Heute geht es um einen berühmten deutschen Dichter. Ich glaube nicht, dass... Ja, einen sanften Dichter, der Rilke hatte, in diesem Buch behandelt hat. Seien Sie gespannt auf das Gespräch mit Sandra Richter. Begrüßen Sie bitte mit mir, Sandra Richter. So, wir haben heute eine Premiere mit Johanna Oettl bei uns, die den Abend moderieren wird. Johanna Oettl ist Germanistin und Literaturwissenschaftlerin und verantwortet das Programm der Alten Schmiede in Wien seit 2018. Herzlich willkommen, Johanna. Wir freuen uns, dass du mit an Bord bist. Ein kurzer Hinweis auch. Die Veranstaltung wird heute fürs DorfTV aufgenommen. Das heißt, Sie können auch im Nachhinein die Veranstaltung online streamen und nochmals anschauen. Gut, ich darf dir das Wort übergeben. Ich wünsche Ihnen einen schönen und inspirierenden Abend. Danke. Ihnen einen schönen und inspirierenden Abend. Danke. Vielen herzlichen Dank und herzlich willkommen auch von meiner Seite, auch an Sandra Richter. Sie haben schon ein paar Sätze zu ihr gehört. Ich ergänze noch zwei, drei Informationen, die aus meiner Sicht auch wichtig sind, um zu erklären, in welchem Kontext diese Biografie, die sie heute vorstellen wird, entstanden ist. Sie leitet seit 2019 das Deutsche Literaturarchiv Marbach am Neckar, dem Geburtsort von Friedrich Schiller. Das Deutsche Literaturarchiv Marbach ist das größte deutsche Literaturarchiv. Es beherbergt außerdem ein großes Museum, das Literaturmuseum der Moderne. Museum, das Literaturmuseum der Moderne. Und ich habe noch einmal mich im Vorfeld kundig gemacht, welche imposanten Exponate aktuell in der Dauerausstellung zu sehen sind, damit Sie ein bisschen ein Gefühl dafür bekommen, welchen unglaublichen Bestand dieses Archiv hat. Aktuell in der Dauerausstellung könnten Sie zum Beispiel ein Manuskript von Kafkas Prozess sehen oder eine Seite daraus. Schnitzlers, Leutnant Gustl, Heidegger, Dublin, Ingeborg Bachmann, Peter Handke, also sie bekommen eine Ahnung davon, mit welchem Bestand man es dort zu tun hat. Sandra Richter hat sich 2003 habilitiert mit der Arbeit mit dem Titel Poetiken, poetologische Lyrik, Poetik und Ästhetik von Novalis bis Rilke. Wie der Bestand des Literaturarchivs mit der Biografie zusammenhängt, werden wir, glaube ich, im Gespräch noch hören. Ich darf vielleicht noch vorausweisen, da Rilke ist am 4. Dezember 1975 geboren und es ist eine neue Ausstellung in Planung, die Sie ab Winter dann auch dort sehen können. Also wenn Sie Ihre Weihnachts-, Winter- oder nächstjährigen Frühlingsferien noch planen möchten, wäre es eine gute Gelegenheit, nach Marbach am Neckar zu fahren und sich dieses großartige Museum und eine im Entstehen begriffene Rilke-Ausstellung sich anzusehen. Es gibt schon eine Anzahl an Biografien von Rainer Maria Rilke. Die erste ist 1928 erschienen. Sie ist von Lou Andrea Salome verfasst worden. Eine Frau, eine Wegbegleiterin, ein Kompagnon in weiblicher Form, die für Rilke sehr wichtig war. Wir werden auf sie sicher noch zu sprechen kommen. Seither sind noch eine große Anzahl weiterer Biografien, also eine Handvoll, sagen wir so, erschienen. Was war für Sie der Anlass, eine weitere Rilke-Biografie zu schreiben? Gab es ein Bild, ein Rilke-Bild, das in den bisherigen Biografien dominant war, wo es vielleicht externen Anlass auch gab, das zu revidieren oder eine intrinsische Motivation, das zu revidieren. Wie kam es zu dieser Biografie? Ich bedanke mich erstmal für die Einladung und freue mich sehr, hier zu sein und kann nur sagen, das Deutsche Literaturarchiv wird auch von einem Verein getragen. Also unterstützen Sie den Verein, das ist wirklich eine wichtige Sache. Also unterstützen Sie den Verein, das ist wirklich eine wichtige Sache. Und diese Biografie, um die es konkret geht, die hat tatsächlich viel zu tun mit einer Neuerwerbung des Deutschen Literaturarchivs. Wir haben 2022 den privaten Bestand der Familie Röke erwerben können. Und das hieß, alles, was bisher nicht zugänglich war, oder nur, sagen wir mal, in kleineren Teilen zugänglich war. Man konnte zur Familie fahren und sagen, ich würde gern diesen oder jenen Brief sehen, oder ich möchte das Buch mal angucken. Aber es waren eben meistens sehr kleine Teile. Und jetzt ist dieser große Bestand, wirklich große Bestand, man muss sich vorstellen, zehntausende Briefseiten, 57 Notizbücher, die Manuskripte in ganz wesentlichen Teilen, ganz großen Teilen, Fotos, Privates, private Dokumente aller Art. Die sind jetzt tatsächlich bei uns im Archiv. Was nicht bei uns ist, ist im österreichischen Literaturarchiv oder im Schweizer Literaturarchiv oder in Harvard, wo es auch eine große Sammlung gibt. Aber dieser Bestand eben, der noch bei der Familie war, den hat die Familie 100 Jahre lang gehütet und nur in Ausschnitten in die Öffentlichkeit gegeben. wurde mir klar, dass die Idee vom Autor, der sich entfernt von der Gesellschaft, der einsam dichtet, der, ja sozusagen der große Poet, der sich in nichts einmischt und in den Schweizer Bergen sitzt und arbeitet, dass dieses Bild vielleicht ein Idealbild ist, aber keines, das man irgendwie aufrechterhalten kann. Natürlich fand Rilke das gut und hat sich so imaginiert als der Seherdichter, der in direkten Kontakt mit dem Universum schreibt. Aber so recht die Tage gefüllt hat das Programm nicht. Sondern da ist natürlich jede Menge anderes auch passiert. Und dieses andere wollte ich mir gerne anschauen und zwar in Verbindung mit diesem Selbstbild vom Seherdichter. Und ich mir dachte, das steht ja irgendwie in Beziehung. Man kann dieses Bild nur aufrechterhalten, wenn es da auch was gibt, was es abfedert. Was nämlich den Autor in Ruhe lässt, in Ruhe arbeiten lässt. Und wie das so passiert ist und wie der tatsächlich alleine oder nicht alleine gearbeitet hat, wie die Arbeitsprozesse waren, das hat mich besonders fasziniert und unter anderem deshalb habe ich auch viel über die Frauen geschrieben, die mit ihm jeweils liiert waren. Ich finde das immer gut, wenn man über wichtige Männer spricht, dass man mit den Frauen beginnt, die das ermöglicht haben. Sie haben es ja gesagt. Vielleicht beginnen wir mit einer Frau, die im ersten Drittel seines Lebens, soweit ich das biografische Überblick getroffen habe, die auch die erste Biografie geschrieben hat, Lu Andrea Salome, die nicht nur, glaube ich, ökonomisch und als emotionaler Halt, um es ein bisschen pathetisch zu formulieren, wichtig war für ihn, sondern auch Einfluss auf sein Werk genommen hat. Können Sie ein bisschen konturieren, was war es an dieser Frau, was war es an dieser Verbindung? Sie schreiben einmal in der Biografie, in Ihrem Nachwort, wenn es diese Frau nicht gegeben hätte, sind sie gar nicht ganz sicher, ob denn das Rilke-Werk, wie wir es kennen, überhaupt entstanden wäre. Das ist eine beeindruckende Aussage über eine Weggefährtin. Und ich glaube auch, dass sie stimmt. Rilke hatte tatsächlich in seinem Leben das Glück, dass er von starken Frauen umstellt war, kann man sagen, von Geburt an. in seinem Leben das Glück, dass er von starken Frauen umstellt war, kann man sagen, von Geburt an. Die Mutter, die verschiedenen Freundinnen und vor allem Luandrea Salome haben ihn sehr geprägt und zum Teil auch tatsächlich geleitet. Luandrea Salome war Schriftstellerin, wurde nach und nach Psychoanalytikerin, unter anderem auch diejenige, die Rilke untersucht hat. Und sie war sehr viel älter als er. Der junge Rainer Maria, damals noch René Maria, ist ja mit einem anderen Namen, nämlich mit dem androgynen Namen René zunächst auf die Welt gekommen, als solcher getauft worden. Dieser junge Mann ging nach München 1897 und er wollte eben vor allem diese große Dame kennenlernen, die in allen Salons Mitteleuropas bekannt war und die mit Friedrich Nietzsche beinahe eine Affäre gehabt hätte und und und und und. Andreas und das ist eigentlich einer der unterschätzten Ehemänner der Literaturgeschichte, kann man auch sagen. Aber nur Andreas Salome also war wirklich ein Schwergewicht in der Szene, in der literarischen Szene damals. ganz einfach, weil sie an einem hässlichen Dichterjüngling, er war hässlich, ist so ein Standardsatz, der sich immer wieder findet bei den Frauen, sie hatte also gar kein Interesse an ihm und er hat sich aber doch bemüht und es gab einen Freund, einen gemeinsamen, nämlich Jakob Wassermann. Einer der absolut unterschätzten, heute viel zu wenig gelesenen Autoren, dessen Bestand in der österreichischen Nationalbibliothek liegt. Jakob Wassermann hat die beiden schließlich miteinander bekannt gemacht. Und dann war kein Halten mehr. Rilke schwärmte und überschüttete sie mit Briefen, wie er das offenbar gerne getan hat. Rosenblätter in der Tasche, also so eine Rosenspur hinter sich hergezogen und Briefe. Und irgendwann hat sie nachgegeben. Sie fuhren nach Wolfratshausen bei München aufs Land in die Sommerfrische für einige Monate. Aber so ganz wie sich Rilke das vorstellte, ging sich das nicht aus, sondern es kamen dann immer wieder andere Menschen dazu. Also sie hatten so eine Art Kommune, auch eine Flagge gehisst, Lufthit stand da drauf und es kam August Endell, der Architekt des Jugendstils, Frieda von Bülow, die deutsche Tanja Blixen, wenn sie wie sie so wollen, Freundin von Luandreas Salome und dann auch der Ehemann und noch ein Verehrer und Rilke musste dann ins nahegelegene Dorfen ausweichen. Also so richtig idyllisch war das nicht für das junge Glück. Und Luandrea Salome fand ihn dann auch nicht so interessant. Sie hat ihn aber tatsächlich sehr geprägt. Und zwar hat sie seine Texte angeschaut. Sie hat sich mit ihm auseinandergesetzt über seine Literatur. Sie hat ihm einen neuen Namen gegeben. René war nicht mehr. Das war zu androgyn aus ihrer Sicht. Und er sollte männlicher klingen. Und so taufte sie ihn Rainer. Und diesen Namen hat er behalten. Das ist ja schon ein gewaltiger Akt. So eine Taufe. Da wird aus einer Person, der ein bisschen frankophon war, von der Mutter auch ins Frankophone erzogen wurde und irgendwas sehr deutsches. Und dann natürlich die eigenen Texte. Die sollten nicht mehr so lieblich klingen wie manche Lyrik in der Frühzeit. Halb stimmt es, halb nicht. Rilke hatte auch sehr früh zum Teil sehr harte Geschichtenichten geschrieben, Erzählungen geschrieben über Prag und auch Gedichte, die nicht einfach den kitschigen Schmelz zelebrieren, sondern die ganz schön schwierig waren. Aber Luandreas Salomi wollte das jetzt immer stärker herausarbeiten und aus ihm einen ernsthaften Autor machen, einen Autor der Avantgarde, einer, der wirklich Kunst will. Und er hat sich ganz darauf eingelassen, hat sogar für Lu seine Schrift etwas geglättet und ihre Schrift nachgeahmt. Also sie hat nicht nur den Namen, sondern auch die Handschrift umgeprägt und ihn im Sinne eines Ideals erzogen, was sie Einfachheit nannte. Nicht so umständlich, nicht so, ja, nicht so jugendstilhaft, nicht so viel Garnitur, sondern schlicht, klar, so sollte er nun schreiben und das ist vielleicht nach und nach tatsächlich auch aus ihm geworden, einer, der immer wieder dem Ideal der Einfachheit nacheifert. Wenn man das an seinen Texten zeigen wollte, kommt man zunächst auf die äußere Gestalt. Als junger Autor schreibt er mitunter noch Bildgedichte und arbeitet stark an der Verzierung seiner Texte und seit Luandreas Salome lässt er das ganz sein und interessiert sich nur für den reinen Text, der möglichst schlicht gestaltet werden soll, auf edlem Papier, einfachem Karton gebunden oder mit Ledereinband, aber alles ganz schlecht. Und dieses Bild natürlich wird dann nach und nach erzeugt und stilisiert zu dem Autor, der dann wurde, als derjenige, dessen Werk per se schon für klassische Literatur steht. auf den Weg bekommt, wie stark die Arbeit an einem Autorenbild von Rilke selbst, aber auch, wie wir es jetzt gehört haben, geprägt durch Weggefährten, Weggefährtenen funktioniert und ja gewissermaßen auch immer ein wenig durch die Frage, was ist denn noch erhalten von Rilke? Also wenn wir über AutorInnen, wenn die Forschung sich mit AutorInnen befasst, tendenziell vielleicht öfter Männer, braucht man dafür Materialien, die überliefert sind. Das sind Korrespondenzen, Manuskripte und so weiter. Sie haben einiges davon ja schon gesagt. Manches wird natürlich stilisiert, manches wird bewusst ausgelassen, manches wird ganz bewusst mit übernommen in einen Nachlass oder einen Vorlass. Zu Lebzeiten ist es ein Vorlass. mit übernommen in einen Nachlass oder einen Vorlass. Zu Lebzeiten ist es ein Vorlass. In dem Fall, von dem Sie sprechen, also im Fall von Rilke, ist die Überlieferungssituation sozusagen ein bisschen kompliziert, weil es eben dieses private Archiv gab und gibt nach wie vor Entschuldigung. Da haben Sie jetzt zu einigen Dingen Zugang bekommen, zu denen Sie vorher keinen Zugang hatten. Das betrifft in diesem Fall vom Material her auch einiges an privater Korrespondenz. Also wir haben tatsächlich dieses gesamte private Archiv gekauft. Es ist jetzt in Marbach und wird nach und nach erschlossen und zugänglich gemacht. Bis zum Geburtstag Rökes am 4. Dezember, wird ja 150 Jahre alt, da soll alles zugänglich sein, sodass die Forschung, die Öffentlichkeit damit arbeiten kann und wir wollen einen Großteil auch ausstellen zu diesem Zeitpunkt. aus all diesen vielen Materialien heraus. Und weil der sich als ein anderer darstellt, als man es oft gesehen hat, als einer, der viel geselliger ist und der ein Zeitgenosse viel mehr ist, als das, was man vorher sich so überlegt hatte. Aber natürlich der Umstand, dass die Familie so viel auch nicht freigegeben hat, führt dazu, dass man da jetzt so viele Entdeckungen machen kann. Und das ist der große Reiz, glaube ich, der Geschichte. Insofern ist die Reise nach Marbach wirklich ein interessantes Projekt, vor allem ungefähr ab Dezember. Wir wissen noch das genaue Eröffnungsdatum noch nicht, aber es wird irgendwie um den 4. Dezember sein. Und dann werden wir das alles zeigen können. Und dieser Bestand ist nicht nur aufgrund der Texte und Informationsspannen, sondern auch aufgrund der Materialität, weil Rilke unter anderem auch gezeichnet hat, weil er sich hat fotografieren lassen, weil er gemalt wurde, weil er, und das waren oft die Frauen übrigens, weil er sich gerne darstellen ließ. Am Anfang war er da noch sehr zögerlich, aber er hat nach und nach gelernt, wie er sich positionieren muss, um auf dem Foto gut auszusehen. Und er hatte eben immer diese Künstlerinnen-Freundinnen. Da war nur Andreas Salome, das war noch die Gelehrte und Intellektuelle. Und dann kamen seine Frau, klar, Westhoff, großartige Bildhauerin. Schon die erste Freundin hat gemalt, Valerie von David-Rohnfeld. Und dann ging es immer so weiter. Also viele Frauen, die oft zwischen Kunst und Kunsthandwerk tätig waren und die natürlich regelmäßig porträtiert haben. Und es ist ja auch so, dass seine Frau die Bildhauerin war. Das war ja ganz ungewöhnlich, ein ungewöhnliches Metier für Frauen zu der Zeit. Bildhauerei, die Männerkunst, also die Männerdomäne in den künstlerischen Domänen. Sie durfte ja beispielsweise auch an sonst frei zugänglichen Anatomie-Vorträgen nicht teilnehmen als Frau, hat aber durch diese Arbeit und ich glaube, das ist auch für das Werk Rilkes wichtig, der künstlerische Aspekt. Also Sie haben jetzt gesagt, es gibt diese von Rilke, diese Ze und ich glaube, das ist auch für das Werk Rilkes wichtig, der künstlerische Aspekt. Also Sie haben jetzt gesagt, es gibt diese von Rilke, diese Zeichnungen, aber Weggefährtinnen, die mit der bildenden Kunst, mit dem Haptischen, mit dem Visuellen zu tun hatten, waren auch für sein Werk sehr wichtig. Ein Begriff, den Sie immer wieder verwenden, der auch zitiert ist aus Rilke Briefen, glaube ich, ist das Sehenlernen. Er hat mit seiner Frau, Clara Rilke Westhoff, Sehen gelernt. Er war auch mit Rodin eng, auch befreundet. Er war sein Privatsekretär einige Zeit. Der war ja gerade nach 1900 so der Star, also wirklich ein großer Star zur damaligen Zeit. Vielleicht können Sie das noch ein bisschen skizzieren. Was genau bedeutet dieses Sehen, Lernen? Wie hat er das auf sein Werk bezogen und wie sieht man das auch in dem Werk? Das heißt, wie kann so eine Auseinandersetzung mit einer Verwandtenkunst, der Bildendenkunst, wie kann sich die, so habe ich das verstanden, dass es Berilte so war, sehr stark niederschlagen, auch im literarischen Schreiben? Diese Formel vom Sehen lernen, die wurde bisher bei Rilke immer mit Rodin verbunden. Also er ist dann zu Rodin gegangen, hat eine Biografie Rodins geschrieben. Das hat er auch gemacht. Aber diese Formel vom Sehen lernen taucht tatsächlich sehr viel früher auf und zwar im Zusammenhang mit seiner Frau, die üblicherweise in den Rilke-Biografien nicht gut wegkommt. Das liegt auch an ihm. Er hat oft bei Frauen zunächst sich begeistert der Liebe hingegeben und nach wenigen Wochen ebbte das dann ab. recht geäußert über seine jeweiligen Liebschaften, Partnerinnen. Und das traf leider auch auf Clara Westhoff zu, obwohl er ein Leben lang mit ihr in engem Kontakt war, obwohl sie auch ein Leben lang verheiratet blieben, wenn sie auch nicht zusammen gelebt haben, wenn auch er jede Menge andere Freundinnen hatte. Aber sie war eine der wichtigsten Frauen in seinem Leben und das betrifft vor allem das Optische. Rilke hat sich immer fürs Visuelle interessiert. Seine Mutter hat ihn offenbar auch zeichnen lassen, hat ihm das auch ein bisschen beigebracht. Dann war da die erste Freundin und vor allem diese unglaublich begabte Künstlerin Clara Westhoff. Eine große Frau, die es im Bildhauermilieu, Sie haben es schon erwähnt, geschafft hat. Obwohl das eigentlich für Frauen so gut wie nicht zugelassen war damals. Also sie wurde dann stark vermännlicht in den Darstellungen, also sie sei ein ganzer Kerl gewesen und groß und schwer und so weiter. So groß und schwer war sie dann auch wieder nicht. Aber gegenüber Rilke war sie größer. Und das hat dann offenbar auch ein konventionelleres Frauenbild, die Leute irritiert und dann sagt man, naja, also so richtig passten die nicht zusammen. Aber es war wirklich große Liebe offenbar und das ziemlich schnell. Dann musste sie die Kirchengemeinde entschädigen dafür und musste Puttis basteln. Hat sie alles gemacht. Sie hat mit Matrosen getanzt auf irgendeinem Schiff. Also sehr unbürgerliche Figur, kann man sagen. Und Rilke war also fasziniert und sagte, sie ist die viel größere Künstlerin als ich. Er hat einen Katalog ihrer Werke geschrieben und so weiter. Es war ganz ähnlich wie bei Luareas Salome, die große Frau, die man anbetet und für die man vieles tut. Und da hat er aber auch gesehen, sie zeichnet viel besser als ich. Ich sollte mich auf meine Texte konzentrieren und seitdem finden wir nur, wir finden schon eine ganze Menge Zeichnungen auch in seinen Notizen, aber sie werden nicht mehr vermischt mit dem Werk. Das ebbt dann deutlich ab und er bewundert einfach das, was sie tut und mehr vermischt mit dem Werk. Das ebbt dann deutlich ab. Und er bewundert einfach das, was sie tut und was die anderen Künstler tun. Sie initiiert ihn in die Kunst Auguste Rovins. Sie erklärt ihm, wer Paul Cézanne war. Sie erklärt ihm, dass man nach Paris fahren muss, weil da die große Kunst ist und so weiter. Sehen lernen heißt mit ihr zum einen ganz viele Namen und Personen kennenlernen, also wichtige Künstler in der Zeit und zum anderen aber auch beobachten. Die beiden haben sich in Worpswede kennengelernt, also Norddeutschland, viel Moor, viel Wasser, dunkel, grün und so fort, kann man sich atmosphärisch vorstellen. Dunkel, Grün und so fort kann man sich atmosphärisch vorstellen. Dort lebte auch eine quasi Künstlerkommune, nämlich die Barkenhof-Familie, so haben sie das genannt, um den Maler Heinrich Vogeler, der ein bisschen was geerbt hatte und sich einiges leisten konnte. Da lebten unter anderem Vogeler selbst, Karl Winnen, Otto Modersohn, Paula Modersohn-Becker, also erstmal Paula Becker und eben unter anderem Clara Westhoff und immer wieder kamen auch Leute vorbei. Rilke fand es irrsinnig faszinierend und hat dort dann die Natur sehen gelernt mit Clara zusammen, wie nämlich eine Kuh war, wie den Wald. Da gibt es unglaublich enthusiastische Zitate, ungefähr so, ich bin an deiner Seite groß geworden, du warst mir wie eine Mutter und du hast mir gezeigt, wie man wahrnimmt und so fort. Und das sind natürlich sehr starke Zitate. Nur im Laufe des Lebens kehrt sich das Verhältnis zwischen beiden um. Er inszeniert sich als der Vater und sagt, sie ist immer weiter zum Kind geworden, sie hat sich nicht weiterentwickelt. Nun, sie war auch mit dem eigenen Kind beschäftigt und damit alles zu tun, damit ihr Mann in Ruhe schreiben konnte. Die Beziehung von Rilke zu seiner Tochter beschreiben Sie mal als Briefvaterschaft. Er war kein präsenter Vater, aber die Briefe, die nun die Rilke an die Tochter Ruth schickte, die sind tatsächlich, so habe ich das gelesen, sehr interessant, auch komplementär zu dem Werk zu sehen. Können Sie über diese Briefe vielleicht noch ein paar Sätze? nachweisen, aber jedenfalls bekommen sie zusammen diese Tochter und nennen sie Ruth und beide sind von der Lebensreform begeistert. Also eine neue Pädagogik soll es sein, sowas wie Barfußlaufen im Sinne der Natur leben, möglichst wenig institutionelle Vorbildung und so weiter. Das waren Ideen, die ihn und auch sie sehr beschäftigt haben. Er ist ja in der Militärschule aufgewachsen, zeitweise, und wollte all das nicht, lehnte das ab für seine eigene Tochter und sagte ihm, aus dieser Jugend, aus dieser unverbildeten Jugend kommt die Zukunft. Das war die große Hoffnung. Aber die Eltern mussten irgendwie Geld verdienen und gingen dann nach Paris, ließen die Tochter bei den Großeltern. Man hat sich selten gesehen. Und als Rilke dann zurückkam, kannte die Tochter ihren Vater gar nicht mehr, was ihn durchaus verstört hat. Aber zwischendrin haben sie sich durchaus mal gesehen, in München vor allem im Ersten Weltkrieg. Aber es blieb doch immer ein distanziertes Verhältnis, sodass Rilke sie im Wesentlichen über Briefe versucht hat, für sich zu gewinnen. Und davon gibt es viele Briefe und auch Postkarten. Er hatte versucht, über Postkarten zu erklären, was die Karlsbrücke in Prag war, welche großen Gemälde es gibt, was sie wissen sollte, was wichtig ist. Und er hat sie immer wieder versucht, kindgerecht zu befragen und zu erziehen. ist. Und er hat sie immer wieder versucht, kindgerecht zu befragen und zu erziehen. Hatte erzählt, wann er aufsteht, wann er zu Bett geht. Hat sie gefragt, was sie liest, was sie jetzt macht. Hatte natürlich dann, wenn er sie sah, auch immer mal was gezeigt und so fort. Aber sie wollte sich nicht so richtig zur Künstlerin entwickeln. Das hat ihn etwas bedrückt. Und er hat Verschiedenes versucht. Wollte sie auf eine Reformschule schicken, auf die Odenwaldschule, die dann später heftig in Verruf gekommen ist. Aber all das hat nicht so richtig gefruchtet und sie war offenbar ein sehr solides Landmädchen, die irgendwann angefangen hat, als Magd zu arbeiten. angefangen hat, als Mark zu arbeiten. Darüber hat sie aber selbst einen sehr ironischen Text geschrieben, nämlich an ihren quasi zweiten Vater, Anton Kippenberg, den Verleger des Inselverlags, der immer dafür sorgte, dass die Tochter und die Frau, also Clara Westhoff, auch Geld haben, dass sie nicht leiden mussten, dass sie trotz dieses auf die Kunst konzentrierten Vaters ein würdiges Leben führen konnten. Und deshalb schrieb sie eben an Kippenberg zum Geburtstag irgendwann einen kurzen Text, einen sehr heiteren Text über meinen Landdienst, also ihre Tätigkeit als Markt. Rilke selbst, von dem hat sie vielleicht diesen ironischen Ton, denn er schreibt in seinen Briefen immer wieder kleine Gleichnisse und Bilder und versucht also so tatsächlich das Mädchen zu erreichen. Schildert etwa, wenn er in Venedig ist, wie er da am Strand entlang geht und wie ihm das gefällt, aber dann kneifen ihn die kleinen Krabben in die Zehen, weil er barfuß läuft. Rilke war ein entschiedener Barfußläufer. Und das macht er sehr charmant. Er erzählt zum Beispiel auch, wie der Mond am Abend schwitzt und sein Spiegelbild im Wasser schwitzt und wie sie zusammen tropfen. Und ähnliche Bilder auch in Spanien, wenn er dort ist. Er sitzt und schreibt an seine Tochter, dann kommt eine Ziege und er tadelt die Ziege so zum Schein im Brief. Die Ziege, Frau so und so, denkt, dass ich ihr schreibe, aber ich schreibe ja dir, sagt er der Tochter und stellt so Gemeinschaft her mit ihr. Also es ist immer wieder ein Versuch, sie einzubinden in Situationen, die er erlebt oder sich vorstellt. Und mit diesen Situationen versucht er, das Mädchen für sich zu gewinnen. Es hat natürlich sehr viel tragische Seiten, denn er ist einfach nicht da. Also etwa Weihnachten zum Geburtstag, zur Geburt der Tochter, zur Hochzeit, nie ist Röke da. Und schickt meistens Gedichte zur Entschädigung. Also etwa Weihnachten ist der stillste Tag im Jahr. Eines der, wenn man so will, kitschigsten Rilke-Gedichte schickt er seiner Tochter. Es lebt aus dem Refrain, Weihnachten ist der stillste Tag im Jahr und ist ganz klar schwarz-weiß auch angelegt. Also es gibt das gute Land, es gibt die Stadt, in der es nicht so gut zugeht und dann wird alles hell zu Weihnachten und die Frauen werden alle mütterlich und die Kinderaugen leuchten und so weiter und so weiter. Aber dieser Duktus der schlichten auf Refrain gezielten Texte, das ist, meine ich, auch so ein ganz typisches Schreiben für die Tochter, dass er zum Teil in andere Texte auch mit hineinnimmt. Etwa in das berühmte Karussell, das auch mit einem Refrain gehalten ist, der lautet Und dann und wann ein weißer Elefant. Ganz typisch für ein Kindergegenstand, das Karussell, wo der weiße Elefant sich beim Drehen immer wieder zeigt und also immer wieder auftaucht. Irgendwann geht es immer schneller und dreht sich immer schneller. Das hat auch was Beängstigendes, aber an sich dieses sich hineinversetzen in die Kinderwelt, die Motive mit aufnehmen und so zu schreiben, dass man es auch singen könnte. Und so zu schreiben, dass man es auch singen könnte, das hat sehr viel, profitiert sehr viel aus diesen Briefen an die Tochter und von dem Vorstellen der Situation, wie bringe ich ihr jetzt was bei, auch wenn ich nicht da bin. einmal auf die Hard Facts der Lebensstationen. Es gibt die frühe Zeit in Prag und dann Paris und die Schweiz und so weiter, aber auch St. Pölten und Linz, wenn wir in der Nähe sind, darf das, finde ich, nicht unterschlagen werden. Vielleicht sagen Sie zwei, drei Sätze dazu, was in St. Pölten und Linz, welche Phase seines Lebens das war. Ich weiß nicht, ob das alle wussten, dass es eine Linzer Zeit bei Rilke gab. Ich weiß nicht, ob das alle wussten, dass es eine Linzer Zeit bei Rilke gab. Und vielleicht können Sie auch über ein, zwei andere Stationen, was war zum Beispiel die Zeit in Paris, was war da prägend, welche Phase war das, wie hatte die Stadt, weil diese Wahrnehmung der Stadt war, glaube ich, auch wichtig. Also vielleicht könnten Sie wirklich ganz schlicht zu diesen Lebensstationen kurz einen Überblick uns verschaffen. Also wir reisen einmal durch Mitteleuropa und auch noch an die Ränder und darüber hinaus. Als ich anfing, diese Biografie zu schreiben, hatte ich mir vorgenommen, ich möchte eigentlich alle Rilke-Orte besuchen. Diesen Plan musste ich relativ schnell aufgeben. Denn Rilke wurde also in Prag geboren und dann kamen schon in der Nähe verschiedene Orte dazu. Es kamen natürlich die österreichischen Orte dazu, dann ging er nach Deutschland, dann ging er von Deutschland nach Paris, von Paris nach Skandinavien, zwischendurch immer wieder Italien, dann mehrfach Russland, so dann Ägypten und, und, und. Also ein weitgereister Autor. Nur die angloamerikanische Sphäre hat er gemieden, kann man sagen, weil ihm die zum Teil zu trivial schienen. Die Amerikaner machen alles teurer und so gibt es Aussagen. Aber ansonsten ist er meistens gereist. Wie hat er das gemacht? Er hatte von sich die Idee, dass er ein armer Dichter sein möchte. Er möchte nichts besitzen, weil ihn das nur ablenkt. Und so hat er immer wieder, das ist aber ein großes Thema, auf Mäzene vertraut und so fort. Bleiben wir erstmal bei den Orten. Er ist also in Prag aufgewachsen, zur Schule gegangen, in die Grundschule und wurde dann auf die Militär-Unterrealschule nach St. Pölten geschickt. Vier Jahre, das war eine harte Zeit für ihn, weil ein kleiner, schmächtiger Junge natürlich nicht so begabt war in militärischen Dingen. war in militärischen Dingen. Der Vater wollte, dass er Offizier wird. Er selbst war in der Offizierslaufbahn gescheitert. Und so sollte jetzt der Sohn erst recht und hatte ihn auch schon in der Kinderstube so erzogen. Also es gab Handeln, es gab ein Schaukelpferd, es gab ein Degen und so fort. Aber es wurde nicht so richtig. Das Turnen fiel ihm schwer. Man musste morgens um vier Uhr aufstehen und schwimmen gehen oder lange Märsche machen. Das war alles nichts für Rilke. Das merkte er nach kurzer Zeit. Und er klagte und schreibt seiner Mutter tränenreiche Briefe, die rhetorisch sehr interessant sind, weil schon der junge Rilke, schon als Schüler, sehr schnell wusste, wie er etwas erreicht. Und dann erscheint ihm also im Traum ein Engel. Und der Engel sagt, du gehörst nicht zum Militär. Höheres ist für dich bestimmt. Und so weiter und so weiter. Also es ist ein relativ klarsprechender Engel. Und das schreibt er also seiner Mutter und sagt, jetzt hol mich hier raus und ich muss jetzt was anderes machen. Also Beamter werden oder irgendwas. Oder am liebsten gleich Dichter. Diese Idee hat er sehr früh, spätestens im Alter von 15 Jahren. Jetzt wäre ich fast bei Linz, aber ich mache erstmal noch einen Umweg. Also Unterrealschule, das heißt danach, er misst unbedingt in die Militäroberrealschule. Dazu muss man dann alle möglichen Prüfungen bestehen und er schafft es mit Ach und Krach dann doch. Nach diversen Zusammenbrüchen, die man ernst nehmen muss, er war auch im Hospital, kommt nach Meerisch-Weißkirchen. Ein Ort, den man schon bei Robert Musil als unschönes Loch beschrieben findet. Die Aufzeichnung des Zöglings Törles, man muss Unterricht seine Gedichte vortragen. Das ist eher ungewöhnlich. Aber trotzdem, es bleibt bei dem Drill, beim Unbehagen vor allem, was das Körperliche betrifft. Und darüber hat er auch einen Text geschrieben, der heißt Die Turnstunde. Da wandert ein Schüler am Seil entlang bis zur Decke eines Gebäudes und plötzlich verschwindet er. Und das ist vielleicht tatsächlich so eine Fantasie. Wie stelle ich mir vor, wie kann ich hier entkommen, wie kann ich da raus? Aber es ist letztlich eine negative Fantasie, denn der Schüler stirbt. Und so passiert es dann mit Rilke, dass er tatsächlich zusammenbricht und es nicht mehr schafft mit den Militärschulen. Gut, die Eltern debattieren lange, das ist eigentlich, geht es absolut gegen den Plan des Vaters, aber der Onkel offenbar springt ein, der dann die Hand über den jungen Rilke hält und ihn auf die Handelsschule nach Linz schickt. Jetzt sind wir in Linz angekommen und Rilke soll nun zum Kaufmann ausgebildet werden, hat aber jede Menge anderes im Kopf. Also Kalligrafie, Englisch, Französisch, Rechnen, war nur mäßig seine Sache. Und alsbald kommen diverse Vergnügungen hinzu. Er geht zu Peter Rossegger und hört sich Literaturlesungen an, die es offenbar hier gab, so Bauerndichtung, aber sehr gehobene. Da spricht ihn an, er liest Goethe, er liest Schiller und er fängt an zu schreiben. Hat er vielleicht vorher schon getan, aber jetzt gibt es so nach und nach die Idee, dass man das doch häufiger tun kann. Und es ist tatsächlich in Linz, wo der junge Autor sein erstes Gedicht schreibt, das dann auch veröffentlicht wird. Schleppe oder keine Schleppe heißt es. Bisschen posierlich. Und damit hat er erste Erfolge und er merkt, da ist vielleicht tatsächlich was. Er lässt sich auf eine Liebschaft ein mit einem Kindermädchen, geht nach Wien, also wildes Leben und wird schließlich von der Handelsschule geworfen. Ein Versager könnte man auch sagen. In Linz ein Versager. Aber Gott sei Dank rettet ihn der Onkel und ein halbes Jahr später darf er in Prag aufs Gymnasium gehen. ihn der Onkel und ein halbes Jahr später darf er in Prag aufs Gymnasium gehen. Die Linzer Phase, also mitten in der Pubertät, eine ausgesprochen wichtige, an der sich im Grunde schon der Weg aufzeigt für den jungen Autor. Das kann man so festhalten. Und in Prag im Gymnasium geht er diesen Weg weiter, ist erstmal begeistert über die Sommermonate und schreibt der Mutter, Weg weiter, ist erstmal begeistert über die Sommermonate und schreibt der Mutter, ich bin ganz literat. Veröffentlicht oder veröffentlicht nicht, sondern schickt ihr ein Blatt, das Montagsblatt, das ist so eine Art Klatschkazette, über die Frage, was in Prag gerade passiert. Krimis, also Schießerei auf dem Rossmarkt, welche Operetten laufen, welche adeligen Damen und Herren gerade in der Stadt herum spazieren. Schreibt er alles auf in so einer Art Klatschblatt, dass der Mutter offenbar sehr behakt, die im Übrigen auch selber schreibt. Und nach und nach professionalisiert Rilke das immer weiter und merkt, das ist vielleicht das, was ich tatsächlich tun will. Er macht das Abitur sehr gut, sehr schnell und hat die erste feste Freundin, für die er mehrere Gedichte am Tag schreibt und ist tatsächlich dabei, die ersten Anthologien zusammenzustellen, schon in Prag. Und tut das, was damals so ein bisschen Mode war, zwar Zeit des Naturalismus. Er veröffentlicht ein erstes eigenes Periodikum, die Wegwarten auf eigene Kosten und verteilt es kostenfrei. Das parallel zu einer Phase, wo er sich zunächst in der tschechischen Literatur versucht bekannt zu machen und er bewundert die tschechischen Autoren, spricht nur leider nicht so gut tschechisch oder fast nicht, weiß man nicht so genau, ist umstritten und schreibt in dem Sinne, schreibt damals schon so nette, mit enjambment, also Formen, für die er später bekannt werden sollte, die er aber offenbar den tschechischen Autoren entnimmt. bald so klein. Er geht nach München, wo damals die literarische Szene tobte und auch die künstlerische, kulturelle, lernt dort Lou Salomé kennen und dann geht es rasant schnell weiter. Worpswede, Berlin, Russland, das sind die nächsten Stationen, immer wiederkehrend auch, er pendelt zwischen den verschiedenen Orten, lernt überall dort die jeweiligen Künstlerszenerien kennen, ist aktiv in den Salons, macht sich mit allen bekannt, sucht Verleger, ganz wichtiges Thema für ihn, er will ja schließlich auch erscheinen, er möchte wirklich professioneller Autor werden, zum Schein für die Familie sagt er immer wieder, er studiere, naja, eigentlich tut er wirklich nichts anderes, als sich um Literatur zu kümmern. Und so gut es geht, auch gut zu leben. Das ist durchaus ein Anliegen, gut zu essen und spazieren zu gehen und ins Konzert und ins Theater. Er schreibt im Übrigen auch Dramen, ist also nicht nur ein Dichter, sondern auch alles andere, nämlich Dramenautor, inszeniert auch mal ein Stück in Bremen, geht nach Bremen, geht nach Hamburg, lässt sich kurz in Westerwede bei Worpswede nieder mit seiner Frau und ist dann bald und über sehr lange Frist in Paris, wo er wiederum mitten in den Künstlerzirkeln verkehrt, viele Mäzene kennenlernt, die ihn einladen phasenweise nach Rom, nach Südschweden, auf das Schloss Tuino, auf das Gut Böcke im Westfälischen oder die ihm in München, wo er zurückkehrt im Ersten Weltkrieg. Er kann nicht mehr in Frankreich leben als Ausländer. Ausländer. In München ging das wie wohl Österreicher, eigentlich später mit tschechischem Pass, hat er dort eine Wohnung, die ihm eine Mäzenin stiftet. Und als es ihm in München zu viel wird 1919, nach der Räterepublik, es gibt permanent Kontrollen, die Polizei stürmt seine Wohnung, wo er auch mal kontroverse linke Gestalten untergebracht hat, da nimmt er eine Einladung in die Schweiz an. Vom Lesezirkel Hottingen und bleibt bis zum Lebensende in der Schweiz, fährt nur zweimal kurz nach Paris. Aber schafft es dann schließlich in der Schweiz, die großen Spätwerke zu schreiben und noch ein spätestes Werk auf Französisch, was bislang viel zu unbekannt ist. Also ein weitgereister Autor. Und jetzt habe ich noch eine Station vergessen, nämlich Nordafrika. Da wollte er unbedingt hin, weil er hoffte, dass sich dort ganz Neues für ihn auftun würde. Die Wende, wie er das auch nennt. Rilke hat immer nach der Wende gesucht, aber besonders in Nordafrika, in der Hoffnung, dass es dort eine ganz andere Kultur gibt, die ihn so beschäftigen würde, dass er ganz neue Schreiben denken wird. Und das ist ihm ansatzweise gelungen, aber dann doch nicht. Und dann saß er da in Nordafrika und hatte kein Geld mehr und wusste nicht, wie er nach Paris zurückkommen sollte. Es gibt sozusagen in der Biografie, in Ihrer Biografie, einige verschiedene Stationen durch Europa, wo man auch ein wenig darüber erfährt, wie es atmosphärisch in diesen Städten wird, das Zusammenleben. Sie haben es kurz angesprochen, das deutsch-tschechische Prag zum Beispiel. Welche Literatur gab es da? Welche welche Themen, welche Tschechienbilder und so weiter werden verhandelt. Eine weitere Dimension in dieser Biografie, die sich über das Erzählen des rilkischen Lebens mitkommuniziert, ist auch, dass man aus meiner Sicht viel Geistesgeschichtliches, Kulturgeschichtliches der Zeit mitbekommt. kulturgeschichtliches der Zeit mitbekommt. Eines haben Sie jetzt angesprochen, es gab einen großen Ägyptenboom, eine große Ägyptenrezeption um 1900, 1899 ist der Stein von Rosetta entdeckt worden, die Tutenicher Mondgräber in den 20ern, also dieses Orientalische war schon sehr wichtig, also nicht nur bei Rilke. Sie haben angesprochen auch die Reformpädagogik, die wichtig war für Rilke, die einen großen Eindruck hinterlassen hat. El Kies, so ein bisschen das Äquivalent von Maria Montessori kann man vielleicht sagen. Und ein Aspekt, der auch einen, also das nur um darauf hinzuweisen, dass man sehr viel Inter, die auch mit kulturgeschichtlichem, atmosphärischem der Zeit zusammenhängt, sind die Kuren, das Lebensreformerische. Wir kennen das aus dem Zauberberg von Thomas Mann. Das ist irgendwie dieses große literarische Denkmal der Gesellschaft natürlich auch, der Luftkuren. das aber schon früher der Fall, das hat schon früher im Werk seine Spuren hinterlassen. Vielleicht können Sie noch ein bisschen etwas darüber erzählen, wie in dieser Zeit, welche Bedeutung diese, welche Art von Auseinandersetzung mit dem Körper geistesgeschichtlich in der Zeit gerade typisch war oder dominant war und welche Bedeutung hatte das jetzt für den Menschen Rilke, der Körper und dann wiederum auch für den Autor Rilke? Ich glaube, dass das sehr zentral ist. Was auch daran liegt, dass Rilke schon dominant Lyriker war. Ein Prosa- Autor hat vielleicht ein bisschen ein anderes Verhältnis zum Körper, aber ein Lyriker muss ja vor allem auch auf Melodien achten und auf die Frage, wie auf kleinstem Raum Sprache funktioniert und zusammenkommt. Und es gibt in der Tat im Buch ein Kapitel über Rökes Kuren. Auch das ist sehr ernst gemeint. Also er war nicht nur in großen Städten, sondern er kannte auch sämtliche Kurorte Mitteleuropas und konnte wahrscheinlich die Ärzte alle mit Namen nennen und wusste sehr genau, wer nun fortschrittliche Kuren anbot und wo man hingeht. Hat das auch sehr genau sich angeschaut. Also Bad Rippolzau war so ein Ort, den er sehr schätzte. Und es begann im Grunde in Dresden bei Heinrich Lahmann. Kafka schätzte Müller und die Gymnastik und Rilke also Heinrich Lahmann. Heinrich Lahmann hat Kochbücher veröffentlicht. Man kann nach Lahmann kochen. Das war schon gedünstet, sozusagen die Kunst des Dünsten hat Lahmann gepredigt. Und das wollte also Rilke nun auch immer und hat seine jeweiligen Köchinnen darauf verpflichtet. Das war eigentlich ganz gut, nicht? Ja, schon wirklich sehr gut. Aber es blieb nicht dabei. Lahmann hat auf den ganzen Körper geachtet. Rilke fährt mit seiner Frau nicht in die Flitterwochen, sondern zur Kur nach Dresden. Er hatte gerade Scharlach gehabt und so und musste sich jetzt erholen. Also sagten die Schwiegereltern jetzt zur Kur nach Dresden. Und da es ihm nicht gut ging, musste er auch eine strenge Kur machen. Und Clara achtete darauf, dass er also alles günstig befolgte. Er jammerte natürlich trefflich und fühlte sich also den Ärzten unterworfen. Aber Attention, das führt tatsächlich literarisch auch zu etwas. Wir haben das Kochen, wir haben das Luftbaden, das Barfußgehen, alles überaus wichtig für ihn. Bei Luftbaden hieß, möglichst wenig anhaben und sich der Natur eröffnen, auf die Atmung achten, Gymnastik machen. Und dieses Atmen, lesen Sie mal die Duineser Elegien, schon die erste Elegie, ganz aufmerksam, es geht immer um die Atmung. Schon die erste Elegie, ganz aufmerksam, es geht immer um die Atmung. Und es gibt eine Szene, die liest sich so wie seine Beschreibung des Luftbadens. Also die Arme ausstrecken, werden wie ein Vogel und alles geht ganz leicht. Das ist eins zu eins, so wie er in Briefen sein Luftbaden beschreibt. Und natürlich, es ist die Atmung, die ein Gedicht auch ausmacht. Wann atme ich? An welcher Stelle? Was ist der Rhythmus des Gehens, des Laufens, des Atmens? Hölderlin ist gerannt zum Teil, weiter Läufer, Rilke auch, hat es gemacht wie Hölderlin und hat seine Rhythmen geklopft und dabei eben geatmet. Gelaufen ist er barfuß und es gibt ein zauberhaftes Gedicht, das heißt, und sieh wie unser Füße leben geht. Mehr muss ich beinahe nicht sagen, die Füße erspüren die Welt und so. Und anders als Thomas Mann, der im Zauberwerk ja eine durchaus bissige Darstellung der Chorgesellschaft bietet, nimmt Rilke das wirklich ernst. Also ein Pilgermorgen heißt eines dieser Gedichte, wo man das Gefühl hat, man denkt, da kommen die Chorgäste vergiftet an im Sanatorium und dann legen sie sich auf die Liegen und nach und nach geht es ihnen wirklich besser. Also Rilke ist durchaus ein Papst des Kurens vor Thomas Mann. Der Körper ist und bleibt ihm ausgesprochen wichtig und er lebt bis zum Lebensende immer wieder, versucht es, versucht gesund zu leben, versucht viel spazieren zu gehen, er trinkt so gut wie keinen Alkohol, das tut er schon sehr lange, er lebt weitgehend vegetarisch, also all das, was eigentlich dem Körper gut tut, trotzdem stirbt er früh, aber das ist noch eine andere Geschichte. über das Private, über die Literatur, über den Körper gesprochen. Ich denke aber trotzdem, dass man über diese Biografie, ein Leben in dieser Zeit nicht sprechen kann, ohne auch die große Zäsur zu erwähnen, den Ersten Weltkrieg, diese große Zäsur der Nationalismen, der Gewalt, all dieses. Wie hat sich das für Rilke dargestellt? Rilke hat den Ersten Weltkrieg in Deutschland erlebt. Er war in Leipzig bei seinem Verlegerpaar. Also der Inselverlag war in Leipzig und er war immer wieder dort zu Gast. Das hat der Verleger geschickt gemacht, weil er nämlich immer dafür gesorgt hat, dass Rilke in Leipzig seine Texte auch zu Ende schreibt. Von alleine klappte das nicht unbedingt immer, aber wenn er dort war, wurde er also beendet. Und nun kam er in Leipzig, anlas die erste und die zweite Dueneser Elegy, die da schon fertig waren. Und man war erhaben gestimmt und dann brach der Erste Weltkrieg aus. Zunächst hielt man das für ein Versehen, aber dann plötzlich Rilkefuhr nach München sah, auf den Bahnsteigen die Soldaten, die sich verabschiedeten von ihren Frauen, Freundinnen und war also ganz mitgerissen und hat fünf ziemlich unglückliche Gesänge über den Ersten Weltkrieg geschrieben. Die sind sehr enthusiastisch pro Weltkrieg. was das eigentlich bedeutet, dieser Krieg. Da kämpfen Freunde gegen Freunde, Nachbar gegen Nachbarn. Da gibt es Tote und schon da versagt ihm die Schreibstimme. Und er publiziert im Ersten Weltkrieg fast nichts. Auch das Notizbuch, wir haben jetzt ja die Notizbücher und können das nachvollziehen. Die Notizbücher in dieser Zeit, in den Jahren, sind fast leer. Sie enthalten nur Beschreibungen, wo er jetzt in welchem Salon ist, mit wem er sich trifft und gelegentlich mal etwas Literarisches, aber wirklich fast nichts. Also er hat in der Zeit offenbar viel gelesen, viel wahrgenommen, er war oft bei Vorträgen, aber er konnte einfach nicht schreiben, weil ihn das so behindert hat, solche Schwierigkeiten gemacht hat, dass da sehr viele Menschen sterben und dass eine Situation da ist, wie er sich nie hätte ausmalen können. neben Rilke war, kein politischer Dichter, aber ein politisch sehr sensibler Mensch. Der hat vier Zeitungen am Tag gleichzeitig gelesen, er hat sich mit der Situation auseinandergesetzt und immer wieder gehofft, dass irgendwas passiert. Passierte aber nicht, bis dann irgendwann nach vier Jahren die Dinge sich entwickelten, wie die Geschichte es geschrieben hat und er wurde in dieser Zeit ein ganz entschiedener Kritiker der imperialistischen Staaten, kann irrsinnig schimpfen, Röck ist ein fantastischer Polemiker, also gegen Preußen, gegen Österreich, alles furchtbar. auch zum Offizier hätte ausgebildet werden sollen, wurde irgendwann eingezogen zum Kriegsdienst. Er konnte aber das überhaupt nicht leisten. Er wollte keinen Dienst mit der Waffe tun, er wollte überhaupt nicht dienen und hat alles in Bewegung gesetzt, was er konnte, ist ins Kriegsministerium gefahren, hat seinen Freundes- und Mäzenkreis animiert, Briefe zu schreiben, damit er freigestellt wird vom Kriegsdienst. Die haben das auch gemacht. Manche mit schlechtem Gewissen, weil sie eigentlich hätten dienen sollen und so weiter und sich nicht so ganz wussten. fürs Feld ausgebildet werden sollte, dann aber ins Kriegsarchiv abgezogen wurde nach Wien. Dort aber auch nicht das tun konnte, was er sollte, nämlich er sollte eigentlich Kriegsgeschichte schreiben, also schön schreiben. Er hat aber nur Gargenbögen rastiert, weil es einfach nicht ging. Und dann hat man irgendwann einen Einsinn und hat ihn tatsächlich nach Initiative des Inselverlags und vieler Mäzene und Freunde freigestellt vom Kriegsdienst. Und diese Geschichte hat ihn natürlich sehr geprägt. Er konnte dann aber trotzdem nach wie vor nicht schreiben, sondern hat sich herumgetrieben sozusagen und hat spät im Ausgang des Krieges so nach und nach wieder angefangen. Gleichzeitig haben sich in der Zeit für ihn sehr wichtige Motive geprägt. Und diese Motive ranken sich um den Begriff des Offenen. Deshalb heißt das Buch auch oder das offene Rainer Maria Rilke oder das offene Leben. Bis etwa in die Jahre 1910 war Offenheit für ihn eine große Chance, aber auch eine Bedrohung. Also offen sein für Wahrnehmungen, offen sein für Menschen, offen sein für Situationen. Da hat er zunächst oft mit Angst reagiert. Im Zweiten Weltkrieg setzt er sich sehr intensiv mit Hölderlin auseinander. Und da kennen Sie vielleicht die Verszeile, komm ins offene Freund. Mit lauter Ausrufezeichen versehen, die muss man eigentlich rufen. Und die hat ihn irrsinnig fasziniert. In der Zeit erschien auch eine neue Hölderlin-Ausgabe von Norbert von Hellingrad und jemand hielt in München Vorträge über dieses offene Leben und fantasierte das einfach weiter, diesen Begriff. über dieses offene Leben und fantasierte das einfach weiter, diesen Begriff. Und es war ein Mysterienforscher namens Alfred Schuller, schwierige Figur, kein Gelehrter, er hat sich auch der Wissenschaft eigentlich verweigert, sondern er wollte Geschichten erzählen und erzählen, wie die Gesellschaft sich revitalisieren könnte. Schuller war Antisemit, Schuller ist durch die Münchner Salons gezogen. Schuller hat die Swastika erfunden, also das Hakenkreuz, hat sie entdeckt und hat sie dann sozusagen zum großen kulturellen Symbol gemacht und hat Geschichten erzählt, wie also aus verschiedenen Momenten die Gesellschaft sich wieder revitalisieren kann. Wiederentdeckung der römischen Antike, die Entdeckung der Mehrgeschlechtlichkeit der Menschen war für Schule ein großes Motiv. Alle sollten merken, dass sie eigentlich mehrere Geschlechter sein können und dann kreativ werden und die Gesellschaft nur aufbauen. Gab es alles damals schon, was wir heute haben, ist alles nicht neu sozusagen. Und Rilke war fasziniert von diesem Schuler und seiner Idee, dass man derart offen leben konnte. Und diese Idee hat er immer wieder variiert und auch in seinen Versen nachgeschrieben. Es war auch ein anderer Mensch in den Zirkeln Münchens unterwegs und hat Schuler gehört. Und das war Adolf Hitler. Rilke nahm natürlich eine ganz andere Wendung. Hat die Begriffe und Gedanken Schulas nur so als ein Assoziationsfeld für sich genutzt, für seine Lyrik. Bei Hitler sah das dann natürlich ganz anders aus. Aber da in München schieden sich wirklich die Wege in diese oder jene ideologische Richtung und künstlerische Richtung. Und für Rilke ganz besonders. Das Offene wird für ihn zum Stichwort geradezu für alles, was er nach dem Zweiten Weltkrieg schreibt, für die Dueniser Elegien, die Sonette an Orpheus und vieles andere mehr. Weltkrieg, genau. Ich würde gerne Ihnen die Möglichkeit geben, Fragen zu stellen, wenn Sie das gerne möchten. Ich stelle vorher noch eine Frage an Sie als Autorin einer Biografie. Sie müssen ja all diese Dinge, die Sie jetzt uns auch vermittelt haben, das Geistesgeschichtliche, das Biografische, die Materialien und so weiter, in eine Geschichte bringen. Jede Lebenserzählung ist auch immer eine Geschichte. Das wissen wir auch aus der Erzählforschung. Welche Fragen haben Sie sich gestellt oder anders gefragt? Wie haben Sie die Form für diese Biografie gefunden? Sie hätten die entlang geografischer Stationen erzählen können. Sie hätten sie einfach chronologisch erzählen können. Aber Sie haben eine wesentlich komplexere Herangehensweise gewählt, die aus der Perspektive der Leserin ja auch dazu beiträgt, monologisch erzählen können, aber Sie haben eine wesentlich komplexere Herangehensweise gewählt, die aus der Perspektive der Leserin ja auch dazu beiträgt, dass man dieses umfassende Bild auch der Zeit bekommt. Wie haben Sie also diese Erzählweise für sich gefunden, diese Struktur? Also erstmal hat mich irrsinnig entlastet, dass ich wusste, dass wir ja noch eine Ausstellung planen zu Jahresende und dass alles, was nicht bei mir steht, irgendwo eine Ausstellung vorkommen wird und dass es auch noch andere Bücher geben kann und nicht nur dieses. Ich wollte eigentlich eine Biografie schreiben, weil dieser Anspruch, ein ganzes Leben zu erzählen, den fand ich immer wenig überzeugend. Man vergisst was, man sieht was falsch und so fort. Und dann habe ich mich entschieden, in Episoden zu erzählen und dann möglichst tief zu gucken. Also etwa eine Episode über das Kuren. Die findet sich in keiner anderen Biografie. Man kann natürlich solche Röke-Biografien kaufen, die sozusagen so funktionieren, er wurde geboren, kam, sah, schrieb viel und starb. funktionieren, er wurde geboren, kam, sah, schrieb viel und starb. Das wollte ich nicht so gerne machen, sondern ich wollte schauen, wie die Werke mit dem Leben zusammengehen und wo da die Gelenkstellen sind. Und diese Episoden, von denen ich den Eindruck hatte, da passiert was fürs Werk, das sind Geschichten, die man so noch nicht erzählt hat, noch nicht gesehen hat, die habe ich mir herausgesucht und die habe ich dann eben erzählt. Sei das sein Verhältnis zu seiner nicht ganz einfachen Mutter, das Verhältnis zum Vater, das Aufwachsen in Prag, das Kennenlernen auch der späteren Prager Literatur, Franz Werfe, Kafka, Brot und so fort. Und diese Geschichten habe ich versucht möglichst tief zu erzählen und nicht in einem einfachen 1919 war das und 1920 war das und dann kam das. Das fand ich nicht so schön. Die anderen Biografien, die erschienen sind, sind ja teilweise auch aus der Zeit heraus perspektiviert. Die Biografie von Lua Andrea Salome von 1928 hat ja zum Beispiel, und da merkt man natürlich auch eine methodische Patina der Zeit wahrscheinlich, einen ganz stark psychoanalytischen Blick. Also es gibt ja auch ganz verschiedene methodische Zugriffe auf so ein Leben. Ja, nur Andreas Salome war ja auch eine unmittelbar Betroffene, im positiven wie im negativen Sinn. Sie hat Röken nah an sich herangelassen, sie hat dann aber irgendwann auch gesagt, geh nach Italien und sie hat sich von ihm verabschiedet, sie hat sich von ihm getrennt. Es gibt einen sehr starken Brief, der heißt Letzter Zuruf, da sagt sie ihm, also so kannst du nicht weiterleben und so fort. Also sie war immer eine Beteiligte und das merkt man natürlich ihrer Biografie sehr stark an. Und ihre Deutung ist einigermaßen von Freud beeinflusst, aber nicht ganz radikal freudianisch. Und nur ist Hysterien weites Feld damals gewesen. Aber sie versucht das so zu machen und sagt, er ist ein Nervenmensch und aus dieser Konstellation eigentlich entwickelt sich sein ganzes Leben. Er löst die Grenzen auf zwischen Werk und Umwelt und das ist eigentlich das Entscheidende, das ist das Starke, aber noch schwieriger an ihm. Das mag so sein. Wir können heute rückblickend schwer eine Diagnose stellen. Also was er wirklich war, unter welchen psychischen Herausforderungen er gelitten hat oder nicht. Das fällt sehr schwer. kritische Sichtweise dieser Person aus diesen individuellen Voraussetzungen heraus. Sieht aber oft nicht die sehr humorvollen, ironischen, offenen Seiten Rilkes, der mit seinen vielen Verlegern, nach und nach wurde es dann nur noch Kippenberg, der mit seinen Mäzenen vor allem auch in der Schweiz ein absolut reizendes, humorvolles Verhältnis unterhielt. Rilke-Briefe können sehr lang sein und sie können dann so aussehen, dass er wunderschön über die Blumen in seinem Garten schwärmt und dann kommt, übrigens habe ich noch ein paar Wünsche, ich hätte gerne noch einen grauen Anzug und im Übrigen fehlen mehr Kerzen und so weiter. Und solche Elemente fehlen dann etwa bei Lusalomie. Jetzt ist gerade auch ein Versuch einer psychoanalytischen Deutung des Werkes wieder erschienen von Manfred Koch, der sehr stark auf die These abhebt, dass Rilke missbraucht worden sei. was wir kennen und was auch an neuem Bestand bei uns liegt. Man kann das versuchen, aber es ist eben, wie gesagt, eine sehr starke Verengung dieses Werkes, in dem sich ein Autor natürlich als junger Mann auch unter starkem Druck sieht. Der hat Angst, dass er es nicht schafft. Und der leidet sicherlich auch unter jeder Menge psychischen Schwierigkeiten. Aber irgendwann merkt er, jetzt habe ich Erfolg. Jetzt kommt der große Bestseller, die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke. Das bestverkaufte Buch und wird nach und nach sicherer und gelöster und sieht, was er alles erreichen kann und wie gut er durchaus auch ankommt. Rilke hat die Psychoanalyse interessant gefunden, als eine Art und Weise mit den Seelen umzugehen, aber bitte nicht mit seiner. Er hatte einen sehr, sehr schönen Begriff dafür gehabt. Bei der Psychoanalyse kommt hinterher eine desinfizierte Seele heraus. Das ist so einer von diesen wirklich punktgenauen Formulierungen Rilkes, die er wahnsinnig gut kann. Nicht nur das bildhafte Schreiben, was wir vorhin schon angesprochen haben, sondern auch dieses wirklich auf den Punkt, zum Teil polemische Schreiben. sondern da war auch sein Freund Viktor Emil Gebsattel, der bisher in Biografien fast nicht vorkommt. Viktor Emil Gebsatt lassen wollte und ein neues Leben beginnen wollte. Und Rilke schätzt den Geb-Sattel sehr, schätzt ihn weitaus mehr als Freud und sagt, Geb-Sattel behandelt seine Frau gut und vorsichtig mit der Psychotherapie, Psychoanalyse, wie auch immer man das Ding nennen will. Er war also, mit anderen Worten, sehr, sehr früh informiert, welche Varianten von Psychotherapie, Psychoanalyse es gab. Er hat immer sich mit Lusalomie auseinandergesetzt, die hat sich auch seine Träume durchaus mal intensiver angeschaut, aber er hat dann irgendwann dem Einhalt geboten. Weil er sagte, ich will ja schreiben. Ich will gar nicht, dass meine ganzen Neurosen oder nennen wir es nicht Neurosen, denn wir wissen gar nicht, ob es welche waren. Ich will gar nicht therapiert werden. Ich will ja ein ganzer Mensch sein mit all meinen Stärken und Schwächen und merkwürdigen Fantasien und so. Ich will auch gar kein guter Mensch werden. Sondern ich will ja Künstler sein. Der war nicht moralisch oder sowas, sondern der wollte tatsächlich an sich selbst die Ängste, Schwierigkeiten, psychischen Nöte. Als er merkt, der Cornet wird so erfolgreich, sagt der Verleger, wenn er jetzt also den Cornet all die Ausgaben aneinander stellen würde, bräuchte er 15 Minuten, um das Regal abzulaufen. Und Röke kommentiert, das ist ja ganz nett, das ist vielleicht ein Mittel gegen meine kalten Füße. Also es gibt offenbar einen Menschen, den hätte man vielleicht therapieren können oder müssen zu einem bestimmten Zeitpunkt. Aber er hat gemerkt, ich kann schreiben, immer wenn ich schreiben kann, brauche ich bestimmt keine Psychoanalyse. Dann therapiere ich mich selbst durchs Schreiben und das ist gut so. Und übrigens Freud hat ihn auch immer eingeladen, zu ihm zu kommen, aber Freud war ihm nicht geheuer. Das war ihm zu rabiat. Diese Form der Analyse mochte er nicht. So sehr er Freud auch als Person vielleicht interessant fand, was offenbar so war, wie Lu Andreas Salome jedenfalls sagt. Und das Französische begleitet ihn seit seiner Kindheit. Seine Mutter hat ihm Französisch beigebracht. Er hat vielleicht auch auf der Handelsschule noch etwas Französisch gelernt. Und in Paris natürlich, dann musste er auch. Und hat wirklich sehr, sehr gut, nahezu auf einem Erstsprachlerniveau französisch gelernt und geschrieben. Das merkt man vor allem in den späten Briefen in der Schweiz. Mit den Schweizer Mäzenen schreibt er so eine Mischung aus Deutsch und Französisch. Sehr gerne. Das gilt auch für die letzte Freundin, Ballardine Klosowska, die ebenfalls lange in Paris gelebt hat. Und irgendwann in dieser Phase, nachdem die Duineser Elegien und die Sonette an Orpheus geschrieben sind, 1922, in den späten Jahren schreibt er französische Gedichte. Er lebt natürlich auch im Wallis, um ihn herum wird französisch gesprochen. Das war ihm also sehr geläufig. Das war ihm also sehr geläufig. Und diese französischen Gedichte der Spätphase, das sind viele, das sind Zyklen. Le Finetre heißt ein Zyklus, also die Fenster und anderes über die Weinberge, über die Rosen, vor allem über die Natur. Das sind oft schlichte, kurze Texte, die es aber in sich haben. Und auch der Grabspruch, Rose, o reiner Widerspruch, steht damit im Zusammenhang. Für ihn waren die Rosen immer was Besonderes und über die schreibt er eben die französische und skandinavische Moderne miteinander verbindet, nämlich Malte Lauersbrügge. Er hat den Bestseller des Ersten Weltkriegs geschrieben, Die Weise von Liebe und Tod des Kornherz Christoph Rilke. Er ist weltweit einer der bekanntesten deutschsprachigen Lyriker, vielleicht sogar der bekannteste. Stefan George, Hugo von Hoffmannsthal sind wichtige Autoren, aber wenn Sie mal in die USA gucken oder nach Frankreich, dann wird Ihnen der Name Rilke häufiger vorkommen als die anderen beiden. Also das ist sozusagen erstmal die Prägung durch das eigene Werk. Es ist sicher auch ein bestimmter Stil, dass enjambment die vielen Auslassungen, die charakteristisch sind für sein Schreiben, haben Leute wie Paul Celan sehr geprägt und sozusagen so ein röchisches Schreiben befördert. Man hat ihn immer wieder imitiert unter den Zeitgenossen und auch später. Er war ein unglaublich wichtiger Vermittler von Literatur. Das ist ein etwas anderer Aspekt, aber mit vielen Verlegern bekannt, mit vielen Autoren bekannt. Er war beinahe der Entdecker von Proust, kann man sagen. Proust wurde ins Deutsche übersetzt, weil Rilke das gesagt hat, dass das ins Deutsche übertragen werden muss. Er hat viel Literatur aus Skandinavien, aus Frankreich, aus Italien und Russland nach Deutschland gebracht, hat selbst übersetzt oder seinem Verleger gesagt, diese Leute, die musst du jetzt drucken. Und immer einer, der vor allem interessiert war an der Avantgarde, also all dem, was wirklich sich als ernste, große Kunst inszenierte, gab, zu Recht oder zu Unrecht. Das hat ihn interessiert. Also tatsächlich einer, der durch sein eigenes Werk und durch sein Wirken im Literaturbetrieb viel angeregt hat, viel angestoßen hat. Und tatsächlich wäre Kafka aus meiner Sicht ohne Rilke nicht denkbar gewesen. Und zwar ohne den Erzähler Rilke. Die Aufzeichnung des Malte-Lures-Brigge, die zwei Prager Geschichten, Texte, die man gleich hinterherlesen kann, Texte, die man nicht verbinden würde mit einem, der mitunter etwas pathetische Verse schreibt. Also ich würde an ihrer Stelle mit den Aufzeichnungen des Malte-Laures-Brigge anfangen. Die fangen so an. Also hierher kommen die Leute, um zu leben. Ich würde ja meinen, es stürbe sich hier. Und so weiter. So, also hierher kommen die Leute, um zu leben. Ich würde ja meinen, es stürbe sich hier. Und so weiter. Und dann geht es fort. Ich bin ausgewiesen. Ich habe gesehen Hospitäler. Ich habe einen Menschen gesehen, welcher schwankte und umsank. Die Leute versammelten sich um ihn. Das ersparte mir den Rest. Ich habe eine schwangere Frau gesehen. Und so weiter. Lesen Sie doch noch ein paar. Ich habe nämlich tatsächlich Sandra Richter im Vorfeld zur Veranstaltung gefragt, welcher nach dem Schreiben dieser Biografie der Text ist, zu dem sie am liebsten noch zurückkehrt. Und habe sie gebeten, einen Stelle mitzubringen, insofern es ist der Text, der am Anfang steht und am Ende der Auseinandersetzung mit Rilke. Hören wir noch ein bisschen hinein? Gerne. Ich habe eine schwangere Frau gesehen. Sie schub sich schwer an einer hohen, warmen Mauer entlang, nach der sie manchmal tastete, wie sie, um sich zu überzeugen, ob sie noch da sei. Ja, sie war noch da. Dahinter? Ich suchte auf meinem Plan. Maison d'accouchement. Gut, man wird sie entbinden. Man kann das. Weiter. Rue Saint-Jacques, ein großes Gebäude mit einer Kuppel. Der Plan gab an. Val-de-Grace, Hôpital Militär. Das brauchte ich eigentlich nicht zu wissen, aber es schadet nicht. Die Gasse begann von allen Seiten zu riechen. Es roch, soviel sich unterscheiden ließ, nach Jodoform, nach dem Fett von Pommes frites, nach Angst. Alle Städte riechen im Sommer. Dann habe ich ein eigentümlich starrblendes Haus gesehen. Es war im Plan nicht zu finden, aber über der Tür stand noch ziemlich leserlich Asyl de Nuit. Nachtasyl. Neben dem Eingang waren die Preise. Ich habe sie gelesen. Es war nicht teuer. Und sonst? Ein Kind in einem stehenden Kinderwagen. Es war dick, grünlich und hatte einen deutlichen Ausschlag auf der Stirn. Er halte offenbar ab und tat nicht weh. Das Kind schlief, der Mund war offen, atmete Jodoform, Pommes frites, Angst. Das war nun mal so. Die Hauptsache war, dass man lebte. Das war die Hauptsache. Dass ich es nicht lassen kann, bei offenem Fenster zu schlafen. Elektrische Bahnen rasen durch die Leute durch meine Stube, Automobile gehen über mich hin, eine Tür fällt zu, irgendwo klirrt eine Scheibe herunter. Ich höre ihre großen Scherben lachen, die kleinen Splitter kichern. Dann plötzlich, dumpfer, ein geschlossener Lärm von der anderen Seite, innen im Haus. Jemand steigt die Treppe. Kommt, kommt, unaufhörlich. Ist da, ist lange da. Geht vorbei. Und wieder die Straße. Ein Mädchen kreischt. Die elektrische rennt ganz erregt heran. Darüber fort, fort über alles. Jemand ruft. Leute laufen, überholen sich. Ein Hund bellt. Was für eine Erleichterung, ein Hund. Gegen Morgen kräht sogar ein Hahn. Und das ist Wohltun ohne Grenzen. Dann schlafe ich plötzlich ein. Das sind die Geräusche, aber es gibt hier etwas, was furchtbarer ist, die Stille. Ich glaube, bei großen Bränden tritt manchmal so ein Augenblick äußerster Spannung ein, die Wasserstrahlen fallen ab, die Feuerwehrleute klettern nicht mehr, niemand rührt sich. Lautlos schiebt sich ein schwarzes Gesinse vor oben und eine hohe Mauer, hinter welcher das Feuer auffährt, neigt sich lautlos. Alles steht und wartet mit hochgeschobenen Schultern, die Gesichter über die Augen zusammengezogen auf den schrecklichen Schlag. So ist hier die Stille. Ich lerne sehen. Ich weiß nicht, woran es liegt. Es geht alles tiefer in mich ein und bleibt nicht an der Stelle stehen, wo es sonst immer zu Ende war. Ich habe ein Inneres, von dem ich nicht wusste. Alles geht jetzt dorthin. Ich weiß nicht, was dort geschieht. Vielen Dank. Zum Schluss ein Eindruck der Aufzeichnung des Malte-Laures-Pryge. Vielen Dank. noch einige Primärtexte von Rilke. Also am besten kauft man beides, dann ist man gut eingedeckt mit Kontext und Primärtext. Vielen herzlichen Dank, Sandra Richter, für das Buch und für die intensiven Auskünfte über Rilke. Vielen Dank Ihnen fürs Zuhören und einen schönen Abend noch. Dankeschön.