Die Klimmzüge Die Klimmzüge waren es. Die Klimmzüge. Die Klimmzüge waren es. Die Klimmzüge waren schon in der Schule damals im Gymnasium, im Spital an der Trau, sein Problem gewesen. Er hatte sie gehasst. Er war nicht der Größte gewesen damals in der Schule, war er auch heute noch nicht. Aber heute war das nie oder fast nie oder nur manchmal ein Problem mehr für ihn. Heute zählten andere Qualitäten. Aber die Klimmzüge, heute wie damals, waren sie das Problem. Eigentlich hatte das Problem schon vorher angefangen. Und auch heute noch war das das Problem. Eigentlich hatte das Problem schon vorher angefangen und auch heute noch war das sein Problem. Aber heute konnte er dagegen etwas tun. Er schaffte es damals wegen seiner Größe nicht oder fast nicht, so weit hochzuspringen, dass er die Reckstange ergreifen und sie mit den Händen umklammern konnte. Und wer die Reckstange nicht greifen konnte, der war sofort unten durch, im wörtlichen Sinn. Es war oft ein Gaudium gewesen damals, wenn ihm einer seiner Klassenkameraden hinaufhelfen musste, ihn ein Stück hochheben musste, sodass er die Stange mit den Händen greifen konnte. Da wurde dann geklatscht und »Herr, Herr, Herr!« gebrüllt, wenn er endlich oben hing, an der Reckstange. Mehr als vier bis fünf Klimmzüge hatte er nie geschafft damals. Dann hatte er auslassen müssen und war wie ein Sack auf die Matte gefallen. Heute, ja, ja heute stellte ihm der Trainer die Reckstange, schon bevor er in den Turnsaal der Volksschule kam, in der er seit Wochen abends heimlich übte. Genauso hoch stellte er sie ihm ein, dass er sie ohne Hilfe erreichen konnte. Aber mit den Klimmzügen, da hatte er noch immer Probleme. Zehn gingen sich aus, manchmal auch elf, aber wann war es aus mit seiner Kraft. Die Beine waren kein Problem, die Beine trainierte er im Turnsaal fast nie. Hin und wieder ein paar Kniebeugen, aber die machte er nur, um sich zu vergewissern, dass die Beinmuskeln noch in Ordnung waren. Die Beinarbeit war schon in seiner Jugend kein Problem, als er noch Fußball gespielt hatte. Schnell war er immer gewesen. Seine Beinmuskeln trainierte er bei den Bergtouren, die er dann und dann einmal alleine, oft aber auch mit Kameraden aus seinem engeren Umfeld und mit ausgewählten Reportern machte, genug. Die Beine waren nicht das Problem. Die waren durchtrainiert und muskulös. Nur die Armmuskel ließen zu wünschen übrig. Deshalb hatte er auch den Trainer engagiert und den Turnsaal der Volksschule gleich um die Ecke an zwei Abenden in der Woche reserviert. Natürlich nicht unter seinem Namen. Wenn das publik geworden wäre, dass er Klimmzüge trainierte, ein gefundenes Fressen wäre das gewesen für die Lügenpresse, diese linken Schmierfinken. Es hatte alles gut geklappt mit der Geheimhaltung seines Projekts. Er war aber nicht zufrieden mit dem Fortgang seines Trainings. Erst als er den Trainer gewechselt hatte, war etwas weiter gegangen. Den ersten hatte er mit einer relativ großen Summe und einer schriftlichen Garantie von seiner Arbeit mit ihm keinesfalls irgendwann einmal irgendjemanden zu erzählen bereit gemacht für den Wechsel. Der neue Trainer hatte neue Ideen eingebracht und neue Übungen. Jetzt trainierte er auch Liegestütze und das half. Nach drei Wochen schaffte er bereits 20 Klimmzüge. 25 waren sein Ziel und auch die würde er schaffen, bevor es losgehen würde. Die Zeit war reif, er konnte also in Ruhe auf seinen Tag warten. Niemand wusste, warum er heimlich Klimmzüge trainierte, nur er selbst wusste es. Er musste es irgendwann einmal, wenn die Zeit dafür reif geworden sein würde, schaffen. Er musste die Klinke der Tapetentür in der Hofburg ohne fremde Hilfe öffnen können. Das war sein Ziel. Sein Ziel konnte warten, aber aus den Augen ließ er es nicht. Irgendwann, das wusste er, würde er dort hinter der Tapetentüre seinen Schreibtisch haben.