Die Schlange ist fertig. Text, den ich lese, heißt Die Schlange ist fertig. Wenn sich in einem Tagebuch neben viel anderem der Satz Die Schlange ist fertig für sich isoliert findet, mag man sich einiges denken. Würde mit Schlange etwas schiffriert, verschlüsselt, handelt es sich harmlos um irgendein Gericht oder um etwas Gebackenes wie den Zopf, irgendeinen dem Leser, der Leserin nicht gebräuchlichen Begriff? Eine Papiergelande für den Fasching. vorgesehenen Zeit fertig geworden oder hat es in seinem Fall viel länger gebraucht? Ist es ein Geheimnis wie zwischen zwei Verliebten, die etwas Schlange genannt haben, das nur sie für sich ausgemacht haben, so auf ihre intimsprachlich scherzende Weise zu nennen? Oder wenn ein Kriminalist an die Papiere gerät, mag er denken, dass es sich bei Schlange etwa um einen Sprengkörper oder eine Waffe handeln könnte. Man denke an die im Mittelalter gebräuchlichen, merkwürdigen Namen für gewisse Kriegsgeräte, wie man sie in Burgmuseen besichtigen kann. sogenannte Feldschlange, die ein Kanonentyp an der Wende zur frühen Neuzeit war. Sie ist ebenfalls unter dem Namen Kolubrine von Lateinisch Kolubrinus, schlangenartig bekannt. Oder würde es sich um eine sich gebildet habende Kette von Mittätern handeln können? Wer weiß. Besagter Satz ist für sich allein nicht oder noch nicht ausgedeutet. Also würde man in dem Tagebuch weitersuchen, sich fragen, was genau dieser Schreiber damit gemeint haben könnte. Und da stoßen wir vielleicht auf eine andere Stelle, wo er ein Kindheitserlebnis festhält. Wie mehrere Familienmitglieder mit dem Nachbarn zusammen Mühe hatten, mit einer riesigen schwarzen Kreuzotter fertig zu werden, die sie in dessen Garten aufgestöbert hatten. Sie widersetzte sich heftig, sie kämpfte. Am Ende wurde ihr der Kopf abgehackt. Auch das gelang keineswegs auf den ersten Hieb. Das Tier schien wie Rasputin mehrere Leben zu haben. Das Kind sah zum ersten Mal ein Wesen, das sich nachhaltig widersetzt. Einen Eigensinn, der nicht in den sonstigen Bravheits- und Befriedungskosmos passte. Etwas von außen kommend Fremdes, wie jenes 2017 entdeckte interstellare zigarrenförmige Objekt namens Oumuamua. Das Kind war von jener Widersetzlichkeit zutiefst beeindruckt. Ihm wurde die Gefahr, die von jener schwarzen Schlange ausginge, aufs Schauerlichste ausgemalt. schwarzen Schlange ausginge, aufs Schauerlichste ausgemalt. Als sie endlich bezwungen war, war der nachgebliebene Gefühlseindruck im Kind gespalten wie die Zunge einer Schlange selbst. Zum einen war der sich windende und dabei tückische Drache getötet, zum anderen aber auch Traurigkeit, dass das atemberaubende Schauspiel einer anders gearteten Lebensform und Lebensmanifestation unter Qualen zu Ende gegangen war. Das Kind fühlte mit beiden Seiten, fieberte, zumal ob seiner Kleinheit dem Todeskampf der Schlange viel näher, mit beiden Seiten mit. Die tote Schlange fand ihr Grab auf dem Misthaufen unter dem Gras, das der Nachbar mit der Sense gemäht hatte. Käme von dieser Begebenheit Licht in unsere Sache? Die Schlange ist fertig. Ist nun fertig gemacht, Tod erledigt? Oder, da dem Kind erstmals in Gestalt der schwarzen Kreuzotter, die bis zum Kampf auf Leben und Tod bereite Widersetzlichkeit begegnet war, als Entität, Symbol und Enigma, als Wesenheit, in dem Fall als eine gifttragende Qualitas für sich, möchte sich zum Beschluss nun jene Deutung vor uns verneigen, welche besagt, der Diarist sei nun seiner eigenen Schlangenkraft inne geworden, in ihm sei nun endlich die Schlange, er selbst sei Hoher Stock. Nicht hoher Stocker, sondern hoher Stock. Großartige moderne Architektur, diesmal im Traum. So etwas in der Wirklichkeit noch nie gesehen. Zugleich eine Gesellschaft von unendlich sensibilisierten Umgangsformen, die funktionierte. Einerseits das Großteilige, in diesem aber das funktionell Kleinteilige, durchdesignt, in allem einladend, niemals einschüchternd, im Fernblick erhaben, an die Berge anschließend dazwischen sehen. An Tenochtitlan erinnernd, aber in oskaniemeierscher Formensprache. Keine Autos mehr, Hochgeschwindigkeitszüge. Doch gab es auch Zweifelhaftes. Riesige, stadienhaft geschwungene Treppenanlagen ohne jedes Geländer, durch die Jugendliche nach Schulschluss zu Hunderten gleichzeitig hinunterstürmten. Sicherheitsbedenken meinerseits. Die Kontakte der Menschen untereinander gleitend, alles kann, nichts muss. Wenn ich dazu sage erotisch, stehen wir vor dem Problem, dass jeder unter Erotik anderes versteht. Ich würde trotzdem dieses ganze urbane Lebensgefüge als ein erotisch designtes einer einzelnen, rostigen, mit rotem Lack übersprühten, ausrangierten Diesellok uns entgegenkam. Ich fragte ihn, woher des Weges? Er habe länger als Obdachloser in Tschechien gelebt, aber sich allmählich zum Lokbesitzer emporgearbeitet. Er klappte vor meinen Augen, als wäre ich vom Zoll, einige im Lokinneren montierte Blechbehältnisse auf, in denen sich Flaschen mit Spirituosen befanden. Er handle mit diesen Getränken, sagte dieser Selfmade-Man nicht ohne Stolz. Weiter ging aber nun unsere Fahrt. Eine ungemein imposante Bergkette überschneit, wenn nicht übergletschert, tat sich am Horizont vor uns auf. Selbst wie Architektur wirkend, davor eine fantastische Großstadt, die selbst an diesen Fels- oder Eisformen sich zu orientieren schien, immer wieder dazwischen durch Seen und Teiche aufgelockert. immer wieder dazwischen durch Seen und Teiche aufgelockert. Aber wie wir in der Stadt schließlich angekommen, den Hauptberg betrachten, beginnt er in einiger Höhe sich zu verformen, einen Erker auszutreiben, dann noch einen. Es geschieht übrigens alles vollkommen geräuschlos. Durch besagte Erkerbildungen wurde der Berg noch architektonischer. Er ist andererseits weit genug entfernt, als in der Antarktis stürzten nun die weißen Massen herunter. Oder auch wie bei einer Lawine, wo die Touristen unterhalb noch glauben, der Vorgang würde sie ganz sicher nicht erreichen. Sprünge in Pflaster taten sich auf, auch Fassaden stürzten ein. Beim Davon wegrennen dachte ich noch, wie schön hier die Freiluftmöbel gestaltet waren, in einer so eminenten Weise einladende öffentliche Räume, sogar immer wieder Schließfächer für Rucksack-Touristen, interessant wie Pakete aus Beton gestaltet, Andreaskreuzartig verschnürt in unterschiedlichen Größen. Man wollte in diesen Städten neuen Typs bewusst den vagierenden und flanierenden Gast, der auf eigene Faust ungeführt sich den urbanen Raum erschließt, ohne Schranken, irgendeiner Exklusivität. Die Stadt ein einziges riesiges Sensorium, nichts als die Erweiterung unserer Körper und Sinne, kein Prokustesbett, in das wir gezwängt wären, kein hier verboten, dort verboten, alles nach Belieben, erkundbar, frei. Doch wir mussten laufen, zunehmend um unser Leben. Die Sprünge im Boden rannten uns gleichsam nach, beziehungsweise wir ihnen davon, immer wieder bröckelten wie bei einem Erdbeben die Fassaden vielen Trümmer herunter. Zuletzt aber erklomm ich die erste Stufe zum hohen Stock, das nenne ich für mich so. Dort oben war das eigentlich recht klein dimensionierte, direkt schon dann spinnstubenhafte Königsgemach. Die Königin selbst sah ich zierlich, rothaariger Zopf, sommersprossig auch ihren Mann, sie waren unkompliziert wie junge Studenten. Die Königin reichte mir von oben die Hand, damit ich die nächste Stufe erklimmen konnte. Hier oben wären wir sicher, das meinte sie, von dem Erker dort oben könnten wir, ohne selbst Schaden zu nehmen, zusehen, wie nach und nach die Stadt zusammensinke. Aber mir war klar, wie illusionär der Gedanke war, sich auf diese Weise sich gerettet zu weinen. Denn die Sprünge würden schließlich ihr letztes Ziel finden, die Basilea, den hohen Stock mit uns darin. Und jetzt noch ein ganz kleiner Text zum Abschluss, der heißt Zuversicht. Wie? Die Zeit ist um? Wir haben 11 Minuten. 11 Minuten haben wir gehabt. Oh, dann muss ich mich wirklich sehr entschuldigen. Dann bin ich... Fini.