Der zeitlose Raum In meinem Haus gibt es einen winzig kleinen, fensterlosen Raum, nicht größer als eine Besenkammer, in der die Zeit nicht vergeht. Könnte ich mich in diesen Raum zurückziehen, um ihn nie wieder zu verlassen, so würde ich ewig leben. Das ist freilich nicht möglich, denn ich muss arbeiten, um zu essen, und schlafen, um zu leben Würde ich in dem Raum meine Nächte verbringen, so könnte ich dadurch meine Lebenszeit um ein gutes Drittel verlängern Doch leider ist er viel zu klein für ein Bett Sein gesamtes Mobiliar besteht aus einem einfachen Holzsessel Könnte ich meinen Computer dort aufstellen, mit dem ich meine Texte schreibe, so wäre auch dadurch viel Zeit gewonnen. Doch gibt es in dem zeitlosen Raum keinen einzigen Stromanschluss, weil jede Form von Elektrizität seine Magie sofort und für immer zerstören würde. Daher begnüge ich mich notgedrungen damit, mich hin und wieder dorthin zurückzuziehen, um im flackernden Schein einer Kerze Gedichte zu schreiben. Genau genommen handelt es sich dabei also um zeitlose Gedichte, entstanden in einem Raum ohne Vergangenheit und Zukunft. Weil aber ich selbst ein Kind meiner Zeit bin, so sind auch sie nichts weiter als Gedichte eines Kindes seiner Zeit, dessen Lebenszeit begrenzt ist, so wie die der brennenden Kerze, in deren flaggenden Licht ich sie geschrieben habe. habe. Der Andersdenker. Ich lebe in einem Land, in dem die Freiheit des Wortes eine große Vergangenheit hat. Ich lebe in einem Land, in dem die Freiheit des Wortes eine kleine Gegenwart hat. Ich lebe in einem Land, in dem die Freiheit des Wortes keine Zukunft mehr hat. Vor noch gar nicht allzu langer Zeit wurden Andersdenker wie ich von einer Minderheit begundert und von einer Mehrheit als exzentrische Spinner belächelt. Heute hingegen ist die Minderheit der Bewunderer verstummt und aus der Mehrheit der Belächler ist eine Mehrheit der Hassenden geworden. Wer weise ist, hält lieber den Mund, sofern er es nicht fertig bringt, sich der Mehrheit der Buhrufer anzuschließen. Es ist an der Zeit, die Zeichen der Zeit zu erkennen. Es ist wieder an der Zeit, seine Meinung für sich zu behalten, sofern sie von der staatlich Verordneten abweicht. Ich werde versuchen, weise zu sein. Ich werde versuchen, den Mund zu halten. Ich kann nur hoffen, dass es mir auch gelingt. Andernfalls werden nämlich schon in nicht allzu ferner Zukunft vermummte Polizeibeamte einer Spezialeinheit in mein Haus eindringen, möglicherweise sogar durch das große Fenster zum Garten hin, um mich in Gewahrsam zu nehmen. Bei der anschließenden Hausdurchsuchung werden sie einige sehr lange, sehr scharfe Küchenmesser finden und sie als potenzielle Massenvernichtungswaffen identifizieren. Meine Chancen, mich da noch einmal herauszureden, werden gleich null sein, weil auch die Polizei der Zukunft sowie auch die meisten Menschen der Gegenwart genau das finden wird, was sie zu finden beabsichtigt. Es wird auch vergeblich sein, verzweifelt meine Harmlosigkeit zu beteuern, weil man Leuten wie mir keinen Glauben mehr schenken wird. Am ehesten wird mir noch ein volles Eingeständnis meiner Schuld etwas nützen, verbunden mit der flehendlichen Bitte und Nade, denn so und nicht anders ist es in allen Diktaturen der Welt, so und nicht anders wird es daher auch in der unseren sein. Und zum Abschluss eine kleine Fabel von Mäusen und Menschen. Es gibt im Mäusevolk zwei große Fraktionen, nämlich die Vorsichtigen und die Mutigen. Die Vorsichtigen verlassen nur selten ihren Bau und meiden ängstlich die vielversprechendsten Futterplätze, weil sie befürchten, womöglich gefressen zu werden, weshalb ihr Beitrag zur Ernährung des Mäusevolkes denkbar gering ist. Das ist ihr Nachteil. von einer Katze gefressen oder einer Mausefalle zerquetscht zu werden. Ihnen verdankt das Mäusevolk den weitaus größten Teil seiner Nahrung. Das ist der Vorteil. Ihr Nachteil ist hingegen, dass den meisten von ihnen nur ein sehr kurzes Leben beschieden ist, weil die meisten von ihnen ja doch irgendwann einer Katze zum Opfer fallen oder von einer Mausefalle zerquetscht werden. irgendwann einer Katze zum Opfer fallen oder von einer Mausefalle zerquetscht werden. Solange die Vorsichtigen und die Mutigen in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen, ist der Fortbestand des Mäusevolkes gesichert. Würde es irgendwann nur noch mutige Mäuse geben, so würden die meisten von ihnen schon ums Leben kommen, noch bevor sie das fortpflanzungsfähige Alter erreicht haben. Ihre Zahl würde schwinden und immer mehr schwinden und schließlich würden die Mäuse aussterben. Und gäbe es irgendwann nur noch vorsichtige Mäuse, so würden sie allesamt früher oder später verhungern. Auch unter uns Menschen gab es vor gar nicht allzu langer Zeit diese zwei Fraktionen, die Vorsichtigen und die Mutigen, die Geimpften und die Ungeimpften, die einander mit erbittertem Hass bekämpften, ohne zu begreifen, dass keiner dafür verantwortlich ist, welcher Fraktion er angehört. Man ist nicht deshalb vorsichtig, weil man es will. Man ist es einfach. Man ist nicht deshalb mutig, weil man es will. Man ist es einfach. Man ist nicht deshalb mutig, weil man es will. Man ist es einfach. Und wer anderen Menschen ihre Vorsicht oder ihren Mut zum Vorwurf macht, wird wohl schon allzu bald das Gleiche mit ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrem Geschlecht und ihrer sexuellen Orientierung tun. So weit darf es nicht kommen. Die wichtigste Lektion, die es zu erlernen gilt, um glücklich auf dieser Welt zu leben, ist Toleranz. Dies zu begreifen bedeutet, seinen Frieden mit dem Leben geschlossen zu haben. Das war's. Und die lange Nacht der Gaff beschließt Peter Hodina.