Ich lese heute ein Gedicht aus Wunder sind möglich, zehnmal sieben Gedichte. Ein einziges Gedicht und werde ein bisschen etwas dazu sagen. Vorangestellt habe ich diesem Lyrikband ein Zitat aus den Briefen von Friedrich Nietzsche, den Glauben mit den Zähnen festhalten. mit den Zähnen festhalten. Und die Gedichte da drinnen sind so Art Glaubensübungen, würde ich sagen. Das Gedicht. Vier Wortgruppen. Funkelst noch immer und weinst. Tagpfeuenauge, kleiner Fuchs, Bernmutfalter. Das Kleefeld bei Kamm so weit von Bode entfernt. Wärmst noch immer und weißt von nichts. Der Flussstein im Rohr erhitzt. Füße schmeichelnde Katze, Omas Blick. Lockst noch immer Vogelbeere und grün der Blätter, Birnbäume, das Meer weit draußen. Vertreibst noch immer, Tag vor ein Auge, kleiner Fuchs, Bermudfalter, das dunkle Blaue, Es geht in diesem Gedicht um Schmetterlinge. Zweimal werden Tag vor ein Auge kleiner Fuchs und Bärlmutfalter erwähnt, bei uns weit verbreitete Arten. Und es geht in diesem Gedicht, Zitat, Alleinsein, Mangel an Beziehung. Diese Formulierung findet sich in der Erstfassung dieses Gedichts, habe ich später durch das dunkle Blaue ersetzt. durch das dunkle Blaue ersetzt. Wir Kinder im Dorf waren erfinderisch, was Spielmöglichkeiten betraf. Mit einem Ballspielen, Räuber und Gendarm. Sobald wir ein Fahrrad hatten, einen anderen mit dem Fahrrad verfolgen. Schmetterlinge fangen war auch ein Spiel. Vielleicht war ich der Erste, der damit anfing. Ich war ein, zwei Jahre älter als meine Spielkameraden. Etwas entdecken, etwas fangen, etwas sammeln, das war unsere Welt. Genau genommen die Welt der Buben. Die Mädchen gab es auch, aber weder beim Fußballspielen noch beim Schmetterlinggefangen oder beim Radfahren waren sie dabei. Sie hatten andere Spiele. Ich bastelte mir aus groben Fichtenholzlatten eine Spannvorrichtung zum Schmetterlingetrocknen. Außerdem mit Sperrholz und Fensterglasscheiben einen Schaukasten. Wahrscheinlich hat mir bei dieser anspruchsvollen Bastelei mein Vater geholfen. Am Ende meiner Schmetterlingsfängerlaufbahn, da war ich dann zwölf oder 13, 14, hatte ich drei Schaukästen. Einen großen, der nicht perfekt dicht war und zwei kleinere. Alle drei habe ich schwarz lackiert und mit weißem Papier ausgelegt. Die Gedichte in Wunder sind möglich haben zwei Richtungen. Sie wollen etwas zeigen und gleichzeitig wollen sie etwas verstecken. Gelungen ist so ein Gedicht, wenn Zeigen und Verstecken im Gleichgewicht sind. Tag vor ein Auge, kleiner Fuchs, Bernmut Falter, begeistern mich bis heute. Es ist nachvollziehbar, dass sie in Funkels zweimal vorkommen und zusätzlich mit einer Ortsangabe, das Kleefeld bei Kamm. Ich erinnere mich gut an diesen Stopp beim Kleefeld bei Kamm im Bayerischen Wald. Inzwischen lag meine Schmetterlingsfängerzeit 30 Jahre zurück. Ein Zigarettenstopp, ein erstes Aufatmen nach der Hals-über-Kopf-Abreise. Ich wollte weg, endlich weg. Wenn ich jetzt nicht wegfahre, bleibe ich auch diesen Sommer daheim. Egal, ob andere dort Urlaub machen oder nicht. Und jetzt beim Kleefeld, bei Kamm, wird mir bewusst, du hast es geschafft. Du bist weg. Diesen Sommer bleibst du nicht daheim. Ich steige aus meinem Opel Vectra, zünde mir eine Coloise ohne Filter an und falle in dieses Kleefeld. Umgekehrt, das Kleefeld ist über mich hergefallen. Die Welt des blühenden Kleefelds raubte mir den Atem, streckte mich zu Boden. Hunderte Mücken fliegen, Käfer, Libellen, Falter, Darkpfeuerauge, kleiner Fuchs, Bernmuthfalter. Es war Ende Juli, Anfang August. Ich hätte weinen können, wenn ich weinen gekonnt hätte. Ich erinnere mich an das Herzeigen meiner Schmetterlingssammlung. Ich war stolz auf meine Sammlung, aber wenn sie dann bewundert wurde, versteckte ich mich und fing zu weinen an. So weit von Bodul entfernt. Ich war erst drei Stunden unterwegs. Mein Reiseziel war nordwärts. Ich hatte ein paar Landkarten angeschafft, ein paar Reiseführer. Bis zur Nordsee wollte ich auf jeden Fall kommen. Vielleicht bis Norwegen, vielleicht Nordkap oder Nordpol. Am Ende kam ich bis Bodø. Am Ende kam ich bis Bodl. In der zweiten Wortgruppe heißt es und weist von nichts. Diese Reise hat sechs Wochen gedauert. Ich wusste nur, dass ich jeden Tag aufschreiben wollte. Mehr war mir nicht wichtig. Ich lese jetzt noch mal das Gedicht. Funkelst noch immer und weinst. Tag vor ein Auge, kleiner Fuchs, Berlmuthfalter, das Kleefeld bei Kamm so weit vom Bode entfernt. Wärmst noch immer und weißt von nichts. Der Flussstein im Rohr erhitzt, Füße schmeichelnde Katze, Omas Blick. Lockst noch immer, Vogelbeere und grün der Blätter, Birnbäume, das Meer weit draußen. Vertreibst noch immer, Tag vor vor ein Auge kleiner Fuchs, Bärlmutfalter, das dunkle Blaue, auch wenn du ich bist, du. Danke. you