Guten Abend, meine sehr geehrten Damen und Herren, herzlich willkommen im Stifterhaus. Mein Name ist Sarah Pöringer und ich freue mich, Sie heute zu einer Buch- und Verlagspräsentation begrüßen zu dürfen. Heute Abend stellt Elisabeth Reichert ihren Roman »Komm über den See« vor, der 2025 im Otto-Müller-Verlag neu aufgelegt wurde. Frau Reichert war bereits mehrfach zu Gast im Stifterhaus, zuletzt 2019. Ich freue mich sehr, dass es auch heute geklappt hat. Herzlich willkommen Elisabeth Reichert. Außerdem freuen wir uns auf Sophia Lunraschnack, die in ihrzählband Worte wie Mandelblüte vorstellen wird. Das Buch, das im Herbst 2024 ebenfalls im Otto-Müller-Verlag erschienen ist, befasst sich in elf Erzählungen mit dem Thema Abschied. Sophia Schnack war 2023 bereits im Stifterhaus mit ihrem Debütroman Feuchtes Holz, der auf der Shortlist des Raurisser Literaturpreises 2024 stand. Umso schöner, dass Sie auch heute hier zu Gast sind. Herzlich willkommen, Sophia Schnack. Ursprünglich sollte der Abend eigentlich von der Verlegerin Nadine Hötzendorfer moderiert werden, die jedoch aus gesundheitlichen Gründen heute nicht hier sein kann. Die Moderation übernimmt stattdessen Arno Kleibel, Verleger beim Otto-Müller-Verlag. Er wird den Abend leiten, den Verlag vorstellen, sowie unsere Gästinnen kurz mit einem Gespräch eben in diesen Abend führen und dann eben auch noch ein paar Fragen stellen. Herzlichen Dank für das kurzfristige Einspringen und herzlich willkommen Arno Kleibel. Bei Ihnen bedanke ich mich für das Kommen, übergebe nun das Wort und wünsche Ihnen einen schönen Abend. Ich wünsche Ihnen einen schönen guten Abend. Danke für die Begrüßung, Frau Püringer. Ich komme gerade aus Leipzig von der Buchmesse, wo ich auch schon alleine war, weil Frau Hötzendorfer leider eben krank geworden ist. Ich erzähle Ihnen kurz etwas über den Otto-Müller-Verlag, über seine Geschichte und wie wir arbeiten. Und dann werden Frau Schnack und Frau Reichert lesen, ohne dass ich moderiere, weil das kann ich nicht. Und die Autorinnen erzählen Ihnen über ihre Bücher, was sie Ihnen erzählen wollen, ohne dass ich die Fragen stelle. Wenn Sie das erlauben, Frau Püringer, dann machen wir das so. Also der Otto-Müller-Verlag wurde von meinem Großvater 1937 gegründet. Keine Angst, es dauert jetzt nicht so lang. Ich zähle nur ein paar Eckpunkte auf. Keine Angst, es dauert jetzt nicht so lang, ich zähle nur ein paar Eckpunkte auf. Er selbst hat, und das ist vielleicht interessant, seinen Zugang zu Büchern immer durchs Lesen gewonnen, natürlich, das ist klar, aber seine Ausbildung war nicht buchaffin. Er kam aus einer sehr armen Familie, also keiner reichen Familie zumindest, und hat nach der Matura, die er nur gemacht hat, weil ein Pfarrer sich für ihn eingesetzt hat, eine Bankkaufmannslehre gemacht. Und das ist gar nicht schlecht, dass man als Verleger auch einen bestimmten Bezug zum Geld hat, dass es nicht versehentlich ausgeht, wenn man sozusagen so viele Buchprojekte, die man fantastischerweise machen möchte, dann nicht mehr finanzieren kann. Er hat, wie gesagt, 1937 den Verlag gegründet, er selber war auch gerade 36 Jahre alt, er hat vorher beim Anton Pustet Verlag in Salzburg gearbeitet. Es war keine leichte Zeit für den Verlag und das Verlagsprogramm war nicht nur Literatur, sondern auch Theologie und Geisteswissenschaft und wegen der theologischen Ausrichtung des Verlages ist er nach dem Anschluss sehr schnell in Konflikt mit den Nazis gekommen und er musste seinen Verlag dramatisch verkaufen und stilllegen und er musste dann hier in Wels, also hier nicht, hier in Oberösterreich, in Wels in einer Seilfabrik arbeiten. Meine Mutter hat immer gesagt, er musste dort arbeiten und ich habe angenommen, er war Zwangsarbeiter, vor kurzem bin ich draufgekommen, er hatte dort eine Leitungsfunktion, aber so sind die Mythen, die sich aufbauen. Aber jedenfalls musste er seinen Verlag loslassen und hat ihn Lambert Schneider in Berlin verkauft. Er war aber auch sozusagen, bevor er ihn verkauft hat, ein Jahr inhaftiert und in Untersuchungshaft. Und meine Tante, die dann kurze Zeit später den Verlag geleitet hat, hat als Kind, war sie in der Volksschule und daneben war das Gefängnis, wo ihr Vater inhaftiert war und sie hat mir immer wieder erzählt, wie sie als Volksschülerin zum Gefängnis gewunken hat, damit der Vati das sieht und daraus Kraft schöpft. Ich erzähle das, weil mich das immer sehr berührt und meine Tante vor kurzem gestorben ist. Also es wird nichts mehr Persönlicher, das kann ich Ihnen versprechen. Nach dem Krieg hat mein Großvater sehr schnell das Permit bekommen, seinen Verlag wieder zu gründen und hat den Erfolgsautor Karl-Hench Wackerl für den Verlag gewonnen und aber auch die Rechte der österreichischen Autoren, wieder zurückgekauft vom Lampert-Schneider, unter anderem die Rechte am Werk Georg Trackels, was sozusagen für das literarische Programm entscheidend war und das Renommee für den Verlag bis heute. Wir machen bis heute die Trackel-Studien und sehr schöne Trackel-Ausgaben. Vor kurzem hat Hans Weichselbaum die Gesamtausgabe neu revidiert, weil man immer noch Gedichte und einige Briefe gefunden hat, die wir damit ergänzt haben. Also um das Werk Trakel rankt sich das literarische Programm. Mein Großvater ist sehr jung gestorben, 1956, und wie gesagt, meine Tante, damals 23 Jahre alt, hat die Verlagsleitung übernommen. Ungewöhnlich für die Zeit der 50er Jahre, ein unverheirateter junge Frau in einer Männerwelt, aber sie hat sich sehr energisch durchgesetzt und hat in ihrer Zeit unter anderem nicht nur Christine Lavand verlegt, sehr wichtig, mit einer ganz besonderen Freundschaft, das ist ein ganz wunderbarer Briefwechsel zwischen ihr und Christine Lavand, aber sie hat auch die ersten beiden Bücher von Thomas Bernhardt verlegt, die bei uns erschienen sind. Gedichtbände, von denen er sich nachher distanziert hat. Und er hat auch in seinem Testament geschrieben, die sollen nie wieder aufgelegt werden, worum sich niemand in der Testamentsvollstreckung gekümmert hat. Die sind sehr schnell wieder aufgelegt worden, auch nicht bei uns, sondern bei Surkamp. HC Artmann hat sie verlegt mit einer schwarzen Tinten. Und sie hat aber dann nach sieben Jahren gesagt, das ist nicht ihre Aufgabe, sie macht das in Verehrung des Vaters, aber eigentlich interessiert sich sehr mehr die Naturwissenschaft und hat dann Medizin studiert und wurde Ärztin, hat die Verlagsleitung dem damaligen Lektor übergeben. und wurde Ärztin, hat die Verlagsleitung dem damaligen Lektor übergeben und damit war auch die literarische Ära des Verlags eine Zeit lang unterbrochen, bis ich dann 1986 an den Verlag gekommen bin. Ich war im Hinblick schon 25 Jahre alt, die wirtschaftliche Lage war nicht sehr rosig des Verlages und ich habe dann, obwohl ich der vierte Sohn meiner Mutter bin, der die Hälfte vom Verlag gehört hat. Das vierte Kind sozusagen habe ich die Verlagsseite übernommen, nicht meine älteren Geschwister, und habe den Verlag sozusagen wieder neu aufgebaut, die Schulden getilgt. Das erzähle ich jetzt nicht in aller Breite, aber ich wollte unbedingt die Literatur wieder beheimaten im Verlag und habe dazu auch Karl Markus Gauss gefunden, der 30 Jahre lang unsere Zeitschrift Literatur wieder beheimaten im Verlag und habe dazu auch Karl Markus Gauss gefunden, der 30 Jahre lang unsere Zeitschrift Literatur und Kritik geleitet hat. Eine ganz wichtige und prägende Ära für den Verlag, weil über die Zeitschrift auch viele junge Autoren an den Verlag gekommen sind. Wie kommt ein Verlag zu Autoren? Da bin ich sozusagen um Elisabeth Reichert, ich kann mich genau erinnern, mein damaliger Lektor Herbert Orlinger, heute ist er Chef vom Zschollner Verlag, hat gesagt, wir sollen uns um die Verreichert kümmern. Die hat zwei Bücher gemacht und hat keinen Verlagemoment und die soll da was Neues schreiben. Und dann haben wir sie umworben und entworben und dann hat sie uns eine der Zählbandler waltz gegeben und mittlerweile haben wir alle Bücher von Elisabeth Reichert im Programm. Komm über den See ist das letzte Buch, das wir jetzt neu aufgelegt haben und das erfüllt mich wirklich mit Freude und auch mit Stolz, dass unsere Zusammenarbeit schon über 30 Jahre dauert und immer noch Bücher in gutem Einvernehmen erscheinen. Das ist keine Selbstverständlichkeit, kann ich Ihnen sagen. Also die Bücher oder Autorinnen kommen an den Verlag, wenn sich der Verlag um sie bemüht. Frau Schnack hat uns ihr Manuskript geschickt. Also es gibt es auch, wir schicken ein Manuskript dem Verlag. Dann haben wir lang diskutiert, was machen wir mit dem Manuskript geschickt. Also es gibt es auch, wir schicken ein Manuskript dem Verlag und dann haben wir lang diskutiert, was machen wir mit dem Manuskript, weil der erste Roman war kein Roman, sondern es war Prosa, Gedichte, balladenartig, vom Inhalt her sehr faszinierend, aber sozusagen, wie sollen wir sowas verkaufen? Ist es ein Gedichtsband? Wir haben es lang diskutiert, lang diskutiert. Dann haben wir beschlossen, wir laden die junge Frau, die wir nicht gekannt haben, ein. Dann ist sie bei uns gesessen im Büro. Und sie war so überzeugend, dass wir gesagt haben, wir machen das Buch. Und es war ein richtiger Erfolg. Ich höre noch den Dreisatredakteur Dr. Kranditz, der gesagt hat, das ist einmal ein Erstling, der hätte eigentlich auf jede Shortlist von Erstlingswerken gehört. Er war ja dann auch auf der Shortlist von Rauers immerhin, aber sozusagen hätte von den verschiedenen Droger viel mehr Beachtung gefunden müssen. Also sozusagen, das sind die verschiedenen Wege, wie wir Manuskripte finden, die wir gerne veröffentlichen wollen. Es gibt auch ganz andere Wege. HC Atmen zum Beispiel ist gekommen über die Empfehlung eines anderen Autors, Hans Sedlmeier, der Kunsthistoriker. Und der wiederum ist auf HC Atmen gekommen, weil er verheiratet war mit der Maria von Schmedes. Und Maria von Schmedes war in den 40er und 50er Jahren eine Schlagersängerin. Das können Sie auf YouTube nachhören. Maria von Schmedes konnte das wahnsinnig gut nachsingen. Ihr Gesang, wie man gesagt hat, Rode, hohe, rote, hohe, ihr habt rote Haare, kann man wohl. Und diese Maria von Schmedes kannte den Artmann, und hat dem Mann gesagt, der hat Gedichte empfiehlt aus dem Otto-Müller-Verlag. Was er getan hat, in einem vierseitigen Brief brief das dann auch gleich das vorwort für dieses buch wurde also es gibt verschiedene wege wie wie manuskripte zum zum verlag finden der normale weg ist sozusagen wir wenden uns an einen autor eine autorin wir kriegen manuskripte also wir pr wir kriegen Manuskripte, also wir prüfen alle Manuskripte, die wir bekommen, schauen wir an und diskutieren wir und das ist schon eine der wesentlichen und schönen Aufgaben im Verlag. Ein Verlag arbeitet aber nicht nur dort, dass er schöne Bücher macht, einen Umschlag macht und dem Werk sozusagen den passenden Rahmen gibt. Die eigentliche Arbeit beginnt kurz bevor das Buch erscheint oder mit Erscheinen des Buches, weil man eben Wirbel machen muss um das Buch. Also wir müssen es den Buchhändlern verkaufen, wir müssen es der Presse verkaufen, wir müssen Marketing machen, wir müssen die sozialen Medien bedienen, das wird immer wichtig. Ich komme wie gesagt gerade aus Leipzig und Sie können sich nicht vorstellen, welche Macht die sozialen Medien haben. Und ich rede da nicht von Facebook, Facebook ist ja schon wieder aus, das ist was für Alte wie mich sozusagen, sondern die anderen sozialen Medien, da gibt es junge Leute, die orientieren sich nur am Handy, wo sie jetzt hin müssen, weil auf dem Kanal das gesagt worden ist, dass man dort was Tolles findet. Es ist sozusagen eine neue Welt, eine neue Plattform, wie man Bücher bewirbt. Früher war es so, dass man gewusst hat, wenn in der Fahrt sein Buch rezensiert wird, ist das ziemlich gut und viel mehr kann man nicht erreichen. Heute muss man bei den sozialen Medien vorne dabei sein und hoffen, dass es keinen gibt, der hineinschreibt, puh, das Buch ist vielleicht ganz gut, aber der Umschlag ist letztklassig, das können es alle vergessen. Das gibt es auch. Wir arbeiten in Salzburg mit fünf Mitarbeitern und wie ich immer sage, wir haben alle Planstellen besetzt, wir würden einen Bestseller nicht verhindern. Wie gesagt, wir haben eine Lektorin, die arbeitet freiberuflich, die ist eine fixe Frei, würde man sagen, und der Rest der Mannschaft arbeitet eigentlich im Marketing und Vermarkten und im Vertrieb der Bücher. Das ist die Hauptaufgabe. Das sieht man oft nicht, weil es so selbstverständlich ist. Es ist auch nicht selbstverständlich, dass wir hier eingeladen werden. Das ist viel Arbeit, das Stifterhaus zu überzeugen, dass wir eingeladen werden, aber es funktioniert Gott sei Dank sehr gut. werden, aber es funktioniert Gott sei Dank sehr gut. Und hier im Stifterhaus, muss ich sagen, haben wir mehr Auftritt als in Salzburg. In Salzburg, was wolltest du eigentlich, da ist jetzt eh nicht mehr zu Hause. Gut, also im Stifterhaus, das ist mein zweites Wohnzimmer und hier bin ich wirklich sehr gerne. Und wie gesagt, wir fühlen uns hier sehr wohl. Ich möchte jetzt sozusagen auch gar nicht so viel über Frau Schnack und Frau Reichert erzählen. Wie gesagt, ich bin kein gelernter Moderator. Ich möchte den Autorinnen das Feld alleine überlassen. Sie sind das gewohnt und sie können das auch sehr gut. Wie gesagt, dass beide Bücher, was die Autorinnen vereint und worauf, was mich immer sehr fasziniert, ist sozusagen der Zugang zur Literatur mit einer ganz, ganz präzisen Sprache auf eine verschiedene Art von Elisabeth Reichert und Frau Schnack, aber sozusagen doch diese präzise und nicht auf Sensation aufgelegte Schreibweise, sondern das Bedächtige, das Reflektierte. Das ist es, was mich überzeugt. Wir machen das Programm, mittlerweile mache ich das Programm mit meiner Nachfolgerin Frau Hötzendorfer gemeinsam, also der Verlag gehört noch mir. Aber entscheidend tun wir gemeinsam und das ist für mich ein Riesenglück. Das wollte ich auch unbedingt sagen, dass ich einen jungen Menschen gefunden habe, der bereit ist, sozusagen die Verantwortung zu übernehmen, sich im Verlag zu engagieren. Antwortung zu übernehmen, sich im Verlag zu engagieren, nicht im Verlag zu engagieren, sondern eben bereit ist, die Aufgabe einer Leitungsfunktion zu übernehmen. Das ist nicht selbstverständlich. Und insofern, das nächste Mal, wenn wir eingeladen werden sollten, kommt Frau Hötzendorfer, die wird Sie so wie mich begeistern. Ich darf jetzt Ihnen für die Aufmerksamkeit danken und freue mich selber auf die Lesung, weil beide Autorinnen auch gute Vortragende sind ihrer Werke. Vielen Dank. Ja, einen schönen guten Abend. Danke für die einleitenden Worte und ich freue mich sehr, wieder hier zu sein, nach relativ kurzer Zeit. Also wie gesagt, mit meinem Debütroman Feuchtes Holz habe ich schon einmal hier lesen dürfen, auch im Rahmen einer Verlagspräsentation. Und heute bin ich eben mit meinem Erzählband Worte wie Mandelblüte hier. Und wir haben schon gehört, das Thema, das alle Erzählungen vereint, ist grob gesagt der Abschied. Also verschiedene Situationen von Abschied, von Personen, von Orten, von Phasen, aber vor allem dann die Frage, was bleibt, was man mitnimmt, auch in einer sprachlichen Hinsicht und wie beim Debütroman auch schon, beim Debütroman auch schon, sind es jetzt sicher keine klassisch-narrativen Texte und Erzählungen. Je weiter man vorrückt in der Lektüre, desto mehr bricht sozusagen die Lyrik durch und das ist auch bewusst. Also die erste Erzählung, die ich auch lesen werde, ist noch sozusagen am narrativsten. Und es geht dann auch um das Überwinden von Themen, um das Überwinden von bestimmten Sprachen eben. Und so gleiten dann die Texte nach und nach mehr in eine sehr freie lyrische Richtung bleiben, aber für mich absolut Erzähltexte. Also auf die Frage kann ich dann auch gern zurückkommen, warum dann Erzählband, warum Erzählungen. Genau. Und was mir auch für heute speziell wichtig ist, ich möchte die Lesung Barbara Frischmuth widmen, die mit meinen ersten literarischen Schritten ganz eng verbunden ist. Abschied. Das Wasser wird von meinen Sätzen getragen, fließt in meine Bilder. Oder sind es meine Sätze, die vom Wasser getragen werden, Bilder, die fließen, sich legen auf kaum sichtbare Wellen, auf kleine laufende Funken, die Kindersprünge vom anderen Ende des Stegs herleiten, vorbei, immer kleiner, ruhiger. Liege am äußersten Ende des Holzstegs, presse die Haut meines Bauches, meiner Oberschenkel ins Holz fest. Versuche, den halbtrockenen, halbfeuchten Brettern Wärme zu entziehen, keine Luft zwischen Haut und Holz zu lassen. Holz fängt Hauttropfen, Rieseln in seine Rillen, Haut saugt sich ins Holz, fängt seine Form. saugt sich ins Holz, fängt seine Form. Wie hölzerne Wellen in Poren schwappen, wie das Holz selbst ein Muster aus Wasser auf meinem Bauch, meinen Oberschenkeln zeichnet. Meine Stirn, schwer, legt sich auf meine verschränkten Arme, schließe die Augen, unter mir das Glucksen von Wellen regelmäßig. Ihr sanftes Plätschern hin und her, stärker, wenn Wellen einem Pfosten hinaufklettern, der Pfosten die Wellen kurz hält, dann in die andere Richtung entlässt. Öffne leicht die Augen, verfolge durch Spalten zwischen Holzbrettern Klänge zu Ende, bis sie brechen. Stütze dann das Kinn auf meinen Handrücken und schaue auf den See, immer weiter hinaus, immer fremder, als hätten sich Bilder, Sätze für einen Augenblick zu Wasserbegegnung gelöst. Wasser wird von deinen Sätzen getragen, fließt in deine Bilder. Sehe dich Segelbooten nachschauen, schwebend wie Schwäne hinter Uferwasser, Segel und Flügel, die aus der Bucht treiben, Richtung Ebensee verschwimmen. Als würdest du jetzt aufs Neue entgleiten, jetzt, wo ich deinen Blick weiß, deinen Blick über das Schloss im See, über die Insel, auf der ich dich suche, immer wieder. Wieso hast du nie erzählt von diesen Blicken jeden Tag? Wieso nie erwähnt die Schwäne und Segel weiß wie Wasserschloss? Nie erzählt von deinen Ausfahrten bei Wind, wie muss sie auf dich gewirkt haben, diese Landschaft aus Märchen, Bilderbrüchen. Konnte sie dich in ihrer Zeitlosigkeit fangen, war sie zu sehr an deine Zeit gebunden. Wie muss sie für dich gewesen sein, diese Schönheit, dein Schutz am Anfang des Sees, während an seinem Ende spurlos. Wie sie jetzt zu mir kriechen, diese Spuren vom anderen Ende des Sees. Wie du deine Bilder nicht mitgenommen. Wie Spuren nicht sichtbar, aber spürbar in mich ziehen. Kalt, feucht, wie Nebel im November. Spuren körperlos nieseln unter Haut. Hast oft gesagt, Haut sei zu dünn. Höre noch deine Stimme, wie sie nachhalt. Dünne Haut, dickeres Fell. Deine Stimme, warm, durchlässig. Vielleicht hast du die Schwäne und Segel vor dem Wasserschloss nie schön finden können, vielleicht hast du sie deswegen nie erwähnt, der schöne Blick belastend. Vielleicht hast du, wie ich jetzt, nicht gesehen, nicht gehört, nur wortlos. Vielleicht hat man dir diese Bilder benebelt vom anderen ufer spuren gewischt die trotzdem durch deine bohren gezogen hast spurlosigkeit gelernt weiter getragen blicklosigkeit gereicht bis zu mir um deine dann meine dünne Haut nicht zu reißen. Stelle mir dich vor, schaukelnd zwischen aufblähenden Segeln, stelle mir das Lachen um dich vor, wie er gelegen in bunten Badeanzügen, getragen, gewichtlos vom Wind. Wie er der Krieg nicht zu hören, so treibend mitten am See, in den eure Körper springen, spritzend, jung, sonnenbraun. Du als Kind, als Jugendliche, unvorstellbar. Ob ihr bei Tronkirchen die Segel gewendet, ob ihr spätestens dann wieder zurückgefahren oder weitergetrieben bis ans Ende des Sees, dort die Augen weg vom Ufer gedreht, ob ihr dort aufgehört zu reden, bewusst oder unbewusst, oder eure Augen trotzdem erst recht offen, euer Lachen trotzdem erst recht laut. Vielleicht war genau diese Leichte schwer für dich, diese Leichte als Recht, als Recht zur Vergnügung, diese Leichte als Pflicht zum Wegschauen, Weghören, zu Jugend. Vielleicht war es genau diese Leichte, die schwer war. Mein Kinn bohrt sich immer tiefer in meinen Handrücken, wechsel die Position, setze mich auf, immer noch wärmetastend. Tropfen laufen über Gänsehaut, bleiben stehen zwischen feinen Härchen, ihre wenige Kraft, um Wasser zu halten. Herrchen tragen Tropfen, setzen meinen aus deinem Blick fort. Kann ich diese Landschaft heute leicht finden, trotz des Wissens, vielleicht gerade deswegen, vielleicht gerade als Notwendigkeit, als Antwort, gibt es Leichte dort, wo es ganz nah Schwere gab, kann diese Schwere verfliegen? Oder gibt es Leichte gerade dort, um sich gegen sie zu stellen, kann sie ausfliegen, radikal sein. Kann ich das Gewicht nehmen, das sich um euch gewickelt, oder wickelt es weiter, schnürt es noch? Kann ich vom Holzsteg noch, wie unwissend, gegen Felsen blinzeln, gegen Felsen, die das Ende des Sees decken? Kann ich so Luft baden oder nur in Sprache kriechen, in Wortwahlen, die mich tragen, scheinbar zu dir. Sprache langsam von Neuem beginnen, Spuren finden, Schritte den See entlang ziehen, zeitliche Trennungen dehnen. ziehen, zeitliche Trennungen dehnen. Während die Sonne immer tiefer wird in der nächsten Stunde hinter einem der Felsen sinken, währenddessen noch einmal kurz ins Wasser steigen, nicht springen, diese Angst vor Plötzlichkeit. Möchte deine Satzreste mit Kälte verrauschen, nochmals dünne Haut werden, um deine Bilder, meine geworden, wegzutauchen, nicht durchzulassen. Um zu tauchen, ob irgendwo am Grunde des Sees noch ein Tropfen, durch den auch du geschwommen. noch ein Tropfen, durch den auch du geschwommen. Als würde ich beim Tauchen in deine gläserne Jugend kippen, wie geschichtelos, nur umrauscht. Als würden wir gemeinsam Luft halten, etwas teilen von diesem kalten Wasser, das bricht, rattern bremst, durch Haaransätze unter Kopfhaut schwimmt. Form zu Seewasser wechseln, etwas von dir in meinem Körper, etwas von deinem Wasser, Angst, etwas würde sonst weiterstocken. Nur langsam die Leiter zurücksteigen, Wasser in Wind, meine nasse Haut noch kälter als vorher. Lege mich nicht mehr auf verwitternde Bretter, wickle mich stattdessen in ein Handtuch, mein Blick schweift nach links, rechts, sichergehend, dass ich nicht gerade jetzt etwas versäume. dass ich nicht gerade jetzt etwas versäume. Unmittelbar vor dem Wasserabdruck stehen, den mein Körper in der letzten Stunde auf Holz hinterlassen. Unmittelbar vor meinem Wasserkopf, Zehen verinnern in seine Ränder. Es hat sich fortlaufend alles, nichts verändert. Drehe mich um, gehe über den Steg zurück auf die Wiese, ob dieser Baum, unter dem ich mich abtrockne, umziehe, schon da, als du dich hier abgetrocknet umgezogen. Erst jetzt die senfgelben Gebäude der Badeanlage sehen, eine Runde drehen, durch fast leere Umkleideräume vor dem dunklen Spiegel halten, über ihm das Schild, Reinlichkeit ist Pflicht. Meine Augen sinken auf deine, der Spiegel wirft mir zu, was er dir zugeworfen, dieselbe Trockenheit, die unseren Blickkontakt bricht. Meine Augen auf einer Gruppe Jugendlicher verfangen sich, verlasse mit ihnen über Schwingtüren senfgelbe Räume, als würde ihre Art zu gehen, zu sprechen, mir verraten, wie du hier gegangen, gesprochen, als würde ihr Lachen sich anhören wie deines. Allein in die andere Richtung weitergehen, Uferpromenade entlang Richtung Zentrum, immer möglichst nahe am Wasser, mehr steigend als vorwärts strebend, als würde ich deine Schritte im Gipsfuß nachsteigen, mein Körper, meine Schritte haben die Erinnerung an dein Gipssteigen begonnen. Noch bevor meine Erinnerung zu denken beginnt, fließt sie in meinem Gen. Mein Kopf nur Fortsetzung von dem, was mein Körper vor mir weiß. Davon hast du oft erzählt, dass du ausgerechnet im Matura-Jahr einen Gipsfuß hattest, du damit drei oder viermal so lange in die Schule gebraucht, dass dich ausgerechnet ein Mädchen immer abgeholt und begleitet, dessen Vater ein Überzeugter, dann hast du Luft fertig formulieren lassen, hast mit dem Kopf gedeutet, dass das Mädchen dich beim Gehen mit ihren dicken, blonden Zöpfen gefragt, was ihr zu Hause für Musik gehört. Davon hast du oft erzählt, dass du nach Kriegsende von dem Mädchen nie wieder etwas gehört. Mehr steigend als vorwärts strebend, irgendwann bei der Bootsanlegestelle vom Rathausplatz ankommen setze mich auf eine Bank, schaue auf ein ausfahrende Schiffe, am Ufer treibende Schwäne früher sei das Schwänefüttern hier eine Attraktion gewesen, sagt ein Mann mit weißen Haaren neben mir jetzt sei es verboten, sagt ein Mann mit weißen Haaren neben mir, jetzt sei es verboten, es hätte er mein Suchen gehört. Ob du sie am Weg zur Schule gefüttert, die Schwäne mit Brot, ob man es dir erlaubt, trotz allem, ob du nie einen Brösel geworfen. Ob du vielleicht deswegen am Ende deines Lebens so getrieben Enten im Park zugeschaut, ob du genau aus dieser getriebenen Stille gefragt, was sie dann fressen, ob sie kalte Füße im Winter. Als Kind hast du das nie gefragt, als Kind alle ausbleibenden Gesten, alle An- und Abwesenheiten selbstverständlich. Dein Schauen beginnt zu tröpfeln über dem anderen Ende des Sees schwarze Wolken, schlüpfe in meine Regenhaut, löse mich vom Ufer, gehe am Rathaus vorbei, an seiner Uhr mit kleinen Glocken aus grünwellender Keramik. Jede volle Stunde spielen Melodien deines Kindseins, leiten, verfliegen. Hast du jemals gekostet. Lasse ihn über meine Zunge rinnen, Wangen röten, durch Regen atmen. Das Tröpfeln trägt mich einzeln über Pflastersteine, trägt mich zu deinen Wänden. Das Pflaster, über das ich triple, wie so viele vor mir, nach mir, über Steinen einzeln deine Schritte, deine Schritte in meine, unser Trippeln, das sich übereinander legt. Spielt für die Steine unser Nacheinander eine Rolle, ich nach dir, oder werden unsere Schritte auf Stein nicht gleichzeitig meine mit deinen? Rasten sie nicht ineinander ein? Stehen sie gemeinsam vor deinen Wänden, hinter ihren Fenstern geöffnete Vorhänge, als würde dein Blick sie streifen? Wissen sie noch etwas von deiner Stimme, die übermalten Wände? Wissen Sie noch, wie du hier mit deinen Schwestern zu dritt unter dem Klavier geschlafen, auf einer Matratze mit einer Decke, quer über eure zusammengerollten Körper? Davon hast du oft erzählt, hast betont, unter dem Klavier. Das Klavier als euer Dach, denke ich dich weiter, ein Versuch vielleicht Klänge zu erzeugen, trotzdem immer noch. Hast erzählt von den ausbleibenden Nachrichten der Familie, nur die Berichte von Bomben. Hast erzählt, wie du mit deinen Schwestern zu Fuß nach Wien, das euch das Nichtwissen gejagt. Meine Haut auf Mauerstein, kalt, rau, als würdest du aufs Neue entgleiten. Jetzt, wo der Mauerstein Illusion einlässt, dass alles zugänglich bleibt, das Verflossene sich halten lässt, Gegenwart ein Wille ist. Jetzt, wo meine Haut auf Mauersteinen liegt, diese Angst, mein Puls könnte deinen überlagern, mein Schweiß auf Stein deinen übertönen, diese Vorstellung kippen, Zeit nach vorne springen, Jahrzehnte, die dich greifen, zudrehen. Jetzt, wo ich in meiner Hosentasche den Zettel taste mit Fragen, so viele Antworten, die fehlen werden, wie das abklingende Tröpfeln Berührungen aus luft hinterlässt über meine wangen meinen mund diese feuchte steigt über dächer aus fenstern dieses wiederkehren fahnen im blau gelb ragt ein satz vielleicht haben wir ursprünglich gesungen. Das ist die Eröffnung des Erzählbandes, die erste Geschichte, die für diejenigen, die vielleicht den Debütroman kennen sollten, auch gewisse Themen wieder aufgreift, sprachlich verwandt ist und im Laufe des Erzählbands werden diese Themen sozusagen sprachlich, motivisch, inhaltlich eben mehr und mehr auszubrechen und ich lese jetzt noch einen kurzen Teil von weiter hinten vor. Mit dem Titel Metro Mare. Ich weiß nicht, wer von Ihnen in Rom diesen Zug, U-Bahn kennt, der als einzige Richtung das Meer Ostia hat und deswegen eben dieser Name Metro Mare. Das Schild am Hafen, Vietato non amare il mare,boten, das Meer nicht zu lieben Aber was, wenn zwei Meere zwischen Wünschen liegen Du auf Platanenblatt, ich unter Pinien-Schirm Was, wenn Wünsche nur über Lautsprecher gehört werden Zum Beispiel Mikrofone fallen auf 2000 Jahre alten Stein. Scheinwerfer führen darin unsere Beine, sodass Schlamm neu schichtet. Bilder, die sich festsetzen, umschwimmen, aufstoßen, ablegen, Überfahrt. Schwimmen, Aufstoßen, Ablegen, Überfahrt. Metro Mare verso Lido, ein Bahnhof gebaut, ausnahmslos Richtung Meer. Radikal leichter von Weiß wie Wasserschloss, gerade weil sie nicht da diese weißen Pegasussprünge Themen überwinden, Sprache von Transparenz zu Konturen, Klangräume wechseln. Trotzdem erst recht einsteigen, Körper aus Moos bewachsen, Luft zwischen Finger spannen. Noch Sonne und Feuchte trotzdem nicht stürzen, erst recht nicht schmelzen. Sprachriss, mehr Sprachsprengung, mit Neujahrszehen auf nassen Sand, roter Kranich steige ins Blau, rotes Metall spiegelt auf Silberschild. Mondfalls tragen unsere Tänze zu jeweils anderen über beide Meere hinweg. Hier ist der Mond fast voll, während er bei dir als Sichel rosenfingrig neben untergehender Sonne steigt, zwischen hell, dunkel, dann hinter leukadischem Felsen bricht. Das sei dort immer so, hast du gesagt, seither fällt er immer anders, fängt nahe und ferne Täusche. Neue Liebesformen heißt neue Sprachformen mit hafer wird mit der morphose dieses faunische wären erste menschen flügel zum fliehen entstanden metro am übergang schwelle erreichen, aus Zeilen heraus wachsen. Übernehmen, eine Farbe, eine Wärme, Zugvögel kommen mit Akzent zurück. Bereitet Sprache immer Unternehmung vor, bereitet nach. Auf der Sprachbank sitzen dunkle Salzschokolade-Schlecken. Jede Person, eine Sprachperson, heißt die Worte nimmt, Worte bringt, Satzarten ändert, von jedem Mensch eine Satz-Silhouette, von jedem Mensch eine Satz-Silhouette. Legt sich auf dich, was war davor, kann Sprache zurück beziehungslos werden. Ihr Schlüssel im Briefkasten, dahinter Innenhof, wer steigt den Bogen Pailletten hinauf. Vielen Dank. Jetzt hat sie sich endlich entlegt. Ja, sehr interessant, dass beide Texte, also zumindest der erste Text, und die erste, okay, dann kann ich das ja nicht sagen, das andere spielt in Rom. Ach so. Auch mein Text spielt nämlich zum Teil in Wien und zum Teil in Gmunden. Aber andere Zeit. Wichtig an dem Text Komm über den See, jetzt nur für die Lesung ist, es gibt ein paar Personen, die ich kurz vorstellen möchte. Das eine ist die Susanne, das ist eine Freundin der Hauptperson Ruth. Und die Einzige, die an diesem ElitegyGymnasium, wo Ruth gelandet ist, kann man sich ja nicht aussuchen als Junglehrer, nicht mehr erträglich, die sie mag und Susanne mag sie. Und das andere ist der Hintergrund des Buches, der tragende Grund auch, der Widerstand im Salzkammergut. und Ruth ist eben, das war sie schon in Wien und jetzt auch im Salzkammergut, auf der Suche nach Widerstandskämpferinnen. Und etwas, sie ahnt es, ein paar kleine Ausschnitte davon werden Sie ja hören, dass ihre Mutter damit zu tun hatte. Sie fand als Kind Ansichtskarten von Gmunden oder vom Salzkammergut. Und ja, dieses Rätsel, also einerseits geht sie ihm nach und andererseits macht es sie verrückt fast. Und damit ist jetzt... Brav sein. Dies halt so Unruhiges tut mir leid, ich weiß nicht warum, bisher war sie immer ganz brav. Sie haben sich gemunken, nicht ausgesucht? Nein, ich bekam hier eine Karenzvertretung für ein Jahr. Einerseits macht es mir Angst, dass ich nur für ein Jahr eine Stelle habe. Andererseits beruhigt es mich, dass die Zeit hier begrenzt ist. Wie lange wollen Sie bleiben? Morgen Abend muss ich wieder in Wien sein. Ich bin freier Mitarbeiter beim ORF. Was unterrichten Sie? Englisch und Geschichte. Geschichte? Dann können Sie vielleicht etwas mit meinem Material anfangen. Ich werde es leider nicht verwenden können. Monatelang umsonst gearbeitet, aber ich darf nicht jammern. Ich bekomme diese Arbeit gut bezahlt. Was will ich mehr? Sie beobachtete ihn unauffällig, während er sich über seinen Teller beugte, seine Locken, die kleine, runde Glatze, er wird so alt sein wie ich, vielleicht ein, zwei Jahre älter, geboren im Krieg, woran erkennen wir uns, wir Kriegskinder? Seit wann erkenne ich uns? Sie vergaß, wegzusehen, als er aufsah, blickte in grau-grüne Augen, in denen sie sich spiegelte, ganz klein, wie er sich in meinen spiegelt, so klein sind wir und so groß, und für Sekunden wünschte sie, er möge das Gleiche denken. Sie wollten mir doch etwas erzählen. Das hat Zeit. Die alltäglichen Skandale, die hier passieren, die laufen uns nicht weg. Oder können Sie es nicht abwarten, von neuen und alten Faschisten zu hören, mit Rang und Namen, sogenannten Volksvertretern. Ach, jetzt ist es passiert. Der Zauber ist verschwunden. Das Wissen ist in ihr Gesicht zurückgekehrt. Sie sahen sich an, lächelnd und sich über sie beide lustig machend, fragte er Ruth, sollten wir zwei Wissenden uns nicht duzen? Unterwegs erzählte er Christian von seinen Recherchen. Durch einen anonymen Brief hatte er vor einem Jahr erfahren, dass ein Gemeinderatsmitglied der FPÖ jährlich mit seinen Kameraden die sogenannte Reichskristallnacht feiert. Feiert im wirklichen Wortsinn als Auftakt zur Judenvernichtung und ganz öffentlich in einem Gasthaus. Mit einem Kameramann hat er dieses Fest heimlich gefilmt. Inzwischen habe ich herausgefunden, mit wem der Gemeinderat feiert, wer die Männer sind, die sich kein Blatt vor den Mund nehmen, nicht über damals und nicht über heute und nicht über die Zukunft. Und das Ergebnis, er blieb stehen und lachte auf. Es ist absurd. Aber ich hätte mir die ganze Arbeit sparen können. Eine Abschreibübung aus einem Geschichtsbuch hätte das gleiche Ergebnis gebracht. Alles wie ehemals. Vom Unternehmer bis zum Staatsanwalt, vom Bürgermeister bis zum Gemeindesekretär, vom Wirt bis zum Arzt. Den Arzt kenne ich, obwohl ich habe ihn nicht wiedererkannt, erst als ich seinen Namen hörte. Und selbst da vermutete ich noch eine zufällige Namensgleichheit. Er, er will doch nicht, nein, er nicht. Er niemals. Ich habe ihn besucht. Er war es. Er freute sich, dass ich ihn gefunden habe. Hätte ich ihn doch nicht gesucht. Für mich war es ein Schock. Ich habe ihm nichts vorgeworfen, ihm nichts gefragt. Im Gegenteil, ich habe mit ihm gegessen, Wein getrunken, ge veränderte sich ständig. Ich wusste manchmal nicht mehr, was im Moment war und was hätte sein können. Ruth schüttelte den Kopf, streckte die Hand nach Christian aus, will sie ihn wegziehen von seiner Überzeugung. Aber wohin denn, Ruth, in deinen Traum doch nur, dass er anders ist, er nur Trugbilder sah, sonst nichts? Du wehrst dich gegen seine eindeutigen Sätze, bleibst lieber in deinen Fragen, die du nicht beantworten kannst, so gerne du sie auch beantworten möchtest. Bist du dir sicher? Würdest du eine Antwort wie seine hören können? Dann... Ruht Sahana Zah auf dem Fahrrad durch das Salzkammergut fahren, das Essen für die Männer in den Bergen einsammeln, dieses notwendige Essen im Rucksack verstecken, darüber legte sie wohl Kinderkleidung. Nahm sie ihren Buben auf diese Fahrten mit. Danach die Fußmärsche. Wie viele Kilo kannte eine Frau im Rucksack die Berge hinauftragen? Die Männer waren bewaffnet. Die Frauen in den Tälern waren es nicht. Unbewaffnet gingen sie die einsamen Pfade. und wach sein, bis in die Müdigkeit wieder schloss. Nach diesem Zustand wird sie sich noch zurücksehnen. Hätte es ihr in diesem Moment jemand gesagt, da der Schlaf nur einen Schritt zurückgetreten ist, das Zimmer nicht verlassen hat, sie hätte es nicht geglaubt. Es gab Momente, in denen sie das Gefühl hatte, ihr Kopf würde gleich zerspringen. Immer wieder die Versuchung, ihn gegen die Wand zu schlagen, um aus dem inneren Schmerz einen äußeren zu machen. Da war kein Boden unter den Füßen. Welch ein Zufall hat mich gerettet und viele nicht. Und wenn es nur ein Zufall ist, dann kann ein anderer Zufall ihn aufheben. anderer Zufall ihn aufheben, ist ihr Sein vielleicht meine Zukunft. Ich kenne das Seil nicht, auf dem ich gehe, wo ist die Stelle Satz der Toten, dass ich mir nicht das Leben nahm, das hat mich selbst entsetzt. Ohne zu schaudern lesen konnte, die nur sinnvolle Zweifel kannte, nicht diese abgründigen, die alles in Frage stellten, diese abgründigen, die alles in Frage stellten, auch die eigene Lebensberechtigung, Zweifel, die in einer vorsprachlichen Zeit entstanden sein mussten, die kein Wort fassbar machen konnte, nur dieser Schmerz, der den Kopf zerreißen wollte. Kein Wort zu Susanne über die Ansichtskarten, die leeren Briefumschläge. Ich tue, was mir am leichtesten fällt, ich schweige. Und so sehr ich dieses Schweigen manchmal als Makel empfinde, ich lebe damit. Kein Wort zu Susanne über die nicht ändernden Fragen. Was hat die Mutter über Anna Zach erzählt? Waren die beiden Freundinnen? Hatte die Mutter etwas mit dem Widerstand zu tun? In Wien oder hier? Wurde sie deshalb verhaftet, war es das, was sie sich erlaubt hatte. Aber warum hat nicht einmal Tante Inge etwas davon erwähnt? Sie wäre doch sicher stolz gewesen auf ihre mutige Schwester. Ruth zog ihre Hand aus der Manteltasche, führte sie zum Klingelknopf, legte sie darauf, nicht einen einzelnen Finger, die Finger ließen sich nicht auseinanderspreizen, drückte sie gegen ihn, hörte es läuten, nahm die Hand weg. Für einen Moment glaubte sie, die Klingel sei in der Kälte erstarrt, würde weiterläuten. Sie hörte Schritte im Haus zur Tür kommen, eine Innentür aufgehen, hörte, wie der Schlüssel umgedreht, die Holztür geöffnet wurde, stand Anna Zach gegenüber, sah in hellblaue, zusammengekniffene Augen, sah Tränensäcke unter diesen Augen, schütteres, zurückgekämmtes weißes Haar. Ich habe mich doch auf diesen Augenblick vorbereitet, habe ihn mir immer wieder vorgestellt. Was ist jetzt anders als in meiner Fantasie? Warum kann ich nichts sagen? Ich muss etwas sagen, gleich. Ihre Augen sind anders. Mit diesem prüfenden Blick habe ich nicht gerechnet und nicht mit der Hoffnung in ihm, die vielleicht nur meine Hoffnung ist. Während sie versucht, ihre Lippen zu bewegen, hörte sie zum ersten Mal Anna Zaches Stimme. Diese Ähnlichkeit, das ist doch nicht möglich. Ich werde jetzt reden. Ich werde alle unmöglichen Möglichkeiten wegreden mit den Sätzen, die ich mir vorgenommen habe, die nur die Gegenwart betreffen. Nur, ähnlich gelang es Ruth, auch Anna Zach gegenüber das Wort Lehrerin auszusprechen. Sie dabei anzusehen, gelang ihr nicht. An der Schule, an der Anna ist? Ja. Störe ich Sie, Frau Zag? Warum fragen Sie das? Sie haben sich doch längst umgesehen. Nein, ich habe nur weggesehen. Erst jetzt, da sie zufällig einen Blick auf die Fotos an der Wand warf, fiel ihr auf, dass sie, solange sie Anna Zach nicht gesehen hatte, ein bestimmtes Anna-Bild gehabt hatte, das, seltsam genug, der Frau auf diesen Fotos ähnelte. Die gleichen dunklen, kurz geschnittenen Haare, der gleiche sinnliche Mund und sehnsuchtsvolle Gesichtsausdruck. Ich habe mich nie gefragt, wie ich zu diesem Anna-Bild gekommen bin. Die Bilder begannen zu leben, verschwommene Bilder, Bilder von dieser Küche in einer anderen Zeit, Bilder von Anna, einer jungen Anna, Trugbilder, sagte sich Ruth. Aber die Erklärung konnte die Bilder nicht bannen. Erst Anna Zachs Frage, warum sie denn gekommen sei, verscheuchte sie. Du kannst zurückkehren auf den sicheren Boden der Tatsachen Und sie in die Schule einladen Anna Zach stellte die Tasse auf den Tisch Drehte ihren Kopf langsam zu Ruth Fragte, als wollte sie sich vergewissern, ob sie richtig gehört habe Ich? Ich soll erzählen? Ruth nickte. Anna Zachs Frage, was das mit ihrer Enkeltochter zu tun habe, löste ihre Erstarrung wieder auf. Ruth konnte wieder reden, redete von der Schülerin Anna, die die einzige sei, die etwas über den Widerstand wisse. Natürlich weiß sie davon. Es waren ihre Märchen. Hier saß sie, wo sie jetzt sitzen. Oma, sagte sie, Oma, erzähle. Am liebsten hörte sie die Geschichten aus den Bergen. Ganz genau wollte sie alles hören. Und immer wieder wehe mir, wenn ich etwas ausgelassen habe. Ihr Wissen zählt nicht. Für die anderen, meinen sie. Für diejenigen, die nichts wissen wollen, kann man nichts tun. Ich musste das auch erst lernen, lernte es nach dem Krieg. Wieder waren wir es, die lernen mussten, niemand sonst. Als ich aus dem KZ nach Hause kam und noch reden wollte, bekam ich wieder und wieder zu hören, so schlimm wird es nicht gewesen sein, sonst säßen sie ja nicht mehr hier. Unter diesen Sätzen lernte ich zu schweigen. Andere haben sich diesen Sätzen zum Trotz entschieden zu reden. Es war umsonst. Vielleicht war es unser größter Fehler, dass wir daran glaubten, nach dieser Erfahrung werden die Menschen endlich ihr Leben selbst in die Hand nehmen wollen. Was hatten sie schon erfahren? Ihre jahrelange Anstrengung, ganze Völkermorde nicht zu sehen, muss ähnlich ungeheuerlich gewesen sein wie das Ungeheuerliche selbst. Diese Anstrengung sollte sich lohnen und sie wurde belohnt. Sie wurde zur Staatsideologie ernannt. Vergessen wir die letzten sieben Jahre gemeinsam in die Zukunft. Mit diesem Gemeinsam wurden die Ermordeten noch einmal ermordet. Die Mörder sind an der Macht. Sie wussten, was sie taten. Es gibt uns nicht in der Realität dieses Landes. Es gibt uns nur auf den Friedhöfen der Namenlosen, in unseren Wohnküchen oder in Altersheimen. Ruth hatte Anna Zachs Gesicht beobachtet, dachte, die Enttäuschungen haben sich um ihren Mund abgelagert. Sie versucht umsonst, sie mit ihrer kleinen Zunge wegzuschlecken, mit der sie sich immer wieder über die Lippen fährt, wobei die Zunge jedes Mal kurz in den Mundwinkeln verweilte. Kein Trost durch mich. Später, als Ruth hörte, wie Anna Zach hinter ihr die Haustür zusperrte, drehte sie sich um, hinter ihr die Haustür zusperrte, drehte sie sich um, überlegte, ob sie nicht wieder läuten, das Gespräch noch einmal beginnen lassen sollte. Vielleicht habe ich zu schnell aufgegeben, vielleicht hätte ich sie drängen müssen, aber jemand, der selbst auf seinem Schweigen dürfen besteht, kann wohl niemanden von seinem Schweigen erlösen. Und dass es eine Erlösung sein könnte, hast du bei dir selbst noch nie gedacht. Anna Zach sagte, es kann auch zu spät sein für eine Frage. Niemand hat mich gefragt bisher, mich nicht und auch sonst keine der vielen Frauen hier. Nichts hat sie über den Widerstand erzählt, nur dass sie nicht wichtig war. Diesen Satz hat sie mehrmals wiederholt. Es ist, als wäre die Mauer des Schweigens, die um sie gebaut wurde, immer näher und näher gerückt und langsam zu eigenen geworden. Während sie nach Hause ging, versuchte Ruth, sich ihrer Mutter vorzustellen, sich selbst neben ihrer Mutter vorzustellen. sich selbst neben ihrer Mutter vorzustellen. Ihre Mutter konnte sie sehen, sich selbst sah sie nicht. Sie sah das alte kleine Haus in Wien, sah die Gartentür aufgehen, ihre Mutter auf das Haus zugehen, die offene Haustür, aber niemand wartete dort, niemand eilte auf die Mutter zu, küsste sie. Doch jetzt, nein, es war nur ein Schatten, der ein Mensch sein könnte, der sie sein könnte und er doch eines Menschen blieb. Und zum Abschluss kommen wir doch in die Gegenwart. Jedem längeren Abschnitt geht ein Sie-Kapitel voraus, das höchstens zwei Seiten lang ist. In unserem Fall nur eine halbe, gut, in der ich die Essenz des weiblichen Widerstands sozusagen zusammenfasse. Und Anna Zach ist dann eine Person, aber an sich erfährt man über den Widerstand der Frauen vor allem in diesen Sie-Kapiteln. Und eines davon, von dem ich glaube, dass es uns betrifft, lese ich jetzt noch. Sie, vor jeder Erinnerung das Wissen, alle Sätze in dieses Gestern können nur Brücken zu Inseln sein. Was sie verbinden, es bleibt für immer getrennt. Seit 40 Jahren ein wiederkehrender Traum. Später, sagt eine Frauenstimme, später wird es uns nicht gegeben haben. Wir werden wie die Höhlen im Inneren der Berge sein, draußen ein dumpfes Wissen, dass da noch etwas war und ist. Manche werden in die Höhlen gehen, manches an uns werden sie gerne sehen, wie sie die Wasserfälle, die riesigen Hallen und Tropfsteingebilde bewundern, werden sie auch an uns vieles finden, das sie bewundern können, aber sie werden rechtzeitig umkehren, bevor ihr Blick die schimmelnden Wände streift und der Fuß im Schlamm stecken bleibt. Und wer wird es wagen, ihnen daraus einen Vorwurf zu machen, diesen Heraustretenden aus der Übereinkunft des Vergessens. Ein Fest werden wir ihnen bereiten, dankbar werden wir sein, wenn der See ausgetrocknet ist, ist ein Tropfen alles. der Männer und erzählt von deren Tatenhunger und erzählt von den wenigen Dingen, die noch zu tun blieben. Alles andere war lange vorher entschieden, war entschieden in den warmen großen Räumen, nicht in den Bergen und nicht in den kleinen Stuben, war über ihre Köpfe hinweg entschieden. Es ist nicht so, sagt sie, dass es in der Geschichte nur für die einen Platz gibt, die einen mitbringen. Manchmal gibt es für deinen Platz in ihr keinen. Danke fürs Zuhören. Applaus Im Namen des Stifterhauses möchte ich mich herzlich bei Sophia Schnack, Elisabeth Reichert und Arno Kleibel für diesen Abend bedanken. Ich möchte Sie auch auf unserem Büchertisch hinten am Ausgang hinweisen, der heute von meinem Kollegen Lukas Kaiser in Zusammenarbeit mit der Buchhandlung Fürstlberger betreut wird. Besuchen Sie uns auch gerne diesen Donnerstag, wenn wir Herbert Dutzler und Martin Peichl zu Gast haben, moderieren wir Lisa Hölle-Bauer. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Abend, schauen Sie gerne bei uns im Literaturcafé vorbei, eine gute Heimreise und ich freue mich darauf, Sie bald wieder hier im Stifterhaus zu sehen. Vielen Dank und einen schönen Abend. Applaus