebe Schmidt--Englers für klassische Philologie und natürlich für Heimito von Toder, also da gab es Kreuzungspunkte. Man findet Eisenreich natürlich in den einschlägigen Literaturlexika, es gibt ein paar tiefergehende Arbeiten zu seinem Werk, die sind aber alle nicht jüngeren Datums, woraus wir schließen können, dass Eisenreich schon länger kein Fall für die Germanistik ist. Der Eintrag im KLG, dem kritischen Lexikon der Gegenwartsliteratur, datiert von April 1984 und da zitiere ich nur ein paar Zeilen, damit Sie sehen, wie er bereits zu Lebzeiten literaturgeschichtlich eingeschätzt und eingeordnet wurde. Webzeiten literaturgeschichtlich eingeschätzt und eingeordnet wurde. Er sei kein marktgängiger Autor, heißt es da, nur wenige Vertreter der bundesdeutschen Literaturwissenschaft und Kritik seien mit seinem Werk vertraut, aber er sei auch in Deutschland kein Unbekannter. Und jetzt wörtlich, sein Name steht indes für durchaus Widersprüchliches. Die einen kennen in ihm den konservativen Epiker und nachgerade nationalistischen Sachwalter österreichischer Literaturtradition. Die anderen loben ihn als maßgeblichen Erzähler und berufenen Kritiker zeitgenössischer bürgerlicher Wohlstandsmentalität, bürgerlicher Wohlstandsmentalität. Heben seine Anhänger die dichte Sinnlichkeit, die artistische Virtuosität und kluge Präzision seines Erzählens hervor, so kritisieren seine Gegner manifeste Kompositionsschwächen, laxe Sprachgestaltung, ja, manieriertes Kunstgewerbler tun. Keine Frage, dass im Für und Wider um diesen Autor sein Werk selber in manch unzureichende Beleuchtung gerückt worden ist. Soweit Herbert Zimmermann im KLG-Beitrag. Diese Einschätzung mag man sich gerne anschließen. Beide Positionen, finde ich, haben etwas für sich. Ich sehe mich weder veranlasst, Herbert Eisenreich zu belobigen, noch ihn und sein Werk für vernachlässigbar zu erklären. Seine beiden Romane, wie gesagt, sind keine Erfolge geworden. Der Erstling 1953, auch in ihrer Sünde, zeigt uns Menschen, die ihre Orientierung verloren haben, die einander betrügen, Leid zu fügen, in einer Welt, die aus den Fugen geraten ist. Die Handlung ist kompliziert, es ist auch formal kein einfaches Buch, weil Eisenreich hier verschiedene Stilweisen ausprobiert. Mit dem zweiten Roman, die abgelegte Zeit, hat er sich jahrelang herumgeschlagen und ihn dann nicht fertigstellen können. Es ist ein Roman über die österreichische Zwischen- und Nachkriegszeit, spielt so ungefähr zwischen 1930 und 1953, vor allem in der Umgebung von Wien, aber auch in Oberösterreich. vor allem in der Umgebung von Wien, aber auch in Oberösterreich, mit einem großen Personal. Also da werden Zeitabschnitte und Lebensschicksale entworfen. Dieser Roman hätte sein Opus Magnum werden sollen. Er hat dazu auch eine eigene Romantheorie entwickelt, sehr eng an die Romankonzeption von Toderer angelehnt. Aber auch Musil stand ihm hier als Vorbild. Geworden ist aus dem großen Vorhaben wenig. Eisenreich hat den unfertigen Roman dann 1985 mit der Bezeichnung Fragment erscheinen lassen. Nicht vergessen dürfen wir den Sachbuchautor Eisenreich und der war nun wirklich erfolgreich. 1960 ein Buch über Kanuntum, 1963 eines über Modelleisenbahn, das war eine große Leidenschaft von ihm und 1966 ein Buch mit dem Titel Ich im Auto, wo er über seine Erfahrungen als Autofahrer berichtet. Passt das zusammen mit den doch hohen literarischen Ansprüchen, könnte man fragen. Aber Eisenreich war einer, der vielleicht weniger fürs Schreiben als vom Schreiben gelebt hat. Er war ebenso vielbeschäftigter Kritiker und Kultursjournalist wie etwa Hans Weigl oder Friedrich Thorberg. Und auch bei diesen beiden kann man sagen, die literarische Arbeit und wohl auch die Qualität litt unter dem Tagesgeschäft. Und ebenso wie die genannten, war auch Eisenreich eine publizistische Instanz und wurde auch als Verfasser schöngeistiger Literatur geehrt, etwa mit dem Anton-Wildgangs-Preis 1970 oder zuletzt 1985 mit dem Franz-Kafka-Preis. Was bleibt nach seinem Tod? Im Jahr 2000, zu seinem 75. Geburtstag, widmete ihm die Oberösterreichische Landesbibliothek eine Ausstellung unter dem Titel Herbert Eisenreich, Leben und Werk. Der Pen Club, dessen Mitglied er ja war, begann 2014 aus Anlass seines 90. Geburtstags mit der Neuausgabe eines Teils seines Werkes. Es sind insgesamt fünf Bände erschienen, sein erster Roman, sein erzählerisches und lyrisches Werk und ein Band Korrespondenz mit Friedrich Thorberg. Diese Bücher gibt es im regulären Buchhandel nach wie vor. Was es nicht gibt, ist das essayistische Werk und das kleine Stifterbuch und gerade das wäre es wert, wenn es wieder zugänglich gemacht werden könnte, weil ich dieses Büchlein für eine wirklich ausgezeichnete, überschaubare, sehr informative und anregende Einle das kleine Stifterbuch, wie man sieht, ein sehr sprechender Titel, circa 120 Seiten, erschien 1967 im Residenzverlag, ein Dreivierteljahr vor Adalbert Stifters 100. Todestag und löste einigen Wirbel aus. Man kann sagen, es war für manche Stifterfreunde und Stifterforscher sogar ein Skandalbuch. Warum? Eisenreich richtete die Perspektive weg vom Sanften und Edlen hin zur tigerartigen Anlage des Menschen, vor allem des Menschen Adalbert Stifter. Und diese Wendung ins Persönliche musste alle, die Stifter als einen Dichter der absoluten Harmonie verinnerlicht hatten, geradezu vor den Kopf stoßen. In seinem Eisenreich-Porträt schreibt Helmut Salfinger noch Ende der 1980er Jahre, Zitat, diese einseitige Betonung des Leidenschaftlichen in Stifter und etliche sehr krasse Formulierungen brachten besonders die oberösterreichischen Stifterkenner auf die Barrikaden, sodass es fast zu einem kleinen Literaturkrieg kam. Wenn Sie mich fragen, was diese krassen Formulierungen sind, ich weiß es nicht. Formulierungen sind, ich weiß es nicht. Dass er die allzu menschlichen Schwächenstifters bezeichnet, benannt hat, das wäre heute wohl keiner Erwähnung wert. Aber damals war es so und allein der Blick auf die Rezensionen, besonders in oberösterreichischen Medien, ist ein eindrückliches Zeugnis. Von zu wenig Weihrauch und heftigen Kontroversen ist hier die Rede. Stifter in Spiegelverzerrung schrieben die oberösterreichischen Nachrichten. Der andere Adalbert Stifter konnte man geradezu noch neutral in der kleinen Zeitung lesen. Das Volksblatt in Wien titelte die große Korrektur. Als Skandalbuch, wie es die Stiftergemeinde in Linz und Wien sah, wurde es aber nicht wirklich rezipiert, aber man war sich des Sprengstoffs, denn dieses Porträt enthielt bewusst. Zitat, die Stifterforscher und solche, die es gern sein wollen, sind aufs Höchste aufgebracht. So beginnt die Besprechung in der Wochenpresse am 9. August 1967 und weiter. Vor allem die Oberösterreicher unter den Stifterexperten gebärdeten sich, kaum war das kleine Stifterbuch erschienen, als wäre ein Nationalheiliger auf das Schmählichste geschändet worden. Der Aufruhr in Linz muss tatsächlich groß gewesen sein. Während hier ein ganzes Geschütz an Vorwürfen aufgefahren wurde, von mangelnder Werkkenntnis bis hin zu fehlender wissenschaftlicher Methodik, setzten sich fast alle Kritiker sehr genau mit Eisenreichs Ausführungen auseinander und begrüßten sie auch. Ein Tiger aus dem Biedermeier heißt eine Besprechung im Wiener Wochenblatt und das besagt schon, worauf das kleine Stifterbuch ja auch hinaus will. Vor allem in Deutschland wurde es sehr aufmerksam und interessiert besprochen, denn dort war Stifter bereits einigermaßen in Vergessenheit geraten. Nun war Eisenreich freilich nicht der Erste, der bereits eine andere, neue Sichtweise auf Stifter entwickelt hatte. Zwölf Jahre vorher, am 10. Juli 1955, konnte man im nordwestdeutschen Rundfunk in Hamburg, einen Radioessay, heute würde man Feature dazu sagen, über Adalbert Stifter hören. Die Autorin war Ilse Eichinger. Sie war nicht nur eine sehr genaue und kritische Stifterleserin, sie war auch eine, die dem gängigen Stifterbild misstraute, mehr noch es revidierte. Eichinger stieß sich am Tabu von Stifters gewaltsamen Tod und dass der Akt mit dem Rasiermesser, für Eichinger war es wirklich Selbstmord, jahrzehntelang breiten Kreisen verschwiegen wurde. Dieses Verschweigen bedeutet zum einen, so schreibt sie, große Missachtung des Lesers, dem dadurch Urteilskraft abgesprochen wird. Zum anderen habe mit diesem Verschweigen, so Eichinger wörtlich, wohl auch die Banalisierung des stifterischen Bildes begonnen und bis heute kein Ende genommen. Man hat sein Gesicht künstlich verschönt, verklärt und so das Gegenteil dessen erreicht, was man erreichen wollte. Er ist uns entfremdet worden. In der Schule wird schon früh Stifter gelesen, aber meist mit einer Interpretation, die es dem erwachsenen Menschen unmöglich macht, ihn noch einmal zur Hand zu nehmen. Zitat Ende. Zitat Ende. Da ist viel Wahres dran. Die Stifter-Apologeten haben auch noch Mitte des 20. Jahrhunderts dieses verfälschte und verkitschte Bild bestimmt und es geradezu vehement verteidigt. Ilse Eichinger nennt keinen Namen, beruft sich lediglich auf den Verfasser einer Einleitung, der in dieser Einleitung das Verschweigen des Selbstmordversuches als richtig verteidigt, denn man müsse vielmehr, Zitat, das tapfere Heldentum Stifters verstehen. Als das Eichingers Kritik heraussticht, und hier unterscheidet sie sich auch von anderen, die die überkommene Sicht auf Stifter dann nicht mehr geteilt haben, dass sie von einer Entfremdung spricht, dass dieser Versuch, den Lesern Stifter nahezubringen, das genaue Gegenteil bewirkt. Dass Herbert Eisenreich Ilse Eichingers Radio-Essay über Adalbert Stifter gehört hat, ist anzunehmen. Schließlich hat er damals in Hamburg gelebt und unter anderem auch für den NWDR gearbeitet. Ein Hinweis findet sich bei ihm allerdings nicht und in den genannten Quellen für sein kleines Stifterbuch kommt Eichinger nicht vor. Das mag aber auch daran liegen, dass der Stifter-Essay von Eichinger ja nicht in gedruckter Form erschien und schon gar nicht haben Hörer außerhalb von Deutschland von ihm Kenntnis erhalten. Die für Eisenreich relevante stifterkritische Quelle war vielmehr Hans Weigls Essay Adalbert Stifter oder die Süßigkeit der Ordnung, erschienen 1960 in Weigls Sammelband Flucht vor der Größe. Nun waren Weigl wie Eichinger keine Literaturwissenschaftler, schon gar keine institutionalisierten Germanisten. Ihre Einlassungen und ihre Kritik am bestehenden verzerrten Stifterbild mussten noch keinen Bruch in der Stifterrezeption bedeuten, weil sie von der Stifterforschung gar nicht zur Kenntnis genommen, also vielmehr ignoriert wurden. Wie sehr man noch von einem kritischen Blick entfernt war, zeigt allein die Tatsache, dass man es noch 1967 Eisenreich übel nahm, dass er den Suizidversuch auch nur erwähnte. Allein schon das kam nicht gut an. Was hat Eisenreich mit seinem kleinen Stifterbild nun wirklich verbrochen? Oder wie im Nachrichtenmagazin der Spiegel damals gefragt wurde, was hat der Dichter Herbert Eisenreich mit dem Dichter Adalbert Stifter angestellt? Wobei mit dieser Frage wörtlich nur jener Aufschrei zitiert wurde, der in den oberösterreichischen Nachrichten zu lesen war. Dieser Aufschrei ist aus heutiger Sicht so unzutreffend wie lächerlich. Aus heutiger Sicht so unzutreffend wie lächerlich. Für Eisenreich ist Stifter nämlich unbestritten der bedeutende Dichter, als den in die österreichische Literaturgeschichte bis dahin präsentiert. Nur, dass hinter dem Dichter auch ein Mensch steht oder, wie es Eisenreich bekundet, Zitat, ein Häuflen Elend, zerfallen mit sich und der Welt, ein bis ins Tiefste gestörter, verstörter, zerstörter Mann. Eine so düster problematische Gestalt, so Eisenreich, könne kein Dichter gewissermaßen für höhere Töchter gewesen sein. Wer Stifter nur von der ästhetischen Seite wahrnimmt, sich nur auf die Schönheit seiner Sprache und den Anspruch auf Idealität beziehen möchte, klammert die im Widerspruch dazustehende Person aus. Genau da setzt Eisenreich an. Er verweist auf den menschlichen Schwächen Stifters, was aber nichts an seiner Bewunderung für den Dichter und sein Werk ändert. Die Frage müsste da natürlich auch lauten, warum wird erwartet, dass ein Dichter genauso sein müsse wie seine Idealfiguren. Diesen Idealzustand, die Einheit von Leben und Werk, den haben wirklich nur ganz wenige, Goethe oder Thomas Mann etwa, verkörpert, sicher aber nicht Stifter, genauso wenig Grillparzer. Für Eisenreich mag gerade diese Nicht-Übereinstimmung so interessant gewesen sein und er hat versucht, die literarische Größe Stifters aus dessen menschlicher Schwäche heraus zu erklären. Stifter, so konnte man 1967 im Spiegel lesen, wollte die fehlende Harmonie seines Lebens im Werk darstellen. Seine Sprache ist ein Sieg der Ordnung über das Chaos im Inneren. Dieses innere Chaos müsste in der Stifterforschung damals eigentlich bekannt gewesen sein und ebenso evident wie die Widersprüche zwischen Werk, zwischen Person und Werk. Nur durfte das offenbar nicht ausgesprochen werden. so Eisenreich als landschaftsmalender Moralist verkannt gewesen. Er habe nichts Kleineres gewollt, als, Zitat, die Welt in der Waage zu halten, was ihm eben den peinlichen Ruf des Idyllikers eingetragen habe. Vielmehr sei er kein Dichter des unbedingt Sanften und Edlen, der reinen Natur und des reinen Menschentums gewesen. Der wahre Stifter, so Eisenreich, sei ein Kämpfer gegen das Tigerartige gewesen. Erst die schrecklichen Fotos der letzten Lebenszeit bilden den ein Leben lang so biedermeierlich wirkenden Menschen richtig ab. Um diesen Stifter geht es Eisenreich. Keine Studie mit wissenschaftlicher Akribie wollte er verfassen, sondern ein wahrhaftes Porträt versuchen, bekundet er in der Einleitung. Das Porträt eines Menschen, der von seinem Werk überragt wurde. Und hier sehe ich auch die Leistung dieses Buches, das Eisenreich, heute würde man sagen, dass das ohnehin selbstverständlich wäre, das Eisenreich von Anfang an Leben und Werk verschränkt und aus dieser Verschränkung die Widersprüche herauszuarbeiten versucht. Er teilt sein Buch in vier Hauptkapitel, der Mensch, der Künstler, die Politik, die Sprache. der Mensch, der Künstler, die Politik, die Sprache. Trotz der Abgrenzung in Themenfeldern geht Eisenreich chronologisch vor und deswegen liest sich dieses Buch auch so gut. Das Bestifter Leben und Werk, keine Einheit bilden, habe ich erwähnt. Umso stärker erscheinen die existenziellen Bezüge zwischen Leben und Werk und umso mehr scheint das Werk als Ausgleich oder Ersatz verpflichtet. Der Gedanke, dass Stifter das Schreiben zur Ersatzhandlung für das Unerfüllbare im Leben wurde, liegt nahe. Eisenreich spricht von der Methode Stifters, Zitat, die Sprache zum Surrogat der Welt, den Stil zum Ersatz des Lebens zu machen. Er begründet diesen Befund mit Stifters unerfülltem Verhältnis zu Fanny Greipel und er merkt, fast provokant an, dass Stifters Frau Amalia diesen Ersatz dann büßen durfte, aber wohl auch vice versa, denn so eisenreich die eine Frau habe er nicht bekommen, die andere habe ihn genommen. Hier sind wir dann auch schon an der Schnittstelle von Moral und Eros. Stifter, der in seinen Werken so sehr das Ehe- und Familienglück, den Kindersegen gepriesen hat, und Familienglück den Kindersegen gepriesen hat, habe, Zitat, die gottgewollte Voraussetzung dafür die Geschlechtlichkeit pedantisch totgeschwiegen. Hier kann man Eisenreich auf nicht einen gewissen Witz absprechen, wenn er schreibt, Stifter wollte sein Leben lang an den Storch glauben und auch ansonsten war und blieb er ein Kind. Damit sollte nicht Infantilität unterstellt werden, sondern Eisenreich meint damit, dass Stifter sich ein Leben lang bestimmte Freiheiten herausgenommen hat, dass er schon als Schüler und Student, Zitat, weniger dem Lehrplan als seinen momentanen Neigungen gefolgt sei. Amalia, die Ehefrau, hätte dann ein geradezu notwendiges Korrektiv gebildet. Stifter hätte der Konsolidierung bedurft. Und auch hier ist ein bissiger Witz herauszulesen, wenn es über Amalia heißt, sie ordnete die Bücher auf dem Regal nach der Größe. Sie ordnete die Bücher auf dem Regal nach der Größe. Um erfolgreich arbeiten zu können, brauchte Stifter die bürgerliche Attrappe. Und wohl deswegen bleibt die Diskrepanz zwischen dem Schriftsteller und der Vorstellung von ihm auch bestehen. Auch das vermag Eisenreich mit einem gewissen Humor, der aber die Tatsachen trifft, wiederzugeben. Nach außen hin scheint die Welt in Ordnung. Die Möbel des Schlafzimmers, schreibt Eisenreich, wir befinden uns zeitlich noch in Wien, die Möbel des Schlafzimmers waren aus Nussholz und die des Wohn- und Empfangszimmers gar aus Mahagoni. Und Stifter kann tun, was er privat am liebsten tut, gut essen und trinken. Er ist dicklich, behäbig, man möchte am liebsten sagen biedermeierlich und jedenfalls alles andere als ätherisch wie seine Helden. Aber wann sieht schon ein Dichter so aus, wie seine Leser sich ihn vorstellen? Hauptsache er arbeitet. Was nun die Einschätzung im Kapitel die Politik betrifft, bringt es Eisenreich ebenso deutlich auf den Punkt. Stifter sei ein großer Visionär und ein schwacher Analytiker gewesen. Hat sich das auch auf sein Werk ausgewirkt? Eisenreich nimmt den Nachsommer als Gradmesser. Zitat, dieser Roman bedeutet mit einem Wort die denkbar radikalste Abkehr vom Poetischen überhaupt. Er ist so geschrieben, dass jeder Deutschprofessor ganze Fässer von roter Tinte darüber ausgießen und darunter schreiben möchte, Rechtschreibung sehr gut, Stil ungenügend. Eisenreich führt hier einige Beispiele an, die er schon in einem Essay acht Jahre vorher, damals freilich viel entschiedener, gegen Stifter ins Feld geführt hat. Insgesamt sieht Eisenreich den Nachsommer als eine Kritik Stifters an sich selbst und eine Absage an das eigene Artistentum, denn der spätere Stifter fühle sich der Natürlichkeit statt der Künstlichkeit verpflichtet. Das ist gewiss eine kühne Interpretation, über die wir streiten können, keine Frage. Erst so richtig schärft Eisenreich den kritischen Blick auf Stifter dann im letzten Kapitel die Sprache. Unumwunden bekennt er, dass er die Inhalte Bestifter und den moralischen Gehalt gering schätze. Die Inhalte, sagt Eisenreich, folgen dem billigsten Schema und die Moral, die er nachbetet, könne sich kaum über die Tractätchen erheben. Das ist natürlich ein heftiger Schlag ins Gesicht aller Stifter, Adoranten und mehr als ein Riss auch im bisher gepflegten Stifterbild. Zugleich aber stößt Eisenherrreich eine Tür auf zu einem neuen und man möchte heute zustimmend sagen zum einzig wahren Stifterverständnis. Denn das, was Stifter ausmacht, was ihn so bedeutsam macht, ist, Zitat, die Sprache als große Ordnungsmacht des Denkens und Gestaltens. Und hier zitiert Eisenherrreich wörtlich Hans Weigl, der schon vor ihm auf diesen Missstand in der Stifterliteratur aufmerksam machte. Für diese so wesentliche Funktion der Sprache hätten die Stifterforscher wenig Interesse bekundet, stattdessen hätten sie immer nur die Natur im Auge gehabt. Um diese ginge es gar nicht, sondern um das Ordnung schaffen durch Sprache. Eisenreich setzt hier nach und unterstellt den Stifterbiografen peinlichste Idealisierung. Ja, er entslarvt deren Schönfärberei. Und hier muss man auch sagen, die Kritik richtet sich vor allem an den Stifterforscher Otto Jungmeier. Aber es ist vielmehr eindeutiger, nicht den Menschenstifter entzaubert Eisenreich so sehr, vielmehr all die Biografen, auch die der jüngeren Zeit, die Stifters Bild verfälscht und verkitscht hätten. Und genau das, was Ilse Eichinger schon 1955 angeprangert hat. Genau das, was Ilse Eichinger schon 1955 angeprangert hat. Darauf konzentriert sich Eisenreichs Stifterbild bzw. dessen Korrektur, indem er einen Menschen zeigt, der mit seiner zerrissenen Persönlichkeit und dem Chaos in der Welt nur zurande kommt, indem er alles unternimmt mit Sprache, eine Ordnung in das Regellose und Bedrohliche zu bringen. Um Moralisierung gehe es dann nicht, auch nicht um Idealisierung. Es geht einfach um Beherrschung des Chaos durch Sprache, durch Kunst. Das, was nur wenige Jahrzehnte später Sigmund Freud dann als die Sublimierung des Triebs bezeichnet hat. Bei Stifter findet das in einem künstlichen Maßhalten und Maßfinden statt. Es gelingt ihm in der Literatur, es gelingt ihm nicht im Leben. Um Stifters Literatur zu verstehen, darf man die persönlichen Unzulänglichkeiten weder wegblenden noch idealisierend verfälschen. Und Sprache ist jenes Phänomen, das diesem Ordnungsbedürfnis einzig und allein Rechnung tragen kann. Man müsste Stifter's ganze Literatur dann als grandios vorgetragenen Versuch gegen das menschliche Elend, gegen die Not des Seins betrachten. Das, was die Existenzialisten dann im 20. Jahrhundert sichtbar und zum Thema machten, hat Stifter mit großer Intention wegzuschreiben versucht. Aber mit diesem Wegschreiben, denke ich, hat er sehr deutliche Spuren hinterlassen. Und die sind für uns so interessant. Stifter, so Eisenreich, habe nicht, Zitat, um der sittlichen Hebung des Menschengeschlechtes willen, sondern allein der eigenen Rettung wegen geschrieben. Einzig darin fand er Rettung und Trost. Eisenreich konfrontiert den späten, erwachsenen Stifter mit dem verbummelten Studenten, dem Wiener Bohemian, erst jenseits der 30, habe Stifter den vollen Lebensernst zur Kenntnis genommen, mit der Folge, dass er in die Kunst flüchtete, aber auch in die Genusssucht und in die Krankheit. Der Lebensernst bedeutete noch mehr Selbstmitleid und Egoismus. noch mehr Selbstmitleid und Egoismus. Natürlich wurde das egoistische Rettungsbedürfnis, das er sich durch das Schreiben zu erfüllen suchte, umso dringlicher, als ihm die Krankheit immer mehr zu schaffen machte. Die Sprache wurde zum immer größeren letzten Halt im zu Ende gehenden Leben. Für die Stifterrezeption sehe ich Eisenreichs Porträt als unerhörten Anstoß in eine neue Richtung. Stifter als nicht einordnbarer Einzelgänger hätte seine Umgebung ja Generationen von Leserinnen und Lesern irritiert, man hätte ihn danach als harmonisch gepriesen oder als philisterhaft verdammt. Während er, Zitat, ein von den Dämonen zerquälter, ganz ungewöhnlich leidenschaftlicher Mensch gewesen sei. Sein Problem, Zitat, die Leidenschaften zu unterdrücken, das war ihm unmöglich, aber da er nicht an ihnen zugrunde gehen wollte, musste er sie in einen Bereich überführen, in dem sie Gutes wirken konnten und das war bei ihm die Kunst. Mit der Kunst konnte er das Tigerartige bekämpfen, genau das, was später Sigmund Freud mit Triebsublimierung meinte. Dazu muss ich sagen, den Verweis auf Freude stammt von mir und nicht von Herbert Eisenreich und ich bin mir auch nicht sicher, ob ihm das überhaupt recht gewesen wäre. Eisenreich hätte dieses Urteil über Stifter aber gar nicht schöner und großartiger formulieren können. In Linz indes wurde er dafür gescholten und verdammt. Im Linzer Volksblatt wurde ihm eine geradezu Boulevardblatt-gemäße Darstellung vorgeworfen, die nur die Sensationsliebe bestimmter Leserschichten bediene. Mit Wissenschaft hätten seine Ausführungen nichts zu tun. Eisenreich vergreife sich im Ton und verkünde allzu zeitgebunden blutrünstige Beispiele. Die Kritik im Volksblatt bemängelte, dass er Stifter nicht vom Werk, sondern von der Person her interpretiere. Auch Josef Lassl, der Kulturredakteur der oberösterreichischen Nachrichten, erhob den Vorwurf, diesen Vorwurf nämlich eine Fehlverlagerung von Werk auf Person. Darüber hinaus, dass der Autor des kleinen Stifterbuches die, Zitat, Überfülle an Sekundärliteratur nicht kannte und nicht kennenlernen wollte. Schon vorher hatte Josef Lassl viel deutlicher vom Leder gezogen. Zitat Abwägen unsicherer Behauptungen, letztmögliche Tatsachenanreicherung, Ausschalten widerlegter Irrtümer und Zurückweisung halber Ergebnisse. Die Liste der offenbar unverzeihlichen Verfehlungen, die man Eisenreichs Stifterporträt anlastete, war lang. Und doch erscheint uns alles wie ein Sturm im Wasserglas. Denn Eisenreich stellt Stifter nicht bloß, er macht nur etwas öffentlich, was die Hüter des Stifterbildes lieber ungesagt gelassen hätten. Das beginnt schon damit, dass Eisenreich nur erwähnt, dass Stifter vorehelich gezeugt wurde. Auch die Erwähnung schlampiger Liebesverhältnisse hätte aus der Sicht der Stifterwahrer dem Bild des Dichters Kratzer zugefügt? Oder war es doch mehr als nur allzu Menschliches, was Eisenreich über Stifter vorbrachte? Dass dieser als Kind verlogen und faul gewesen sei? Dass er, welch grausames Kind, Meisen gefangen habe? Dass er sich als Erwachsener ständig selbst bemitleidete, während er über andere argwöhnte, dass er ein Nörgler und Besserwisser, ein nerviger Hypochonder, ein Pedant und, Zitat, ein durch und durch unleidlicher Tyrann gewesen sei, dass er mit Aktien spekuliert, Geldschulden angehäuft, gewesen sei, dass er mit Aktien spekuliert, Geldschulden angehäuft, die eigene Familie vernachlässigt und seine Frau bei einer Cholera-Epidemie im Stich gelassen habe, um sich selbst in Sicherheit zu bringen und so weiter. Alles Dinge, die die Denkmalfigur nur menschlicher und Stifters Schreiben verständlicher machen. Für die Stifter Vara war es indes, Zitat, nackte Blasphemie. Als der Residenzverlag, so konnte man im Spiegel lesen, das Manuskript mit der Bitte um sachliche Korrekturen an die Berufsstifterianer schickte, schlug ihm der Zorn der Zünftigen entgegen. Der Sekretär der Wiener Stiftergesellschaft, Dr. Heinz Schöne, ließ ausrichten, Eisenreich sollte dichten und nicht über andere Dichter schreiben. Seltsam reagierte Eisenreich, wie unerhört gereizt die waren, als sei man ihnen zu nahe getreten. Erwähnt müsste noch werden, dass Eisenreich und der Verlag bei der Materialsuche auf entsprechende Hindernisse stießen. So habe die Prager Staatsbibliothek, die einen Großteil des Stifternachlasses verwahrt, Bildmaterial verweigert, mit dem Verweis auf eine andere, ähnliche Publikation, die gerade im Entstehen begriffen sei, bemerkte damals der Spiegel. Gemeint war eine Publikation von Dr. Alois Großschopf, dem Leiter des Linzer Stifterinstituts, die ebenfalls 1967 dann erschien und die mit zahlreichen Abbildungen das gewohnte Bild des biedermeierlichen Dichters weiter vermittelte. Damit waren die Fronten klar. Hier der Provokateur Eisenreich, dort die Hüter des Stifterbildes in Linz, Prag und Wien. Die Stifter war er von damals und dazu zählte eben auch dieses Haus, das Adalbert- Stifter-Institut, waren jedenfalls schockiert. Aber war das kleine Stifterbuch wirklich ein Tabubruch? Man warf Eisenreich mangelnden Respekt vor der Person Stifters vor. Respektlos, mit Verlaub, ist das gewiss nicht gewesen. Dazu war Eisenreich selbst ein großer Stifter-Bewunderer. Und Stifter war ihm für sein Schreiben auch Vorbild, wie man auch einigen seiner Briefe entnehmen kann. Zum Schluss möchte ich Ihnen noch ein Eisenreich-Zitat mit auf den Weg geben, nicht aus dem Stifterbuch, sondern aus einem seiner Essays, auch weil mir das zu Stifter passt und auch zu dem Text, den wir nachfolgend dann hören werden. Im Anblick der Ruine spürt der Mensch, dass er nicht geschaffen ist, etwas Dauerndes zu vollbringen, dass er nicht dahin angelegt ist, je fertig zu werden. Im Anblick der Ruine gewahrt der Mensch seine eigene Hinfälligkeit. Der Mensch ist kein logisches Wesen, sondern ein großes Paradoxon. Ich denke, der Stifter das ähnlich gesehen hätte, dass er sich im Innern dieser Hinfälligkeit bewusst war, er hat sie ja selbst am eigenen Leib gespürt, dass er aber stets bemüht war, für dieses Paradoxon Mensch ein Idealbild zu schaffen. Und nun kommen wir zu einem der für mich grandiosesten Texte der Weltliteratur, wo die ganze Gewalt der Natur über dieses Paradoxon Mensch hereinbricht. Aus dem Bayerischen Walde, einer der letzten Texte Stifters, eigentlich der letzte vollendete Text, den er im November 1867, zwei Monate vor seinem Tod, noch zu Papier gebracht hat. Ein explizit autobiografischer Text, Stifter als Erzähler spricht hier als er selbst. Er berichtet von einem Erholungsaufenthalt im Spätherbst 1866 in den Lackenhäusern, der in einem geradezu apokalyptisch anmutenden Szenario endet. Am 19. November hätte Stifter nach Linz zurückreisen wollen, aber dann kam es zu einer regelrechten Schneekatastrophe. Es hat tagelang geschneit, am Anfang sogar 72 Stunden ununterbrochen. Und ebenso gewaltig wie dieses elementare Naturereignis erscheint auch Stifters Beschreibung. Es ist ein überaus präziser und ganz abstrakt gearbeiteter Text. Ich glaube, intensiver kann man ein Naturphänomen nicht beschreiben. Hier verschieben sich auch die Grenzen der Wirklichkeit. Also muss man wissen, dass Stifter in diesen Tagen einen psychischen Kollaps erlitt. Und wenn man bedenkt, dass er diesen Text kurz vor seinem Tod geschrieben hat, dann erscheint uns die Heftigkeit des Schneefalls fast wie ein Vorausblick auf das Sterben. Auch Herbert Eisenreich führt diesen Text am Ende seines Porträts an, nennt ihn einen Bericht des Grauens und Entsetzens, in dem das Schrecken im Wort gebannt werden soll. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und ich entlasse Sie wieder in die Literaturstiftung. Obrigado. Der Tag war ein Donnerstag. Ich wollte nun pünktlich der Weisung des Arztes folgen und sandte freitags einen Brief an Gruber nach Eigen. Er möchte mich montags mit einem Wagen nach Eigen holen lassen und dienstags mich mit diesem Wagen nach Linz schaffen. Die Antwort lautete, der Wagen werde kommen. Ich packte nun meine Sachen zusammen, legte mir zurecht, wie ich ohne alle Erregung zu dem Bette meiner Gattin treten wolle, damit sie nicht in zu große Empfindungen gerate. So kam der Sonntag. Bis dahin war gutes Wetter gewesen. Die Leute arbeiteten in Hemdsärmeln auf den Feldern und die Rinde waren noch auf den Wiesen und Wintersaaten. In der Nacht von Sonntag auf Montag erhob sich ein Wind, der morgens zum Sturme wuchs. Als es graute, sah ich, dass die Gegend mit Schnee bedeckt sei. Und als die Tageshelle gekommen war, sah ich auch, dass es heftig schneie. Das Thermometer zeigte null Grade. Ich hoffte daher, dass untertags Regen kommen werde. Aber es blieb bei null und das Schneien wurde stärker. Ich fasste Besorgnisse. Um zwölf Uhr kam der Wagen. Der Kutscher sagte zu mir, sie können nicht fahren, es sind schon Schneeverwehungen. Auf dem Rosenberger Wege herauf brauchte ich Männer, die mir den Wagen hielten, dass er nicht stürze. Und die Pferde sanken oft bis an den Bauch. Ich werde nach Schwarzenberg trachten. Von dort ist die Straße fahrbarer. Vielleicht komme ich noch nach Eigen. Wenn es nicht geht, warte ich in Schwarzenberg auf das Weitere. Alle Männer, der Pächter, der Wirt und die in Gasthause waren, sagten, ich dürfe mich nicht der Gefahr aussetzen, auf freiem Felde mit dem Wagen liegen bleiben zu müssen. Wie hier die Gegend und wie jetzt die Jahreszeit ist, wird es sich bald ändern. Der Schnee ist ganz nass, morgen regnet es und alles ist gut. regnet es und alles ist gut. Ich sagte also dem Kutscher, er möge wieder mit Männern den Wagen nach Schwarzenberg bringen und dort tun, wie er für gut finde. Sei er morgen in Schwarzenberg und es trete Regen ein und man könne fahren, so möge er wieder um mich kommen. Er sagte es zu und in einer Stunde fuhr er fort. Und von nun an erlebte ich ein Naturereignis, das ich nie gesehen hatte, das ich nicht für möglich gehalten hätte und das ich nicht vergessen werde, solange ich lebe. Es wurde ein Schneesturm, wie ich ihn nie ahnte und es wurden Wirkungen, die weit über mein Wissen gingen und 72 Stunden dauerte die Erscheinung bei ihrem ersten Auftreten ununterbrochen fort. Die Gestaltungen der Gegend waren nicht mehr sichtbar. Es war ein Gemische da, von undurchdringlichem Grau und Weiß, von Licht und Dämmerung, von Tag und Nacht, das sich unaufhörlich regte und durcheinander tobte, alles verschlang, unendlich groß zu sein schien, in sich selber bald weiße fliegende Streifen gebar, bald ganze weiße Flächen, bald Balken und andere Gebilde und sogar in der nächsten Nähe nicht die geringste Linie oder Grenze eines festen Körpers erblicken ließ. erblicken ließ. Selbst die Oberfläche des Schnees war nicht klar zu erkennen. Die Erscheinung hatte etwas Furchtbares und großartig Erhabenes. Die Erhabenheit wirkte auf mich mit Gewalt und ich konnte mich von dem Fenster nicht trennen. Nur war ich des Kutschers wegen, der jetzt zwischen mir und Schwarzenberg sein musste, besorgt. Da ich einen Spaziergang im Freien nicht machen konnte, nahm ich meinen Mantel um und ging in dem Gange des Hauptgebäudes im ersten Stockwerke hin und wieder. Ich blickte auch hier mit Staunen durch die Fenster der beiden Enden des Ganges hinaus. Es war immer dasselbe, das Außerordentliche. Überall im Hause war Schnee, weil er durch die feinsten Ritzen eindrang. Ich suchte nun meine Ruhestätte, in welche wenig Schlaf gelangte. Es erschien nun der Dienstag, und bei dem ersten Tagesschimmer sahen wir, dass es draußen gedauert habe wie gestern und dass es noch dauere. An den Mauern des Hauptgebäudes sahen wir jetzt das Emporwachsen des Schnees. Vor unseren Fenstern war ein Berg desselben. Aus dem Garten dämmerte einer herüber, der schon höher war als das Gartenhaus. Die Tür des Hauptgebäudes war verschneit, sodass, als eine Magd sie von innen öffnete, der Schnee auf sie hineinfiel, dass sie mit hölzernen Schaufeln ausgeschaufelt werden musste. sie hineinfiel, dass sie mit hölzernen Schaufeln ausgeschaufelt werden musste. Die Mauern waren weiß und von allen Vorsprüngen und Dächern hingen die vielgestaltigsten Schneeungetüme nieder. Ich konnte nichts tun, als immer in das Wirrsaal schauen. Das war kein Schneien wie sonst, kein Flockenwerfen Nicht eine einzige Flocke war zu sehen, sondern wie wenn Mehl von dem Himmel geleert würde strömte ein weißer Fall nieder, er strömte aber auch wieder gerade empor Er strömte von links gegen rechts, von rechts gegen links, von allen Seiten gegen alle Seiten. Und dieses Flimmern und Flirren und Wirbeln dauerte fort und fort und fort, wie Stunde an Stunde voran. Und wenn man von dem Fenster wegging, sah man es im Geiste und man ging lieber wieder zum Fenster. Der Sturm tobte, dass man zu fühlen meinte, wie das ganze Haus bebe. Wir waren abgeschlossen. Die ersten Bäume der Allee, 20 Schritte entfernt, waren nicht mehr sichtbar. Zum nächsten Hause geht man sonst in einigen Minuten. Sie konnten nicht zu uns, wir nicht zu ihnen. Von Ausschaufeln selbst zu dem einige Schritte entfernten Gasthause war bei diesem Stürme keine Rede. Man konnte nur das Turm anschauen und hatte keine Ahnung, wohin das führen werde. Es wurde Mittag, es wurde Nachmittag, es wurde Abend. Immer das Gleiche. In der Finsternis, da man das Flirren nicht sah, musste man es sich vorstellen und stellte es sich Ärger vor, als man es bei Tage gesehen hatte. Und zuletzt wusste man auch nicht, ob es nicht Ärger sei. Ich legte mich ins Bett. Der Sturm tönte, als wollte er den Dachstuhl des Hauses zertrümmern. Es kam Mittwoch. Das Tageslicht zeigte die gleiche Erscheinung. Es kam Mittwoch. dass sie in gleicher Höhe mit den Fenstern des ersten Stockwerks stand. Und die Tür am unteren Ende der Treppe zu meiner Wohnung, die nach außen aufging, konnte nicht mehr geöffnet werden. Und immer noch dauerte das Schneeflirren fort. Was anfangs furchtbar und großartig erhaben gewesen war, zeigte sich jetzt anders. Es war nur mehr furchtbar. Ein Bangen kam in die Seele. Die Starrheit des Wirbels wirkte fast sinnbestrickend, und man konnte dem Zauber nicht entrinnen. Dazu der Gedanke, wenn etwa, wie die Knechte fahrlässig sind, in den Scheuern des Hauses Feuer ausbreche. Was dann? Wir hatten an diesem Tage auch nur mehr das letzte Stückchen Fleisch. Ich aß aber keines. Nachmittags stieg das Barometer sehr rasch und hoch und es kam ein Lichtschein in mein Gemüt. Gegen den Morgen hörte der Wind auf und es ward Stille. Und später sah ich Sterne durch die Fenster hereinscheinen. Am nächsten Tag, Donnerstag, war in dem tiefblauen Himmel kein Wölklein und die Sonne strahlte auf das unermessliche Weiß blendend hernieder. Der Pächter ließ einen Weg in das Gasthaus schaufeln. Menschen kamen hoch auf dem Schnee mit Schneereifen zu uns und in das Gasthaus. Ich ging auch in dasselbe. Dort sahen die Angekommenen verstört aus und 80-jährige Männer sagten, dass sie das nie erlebt haben. Ich ließ bei dem Bürgermeister der Lackerhäuser anfragen, wann er schaufeln lassen werde. anfragen, wann er schaufeln lassen werde. Der nächste Tag, Freitag, war still und sanft bewölkt. Mittags stand ich amisekleidern. Aber der Schlitten kam nicht. Und es kam keine Nachricht. Ich war in unbeschreiblicher Unruhe. Nachmittags fiel der Barometer ebenso rasch, als es mittwochs gestiegen war. Ich legte mich zu Bette, konnte aber nicht schlafen. legte mich zu bette konnte aber nicht schlafen es war mir immer als höre ich ein schwaches sausen sausen das tausend war aber auch wirklich es wuchs noch vor mitternacht war sturm morgens samstag war der Schneesturm wieder so stark wie in den früheren Tagen. Mein geschaufelter Weg war wieder zu. Weichselbaums Schlitten konnte nicht kommen und alles war vergeblich gewesen. Das Thermometer zeigte Null. Das Barometer stand auf 25 ein Viertel. Das Barometer stand auf 25 ein Viertel. Wie lange wird nun der Sturm dauern? Und was wird werden, wenn die neuen Schneemassen zu den alten kommen? Und wenn sie so hoch sind wie die alten? Und wenn sie höher sind? Mir klebte die Zunge an dem Gaumen. Ich aß nichts mehr, sondern träufelte nur Liebigs Fleischextrakt in warmes Wasser und trank die Brühe. Das Flirren war nun geradezu entsetzlich und es riss die Augen an sich, wenn man auch nicht wollte. Nachmittag stieg das Barometer wieder rasch. Die Nacht war ohne Schlaf. Der folgende Tag, Sonntag, war still, aber trüb. Die Leute traten, da sie zu uns kamen und von uns gingen, mit Schneereifen auf den feuchten Schnee so feste Fußstapfen, dass man auf ihnen gehen konnte. Jeder Tritt aber seitwärts hätte unberechenbares Einsinken zur Folge gehabt. Also nachmittags ging ich auf diese Fußstapfen tretend die Allee entlang und weiter fort. Ich ging Schneestiegen hinan und Schneestiegen hinab. Alleebäume sahen mit ihren Kronen wie Gesträuche aus dem Schnee. Alles war anders. Wo ein Tal sein sollte, war ein Hügel. Wo ein Hügel sein sollte, war ein Tal. Und wo der Weg unter dem Schnee gehe, wusste ich nicht. Denn man hatte die Routen zur Bezeichnung desselben noch nicht gesteckt. Der erhabene Wald, obwohl ganz beschneit, war doch dunkler als all das Weiß und sah wie ein riesiger Fleck fürchterlich und drohend herunter. Bekannte Gestaltungen der Ferne vermochte ich nicht zu finden. Neben der Kapelle war ein Schneerücken, von dessen Schneidemann auf das Kapellendach niedersah. Ich brauchte zu einem Wege von Minuten eine Stunde. Am Montag war leichtes Schneien mit etwas Wind. Es fielen zum ersten Mal wieder Flocken. Ich hielt mich für krank, weil ich schon den dritten Tag nichts gegessen hatte. Ich sandte Josef und den Arzt nach Schwarzenberg. Dieser kam mit Stehreifen in Schweiß gebadet und hatte drei Stunden gebraucht. Er untersuchte mich und sagte dann, ich sei nicht krank, könne es aber werden. Mein Entschluss war nun gefasst. Ich schrieb einige Zeilen an Weichselbaum, die besagten, einige Zeilen an Weichselbaum, die besagten, morgen komme ich nach Schwarzenberg. Er möge mir einen Schlitten zur Fahrt nach Eigen bereithalten. Den Arzt bat ich, den Brief zu übergeben. Er versprach es und verließ mich. Dann ließ ich Josef holen und beauftragte ihn, er möge mir Männer bestellen, die mit Schneereifen morgen beim Tagesgrauen zu mir kommen sollen. Ich werde nach Schwarzenberg gehen. Und weil ich es mit Schneereifen nicht kann, so sollen sie mit ihren Schneereifen mir einen Pfad auf dem Schnee niedertreten, der nicht trägt. Einer soll mein Gebäck mit dem Handschlitten ziehen. Josef versprach, alles zu besorgen. So kam die Nacht. Mein Wunsch war nun der einzige, nur morgen kein Sturm. Die Nacht war ruhig. Der Tag brach an und hatte grauen Himmel und leichtes Gestöber. Da kamen die Männer und Josef. Ich sagte ihnen noch einmal mein Anliegen und sie antworteten, so gehe es. Ich ging nun in meinen Oberrock geknüpft die Treppe hinunter, verabschiedete mich unten von dem Pächter und seiner Frau und trat meinen Weg an. Die Männer stampften Fuß neben Fuß setzend vor mir einen Pfad. Es ging so langsam, dass ich kaum in jeder Sekunde einen Schritt machen konnte, aber der Pfad trug mich. Gegen die stechenden Nadeln, die waagrecht in der Luft daherflogen, spannte ich den Regenschirm auf. So kamen wir weiter. Wir überwandten Schneehügel, Schneewülste, Schneefelder. Um und über uns war dichtes Grau. Unter uns das Weiß. ich das Grau. Unter uns, das Weiß. Ich hätte allein die Richtung nicht gefunden. Ich fand mich erleichtert. Der Mann mit dem Schlitten kam uns nach und war erfreut, denn der Wind verwehte in kurzer Strecke hinter uns den Pfad wieder. Ich glaubte, wir kommen nie mehr zu dem Aufseherhause. Endlich erkannte ich in der dichten Luft die Umrisse des Hauses. Und wir kamen bald zu demselben. Dort, auf der Waldkirchnerstraße, wurde es besser. Auch das war besser, dass wir gegen Osten gingen und den Wind im Rücken hatten. Im Zollhaus konnten wir, im Zollhause konnten die Schneereifen abgelegt werden. Und wir vermochten nun, auf der österreichischen Straße in gewöhnlichem Schritte fortzugehen. Und so kamen wir nach einer Wanderung von mehreren Stunden in das Gasthaus von Schwarzenberg. Ganz zu Hause ist der Stifter noch nicht, aber der Abend ist hiermit beendet. Ganz herzlichen Dank, Gerhard Seilinger und Andreas Püringer für diese Begegnung von Herbert Eisenreich und Adalbert Stifter und vor allem für diese grandiose Lesung. Ich hoffe, es hat Ihnen gefallen. Trinken Sie noch ein Glas auf Stifter, das Literaturcafé ist geöffnet. Gedenken Sie seiner, lesen Sie ihn und vielleicht auch das kleine Stifterbuch von Herbert Eisenreich im ZVAB, kriegt man es noch relativ günstig. Vielen herzlichen Dank für Ihr Kommen und einen schönen Abend noch.