Ich darf Sie, ich darf Euch im Namen von 52, der Vernetzungsstelle für Frauen, Inter-, Trans-, Non-Binäre- und Agender-Personen herzlich an der Kunstuni begrüßen zur Buchpremiere von Dunkelheit, ein Plädoyer von Lisa-Victoria Niedernberger. Gerne mal einen Applaus. Die Autorin wird mit Julia Grillmeier ins Gespräch gehen, ihres Zeichens Professorin an der Kunstuni, Kulturwissenschaftlerin, Literaturwissenschaftlerin, Journalistin und ich habe das Glück heute, dass ich nicht die Vorstellung machen muss, sondern nur die Begrüßung machen darf und möchte an der Stelle noch DorfTV danken, dass sie das heute aufzeichnen, der Buchhandlung Alex für den Büchertisch, wo nachher hoffentlich sehr viele Bücher gekauft und signiert werden. Und natürlich auch der Kunst-Uni Linz, dass wir heute in diesen schönen Glas-Hörsälen diese Lesung machen können. Dann sage ich danke und vielen Dank an euch beiden, dass wir das ausrichten dürfen. Danke. richten dürfen. Danke. Jetzt, oder? Cool. Danke, Valerie. Bedeutet das jetzt, wir stellen uns selber vor oder wir bleiben einfach so, wie wir sind und gehen davon aus, das reicht so? Cool. Passt total für mich. Julia, soll ich einfach? Ja, genau, wir sind davon ausgegangen, also das ist mein Buch, Dunkelheit, ein Plädoyer. Es ist tatsächlich heute erschienen. Der Verlag hat immer gesagt, erst Präsentation, direkt Erscheinungstag machen, immer ein bisschen mutig. Direkt am Erscheinungstag machen. Immer ein bisschen mutig. Hat geklappt. Buch ist da, wir sind da, ihr seid da. Dafür schon mal prophylaktisch und im Vorhinein ein großes, großes Danke auch von mir. Wir haben gedacht, die erste Frage, die man mir vielleicht stellen würde, ist, warum denn überhaupt ein Buch über die Dunkelheit? Und was ist denn diese Dunkelheit, die dieser Titel impliziert und deswegen habe ich mir gedacht, ich starte einfach sofort mit dem Lesen von einigen Passagen aus der Einleitung, um diese Frage zu klären. klären. Der Heimweg in einer mondverhangenen Nacht. Durch enge Gassen, über beleuchtete Parkplätze oder an uneinsichtigen Grünflächen vorbei. Jedes Knacken und Rascheln registrieren wir. Wir halten inne. Sind das Schritte? Als würden unsere Ohren versuchen, das, was die Augen nicht leisten können, auszugleichen. Dunkle Schatten an den Wänden, dieser schwarze Hohlraum unter dem Bett, in dem etwas lauern könnte. Es hilft gegen die Angst, gegen das Herzklopfen, die Bettdecke bis zum Kinn hochzuziehen, die Zehen festzuverpacken. Kein bisschen Körper darf der Dunkelheit des eigenen Kinderzimmers ausgeliefert sein, weil nur das die Monster abwehrt. Und manchmal zieht sich diese vage Angst bis ins Erwachsenenalter. Wie ungern ich nachts aus dem Fenster sehe. Mich ein Schauer überzieht bei der Vorstellung, draußen etwas oder gar jemanden Ungewünschten zu entdecken. Oder dieses mulmige Gefühl, wenn der Novembernebel zwischen den Gräbern wabert, das Tageslicht mit jeder Minute etwas mehr schwindet. Immer deutlicher sichtbar werden dafür all die Kerzen in ihren roten Plastikdosen und obwohl der Verstand sagt, dass von Toten keine Gefahr ausgeht, sind wir froh, den Friedhof in der Abenddämmerung hinter uns lassen zu können, empfinden wir das Licht von Haltestellenhäuschen oder Laternen, die flimmernd anspringen als beruhigend. Licht gibt uns Sicherheit, zumindest subjektiv. Dunkelheit ist Angst, Mysterium, eine fremde Welt, die scheinbar nicht uns gehört, sondern den Unholden, lebend oder tot, seltsamen Tieren, die wir nicht verstehen, vor denen wir uns fürchten oder ekeln, Monster, Schatten. Dunkelheit und dunkle Nächte sind unheimlich, also entreißen wir sie dem Dunklen. Wir entdeckten vor langer Zeit das Feuer, das dank Blitz und Waldbrand einfach da war, nahmen es mit, bauten eine Feuerstelle, nährten es und scharrten uns um es herum. Seitdem ist es eine der Bestrebungen des Menschen, die Wärme und das Licht, das uns das Feuer bringt, zu zähmen, zu optimieren. Kälte und Dunkelheit immer effizienter zu verdrängen. Das Licht muss heller, greller, lauter, besser werden. Das warmflackernde Licht des Urfeuers der frühen Menschen ist in der Gegenwart jenem der LEDs und leuchtenden Displays gewichen. Wir machen die Nacht zum Tag mehr denn je. Wir beleuchten unsere Gärten, Häuser, Kinder im Gitterbett, Haustiere beim nächtlichen Gassegang, unsere Städte, Industrieanlagen, sogar unbespielte Stadien und seit Generationen unbewohnte Burgen tauchen wir in Licht, weil Beleuchtung nur nach zwei anderen Kriterien folgt. Der Ästhetisierung der Nachtlandschaft und der Demonstration von Macht und Profit. Wir beleuchten Fabrikhallen und Betriebe, Wohnungen, verlängern das Tagesende, zögern das Einschlafen hinaus, denn das ist es, was wir seit der industriellen Revolution gelernt haben. Der Wunsch nach Fortschritt und ewem Wachstum geht Hand in Hand mit einer sukzessiven Verdrängung der Nacht. Wer schläft, kann weder arbeiten noch konsumieren, noch in irgendeiner anderen Art und Weise produktiv sein. Wer in der Freizeit Teil des Nachtlebens ist, alle Angebote, die sich seit dem 18. Jahrhundert auch für das Bürgertum auftun, Jahrmärkte, Theater etc. beansprucht, kann sich durch deren Nutzung profilieren. Denn wer es sich leisten kann, an einem Dienstag bis spätnachts in der Oper zu sitzen, grenzt sich von jenen, die nachts oder frühmorgens arbeiten müssen, ab. Was aber verlieren wir? Was bleibt auf der Strecke oder sinkt zurück ins Verborgene, wenn wir die Dunkelheit immer mehr aus unserem Leben verdrängen. Wir alle, Menschen, Tiere und Pflanzen, brauchen Ruhephasen, um uns vom Tag zu erholen und zu regenerieren. Künstliches Licht in der Nacht, Fachpersonen sprechen auch von L-A-N, Light at Night oder L-N, wobei das A für Artificial, also künstlich steht, stört dabei, bringt unseren Rhythmus durcheinander. Ohne Dunkelheit, keine Ausschüttung des Hormons Melatonin. Ohne Melatonin kein guter Schlaf. Ohne ausreichend Nachtruhe geht uns wichtige Erholungszeit verloren. Dunkelheit ist kein alleiniges Patentrezept für guten Schlaf, aber ein relevanter Faktor. Dunkelheit ist wichtig. Für alle. Gleichzeitig wissen wir, dass sich das Fehlen von Dunkelheit negativ auf nachtaktive Lebewesen auswirkt. Beleuchtete Wiesen werden nachweislich weniger bestäubt. Frisch geschlüpfte Meeresschildkröten sterben, weil sie Hotelbeleuchtungen mit dem Mond verwechseln und statt ins Meer auf die Straße kriechen. Spinnen, die in Versuchung künstlichem Licht ausgesetzt werden, entwickeln kleinere Gehirne als jene, die in Dunkelheit aufwachsen. Und natürlich verlieren wir den Blick auf den Sternenhimmel. Laut Angaben des Klimaschutzministeriums ist wegen der Aufhellung des Nachthimmels derzeit in Österreich nur mehr jeder zehnte Stern sichtbar. Jeder zehnte. Ebenso geht uns das Bewusstsein über die positiven Aspekte der Dunkelheit ab, dass sie nicht nur Angstort, sondern eben auch samt warme Umarmung sein kann. Ein Schutzraum, in dem Ruhe, aber auch Zärtlichkeit, Körperlichkeit, Exzess und Selbstentfaltung zelebriert werden können. Wir vergessen, dass Dunkelheit und dunkle Nächte uns von Anfang an in die Arme der Gemeinschaft getrieben haben. Das Lagerfeuer, der Herd, der vereinigearbeitete Lampenschirm im bürgerlichen Salon, sie alle sind die Dreh- und Angelpunkte von Versammlungen, die Orte, an denen Geschichten erzählt, Pläne geschmiedet, zwischenmenschliche Bänder geknüpft und Visionen gesponnen werden. Dunkelheit bedeutet auch Ruhe, bedeutet in sich gehen, bedeutet Pause und Sicherheit. Denn Dunkelheit ist ambivalent. Eine dunkle Gasse ist bedrohlich, eine dunkle Höhle aber, in die man sich kuscheln kann, wirkt gemütlich und wird auch von Kindern gern aus Sofas, Bettwäsche oder Polstern gebaut. Dunkelheit ermöglicht Rückzug, oder Polstern gebaut. Dunkelheit ermöglicht Rückzug, Innenschau und macht Lust auf Geschichten. Was würde also geschehen, wenn wir beginnen, das Licht, das unsere Tage künstlich in die Länge zieht und unser Nachthimmel aufhält, nicht nur kritisch zu hinterfragen, sondern auch der Dunkelheit wieder mit Neugier zu begegnen. Wenn wir der Dunkelheit wieder Raum geben, unsere Ängste vor Verbrechen, Tod und Schatten zulassen und adressieren, anstatt sie wegzuschieben. Über all das habe ich nicht immer schon, aber immer wieder nachgedacht. Ebenso über das Privileg von Licht, als mir erstmals klar wurde, dass auch Licht wie alle anderen Ressourcen auf diesem Planeten zutiefst unfair und ungerecht verteilt ist. Denn trotz der weitreichenden Verbreitung von künstlichem Licht ist der Zugang dazu global oft keine Selbstverständlichkeit. Während in Industrieländern die nächtliche Beleuchtung allgegenwärtig ist, gibt es in vielen Regionen Afrikas, Südasiens und Lateinamerikas immer noch Millionen von Menschen, die von zuverlässiger Stromversorgung abgeschnitten sind und weiterhin auf alternative Lichtquellen zurückgreifen müssen. Diese ungleiche Verteilung hat soziale und wirtschaftliche Folgen, denn der Zugang zu Licht ist eng mit dem Zugang zu Bildung, Sicherheit und wirtschaftlichen Möglichkeiten verknüpft. Dunkelheit ist aber nicht nur eine sternenklare Nacht, ein finsterer Wald oder ein schauriger Keller. Dunkelheit ist auch ein innerer Zustand. Im Zuge der Recherche für dieses Buch stoße ich auf Carl Gustav Jungs Schattentheorie. Sie ist ein zentrales Konzept seiner analytischen Psychologie und bezieht sich auf jene unbewussten Teile unserer Persönlichkeit, die wir oft verdrängen oder verleugnen. Jung nennt diesen Teil der Psyche den Schatten, da er sich im Dunklen unserer bewussten Wahrnehmung befindet, jener Teil unseres Ichs also, den wir nicht bewusst akzeptieren oder anerkennen wollen. Ich begegne meinem und dem Schatten anderer intensiv in einer der dunkelsten Phasen meines Lebens. Als mein Vater starb, fragte ich mich, ob das nun das Schlimmste war, das mir jemals passieren würde und ob ich die Dunkelheit, die ich seitdem in mir spürte, irgendwann wieder verlieren würde oder ob sie mich nun für immer von allen trennen würde, die noch nicht wissen, wie es ist, ein Mitglied aus dem engsten Kreis zu verlieren. Ich fragte mich, ob meine Angst vor dem Tod vielleicht ausgeprägter war als die des Durchschnittsmenschen, als ich mit 30 wieder begann, mit brennendem Badezimmerlicht und offener Schlafzimmertür ins Bett zu gehen, weil ich mich sicherer fühlte, beschützt vor Albträumen von meines Vaters Leiche oder irgendeinem schemenhaften Rest von ihm, der seine Wohnung, in der ich jetzt lebe, daheim suchen könnte. Ich fragte mich, ob Angst vor dem Tod die Steigerungsform von Angst vor dem Dunkeln sein könnte. Oder ob Angst vor dem Dunkeln immer auch automatisch Angst vor dem Tod ist. Denn was ist der Tod anderes als ewige, dunkle Ungewissheit? Die Nacht, die Dunkelheit, ist also seit Menschengedenken auch ein Angstort. Sie wird mit Tod, mit Verbrechen, Mord, Einbruch und Vergewaltigung assoziiert. Das sind Ängste, die adressiert werden müssen, denn es werden sich nur jene für die urbane Dunkelheit stark machen, die sich in ihr sicher fühlen. Dunkle Nächte können uns und die Lebewesen, mit denen wir sie teilen, gesünder machen. Sie können uns helfen, Ressourcen zu sparen und damit den CO2-Ausstoß und Kosten für Energieversorgung zu senken. Es ist zu hell. Das ist keine Meinung, das ist ein Fakt. Es gibt Messungen, die zeigen, dass manche Straßenlaternen bis zu 300 Mal heller sind als das Licht bei Vollmond. Und das jeden Tag. Nächtliche Beleuchtung macht uns krank. Was dagegen helfen würde? You guessed it! Das Licht abzuschalten, zu dimmen zumindest teilweise und kritisch zu hinterfragen, was brauchen wir wirklich, wo schießen wir das Ziel hinaus? Zur Orientierung, derzeit werden etwa 20 Prozent des globalen Energieverbrauchs dafür verwendet, um die Nacht zu erhellen. Eine Rückkehr zu dunkleren Nächten könnte also auch gleichzeitig und mit verhältnismäßig geringerem Aufwand viele der dringenden Probleme unserer Zeit bekämpfen. Dazu braucht es am besten internationale und gemeinschaftliche getroffene politische Entscheidungen, die statt Partikularinteressen jene der Allgemeinheit und der Umwelt vertreten. Es braucht aber auch BürgerInnen, die über den Wert dunklerer Nächte informiert sind und diese einfordern. Dieser Essay zeigt, welche unterschiedlichen Felder von nächtlicher Beleuchtung und Lichtverschmutzung betroffen sind, schlägt Alternativen vor, wagt Gedankenexperimente. Er ist aber gleichzeitig ein Liebesbrief an die Dunkelheit, eine Einladung hinzuschauen, sich nicht abzuwenden von Ängsten vom Tod und der Finsternis, sondern in die Schmerze zu blicken, an die ungeliebten finsteren Orte in uns selbst zu gehen. Vielleicht finden wir auch dort unerwartet Schönes. Danke. Vielen Dank und auch von mir ein Hallo und vielen Dank, dass ich da sein darf. Es ist eine Freude. Keine Sorge, dass ich mich jetzt ins Gespräch einschalte, heißt nicht, dass Sie nicht weiter aus dem Buch hören, sondern wir haben uns das so gedacht, dass wir dazwffentlich so ein bisschen durchtragen, weil das passiert ja eigentlich auch in Dunkelheit ein Plädoyer. Und da ist eh schon sehr gut rausgekommen, glaube ich, jetzt im Prolog, inwiefern das ein Plädoyer ist. Aber bevor wir da weiter über die Dunkelheit als Phänomen sprechen, ich habe mir dann gleich gedacht beim Hergehen, die Dunkelheit als Phänomen sprechen. Es ist ja, ich habe mir dann gleich gedacht beim Hergehen, wie wird das hier beleuchtet sein, so direkt nach der Lektüre von einem Buch, weil es ist ja was, wo man sehr selten dran denkt und dann denkt man auf einmal ständig dran. Und eben Dunkelheit ist eben so auch was Großes, da kann man von so vielen Aspekten draufschauen und ich wollte dich einfach gern eingangs fragen, wie denn da so deine Herangehensweise war zu sagen, Dunkelheit ein Plädoyer, aber wie macht man das dann, wenn man es dann ja überall auf einmal sieht eigentlich, oder? Ich glaube, das ist wie bei jedem Thema, wie du eh schon angesprochen hast, sobald man beginnt, sich für etwas zu interessieren, ist es dann auf einmal überall und man sieht überall Dinge, die dazu passen und man bekommt auf Instagram auf einmal lauter Sachen vorgeschlagen, die dazu passen und wenn es dann so ist wie bei mir, man hat dann einen google alert zum thema lichtverschmutzung und bekommt dann pro tag noch fünf e mails und zurück glaube ich muss ich sagen also das ist ja nicht mein erstes buch das sich mit dunkelheit und mit nacht mit lichtverschmutzung mit nachtaktiven tieren mit dem wert der dunklen Nächte für Ökosysteme, aber irgendwie auch kulturell auseinandersetzt, sondern das zweite, dem voraus geht ja ein Kinderbuch. Wie praktisch, dass da dieser Büchertisch ist, helle Sterne, dunkle Nacht, das letztes Jahr erschienen ist. Und die kürzeste Erklärung ist, glaube ich, einfach am Ende des Kinderbuchs war noch sehr viel Recherche über. Und ich weiß nicht, also du kennst das als Forscherin auch sicher, wenn man mal irgendwie in einem Thema so richtig drinnen ist oder für ein Thema richtig brennt und da der Hyperfokus irgendwie sehr stark ist und das persönliche Engagement und auch die aufgewendete Zeit sehr intensiv schon ist, dann ist es oft sehr schwer, das Thema loszulassen oder zu überlegen, aber eigentlich habe ich doch da noch so viel zu sagen. Und das war eben das Gefühl, das ich hatte. Also im April 2024 ist das Kinderbuch erschienen, im Mai habe ich den Vertrag für das unterschrieben, im Juni habe ich zum Schreiben begonnen. Also es war wirklich quasi noch sehr frisch alles und die Recherchearbeit hat schon, keine Ahnung, 2021, 2022 oder so begonnen, aus persönlicher Betroffenheit übrigens von Lichtverschmutzung, die mir erst gezeigt hat, okay, Dunkelheit ist etwas, über das man nachdenken kann, Dunkelheit ist etwas, das man vermissen kann, wenn es einem plötzlich genommen wird. Auch das ja irgendwie nicht selbstverständlich. Das sind, glaube ich, über Dinge, die in Ordnung sind, denkt man ja auch oft nicht nach, sondern es muss immer erst irgendeinen Störfaktor oder irgendeinen Impuls von außen geben, dass man beginnt, über irgendetwas nachzudenken. Und bei mir war das eben, ich kann es eh sagen, weil es steht im Buch, die Beleuchtung vom TNF-Durm von der JKU, die ich als sehr grell und hell empfunden habe und die für mich dazu geführt hat, dass ich überlegt habe, okay, gibt es eigentlich, ich weiß, es gibt ein Lärmschutzgesetz, es gibt Gesetze gegen Luftverschmutzung, gibt es eigentlich auch etwas, das mich vor dem schützt, einem zu viel an Licht ausgesetzt zu sein. Das gab es damals nicht, habe ich gelernt. Aber ich bin sofort in so ein Recherche-Loch gefallen und habe dann begonnen, auf YouTube sehr viele Dokus zu schauen. Das war auch während Corona, da hat man dann sehr viele Dokus geschaut und sehr viele Online-Vorträge. Und bin auf dem Thema einfach, wie man so schön sagt, total bitten geblieben und habe dann auch gelernt, okay, das kann man sich aus der naturwissenschaftlichen Ecke anschauen, aber auch, was mir sehr wichtig ist und was mich sehr interessiert aus einer künstlerisch-kunstgeschichtlichen Ecke, was es leider nicht ins Buch geschafft hat. was es leider nicht ins Buch geschafft hat. Aber die Ästhetik des Dunklen und wie das Dunkle auch inszeniert wird in der Popkultur hätte mich auch wahnsinnig interessiert. Aber weil du gefragt hast, irgendwo muss man Grenzen setzen, das war eine der Grenzen, die ich gesetzt habe. Keine Popkultur in diesem Buch, dafür aber auch ein Kapitel, das sich besonders mit genderspezifischen Sicherheits- und Unsicherheitsgefühlen in der Nacht beziehungsweise in der Nacht im öffentlichen Raum auseinandersetzt. Auch das ist einfach ein Herzensthema von mir. Und dann noch ein Kapitel über Schlaf und Nachtarbeit, weil natürlich, wer sich mit Dunkelheit auseinandersetzt, stellt sich früher oder später die Frage, wie wird denn Nacht genutzt eigentlich von uns als Menschen, naja, primär schlafend oder arbeitend. Und dann natürlich, wie in der Einleitung schon angeteasert, am Tod bin ich nicht vorbeigekommen. Also das war für mich unverhandelbar, dass der Tod als etwas kitschig formuliert, aber halt dann doch ultimatives Dunkel da auch seinen Raum drinnen haben muss unbedingt und dann werden die Grenzen eigentlich sehr schnell klar und das Gute ist ja, irgendwann sagt dann ein Verlag auch, naja, wie viele Seiten soll denn das ungefähr haben und du sagst dann, naja, ungefähr 200 und dann hast du auch schon so einen Rahmen und es sind jetzt eh 250 geworden, aber Ja, wir werden glaube ich auch dann noch hören, eben diese verschiedenen Aspekte, die du jetzt auch genannt hast, wie die ineinandergreifen. Die Popkultur hat es nicht reingeschafft, aber ja durchaus so etwas wie eine Kulturgeschichte des Beleuchtens, sagen wir jetzt mal. Und insofern auch der Dunkelheit, weil das ist ja auch ganz interessant, jetzt auch schon in deinen Ausführungen klar geworden, das sind ja nicht Phänomene, die ohne einander auskommen. Und heute ist ja nicht nur der eigentliche Erscheinungstag, sondern heute ist ja auch Tag-Nacht-Gleiche, was ein interessanter Tag ist, um über dieses Buch zu sprechen. Heute ist auch Welttag des Glücks oder des Glücklichseins. Also auch ein super Tag, um eine Buchpräsentation zu haben. Genau, also es ist der perfekte Zeitpunkt. Genau, vielleicht werden wir dann eh noch in weiterer Folge auch sehen und können darüber sprechen, wie diese Teile auch ineinander greifen. und können darüber sprechen, wie diese Teile auch ineinandergreifen. Aber weil du es jetzt schon angeteasert hast, vielleicht so im, wir sind ja wie vorgestellt von 52 hier auch in diesem feministischen Kontext. Und das ist dir ja auch so in der Ausrichtung, sage ich jetzt mal, all diese Aspekte eigentlich sehr wichtig oder prägt dieses Buch sehr stark. Auch so schon schielend auf das nächste Kapitel, woraus du uns lesen wirst. Was ist es denn da, was dieses, du hast schon im Prolog haben wir schon gehört, Licht bedeutet Sicherheit, beziehungsweise wir haben es so gelernt, dass Licht ist gleich Sicherheit. schwierig verhandelbar gefunden, Lichtverschmutzung. Also gerade Straßenbeleuchtung im öffentlichen Raum, da kam eben diese Sicherheitsthematik und vor allem auch dieses Sicherheitsgefühl von Frauen im öffentlichen Raum ist da sofort am Tapet. Und darum ist das wahrscheinlich auch so früh im Buch, oder? Also das ist irgendwie was, was, wenn man sich ein bisschen mit Lichtverschmutzung schon beschäftigt hat, aus feministischer Sicht eigentlich sofort da ist. Ja, weil sehr oft irgendwie dieses Missverständnis dann entsteht und ich habe ja einige Interviews gemacht für das Buch, Expertinneninterviews mit Menschen aus verschiedenen Branchen, unter anderem auch mit Annette Kropenisch, das ist eine deutsche Ökologin, die eines der ersten deutschen Bücher zum Thema Lichtverschmutzung geschrieben hat. Licht aus, großartiges Buch, am besten nach dem sofort lesen. Leider nur mehr als E-Book erhältlich, shame on you, Rowold. Jedenfalls, Annette Kropenisch, die macht eben Vorträge über Lichtdesign und berät halt auch Gemeinden und Unternehmen über besseres Licht. Und sie sagt, also besser im Sinne von insektenfreundlicher, mehr on point Licht nur dahin, wo man es braucht, weniger Skyglow etc. Und die sagt, das meiste, was ihr passiert ist, wenn sie sagt, ja, wir könnten doch da die Beleuchtung reduzieren, dass dann plump, aber doch am Ende quasi die Argumentation ist, ja, aber was ist denn mit den Frauen? Sollen dann jetzt alle Frauen vergewaltigt werden? Das ist wirklich in vielen Köpfen. Und sie sagt, sie erlebt das auch auf Social Media sehr oft, wenn sie Beiträge zahlt, ja, wir müssen Beleuchtung reduzieren. Ja, aber wir müssen doch die Frauen beschützen. Und auch in den Dialogen, die ich geführt habe, wie ich erzählt habe, jetzt gibt es ja dieses Kinderbuch und ich mache jetzt noch dieses Dunkelheitsbuch für Erwachsene. Ja, aber wenn wir jetzt in der Stadt überall abdrehen und dann muss man immer sagen, ja, aber es redet ja niemand von, wir müssen überall abdrehen. Es geht darum, bewusste, informierte Entscheidungen zu treffen. Und es geht darum, kritisch und vor allem auch aus feministischer Perspektive, und das ist es, was ich im ersten Kapitel versuche, zu rekonstruieren, ob diese Angstorte, die wir kennen und die sicher sehr genderspezifisch kodiert sind, die diskutiert sind, tatsächlich auch Tatorte sind und wie viele von diesen Unsicherheitsgefühlen im öffentlichen Raum subjektiv sind und was man da generell dagegen tun könnte. Und aber auch, und das ist, du hast es schon angesprochen, es gibt so etwas wie eine, ich nenne es auch so, eine kleine Kulturgeschichte der künstlichen Beleuchtung, Ich nenne es auch so eine kleine Kulturgeschichte der künstlichen Beleuchtung, wo man sieht, dieses angelernte Verhalten von Frauen im öffentlichen Raum ist etwas historisch Gewachsenes, voriert oder versucht nachzuvollziehen, wie Beleuchtungsentscheidungen im 19. Jahrhundert und wie die sozial kodiert, also wie die dazu geführt haben, dass die Nutzung des nächtlichen öffentlichen Raums sozial kodiert ist und gegendert ist, wie das auch heute noch unser Verhalten beeinflusst. Indem man zum Beispiel eben sagt, okay, diese Opfertäterumkehr, die wir ja oft noch haben, besonders wenn dann was passiert, so ja, warum war sie denn dort? Das kann man sehr gut rekonstruieren. Das kommt eben aus der Zeit des bürgerlichen Geschlechtermodells, wo ganz klar gesagt worden ist, okay, der Ort, der der Frau zugeschrieben wird, ist das Private. Und diese Denkweise prägt immer noch, wie wir auch heute den nächtlichen öffentlichen Raum nutzen. Und das ist wahnsinnig spannend, aber in dieser Verkürzung hier jetzt ein bisschen herausfordernd. Aber eben interessant und wichtig. Nein, es ist, finde ich, auch sehr interessant gleich damit zu beginnen, wie du es eigentlich machst mit dem Buch, weil Lichtverschmutzung ist eben eine Umweltverschmutzung, sage ich jetzt mal, mit dem man weniger vertraut ist. Aber du beginnst eigentlich schon auch mit einer Definition und mal, was ist überhaupt das Problem? Aber dann auch schon, was sind so Einwände dagegen, die ja auch durchaus kulturell sind? oder nicht nur natürlich eben diese wirklichen Rollenbilder, aber auch diese Konnotationen, die da entstehen, die ästhetischer Natur sind, aber natürlich auch so eine Hierarchisierung der Gesellschaft wie Inhalten. Also das finde ich sehr spannend. Aber ja, magst du? Ich mag was daraus lesen. Ich muss aber kurz vorher erklären, was ich jetzt lese, weil das Buch hat mehrere, das Buch beinhaltet Texte mehrerer Genres. Es ist prinzipiell ein Essay und das, was ich in der Einleitung vorgelesen habe, gilt quasi auch als Essay. Aber ich habe am Ende dieser Kapitel immer eine andere Textsorte angefügt. Wir nennen das in der Einleitung die Utopien, weil es mir ganz wichtig war, nicht einfach nur Vorschläge zu machen, wie könnte es denn anders sein, wie könnten Städte und wie könnte das alles auch sein, sondern quasi die Lesenden mit konkreten Bildern und mit konkreten Geschichten aus diesen Kapiteln zu entlassen. Und deswegen gibt es am Ende eines jeden Kapitels so einen Bonus, der vieles noch einmal zusammenfasst, was im Kapitel passiert ist und das Ganze fiktionalisiert. im Kapitel passiert ist und das Ganze fiktionalisiert. Und da geht es unter anderem auch sehr viel, das sage ich jetzt vor kurz, darum, dass ich mir einen anderen Umgang mit sexualisierter Gewalt wünsche, weil natürlich, wenn es um Sicherheit und Unsicherheitsgefühle im öffentlichen Raum geht, dann müssen wir auch über sexualisierte Gewalt sprechen und dann müssen wir auch darüber sprechen, dass die Annahme für Frauen, für Flinter, ist es im öffentlichen Raum gefährlicher als zu Hause, ist einfach ein Druckschluss, wir wissen das aus Verbrechens- und Femizidstatistiken. Leider ist es so, der gefährlichere Ort für uns ist zu Hause. Der gefährlichere Mensch ist, statistisch gesehen, jemand, zu dem wir in einem nahen Verhältnis stehen, eine Person, die wir kennen und nicht der ominöse Fremde hinter dem Busch. Das als kurze Einleitung, dass man versteht, warum es auch um sexualisierte Gewalt geht, in dem, was ich vorlese und nicht nur um verändertes Stadtbild. Freitagabend im August. Der Film ist zu Ende und als der Abspann läuft, geht sanftes, warmes Licht im Kinosaal an. Ich schiebe mich langsam und mit den anderen Kinogästen zum Ausgang und lasse die Blaulichtfilterbrille mit den orange getönten Gläsern in die Rückgabebox vor dem Saal fallen. Vor kurzem haben die meisten Kulturstätten angefangen, sie anzubieten. Anfangs von vielen als sinnloses Gadget abgetan, wurden sie immer populärer, als sich herausstellte, dass der Effekt eindeutig spürbar war. Manche RegisseurInnen beschwerten sich zwar, dass das die Ästhetik des Films beeinträchtigen würde, andere nahmen auf diese Neuerung bereits Rücksicht. So wie sich früher im 19. Jahrhundert der Kampf zwischen Gas und elektrischer Beleuchtung auch im öffentlichen Raum, insbesondere in Theatern, abgespielt hatte, ist es nun anderthalb Jahrhunderte später, auch wieder geschehen. Nur sind es diesmal die einzelnen Kulturstätten, unterstützt von Architektur- und Lichtdesignstudios gewesen, die sich in freundlicherem Licht überbieten wollten. Die Empfehlungen der Gesundheitsorganisationen gab es ja und wieder einmal war es der Kulturbetrieb, der mit gutem Beispiel und innovativen Ideen vorangehen wollte. Kommunen, Unternehmen, der Tourismus, sie alle hatten gar keine andere Wahl als nachzuziehen. So schnell nahm die Bevölkerung das neue, warme, durchdachte Licht im öffentlichen Raum an. Plötzlich häuften sich die Beschwerden über das kühle Licht, das sich besonders an und in öffentlichen Verkehrsmitteln hielt. Es mache die Leute fahrig und munter, brenner in den Augen, wenn sie doch am Heimweg entspannen wollten. Im Laufe weniger Jahre veränderte sich damit das nächtliche Stadtbild radikal. Nicht nur in Bars, Kinos und anderen Nachtlokalen wurde warmes, gedimmtes Licht zur neuen Norm, sondern auch in Bussen, Zügen und U-Bahnen. Im Foyer des Kulturzentrums biege ich statt links ins Freie nach rechts Richtung Bar ab, deren Atmosphäre sich in den zwei Stunden, in denen ich im Kinosaal gesessen bin, stark gewandelt hat. Immer schon schummrig und gemütlich ist sie nun noch ein wenig dunkler geworden. Die Musik ist ein Flüstern, alles an den schwindenden Reizen sagt, letzte Runde, 22.30 Uhr. Wer dann noch nicht genug hat, muss weiterziehen. Ich bestelle einen Sleepy-Time-Mocktail. Eins habe ich dir noch nicht erzählt, vieles eigentlich, aber nichts Gutes, sagt die Frau am Barhocker neben mir zu ihrer Begleiterin. Sie streicht mit den Fingern über den Rand ihres Glases, als legen darin die richtigen Worte. Ihre Freundin mustert sie ruhig, lässt ihr Raum, ohne sie zu drängen. Nimm dir die Zeit, die du brauchst, sagt sie schließlich, fast ermutigend. Die andere Frau nickt und setzt mit etwas mehr Entschlossenheit an. Ich habe lange überlegt, ob ich es dir überhaupt erzählen soll. Ich möchte und möchte gleichzeitig nicht. Sie hält inne, atmet tief durch und fährt dann fort. Es geht um Benji. Wir hatten letzte Woche einen heftigen Streit. Nichts Ungewöhnliches, dachte ich erst, aber dann. Ihre Worte brechen kurz ab, sie nimmt einen Schluck, bevor sie weiterspricht. Ich habe Nein gesagt, er hat nicht aufgehört. Ihre Freundin legte die Hand auf den Arm. Als er duschen war, bin ich zu meiner Nachbarin gegangen, erzähl sie weiter. Gemeinsam sind wir zur Polizei. Ich habe alles erzählt. Sie haben ihn sofort weggewiesen. Während ich im Krankenstand war, habe ich die Wohnung ausgeräumt und mich um einen Platz in diesem neuen Generationenprojekt mit den Dachgärten beworben. Du weißt schon, am Areal des alten Logistikzentrums. Ich würde dich gern umarmen. Ist das okay? fragt ihre Begleitung. Die andere nickt und beide Frauen halten sich fest. Ich ächze mein Getränk, Sauerkirsche, B-Vitamine, Hanfsaft, Hopfen, staple Münzen auf den Tresen und verlasse das Lokal. Es ist nicht das erste Mal, dass ich Zeugin zu einer Unterhaltung geworden bin. So sehr ich es hasse, hören zu müssen, was anderen Frauen passiert, immer noch passiert, trotz so vieler guter neuer Maßnahmen, obwohl die Zahlen von Übergriffen rückläufig sind, Vergewaltigungen und Femizide weniger werden, werden gleichzeitig Gespräche wie dieses mehr. Wir haben unsere gesamte Kommunikationskultur über sexualisierte Gewalt verändert, sie aus der Tabuisierung geholt. Wir schämen uns nicht mehr. Wir haben gelernt, nicht mehr zu schweigen, wenn sie uns widerfährt. Wir haben gelernt, dass Scham nur noch ein weiteres Mittel ist, um uns in der Opferrolle zu halten und das lassen wir nicht mehr mit uns machen. Wir sprechen über Vergewaltigungen, über Übergriffigkeiten, über Catcalling und Gewalt in der Partnerschaft, ohne uns klein zu machen, ohne uns vor Stigmatisierung zu fürchten. Wir sprechen über das, was uns angetan wird und zeigen damit, dass man uns wehgetan hat, aber uns weder unsere Würde noch unsere Agency genommen hat. Es ist ein Freitagabend im August. Es herrscht reges Treiben. Alle genießen die endlich erträglichen Temperaturen. Die Stadt duftet. sind die endlich erträglichen Temperaturen. Die Stadt duftet. Seit die Innenstadt autofrei geworden ist, wechseln sich Baumscheiben, Blühflächen und Gastgärten dort, wo einst Parkplätze waren, ab. Lange Schlangen vor den Eisdielen, volle Plätze, überall Menschen auf Bänken, Brunnenstufen. 22.30 Uhr. Mit einem Schlag gehen die Effektbeleuchtungen der Lokale und Geschäfte aus, nur die Straßen- und Gehwegbeleuchtung bleibt und honigfarbenes Licht gießt sich über alles. Darüber der Himmel, rosagraue Wolken, die lang ersehnten Regenversprechen, vor ihnen die blitzschnell hin und her fetzenden Silhouetten von Fledermäusen. Ich tauche meine Hände in das kühle Trinkwasser beim Brunnen an der Haltestelle, nehme einen Schluck und lege dann meine Finger in meinen Nacken, lausche dem Zirpen und Brummen der Insekten, von dem das Warten auf die Nachtbahn nun geprägt ist, seit die Wartehäuschen begrünt sind. Undenkbar wäre das vor ein paar Jahren noch gewesen, wo alle Haltestellen als Glas waren, damit nichts darin verdeckt blieb. Keine illegale Handlung, kein Übergriff, keine wohnungslose Person, die darin ungesehen übernachten hätte können. Ich nicke den beiden uniformierten NachtwächterInnen zu, der eine senkt seinen Kopf zur Begrüßung, die andere tippt sich mit zwei Fingern an den Hijab und lächelt mich an. Es war anfänglich ein ungewohnter Anblick, öffentliche NachtwächterInnen waren etwas aus der Zeit Gefallenes, aber der neue Beruf schuf nicht nur innerhalb kürzester Zeit tausende neue Arbeitsplätze, sondern half vielen BürgerInnen auch über ihre Sicherheitsbedenken hinsichtlich der reduzierten Beleuchtung und der neuen Haltestellengestaltung hinweg. Jetzt sind Teams, in denen auf eine Ausgeglichenheit unter den Gendern und Ethnien Acht gegeben wird, an ehemaligen sogenannten Angstorten positioniert. Manchmal erklären sie Ortsunkundigen die Fahrkartenautomaten oder den Weg zur nächsten öffentlichen Toilette. Manchmal leisten sie erste Hilfe bei kleineren Vorfällen oder setzen Betrunkene ins nächste Taxi. Meistens sind sie aber einfach nur da. Eine ruhige, sichere Präsenz im warmen, orangenen Licht der mit Geißblatt überwucherten Haltestellenhäuschen. Oft beobachte ich die Nachtwache auch beim Betrachten der vielen neuen Graffitis, wenn sie durch die Unterführungen schlendern wie durch eine Galerie. Die Hände hinter dem Rücken verschränkt, den Kopf schräg gelegt, wie sie einen oder zwei Schritte zurücktreten, um ein neues oder ganz besonderes Piece genauer zu betrachten. Und damit sind sie nicht die einzigen. Seit der bundesweite Aktionsplan in Kraft getreten ist, der mit Street-Art-Kursen einerseits KünstlerInnen ein Auskommen schafft und andererseits Jugendlichen eine kreative Beschäftigung anbietet, sind unter Führungen tatsächlich so etwas wie die Hotspots der Kunstszene geworden. Besonders für Mädchen und Jugendliche aus marginalisierten Gruppen hat das Angebot zu einer Möglichkeit für Präsenz im öffentlichen Raum geführt, wo früher Arme schlafen durften, Arme schlafen mussten und Menschen aus Angst vor Verbrechen schnell weiterhasteten, sind nun Verweilräume geschaffen worden, wo Kunst florieren darf. Als die Nachtbahn kommt, lasse ich mich auf einen Zweiersitz sinken und genieße den Fahrtwind, die Kühle, die durch die gekippten Fenster in den Waggon strömen kann. Auch die Beleuchtung in den öffentlichen Verkehrsmitteln wurde angepasst. Auch hier wärmeres Licht, keine Nachrichtenbildschirme mehr, weniger Reize, eine entspanntere Stimmung. Neben mir lässt sich ein Mann nieder, überkreuzt seine Beine und schlägt die Abendzeitung auf. Unsere Bundeskanzlerin sorgt mal wieder für Schlagzeilen, so wie Day es regelmäßig tut. Gerade hat Day und die linke Koalition, der Day vorsteht, so die Eilmeldung der Nachrichtenagentur, verkündet, ein 400 Millionen Euro schweres Gewaltschutzpaket zu verabschieden, dass 5000 neue Arbeitsplätze in den Bereichen psychosoziale Beratung, Jugendschutz und Männerarbeit schaffen und mit einem neuen Bildungsprogramm für die Elementarstufe aktiv gegen die Entstehung von Misogynie und anderen Diskriminierungsformen wirken soll. Der Mann neben mir nickt beim Lesen zustimmend mit dem Kopf und ich merke an meinem Spiegelbild in der Fensterscheibe der Straßenbahn, dass auch ich vor Zufriedenheit lächle. Ich spüre, wir als Gesellschaft sind auf dem richtigen Weg. Ich merke es auch, als ich an meiner Haltestelle aussteige und durch die Siedlung am Stadtrand nach Hause gehe. Jetzt das Tuch mit den hellen reflektierenden Fäden, das ich abends immer dabei habe, locker um meine Schultern geschlungen, zumindest so lange, bis ich von der befahrenen Straße weg bin. Am schwersten hatte die Bevölkerung die Verschärfungen in der Straßenverkehrsordnung angenommen. Doch die wöchentlichen Konvoidemos hörten schnell auf, als klar wurde, dass Unfälle, besonders jene, die für Fußgehende und Radfahrende tödlich ausgingen, radikal zurückgegangen waren. Die meisten hielten sich an das neue stadtweite Tempolimit von 30 kmh und die 0,0 Promille-Grenze bei Alkohol am Steuer. Das verstärkte Bewusstsein für Verkehrssicherheit hat sich fest in die Menschen eingeschrieben, auch in ihr Modebewusstsein. Ich weiß nicht mehr, wann es ihnen geworden ist, nachts reflektierende Kleidungsstücke zum Schutz vor AutofahrerInnen zu tragen. Ich weiß nur, dass die Influencer-Kampagnen vor zwei Jahren massiv zu ihrer Popularität unter Kindern und Jugendlichen beigetragen haben. Die Modehäuser sind sofort auf die erhöhte Nachfrage und den Trend aufgesprungen. Seitdem sind Sicherheitselemente besonders in den Herbst- und Winterkollektionen Standard geworden, sodass man kaum mehr Hauben, Schals, Mäntel, Rucksäcke und Regenschirme ohne Leuchtdesign sieht. Bald werden die Straßen auf meinem Nachhauseweg schmaler, gehören nun ausschließlich jenen, die zu Fuß, mit dem Rad oder mit Mobilitätshilfen unterwegs sind. Die Straßenlaternen sind hier nur ein vager, oranger Schimmer. Dicke Platanen mit ausufernden Kronen säumen meinen Weg. Igel aus den nahen Gärten huschen durch das Abstandsgrün zwischen den Häusern, indem sich hüfthoch die Wiesenblumen im Sommerwind wiegen. In der Luft hängt das melancholische Rufen eines Waldkauzes, dicht gefolgt vom durchdringenden schrillen Zischen einer Schleiereule, die Nächte gehören nun auch wieder den Vögeln. In der Tiny-House-Siedlung, die auf dem Areal eines entsiedelten Parkplatzes entstanden ist, brennt nur in wenigen der Holzhäuschen noch Licht. Schemenhaft sehe ich einige Menschen vor einer Feuerschale sitzen und reden. Ob sie manchmal auch den Blick nach oben richten? Die längste Zeit meines Lebens wäre es undenkbar gewesen, in der Stadt so einen Sternenhimmel zu sehen. Jetzt zähle ich in den wenigen Minuten, die ich brauche, um die Siedlung zu durchqueren, sieben Sternschnuppen. Undenkbar wäre früher auch für viele, besonders in den Vororten gewesen, so nahe mit ehemaligen Wohnungslosen zusammenzuleben. Für die meisten von ihnen stellen die Tiny Houses nur eine Zwischenlösung dar. Sie ziehen weg, sobald sie eins der geförderten Apartments bekommen, aber manche sind auch schon seit Jahren hier, weil sie es mögen. Niemand beschwert sich mehr, niemand hat Angst, nicht mehr so wie früher zumindest. Präventionsmaßnahmen in puncto Drogen, massives Investment in Flüchtlings- und Täterinnenarbeit, die Resozialisierung krimineller Jugendlicher und Unterkünfte für Wohnungslose haben die Straßen nicht nur subjektiv, sondern objektiv sicherer gemacht. Als die Verbrechensstatistiken Jahr und Jahr immer mehr sanken, gingen sogar den Rechten die Scheinargumente aus und sie hörten auf, über die neue Sozialpolitik zu zetern, die sie immer mehr Stimmen kostete, weil ihre Politik ohne das Feindbild Ausländer und faule Arbeitslose die Inhalte fehlten. Finanziell abgesicherte, zufriedene Menschen begehen nicht nur weniger Verbrechen, sondern wählen auch weniger Hetzparteien, wie sich herausstellte. Zugang zu geförderten, guten, günstigen und in vielen Fällen barrierefreien Wohnungen für alle, wirklich alle, auch jene ohne hiesige Staatsbürgerschaft, Alleinerziehende, Menschen mit vielen Kindern, mit Behinderungen, mit Vorstrafen, gutes sicheres Wohnen war Grundrecht geworden. Und heute sind jene, die am lautesten über die neue Wohnungspolitik gemotzt haben, auch jene, die am Sonntag, wenn die BewohnerInnen der Tiny House-Siedlung ihre Buden aufbauen, dort Kunsthandwerk, Blumensträuße und Marmeladen verkaufen, die Ersten, die dort anstehen und behaupten, sie hätten ja immer schon gewusst, dass Veränderung etwas Gutes ist. Man kann nicht anders. Man muss applaudieren. Man muss sich denken, oh Gott, da sind wir noch weit weg davon. Auch das. Genau, vielleicht eh, bevor wir über vielleicht einzelne Aspekte daraus sprechen, wie du es schon angeteasert hast, das ist ja nochmal eine ganz andere Textform. Was war denn für dich, also es besteht ja und das meinte ich auch mit durchtragen durch das Buch, du trägst uns eigentlich durch dieses Buch mit einerseits auch persönlichen Beobachtungen erlebt, Eindrücken, du hast schon angesprochen, du hast Interviews gemacht, du hast sehr viel Recherche gemacht, man lernt auch viel, also Facts und dann gibt es diese Utopien. Jetzt ist es so, dass sich die schon ineinander abwechseln, aber wenn man es jetzt liest, hat man nicht so das Gefühl, dass du das so abarbeitest, sondern es ist so sehr ineinander verwoben. Eben das meinte ich mit durchtragen. Aber kannst du vielleicht ein bisschen noch genauer darüber sprechen, was hat dich denn noch interessiert, so als eigene Motivation sozusagen auch, das dann nochmal so ganz anders zu machen? Oder was war dann noch das Schöne dran, vielleicht so zu schreiben? Also ich glaube, das Schöne dran, also diese Utopien, die haben wahnsinnig Spaß gemacht zu schreiben. Ich habe lange eine sehr gegenteilige Schreibtradition für mich irgendwie geprägt gehabt. Ich habe sehr lange sehr negative, sehr dystopische Texte geschrieben und vor ein, zwei Jahren gab es dann irgendwie so in meiner Herangehensweise ans Schreiben wie so einen Kipppunkt, dass ich mir gedacht habe, nein, ich kann keine Texte mehr schreiben, die mich noch mehr runterziehen, als es die Realpolitik oder der Blick ins Handy oder der Blick in die Zeitung eh schon tun. Es ist in vielen Aspekten, Stichwort Klimakrise oder politische Situation, es ist schon so, es brennt schon überall so. Wenn ich mir jetzt noch vorstelle, wie es denn wäre, wenn es schlimmer sein könnte, dann kriege ich einen Vogel. Also es geht nicht. Und das Schreiben ist ja ein total tolles Werkzeug irgendwie auch. Und ich merke, dass das für mich, für meine Psyche, für die Art und Weise, wie ich auf die Welt blicke und wie ich den Herausforderungen des Alltags und auch den Dingen, die politisch passieren, begegne, da gibt mir dieses utopische Schreiben wieder sehr viel Kraft, sehr viel Motivation, weil ich glaube, dass es sehr hilfreich ist, einfach sich wirklich vorzustellen und zu visualisieren, wie es denn auch gehen könnte. Und wenn man da ein bisschen in die Literaturgeschichte schaut, dann sieht man ja auch, dass Utopien quasi immer Hochkonjunktur haben, wenn die Zeiten gerade turbulent sind oder irgendwie im Umbruch befinden. Also für mich ist, ich kann mir im Moment nicht vorstellen, jemals wieder zurückzugehen zu einem dystopischen Schreiben, weil warum sollte ich das machen? Man kann nicht Zeitung auch lesen. warum sollte ich das machen? Man kann nicht Zeitung auch lesen. Und es ist einfach dieses faktenlastige Schreiben extrem interessant, aber auch auf eine Art und Weise anstrengend, die dieses fiktionale Schreiben nicht ist. Das fiktionale Schreiben ist viel, viel leichter irgendwie. Und es geht mir persönlich leichter von der Hand. Ich glaube, es geht vielen Menschen so. Und es war einfach für mich total schön, weiterzudenken und mir auch diesen Raum nehmen zu können, weil das ist ja auch nicht selbstverständlich, dass ein Verlag sagt, du kannst quasi machen, was du willst und du kannst da die Genres mixen. Und ich habe das Gefühl, ich hatte die totale Freiheit und konnte da alles machen. Und deswegen habe ich mir diese Freiheit dann auch genommen. Wenn ich versuche, es ist immer schwierig, auf das eigene Werk mit Distanz zu schauen, vor allem im Schreibprozess. Aber ich habe mir schon oft gedacht, ich versuche, dass ich das Buch schreibe, das ich gerne lesen würde. Und ich lese eben auch gern selber wieder Bücher, die mich einerseits informieren und andererseits, die mir Visionen geben oder die mich wieder hoffen lassen. Ja genau, es sind ja auch, du hast es schon gesagt, es sind dann eigentlich konkrete Bilder zu, ich meine die Fakten sind jetzt auch nicht abstrakt, da geht es ja oft sehr um wirklich empirisch darstellbare Studien, die auch mit sehr vielen, natürlich dann notwendigerweise mit Beispielen arbeiten, aber es ist doch so, dass das dann nochmal in eine Erzählung zu verpacken und auch zu sehen, da in dem Fall, was wären Lösungsvorschläge, das erzeugt eben diese konkreten Bilder. Und da sieht man ja auch schon an dieser Erzählweise, wie sehr auch diese kulturellen Aspekte, gesellschaftlichen Aspekte und auch das, was man weiß, was das physiologisch mit uns oder auch der mehr als menschlichen Natur macht, das wieder einzuflechten eigentlich in so konkrete Bilder. Und ich fand besonders auch überzeugend zum Beispiel dieses Licht mit Reizüberflutung, was irgendwie erstmal eh total naheliegend ist, wo man bei Lichtverschmutzung aber auch nicht so schnell hinkommt. Das kam für mich jetzt bei der Utopie irgendwie nochmal mehr raus als in den fachlichen Darstellungen zum Beispiel. Und ich finde, da hat es auch mehr den Platz irgendwie. Ja, und auch, sie bieten sich an zum Vorlesen. Also das ist, nicht, dass ich das beim Schreiben mitgedacht hätte, aber es lockert das Lesen im Sinne von Beilesungen, aber es lockert, glaube ich, auch das Lesen selbst auf. Und das ist, glaube ich, auch immer bei faktenlastigen Büchern gut, wenn es dann wieder mal etwas gibt, wo man weiß, okay, das kann ich jetzt einfach nur lesen um des Lesens willen, da muss ich mir nichts merken. Ja, stimmt, es macht schon was anderes. Vielleicht eh schon auch ein bisschen als Überleitung zum nächsten Teil. Diese Reizüberflutung betrifft, wie gesagt, auch uns, aber auch die nichtmenschlichen Tiere. Und es kamen da ja schon ein paar vor, also die Spinnengehirne aus dem Prolog, glaube ich, sind schnell mal Thema, Also Spinnen und Insekten und natürlich nachtaktive Tiere sind so ein, was einem auch schnell mal einfällt. Aber das hat dann auch immer so mehr Aspekte, als man denkt. Und ich finde, das kommt dann auch in diesem Kapitel eigentlich sehr heraus. Wir haben ja, wie wir wissen, eine sehr hohe Biodiversität, gerade in unseren Städten, die wir sehr beleuchten. Das heißt, wir, also wenn nicht wir, ich meine jetzt wir menschliche Stadtbewohnerinnen, teilen die ja mit sehr vielen nichtmenschlichen Stadtbewohnerinnen. Und das ist, was beim Thema Lichtverschmutzung, manchmal schaut man so ins ganz Große, Skyglow, der Himmel wird immer heller, man sieht keine Sterne mehr. Aber manchmal muss man auch so ein bisschen in der Erde graben. Das ist aber eine schöne Überleitung. Insekten und dem sich verwandt machen. Während ich das schreibe, sitze ich auf dem Fensterbrett unserer Wohnung im obersten Stock und schaue immer wieder nach draußen. Ich sehe die Stadt zu meinen Füßen, weiter hinten die Berge. Es ist Ende August, kurz vor 8 Uhr morgens. In der Luft ein Hauch von Herbst und Lärm. Also arbeite ich mit Kopfhörern, denn im Abstandsgrün zwischen unserem und dem Haus unserer Nachbarn fährt einer mit dem Rasenmähtraktor und mäht die von der Rekordhitze der letzten Wochen verdorrte Wiese. Dort steht auch ein wunderschöner Baum, mindestens 15 Meter hoch, alt, mit großen Wurzeln. Sie schlängeln sich über den Boden. Der Rasenmähtraktormann fährt wieder und immer wieder mit der Maschine über die Wurzeln und ich muss mich auf den Zettel konzentrieren, um nicht wütend aus dem Fenster zu brüllen, dass er doch bitte den Scheiß lassen soll. ungläufigen Mähintervalle nach, sehe Menschen in der prallen Sonne mit lauten Geräten ohne Gehörschutz arbeiten. Nicht nur was sie arbeiten, auch wie sie es arbeiten müssen, ist eine Zumutung. Wenn ich mir am Weg zur Straßenbahn denke, schön, endlich dürfen da mal Blumen wachsen, kann ich davon ausgehen, dass sie ein paar Tage später weg sind. Vielleicht herrscht in unseren Köpfen noch eine unzeitgemäße Vorstellung von Grünanlagen, wie sie zu sein haben, aufgeräumt und ansehnlich. Daher wird oft gemäht, was gewachsen ist, ohne Überlegung, ohne Beratung, ohne Nachhaltigkeitsgedanken. Zumindest in unserem Abstandsgrün im Außenbezirk, für dessen Pflege die Hausverwaltung verantwortlich ist. Die städtischen Parks sind schon anders. Da gibt es Feuchtwiesen, Totholzhecken, Blühwiesen. Ein guter Anfang und dennoch, ich wünsche mir einen tier- und auch menschenfreundlichen Umgang mit Stadtnatur und ein ganzheitlicheres Denken diesbezüglich. Ich muss kurz erklären, es ist ja erwähnt worden, ich habe mich mit einigen Menschen vom Fach unterhalten über Themen, die das Buch betreffen und Versiegelung. Ganz deutlich wird das bei Gewerbeparks an den Stadträndern oder in Landgemeinden, die nachts beleuchtet werden. Denn Lichtverschmutzung ist auch ein Indikator für um sich greifende Versiegelung. Wo neu gebaut wird, wird in den allermeisten Fällen auch neu beleuchtet. In der Stadt sind wir tendenziell schon Richtung Lichtsättigung unterwegs und am Land wird leider immer schneller aufgeholt. Wenn wir uns die Lichtverschmutzungskarten ansehen, können wir beobachten, dass das Licht sich von Jahr zu Jahr in die dunkleren Flecken, also in die bis dato unbeleuchtete Landschaft hineinfrisst. Das hat mit dem Wachstum der Städte und der Versiegelung zu tun. Daher wäre für mich auch Grünraumschutz ein wichtiger Aspekt der Lichtverschmutzung. Wir müssen aufhören, diese Themen so isoliert zu betrachten. Klimaschutz, Versiegelung, Lichtverschmutzung, all das hängt zusammen. So der Sachverständige, dessen Aufgabe es unter anderem ist, auch Beschwerden aus der Bevölkerung über Lichtverschmutzung nachzugehen. Um einen ganzheitlicheren Blick auf Umweltthemen werfen zu können, mangelt es meiner Ansicht nach vor allem an zwei Dingen. Erstens, Zeit und Ressourcen. Wie immer hat auch hier der Wettbewerbsgedanke seine Finger im Spiel. Wenn ein von der Hausverwaltung beauftragtes Grünschnittunternehmen LeasingmitarbeiterInnen einstellt, dann geht es nicht mehr darum, was die ökologisch richtigen Maßnahmen wären, sondern darum, so schnell, so effizient wie möglich den Job zu erledigen. Und der lautet nun mal Wiese kurz, Hecke gestutzt, Unkraut weg. Aus dem gleichen Grund, ohne Ignoranz oder Unwissen, gibt es bei uns im Viertel neuerdings viele neue Wegbeleuchtungen, die eine Katastrophe sind. Einerseits, weil sie nicht durch Bewegungsmelder gesteuert werden, sondern durchgehend leuchten und andererseits, weil das Licht nicht abgeschirmt wird und nur den Weg, also den Ort, wo es benötigt wird, anstrahlt, sondern alles rundherum. Das ist insofern problematisch, weil viele nachtaktive Lebewesen, Nachtfalter insbesondere, auf dunkle Korridore angewiesen sind, um von einer Wiese zur anderen fliegen zu können. Was passiert, wenn Nachtfalter von Licht angezogen werden, wissen wir alle. ExpertInnen sprechen nicht umsonst vom Staubsaugereffekt. Kürzlich konnte eine Studie der Uni Würzburg feststellen, Bewegungsverhalten und Orientierung von Nachtfeldern sind sogar außerhalb der Lichtkegel von Straßenlaternen verändert. Welche Konsequenzen hat es, wenn wir in die Mobilität von Nachtfaltern eingreifen? Macht eine neue Lampe im Abstandsgrün oder im eigenen Garten wirklich so einen Unterschied? Ja. Wir wissen aus Untersuchungen, dass Wiesen, die nachts beleuchtet werden, messbar weniger bestäubt werden, was zu einem Rückgang von Blüten und oder Früchten führt, die anderen Gliedern in der Nahrungskette wiederum fehlen. Auch uns übrigens. In China werden in manchen Regionen schon seit über einem Jahrzehnt Obstbäume mangels Insekten händisch bestäubt. Diese Insekten hatten, nachdem auf Anordnung Maos hunderte Millionen Spatzen umgebracht worden waren, weil sie zu viel Getreide fraßen, mangels natürlicher Feinde Überhand genommen, bis man sie diesmal mit übermäßigen Pestizideinsatz erfolgreich dahingerafft hatte. Mit dem Resultat, dass nun nur mehr der Mensch übrig bleibt, um zu bestäuben. Das könnte irgendwann überall der Fall sein. Vielen Menschen ist das entweder nicht bewusst oder eben egal. Vielleicht stehen manchen guten Entscheidungen aber schlicht und einfach die Komplexität unseres Lebens, des Miteinanders im Wege. Ich denke jedenfalls nicht, dass der oder diejenige bei der Hausverwaltung, der den Lampeneinkauf innehatte, den Einfluss des Lichtkegels aufs Ökosystem Abstandsgrün bedacht hätte oder dass es einen Sinn hätte, wenn ich mich als Anrainerin im Nachhinein nun beschweren würde. Die Investition wurde ja bereits getätigt. Eine neue Beleuchtung würde doppelte Kosten bedeuten. Ich sehe schon, wie mich meine NachbarInnen kopfschüttelnd anschauen würden, wenn ich versuche, ihnen bei der nächsten Versammlung den immateriellen Nutzen ihrer sehr realen Kosten zu vermitteln. Diese komischen KünstlerInnen höre ich sie raunen, aber vielleicht tue ich ihnen damit jetzt Unrecht. Zweitens fehlt uns meiner Meinung nach gesamtgesellschaftlich und als Individuen das, was Donna J. Haraway in Unruhig bleiben, die Verwandtschaft der Arten in Cthulhu 10 als Kinship bezeichnet, das sich verwandt machen mit Vertretern anderer Spezies. Geht es nach ihr, müssten wir uns unserer symbiotischen Beziehungen bewusst werden, die Welt wieder als jenes komplexe Gefüge wahrnehmen, das sie ist und dementsprechend agieren. Dazu braucht es wiederum Wissen über die komplexen Zusammenhänge im Ökosystem, aber vor allem Empathie. Ja, Empathie auch gegenüber Bäumen, Wurzeln, gegenüber Ameisen, Regenwürmern, Erdwespen, Wanzen und allem, was sonst noch im Abstandsgrün und anderen Wiesen lebt. Ich weiß nicht, warum du gesagt hast, in der Erde geraten. Wir brauchen sie alle. Aber während ich hier sitze und für Empathie gegenüber Wirbellosen plädiere, werden Kälber und Schweine auf Schiffen und in LKWs um die halbe Welt gefahren, um andernorts als frisch geschlachtet verkauft zu werden. Während ich über die Rettung der Nachtfalter schreibe, sterben in allen Meeren hunderte Wale, Delfine, Haifische und Meeresschildkröten als Beifang in Fischernetzen. Wir bringen wenig Empathie auf für Tiere, die uns in Sozialverhalten, Intelligenz und Anatomie so viel ähnlicher sind als jene mit Fühlern, Facettenaugen und Kittinpanzern. Und was ist mit den Menschen? Wie viele ertrinken im Mittelmeer, werden von Grenzbeamten aus der EU geprügelt, verbluten in Notaufnahmen, weil Ärztinnen sich nicht mehr wegen neuer Gesetze trauen, medizinisch indizierte Abtreibungen vorzunehmen? Wie viele Menschen fürchten sich vor Verfolgung, Flüchten vor Krieg oder Naturkatastrophen, während ich das hier schreibe? Wie kann ich einen verwandtschaftlicheren Umgang mit Insekten fordern, wenn ein Augenblick im Internet, zwei Minuten Radio hören oder Zeitung lesen, mich mit dutzenden Beispielen überfluten, die zeigen, wir Menschen, wir Schützen respektieren uns ja nicht einmal selbst. Wir haben kein Mitgefühl mehr für die Vertreterinnen unserer eigenen Art. Wie soll es damit den Tieren klappen? Den Insekten noch dazu verdienen sich viele Ekeln, die man als lästig oder als gegeben hinnimmt, in einer urbanen Gesellschaft, in der jede neue Generation mehr und mehr den Naturbezug verliert. Ich habe dann schon Theorien und Vorschläge, wie das funktionieren könnte. Ich lese erst mal vor. Es endet auch dieses Kapitel nicht in diesem, Dystopie ist es ja nicht, sondern es ist eine negative oder eine Aufzeigen, eine Bestandsaufnahme eigentlich, die halt auch sehr negative Sachen beinhaltet. Lichtverschmutzung oder anders. Die Komplexität, das finde ich, wird auch sehr deutlich, eben wir haben es jetzt schon, ich habe es jetzt schon öfter gesagt, dieses Verschränken von diesen verschiedenen Ebenen, aber auch, wie du auch schon in der Einleitung, wie du so einen kleinen Durchlauf durchs Buch gemacht hast, gezeigt hast, dass Dunkelheit ja auch Unterschiedliches bedeutet. Und da geht es auch tatsächlich um die Abwesenheit von Licht in Form von Photonen in einem Raum. Also wirklich die physische Dunkelheit sozusagen, die physikalische Dunkelheit. Dann aber auch Lichtempfinden und was das mit uns macht. Apropos, das ist ein super Stichwort, falls dich jemand gefragt hat, warum ich nie ins Publikum und warum ich nie die anschaue, ist es wegen dem Licht da drüben. Ja, das sind eben, ich hatte schon Vermutungen, dass wir auch aktuelle Lichtsituationen kommunizieren werden. Genau, und dann aber auch vielleicht noch eine Ebene, die gar nicht so unbedingt das getrennte eigene, sondern die eben auch immer wieder damit einhergeht, ist die, ich sage jetzt mal kulturelle, wo es eben auch nicht nur darum geht, wie ist unser Umgang mit Licht, im Sinne von Kulturgeschichte, der Beleuchtung, hast du schon gesagt, kommt natürlich auch vor, wie gehen wir damit um, dass, wie jetzt gerade auch klar wurde, dass so der urbane Raum so anders wird, indem man auf einmal diese Geräte hat, mit denen man sie beleuchten kann, sondern auch im Sinne von, was erweckt das Wort Dunkelheit auch in uns und mit welchen Phänomenen assoziieren wie sonst auch die Dunkelheit. Du hast eben den Schlaf und den Tod jetzt noch vor dir zum Lesen. Das sind jetzt Phänomene, die natürlich schlafen, könnte man nicht sagen, tun wir bei Nacht, insofern ist Dunkelheit eh klar. Aber was wir so in der Dunkelheit machen und auch welche vielschichtigen und auch individuellen Aspekte das hat eigentlich, ja, das war mir auch nicht so klar, bevor ich dieses Kapitel gelesen habe. Nämlich auch einerseits natürlich das Individuelle, im Sinne von, wie verbringen wir die Nacht? Aber auch das hat natürlich auch eine historische Komponente. Und wie das dann alles nochmal mit Beleuchtung zusammenhängt und der Nutzung der Nacht. Oder das ist so, kann man sagen? Kann man sagen, ja. Das ist echt nämlich Blicklenkung. Dafür schauen wir im Fernsehen gut aus und für Sie hoffentlich auch live. Nächtliche Beleuchtung und Nachtarbeit – ein kritischer Blick Während die künstliche Beleuchtung in Innenräumen von Anfang an eine funktionale Rolle spielte, sei es in Haushalten, Büros oder Fabriken, erfuhr also die Außenbeleuchtung im Laufe des 20. Jahrhunderts eine zunehmend dekorative und sicherheitstechnische Dimension. Straßennaternen, Werbetafeln und beleuchtete Gebäude prägen heute das Erscheinungsbild vieler Städter. Tschüss, natürliches Dunkel. Mit der Verbreitung der elektrischen Beleuchtung wurde es möglich, auch bei Dunkelheit zu arbeiten. Fabriken konnten nun im Schichtbetrieb rund um die Uhr produzieren, was vor allem in der Industrialisierung von großer Bedeutung war. Doch die fortschreitende Verbreitung der Nachtarbeit hat auch soziale und gesundheitliche Probleme nach sich gezogen. Studien zeigen, dass Menschen, die regelmäßig nachts arbeiten, ein erhöhtes Risiko für verschiedene Erkrankungen haben, darunter Herz-Kreislauf-Probleme, Depressionen und Schlafstörungen. Mit dem enormen Wachstum der Dienstleistungsindustrie in den vergangenen Jahrzehnten ist auch der Bedarf an nächtlicher Arbeit gestiegen. Viele Arbeitnehmende haben gar keine andere Wahl als nachts zu arbeiten, entweder weil ihre Arbeitgebenden durch die nächtlichen Öffnungszeiten und Arbeitsschichten profitieren oder weil die Verfügbarkeit von der Gesellschaft schlichtweg erwartet wird. Letzteres betraf lange Zeit nur kritische Infrastruktur wie Polizei oder Krankenhäuser, aber auch das ändert sich. Die Vernächtlichung schreitet immer noch weiter voran. Vernächtlichung ist ein Wort, das gibt es de facto nicht, aber es gibt im Englischen das wunderbare Wort Nocturnalization und Nocturnalization bezeichnet einfach diesen kulturellen Prozess, dass durch die Veränderung der Beleuchtungssituation sich auch das, wie wir die Nacht nutzen, verändert hat. Und ich habe mir erlaubt, diesen Begriff einfach schamlos einzudeutschen und zu verwenden. Die Vernächtigung schreitet also noch immer weiter voran. Die Vernächtigung schreitet also noch immer weiter voran. Wir fordern nicht nur medizinische Versorgung rund um die Uhr, sondern erwarten uns das auch in Form von Verkehr und Lebensmitteln, zum Beispiel in Form von Lieferdiensten oder auch Paketzendungen, die uns schnellstmöglich erreichen sollen. All das ist nur mit Nachtarbeit denkbar. Nachtarbeit, die in sehr vielen Fällen im Niedriglohnbereich stattfindet. Ich finde es absolut notwendig, das Konzept der ständigen Verfügbarkeit, das durch die elektrische Beleuchtung gefördert wurde, kritisch zu betrachten. Einerseits haben wir durch die nun allgegenwärtige Präsenz von Licht einen enormen Zuwachs an subjektiver Sicherheit und Komfort gewonnen. Öffentliche Plätze sind beleuchtet, nächtliche Freizeitaktivitäten sind möglich geworden und die Produktivität in der Arbeitswelt hat sich durch die Möglichkeit der Nachtarbeit erhöht. Aber eben, weil diese Grenze zwischen Tag und Nacht verschwimmt, steigt andererseits auch der Druck, außerhalb der natürlichen Tageszeiten produktiv zu sein, was wiederum zu einer Verschiebung gesellschaftlicher Normen führt, in denen der natürliche Tagesrhythmus zunehmend an Bedeutung verliert und die Hustle Culture, also eine Lebens- und Arbeitsphilosophie, die auf ständige Produktivität, Selbstoptimierung und das Streben nach beruflichem Erfolg ausgerichtet ist, floriert. In dieser hoch neoliberalen und problematischen Kultur steht ED im Vordergrund, dass harter, oft übermäßiger Arbeitseinsatz der alleinige Schlüssel zu Erfolg, Wohlstand und persönliche Erfüllung ist. Das Motto Grind oder Hustle impliziert dabei, dass man rund um die Uhr arbeiten solle, um seine Ziele zu erreichen, oft unabhängig von den Auswirkungen auf die Gesundheit, das soziale Leben oder das persönliche Miteinander. Das beeinflusst natürlich auch unser Verhältnis zum Schlaf. Immer wieder machen Politiker, Manager oder Tech-Giganten mit Aussagen wie Ich bin so erfolgreich, weil ich nur vier Stunden Schlaf pro Nacht brauche, Schlagzeilen. Donald Trump schläft nur vier Stunden. Ebenso Emmanuel Macron und Apple-CEO Tim Cook. Schlaf sei Schwäche, Zeitverschwendung. Wer etwas erreichen wolle, müsse sich eben bemühen, impliziert das. Auch der ehemalige österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz ließ es sich im Laufe seiner Amtszeit nicht nehmen, bei mehreren Gelegenheiten Verbindungen zwischen Faulheit und angeblichem Spätaufstehertum herzustellen, vollkommen ignorierend, dass es nicht nur unterschiedliche Chronotypen, sondern eben auch andere Arbeitszeiten als die eigenen gibt. Aussagen wie die der genannten Politiker beweisen, die Art und Weise, wie wir Produktivität und ständige Verfügbarkeit glorifizieren, ist nicht nur Teil der Hustle-Culture, sondern trägt auch eine deutlich klassistische Komponente in sich. Während ein Manager oder Politiker, der 80 Stunden in der Woche arbeitet, oft als ehrgeizig und erfolgreich gefeiert wird, werden Menschen, die Nacharbeit im Niedriglohnsektor leisten oder mehrere Jobs annehmen müssen, um über die Runden zu kommen, häufig als gescheitert oder als VerliererInnen angesehen. Diese doppelte Bewertung von Arbeit offenbart die tief verwurzelten sozialen Ungleichheiten unserer Gesellschaft. Es stellt sich die Frage, wie politisch ist eigentlich Nachtarbeit? Hinter den Arbeitszeiten von Nachtarbeitenden verbirgt sich oft eine Geschichte von strukturellen Zwängen, die bestimmte Schichten dazu nötigen, rund um die Uhr tätig zu sein, während andere die Freiheit genießen, ihre Arbeitsleistung zu inszenieren und aufzuwerten. Wann und wie lange wir schlafen, wann und wie wir arbeiten, ist nur in den seltensten und privilegiertesten Fällen eine individuelle Entscheidung. Für die meisten von uns ist sie durch die Erwerbsarbeit determiniert. Schicht- und Nachtarbeit, also Arbeit außerhalb der üblichen Tagesarbeitszeit, ist gängig und zwar überall, insbesondere seit der industriellen Revolution, während ja auch FabrikarbeiterInnen schon gern mal im Namen der Produktivität und des Wettbewerbs unterstützt durch das Kunstlicht 80 bis 100 Stunden Wochenarbeitszeit zugemutet wurden, bis die Arbeiterbewegung dem einen Strich durch die Rechnung machte. Auch in der Gegenwart ist Nacht- und Schichtarbeit in vielen Bereichen nötig für das Fortbestehen der Gesellschaft, in anderen vielleicht nicht dringend überlebenswichtig, aber kulturstiftend und wichtig für das soziale Gefüge. Ein gemeinsamer Kinobesuch mit den Freundinnen oder zu einer Lesung, danach in die Bar, vielleicht noch ein Falafeltür um am Heimweg per Tax Taxi oder Nachbarn nicht zwingend notwendig, aber dennoch wichtig und schön und unmöglich ohne Nachtarbeit. Egal ob Kinopersonal, Taxifahrerin oder Gastronom, sie alle sind NachtarbeiterInnen. Der Glaube, dass Müdigkeit oder Schlafprobleme aber nur jene, die nachts oder in Schichtarbeiten betreffen würden, wäre natürlich eine komplette Fehlannahme. Schlafstörungen ziehen sich über alle Berufsgruppen und hinterlassen überall ihre Spuren. Ganze vier von fünf Menschen sind an Werktagen unausgeschlafen. Der zunehmende Druck auf Arbeitnehmende, die sich erhöhen der Komplexität der Ansprüche und damit verbundener schlechter Schlaf haben Auswirkungen auf das Schlafverhalten und unausgeschlafene Menschen wiederum verändern ihren Arbeitsplatz. Beispielsweise in Form von höheren Krankenstandszahlen, vermehrtem Mobbing, schlechtem Betriebsklima und Leistungsverlust. Die ökonomischen Auswirkungen von Schlafproblemen wurden in unterschiedlichen Studien nachgewiesen. Demnach würden müde MitarbeiterInnen deutsche Unternehmen jährlich 60 Millionen Euro kosten, um mit einem immensen Produktivitätsverlust verbunden sein. Ich lese einige Studien zum Thema Schlafmangel und Nachtarbeit, über Tierversuche mit Ratten und dem Effekt von künstlichem Licht auf ihr Verhalten und sich der E-Books die Sleep Performance als ultimativen Hack zur Produktivitätssteigerung in Unternehmen anpreisen und auch mein Google Alert zum Thema Lichtverschmutzung versorgt mich regelmäßig mit Informationen zum Einfluss von Nachtarbeit auf die Gesundheit der Betroffenen. So unterschiedlich die konsultierten Quellen, so einig sind sie sich in der Kernaussage. Nacht- und Schichtarbeit sind wichtig, aber mindestens genauso wichtig wäre es, die damit verbundenen Gesundheitsrisiken ernst zu nehmen und zu adressieren. Solange wir an der Notwendigkeit von Nacht- und Schichtarbeit festhalten, sind diese Themen von öffentlichem Interesse und von immenser Wichtigkeit. Nachtarbeit betrifft uns alle, auch weil die meisten von uns irgendwann im Leben mit Kehrtätigkeiten konfrontiert sind. Nächtliches Stillen, Windel wechseln und Kinder beruhigen nach Albträumen ist Nachtarbeit, ebenso wie sich das Rundum die Uhr kümmern um pflegebedürftige Angehörige. Das ist unsichtbare Nachtarbeit, die in den wenigsten Statistiken aufscheint, für die es keinen Lohn, keine Anerkennung gibt, weil es ja selbstverständlich gilt. Und es ist Arbeit, die größtenteils von Frauen ausgeführt wird. Laut einer aktuellen Studie des Momentum-Instituts wird außerdem in Österreich das Zubettbringen der Kinder in 81 Prozent der Fälle von Frauen übernommen, das Aufwecken der Kinder zu 71. Frauen übernehmen also nicht nur die Nachtarbeit, sondern auch die Abend- und die Frühschicht in der Care-Arbeit. Abend und die Frühschicht in der Care-Arbeit. Das ist nicht nur ein Problem, weil es unfair ist, sondern auch, weil wir dank einer Studie der Duke University wissen, dass Frauen nachweislich körperlich und mental stärker an den Auswirkungen von Schlafen zugleiten. Forschende führen dies darauf zurück, dass Frauen vernetzter Denken tagsüber mehr Multitasking betreiben. Ihr Gehirn brauche dementsprechend auch längere Regenerationsphasen. Gerade Care-Arbeit steht ihm auf dem Weg. Es gibt also nicht nur einen Gender Pay Gap, sondern auch einen Gender Sleep Gap. Anders als bei Männern führt Schlafentzug bei Frauen außerdem auch zu Veränderungen in der Blutgerinnung, was das Schlaganfallrisiko erhöht. Nicht nur private Arbeit ist in den meisten Beziehungen ungleich verteilt, Stichwort Mental Load, auch unsere Arbeitswelt ist messbar komplexer geworden. Die Ansprüche, die an uns gestellt werden, steigen. Das ermittelte 2020 eine Studie mit über 11.000 Berufstätigen aus 14 Ländern, von denen ganze 86% angaben, dass ihrer Wahrnehmung nach die arbeitsbezogenen Anforderungen an ihr Gehirn und die Fähigkeit, mit Aufgaben wachsenden Komplexitätsgrades umzugehen, in den letzten Jahren merklich zugenommen haben. Bereits eine schlaflose Nacht beeinträchtigt die Aufmerksamkeits- und Konzentrationsfähigkeiten nachweislich. Nun sind aber Schlafstörungen und chronischer Schlafmangel so weit verbreitet, dass es bei Betroffenen selten bloß bei einer Nacht bleibt. All diese Auswirkungen auf das Gesundheitssystem und die Wirtschaft betreffen nicht nur das müde Individuum, sondern uns alle. Umso wichtiger also, dass Schlafgesundheit endlich aus dem Schattendasein geholt wird, nicht nur bei Nachtarbeitenden, aber dort anzusetzen, wäre naheliegend. Ob Fließbandarbeit, Polizeistreife, nächtliche Arbeit als Fluglotsin, Notarzt oder Elternteil, die körperlichen Auswirkungen von Schichtarbeit und Schlafentzug sind gleich. Nachtarbeit und Lichtverschmutzung gleichermaßen werden mit einem erhöhten Risiko für psychische Erkrankungen wie Depressionen, aber auch mit Schlafstörungen und kardiovaskulären Beschwerden in Verbindung gebracht. Außerdem gibt es eine Korrelation zwischen Nachtarbeit bzw. Belastung durch Light at Night und Erkrankungen an Brust- und Prostatakrebs. Jüngste Untersuchungen legen außerdem einen Zusammenhang zwischen Lichtverschmutzung, die Hand in Hand mit Nachtarbeit geht und einem erhöhten Alzheimer-Risiko nahe. Auch zwischen Übergewicht und nächtlicher Lichtverschmutzung können Verbindungen hergestellt werden. Nicht nur bei Menschen übrigens, sondern auch bei Mäusen. Wir wissen, wer nachts nicht schläft, hat ein gehändertes Essverhalten und einen höheren Leptinspiegel, was Heißhunger und ein verändertes Sättigungsgefühl auslöst. Ich esse mehr, ich esse ungesünder und wenn ich gestörten Schlaf habe, was ebenso zu möglichen Folgeerkrankungen führen kann, erklärt Anna Heidbreder. Anna Heidbreder ist eine Schlafmedizinerin, die ich für das Buch interviewt habe und fasst den Teufelskreis als Nachtarbeit, Produktivitätstrang und Schlafstörungen noch zusammen. Fakt ist, immer oder langfristig gegen die eigene innere Uhr zu leben bzw. zu schlafen ist nicht gesund. Das ist naheliegend. Unser Dilemma ist, dass wir noch in einer Gesellschaft leben, die zunehmend von uns fordert, rund um die Uhr produktiv zu sein. Die Bedeutung, die Erwerbsarbeit in unserem Leben einnimmt, ist geradezu katastrophal riesig. Je länger ich darüber nachdenke, desto absurder finde ich es, dass die Arbeit so ein zentraler Aspekt unseres Lebens ist. Wir verbringen an Schreibtischen, in Dienstwägen, Klassenzimmern und Fabrikhallen mehr Lebenszeit als in unseren Wohnungen. Genauso wie wir mit Kollegen und Kolleginnen pro Woche mehr gemeinsame Stunden verbringen als mit unseren Wohnungen. Genauso wie wir mit Kollegen und Kolleginnen pro Woche mehr gemeinsame Stunden verbringen als mit unseren Liebsten. Arbeit bestimmt nicht nur unseren Status innerhalb der Gesellschaft, sondern auch unseren Tagesablauf für die meiste Zeit unseres Lebens und zu einem großen Teil auch unsere Lebenserwartung. Schuften wir uns kaputt? Verdienen wir genug, um uns ordentliche Gesundheitsvorsorge leisten zu können? Arbeiten wir mit oder entgegen unserem Körper eigenen Rhythmen? Und wohin soll es führen, wohin könnte es führen, wenn wir Veränderungen wagen würden, hin zu einer Gesellschaftsform, die aufhört, Arbeit wie ein Heiligtum zu verehren und stattdessen Gesundheit, Gemeinschaft und Ruhe priorisiert. Das ist die Überleitung im Buch zu der Utopie. Genau, ich wollte gerade sagen, das ist ja dann schon Anlauf in die Utopie. Auch da hast du, sagen wir nicht so plump Antworten, sondern eher so, wie du gesagt hast, konkrete Bilder drumherum gebaut, wie auch ein Umbau von natürlich Arbeit, aber wenn man so eine Welt baut, da muss man natürlich gleich viel mehr mitdenken als nur Nachtarbeitsverhältnisse. Das ist ja auch das Spannende an diesen Utopien, dass da gleich dann viel mehr mitkommt in den konkreten Bildern. Ja, wir sind jetzt schon beim letzten Teil angekommen, der vielleicht der ist, wo man am überraschtesten ist auch, würde ich sagen. Vielleicht das Schlafkapitel führt schon hin, aber da geht es ja auch noch um sehr, sag ich mal, du hast gerade eher einen Teil vorgelesen, Arbeitsverhältnisse und eher auch Studien und so weiter. Und dann zum Schluss wird es eigentlich nochmal auch richtig die Dunkelheit als, ja, wie soll ich sagen, auch als eben so kulturelle, so ein Gefühl auch eher sozusagen nochmal deutlich. Also ich habe mich für das Todeskapitel mit Martin Prein unterhalten. Martin Prein ist Thanatologe, also Todesforscher sozusagen, ehemaliger Bestatter. Und wir haben sehr viel über die Rolle gesprochen, die der Tod in meinem Leben bisher schon gespielt hat, was das mit mir gemacht hat und auch wieder, wie das mit Dunkelheit, externer, aber auch innerer Dunkelheit irgendwie zusammenhängt. Wir haben sehr viel gesprochen über meine Angst vorm Tod und ob das eigentlich was Individuelles ist oder wie wir gesamtgesellschaftlich mit der Angst vor unserer eigenen Sterblichkeit umgehen, was das Leichentabu und also die Angst, die wir oft empfinden, wenn wir mit toten Körpern konfrontiert sind, damit zu tun haben und wie wir unseren gesamtgesellschaftlichen Umgang mit dem Tod ändern könnten. Und zwar, was passieren würde, wenn wir diese Ängste einfach wieder mehr zulassen würden, anstatt sie wegzuschieben. Dem Dunklen, also ich glaube, ich spreche in der Einleitung auch davon, vom Einlassen auf die Dunkelheit und das Dunkle in uns und das, was uns Angst macht. Und ich glaube, das ist bei dem Kapitel, das sich mit dem Tod auseinandersetzt, am zentralsten von dem Buch. Genau, es heißt ja auch das ultimative Dunkel und ich wollte gar nicht sagen, dass es überraschend ist im Sinne von nicht naheliegend und es ist auch in einer sehr, würde ich sagen, auch sehr ähnlichen Weise behandelt wie die anderen Kapitel, nämlich dass du schon sehr stark auch von eben eigenen, du hast es gerade gesagt, eigenen Erfahrungen ausgehst, aber dann eben auch immer auf diese Forschungsebene gehst und auch, ist es natürlich auch sehr literarisch. Genau. Ah, literarisch ist die Überleitung. Ja. Genau, danke. Genau, ich würde jetzt zur letzten Lesestelle des Abends kommen und ich würde gerne nur die Todesutopie vorlesen und mich glaube ich einfach, bevor ich die jetzt vorlese, schon bedanken und verabschieden irgendwo auch, weil dann kann einfach das mehr mir wirken noch. Wie war nicht dann danach? Ja, danke an... Also danke! Danke Julia fürs mit mir sprechen. Danke Lülia für den Büchertisch. Danke, Valerie und das Team von 52, dass ich da jetzt hier sein darf. Und danke an alle, die hier sind und sich jetzt mit mir noch ein bisschen oder ein bisschen mehr auf den Tod einlassen. Fun Fact, das Kapitel habe ich im Friedhof geschrieben, am Urnenheim. Ein bunter Ort. Der Friedhof ist ein bunter, duftender Ort geworden. Der Wind bläst stark, trotz den vielen, teils uralten Bäumen. Ob es am nahegelegenen Fluss und dem dazugehörigen Wasserschutzgebiet liegt, weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass der Wind am Friedhof im Sommer eine blumige Kühle mit sich bringt. Früher hat man Schnittblumen, schwer duftende Sorten wie Rosen und Lilien genutzt, um die Lebenden den Verwesungsgestank der Toten ertragen zu lassen. Heute pflanzt man heimisches Gewächs auf zwischen und rund um die Gräber, um zu zeigen, dass der Friedhof lebt, dass es nach dem Tod weitergeht. Die Friedhofsverwaltung hat Geld in die Hand genommen und all jenen Grabbesitzenden einen Bonus ausbezahlt, die sich für eine standortgerechte, naturnahe Begrünung mit Blumen, Kräutern und Bodendeckern begeistern haben lassen. Nun gibt es fast keine Vasen voller Seidenblumen mehr. Auf den Gräbern in der Sonne blühen stattdessen Malven, Seifenkraut, Glockenblumen, Wiesensalbei und Kornblumen. In den schattigeren Bereichen unter den großen morschen Eichen, die als Habitatbäume stehen gelassen werden, solange es geht, und die Versicherungen mitspielen, leuchten die lila Blüten von Silberblatt und Fingerhut. In der Luft ein Brummen, Hummeln und Bienen folgen mir, als ich auf den geschotterten Wegen vom Friedhofseingang zum Krematorium gehe. Der Abend senkt sich langsam über die Stadt. Nur wenige Lichter flackern an den Gräbern. Viel schwerer als der Umstieg bei der Bepflanzung ist es vielen FriedhofsgängerInnen gefallen, auf das Anzünden der Grablichter zu verzichten. Eine Kerze für die Toten, eine Kerze für die Lebenden, um zu zeigen, dass man eine gute, hinterbliebene Person war, einer, die sich kümmert und regelmäßig zum Grab kommt. Das war kulturell verankert, ein wichtiges Ritual für viele. Aber die Veränderung ließ sich nicht aufhalten. Erst war da ein Rekordsommer gewesen, der zehnte oder zwölfte in Folge, mit Trockenheit, die zu starken Türen geführt hatte. Zwei Brände auf innerstädtischen Friedwäldern wegen umgestürzter Kerzen waren die Folge. Dann die erneute Adaption des Lichtschutzgesetzes, das an die Bevölkerung adaptierte, jede nicht zwingend notwendige Beleuchtung und sei sie noch so klein zu unterlassen, was schließlich bei vielen zu einem Umdenken führte. Aber das Ritual, den Toten ein Zeichen zu geben, es fehlte. Hilflos wie verloren standen die Leute an den Gräbern, als die leeren Kerzenautomaten nicht mehr aufgefüllt wurden. Wer die Idee mit den Tierfutterspendern hatte, weiß niemand so genau. Fakt ist aber, jemanden in der Friedhofsverwaltung war es wichtig, den Grabbesuchenden wieder ein Ritual geben zu können. Also gibt es nun statt Kerzen eben Futterautomaten. Walnüsse für die Eichhörnchen, Samen und Kerne für die Vögel und Fischfutter für die Karpfen, die in den schmalen Bächen leben, die entlang der Hauptwege gegraben wurden, um den Friedhof noch stärker zu kühlen. Das Bewusstsein der Menschen ändert sich und so ändert sich alles, auch der Friedhof. Moos überall, das nicht mehr weggekratzt wird, Dohlen und Fledermäuse, die im Dach der Verabschiedungshalle hausen dürfen, ein Storchennest am Turm des Krematoriums, immer weniger Grabsteine in den neu erschlossenen Friedhofsarealen, dafür Baumbestattungen, hitzeresistente Sorten natürlich und wenn sie Früchte tragen, darf sie ernten, wer mag. Urnen und Särge aus Pilzen, die sich innerhalb weniger Jahre auflösen. Ganze Friedhofsabschnitte, die zu Obst- und Gemüsegärten nach dem Vorbild der Permakultur umgestaltet worden sind und wo die Bewohnenden aus der Umgebung kostenlos Bete betreiben können. Und dann natürlich das, was von der PR-Abteilung des örtlichen Bestattungsunternehmens etwas sperrig als thanatopädagogisches Angebot angepriesene Programm. Es beinhaltet Angehörigen, Kinder und Jugendarbeit rund um den Tod, spezielle Workshops für Verwitwerte, Waisen, Menschen mit Suizidgedanken und PalliativpatientInnen. Wie jeden dritten Freitagabend im Monat notiere ich die Schreibaufgabe für den heutigen Termin auf die Flipchart, die zwischen den Plantagen steht, wo sich dicke Ranken, an denen pralle Kürbisse und Zucchini hängen, sich um alte, schmiedeeiserne Kreuze winden. Melina, die Gärtnerin, die mir beim Auf- und Abbau hilft, hat schon jedes Mal ein Feuer in einer kleinen Schale entfacht und in sicherem Abstand Sitzkissen bereitgestellt. Bald werden die Kinder da sein, die schon den ganzen Tag am Friedhof verbracht haben. Die Schreibgruppe ist der letzte Aktivitätspunkt, bevor es für sie in die Zelte im Friedwald und damit ins Bett geht. Als ich alles kontrolliere, Blätter, Stifte, Klemmbretter, schieben zwei Mitarbeiter, eine alte Dame mit FFP2-Maske und ein junges Mädchen mit einer Sauerstoff-Nasensonde in Rollstühlen an mir vorbei, und ein junges Mädchen mit einer Sauerstoff-Nasensonde in Rollstühlen an mir vorbei, während sie ihnen die unterschiedlichen Friedhofsabteilungen erklären und mit den Fingern auf jene Abteilung deuten, in denen Nutzpflanzen auf den Gräbern angebaut werden. Was möchtest du werden, wenn du tot bist? fragt die Alte die andere. Eine Erdbeere. Und du? Ich habe mich immer schon mehr als Tomate gesehen. Sie lachen und husten und lachen wieder und der, der ihren Stuhl schiebt, beugt sich vor, tupft der Jungen sanft etwas Blut von den Lippen, sagt etwas, das ich nicht verstehe, weil mit großem Trara und Gerede und Gelächter die Kinder auftauchen, aus der hohen Wiese hinter dem Krematorium brechen, auf mich zustürmen, um sich in die bunten Sitzkissen fallen zu lassen. Laut, rotwangig, mit Dreck unter den Fingernägeln von der Gartenarbeit, die Kleineren, etwas leiser, schlagsiger, die Teenager. Als ich in die Runde frage, ob der Tag bisher schön war, reden sie wild durcheinander, erzählen von Gefangenen und in der Becherlupe beobachteten Heuschrecken, von einem bemalten Sarg bei einer Kinderverabschiedung, die sie gesehen haben. Was schreiben wir heute, fragt mich Solina, die erst zum zweiten Mal dabei ist. Ihre Wunde ist noch frisch, die Eltern der Bruder noch nicht lange tot. Ich dachte, wir erzählen den Toten heute, was wir an ihnen besonders mochten, was wir ihnen vielleicht nicht gesagt haben, als sie noch gelebt haben. Vielleicht aber auch etwas ganz anderes, was wir an ihnen nicht so mochten. Oder etwas ganz anderes. Etwas, das euch auf dem Herzen liegt, was ihr aus euch herausschreiben möchtet. Solina nimmt sich Papier, Stift und Klemmbrett, beginnt auf dem Stift zu kauen, schaut in die Flammen. Ich sehe, wie das orange des lodernden Lagerfeuers sich auf ihrer Haut und in den Augen spiegelt. Nach einem letzten Aufwahlen der Unruhe, die anhält, bis alle mit Schreibmaterial versorgt sind, senkt sich Stille über die Gruppe. Da ist das Kratzen der Stifte, das Knacken der Holzscheite im Feuer, in den Bäumen Guren Ringeltauben. Und eine Idee. Plötzlich. Also nehme auch ich einen Stift, beginne auch ich, meinen Toten zu schreiben. So sitzen wir da, diese jungen Menschen und ich, die Augen fest auf dem Papier, die Herzen und Gedanken bei jenen, die nicht mehr sind. Und wer das Briefschreiben unterbricht, tut das, um in den Himmel zu sehen, wo der Sonnenuntergang die Wolken in ein oranges Glühen verwandelt. Manche Kinder weinen leise, aber sie lassen sich nicht vom Schreiben abhalten. Niemand schämt sich hier für die Trauer, für den Schmerz. Alle wissen, wer aus Trauer weint, weint eigentlich aus Liebe. Und Liebe muss man nicht verstecken. Als einer der Jungs, Tommy, er hat gerade erst seinen großen Bruder bei einem Arbeitsunfall im Windpark vor der Stadt verloren, laut zu schluchzen beginnt, den Brief weglegt und das Gesicht in den Händen vergräbt, sind sofort sein Kumpel Ben und Solina da, nehmen ihn in die Arme, wiegen ihn, murmeln. Ich verstehe nur, wie Ben sagt, ich weiß, es ist scheiße, aber ich verspreche dir, es wird jeden Tag ein bisschen weniger scheiße. Und Solina sagt nichts, aber hält Taschentücher bereit. Es wird dunkel. Wir alle packen unsere Solarsternlampen aus und die Stifte weg. Wer mag, nimmt sich Marshmallows, spießt sie auf die Stecken, die Melina mit einigen Kindern tagsüber dafür gesammelt und gespitzt hat, hält sie ins Feuer. Manche möchten ihre Briefe anzünden, also landen sie in den Flammen. Andere lesen sie vor. Ben erzählt, dass die Trauerkarenz seiner Mutter nächste Woche vorbei sei, sie wieder in die Firma müsse und wie schnell die drei Monate vergangen wären, wie gut sie getan hätten. Viele der Anwesenden nicken, denn manche kennen es noch anders. Werden die kaputtgeweinten Gesichter der Eltern, Freundinnen und Geschwister, wie sie sich am Tag nach der Verabschiedung in die Schule, die Arbeit, zurück in den Alltag quälen mussten, als sei nichts passiert, nicht so schnell vergessen. Erst vor einem halben Jahr wurde der Beschluss im Nationalrat gestellt. Nicht alle Parteien stimmten dafür. Natürlich waren es ausgerechnet die Konservativen, die schrien, das werde jetzt die Unternehmen zerstören, während jene, die das Trauerkarenz-Jetzt-Volksbegehren initiiert hatten, Studium studierzitierten und belegen konnten, wie wichtig es war, einen Tod und oder ein Trauma nicht einfach beiseite zu schieben, sondern sich Zeit zum Heilen zu geben. Können wir die Briefe auch am Grab vorlesen? Fragt Tommy, die Stimme immer noch belegt, die Augen verquollen. Klar, sage ich, aber nehmt die Lampen mit, passt auf, dass ihr nicht stolpert und kommt zurück, sobald ihr fertig seid. Keine Umwege bitte. Schon verschwindet eine Handvoll der Kinder und Jugendlichen im Dunkeln, nur die hellen Kreise ihrer Lampen, wie Positionslichter zwischen den Bäumen und Hecken lassen erahnen, wo sie sind. Mia, eins der Kinder, sie ist etwa zehn, zupft an meinem Ärmel. Ich mag nicht allein, kannst du mit mir zu Mama gehen, fragt sie. Geh, sagt Melina, die gerade eben erst mit einem Korb voller Holz zurückgekommen ist. Ich habe mir schon für ein paar Minuten alles unter Kontrolle. Mias Hand ist warm, als sie mich mit sicheren Schritten erst auf den Hauptweg, dann über eine kleine Brücke an den Baumbestattungsbereichen vorbei zu einer Gruppe Gräber, die von dichten Hainbuchenhecken umgeben sind, führt. Als die Lichtkegel unserer Stirnlampen auf leuchtend gelbe Augen treffen, zucken wir beide zusammen. Nur eine Katze, sage ich und sehe dem Tier zu, wie es hinter einer der Hecken verschwindet. Mama mochte Katzen, murmelt Mia. In unserem Hausprojekt gibt es vier. Jede hat eine andere Farbe. Dann nimmt sie auf einem Stein am Rand des Grabs Platz, zieht den Zettel aus der hinteren Hosentasche und räuspert sich. Soll ich dich allein lassen? Nein, ich mag das nicht so gerne allein in der Nacht, antwortet Mia. Okay, das ist kein Problem, sage ich, drehe meine Lampe ab und setze mich neben sie. Liebe Mama, beginnt Mia langsam zu lesen. Ich möchte dir erzählen, wie es war, als du gerade erst tot warst, weil vielleicht weißt du das nicht. Es war traurig, aber schon schön, wie der Bestatter mit dem großen Auto gekommen ist und deinen Sarg aus dem Krankenhaus zurück nach Hause gebracht hat. Wir haben das Zimmer im Erdgeschoss für dich leer geräumt, alle haben geholfen, Blumen gebracht und Essen. Oma hat mir gezeigt, wie man dich wäscht, aber keine Sorge, da waren nur wir im Zimmer, niemand hat dich also nackt gesehen. Wir haben dir das Kleid aus dem Urlaub in Griechenland angezogen. Du warst kalt, es war schwer dich zu bewegen. Du hast ausgesehen wie du, aber doch auch nicht. Manchmal, Mama, wollte ich dich einfach nur umarmen, manchmal habe ich mich vor dir gefürchtet und musste aus dem Zimmer gehen. Oma sagt, es ist okay. Oma ist super. Sie hat Elina aus dem dritten Stock gebeten, all deine Lieblingslieder auf der Gitarre zu spielen und ist die ganze Nacht bei dir gesessen, damit du keine Angst haben musst. Alle waren da. Deine Freundinnen, ihre Kinder, die aus der Arbeit, Nachbarinnen und Nachbarn, sogar der Mann vom Erdbeerfeld. Er hat geweint. Ich glaube, er mochte dich. Darum hat er auch immer so gelacht, wenn er gesehen hat, dass wir zum Pflücken kommen. So viele Leute mochten dich und das ist das eigentlich, was ich dir erzählen wollte. So viele Leute mochten dich, Mama, aber niemand. Immer noch die Schafs. machten dich Mama, aber niemand machte dich so wie ich. Wir weinen, als wir durch die Dunkelheit zurück zum Lagerfeuer gehen. Jetzt kennen wir beide den Weg, schaffen es ohne Licht. Zwischen den Baumkronen die Sterne, in meinen Fingern das Taschentuch. Ich kann mir nicht vorstellen, jemals nicht zu weinen, wenn ich höre, was die Teilnehmerinnen meiner Schreibgruppen erzählen. So viel hat sich geändert. Friedhöfe sind jetzt zu Orten der Begegnung, Erholung und des Heilens geworden. Es begann vor ein paar Jahren, dass Hinterbliebene plötzlich immer verstärkter darauf bestanden, die Leichname ihrer Liebsten zu sehen, und zwar nicht nur kurz, nicht nur für eine schnelle Verabschiedung im Keller des Krankenhauses. Daraus hat sich inzwischen entwickelt, was die Forschung mittlerweile als Farewell Turn bezeichnet, eine überall auf der Welt zu beobachtende Hinwendung zu dem Zeitraum zwischen Sterben und Trauern, also dem Todsein. Wir lernen in der Begegnung, in der Berührung der Leichen auch unsere eigene Vergänglichkeit zu begreifen. Nicht, dass uns das die Angst vor dem eigenen Tod oder dem einer uns wichtigen Person nimmt, aber es erlaubt uns, die Angst anzuerkennen, sie gemeinsam auszuhalten. Hinter der letzten Hecke taucht das Lagerfeuer auf. Mia lässt meine Hand los und stürmt darauf zu, winkt einer Freundin. Ich bleibe stehen, lege den Kopf in den Nacken, starre in den Himmel, versinke in den Sternen, während Kinder lachen und weinen, mit dem Grillen zirpen, Feuer knacken und dem Wind in den Bäumen zu einer Sinfonie der Nacht verschmilzt. Für einen Moment schließe ich die Augen und werfe mich in die warme Umarmung der Dunkelheit. Danke. Also auch in diesem Kapitel ein Plädoyer und ein Liebesbrief an die Dunkelheit, wie du eingangs gesagt hast. Lisa-Viktoria Niederberger, vielen, vielen Dank für die schöne Lesung, vielen, vielen Dank für das schöne Buch. Du bist noch etwas da. Ich bin noch etwas da. Wir sind alle noch etwas da. Wir sind alle noch etwas da und Bücher gibt es hier. Signiert werden sie natürlich auch gerne, oder? Du signierst. Wunderbar. Dann auch Ihnen vielen, vielen Dank fürs Kommen. Danke dir.