Herzlich willkommen im Stifterhaus, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Literaturinteressierte. Es freut mich sehr, Sie heute wieder begrüßen zu dürfen. Mein Name ist Sarah Pöhringer und ich habe die schöne Aufgabe, sie in diesen literarischen Abend einzuführen. Wir haben heute zwei großartige Autoren zu Gast, die ihren aktuellen Roman jeweils präsentieren werden. Beide sind im Verlag Haimon erschienen. Beginnen wir mit Martin Peichl. Es ist schön, dass Sie jetzt mal offiziell im Haus sind. Ich glaube, das erste Mal, die erste Lesung war ja während der Corona-Pandemie und ich würde mich freuen, wenn wir die Tradition fortsetzen könnten. Auf jeden Fall herzlich willkommen, schön, dass Sie hier sind. Martin Peichls neuer Roman, Es sind nur wir, ist eine Geschichte über Verlust, Erinnerung und die Sehnsucht nach einem Rückzugsort. Die Hauptfigur, ein ehemaliger Informatiklehrer, der an der Entwicklung von Computerspielen arbeitet, führt gleichzeitig ein eigenes literarisches Projekt. Ein Wörterbuch der Verluste. In diesem hält er fest, was im Laufe eines Lebens und der Zeit verschwindet. Doch als er auf Mascha trifft, eine Biologin und Prepperin, beginnt eine besondere Beziehung und mit ihr die Auseinandersetzung mit dem, was bleibt. Eine geheimnisvolle Füchsin spielt dabei auch eine nicht unwesentliche Rolle, so viel sei schon einmal verraten. Die Schriftstellerin Anna Marwan beschreibt das Buch treffend als, Zitat, traurig und witzig, altklug und kindlich, detailverliebt und allumfassend, Zitat Ende. Martin Peichl zeigt uns auf subtile Weise, was es bedeutet, in einer Welt zu leben, die scheinbar immer kurz vor der nächsten Katastrophe steht. Martin Peichl wurde 1983 im Waldviertel geboren, lebt und schreibt in Wien. Neben mehreren Veröffentlichungen ist als Literaturvermittler tätig und kuratiert seit 2023 die Literaturmeile Zieglergasse. Nun zu unserem zweiten Gast, Herbert Dutzler. Schön, dass Sie heute Abend hier sind. Wenn ich richtig gezählt habe, ist es Ihr zweiter Besuch. Es freut mich sehr, dass Sie heute hier lesen. Herzlich willkommen. Herbert Dutzlers Roman, Wenn die Welt nach Sommer riecht, nimmt uns mit auf eine Reise in die 1970er Jahre und ist eine Coming-of-Age-Geschichte, die das Erwachsenwerden mit all seinen ersten Malen in den Mittelpunkt stellt. Wir begleiten Siegfried, genannt Sigi, der zwischen Pubertät, Flowerpower und der Sehnsucht nach der großen Welt sich bewegt. nach der großen Welt sich bewegt. Die erste Liebe, der erste Schluck Alkohol und der erste Zug an der Zigarette ist eine Zeit des Aufbruchs, aber auch des Hinterfragens. Herbert Dutzler verwebt gekonnt die persönliche Geschichte seines Protagonisten mit dem gesellschaftlichen Wandel der Zeit. Ein Roman, der Erinnerungen weckt und zugleich zeitlos bleibt. Und wer schon auf eine Fortsetzung gespannt ist, der vierte Roman erscheint dann im August. Herbert Dutzler wurde 1958 in Schwanenstadt geboren, studierte Germanistik und Anglistik in Salzburg. Vielen ist er durch seine erfolgreiche Krimireihe rund um den Althausseer Polizisten Gaspelmayr bekannt, doch auch seine anderen literarischen Werke erfreuen sich großer Beliebtheit. Und last but not least, die Moderation des heutigen Abends übernimmt Lisa Höllebauer. Sie studierte Germanistik an der Universität Graz und beschäftigte sich in ihrer Masterarbeit mit Lesungen und Innovation. 2020 rief sie gemeinsam mit Tamara Makel den Literaturwettbewerb Wir sind lesenswert ins Leben. Schön, dass Sie hier sind. Herzlich willkommen im Stifterhaus. Dann darf ich das Wort auch schon übergeben und wünsche uns allen eine schöne Veranstaltung. Danke für die schöne Einleitung und danke fürs Kommen. Ich freue mich sehr, dass ich heute über zwei Bücher sprechen kann. Kleiner Spoiler fürs Ende, wir werden dann auch noch zu dritt auf der Bühne sprechen. Ich würde, bevor wir vielleicht aus dem Buch hören, noch ganz kurz über Sigi sprechen. Sigi ist 13 Jahre alt, erzählt wird aber eigentlich auf zwei Ebenen. Es gibt einerseits den Erwachsenen, den ich Siegfried nennen werde, wenn ich über ihn spreche, damit man so ein bisschen einen Unterschied auch erkennt. Und dann gibt es eben der erwachsene Siegfried, der schaut auf seine Jugend zurück anhand eines Fotoalbums eigentlich und erinnert sich dann so an die Zeit. Und dann gibt es eben den 13-jährigen Sigi, den ich super sympathisch und liebenswert finde, der absoluter Genießer ist, gerne kocht, vielleicht auch Dinge macht, die ein Mann in den 1970ern auch gar nicht so machen würde oder machen sollte und der sehr neugierig auch ist und immer eigentlich spannende Frage parat hat, was den Erwachsenen manchmal nicht so gefällt. Wie ist denn der SIGI eigentlich entstanden? Der SIGI ist aus meiner Tätigkeit als Lehrer entstanden. Ich habe ja vor allem in der dritten Klasse bespricht man immer die Geschichte der Massenmedien und man muss Schülern und Schülerinnen heute schon erklären, dass zuerst die Telegrafie kam und dann das Telefon und irgendwann der Sprechfunk, schließlich das Radio, dann lange nichts, dann vielleicht das Fernsehen und ganz viel später das Internet. Das ist mir klar geworden bei einem Besuch der Unibibliothek Salzburg, wo ich die Salzburger Nachrichten von meinem Geburtstag aus heben lassen habe und den Schülern das Fernsehprogramm gezeigt habe. Das waren drei Zeilen, obwohl man dort vier Sender empfangen konnte, damals schon. Und ich habe zu den Schülern gesagt, was glaubt ihr, was die Kids damals so in ihrer Freizeit gemacht haben? Und einer hat gemeint, naja, dann müssen sie halt Gameboy gespielt haben oder sowas. Also durchaus, ich mache mich nicht lustig über die Kinder, weil woher sollen sie es wissen, wie sich all das entwickelt hat, wenn es ihnen nicht die Lehrerin oder die Lehrerin der Schule erklärt. Und die Kinder haben mir bei diesen Geschichten über die frühere Zeit ziemlich aufmerksam zugehört, sodass ich dann auf die Idee gekommen bin, ein Buch daraus zu machen. Der Verlag hat aber gemeint, das wäre eher eine Thematik, die sich für meine Altersgruppe eignet und nicht für ein Jugendbuch und das hat sich dann auch als zutreffend herausgestellt. und nicht für ein Jugendbuch und das hat sich dann auch als zutreffend herausgestellt. Beim Lesen, ich habe es natürlich im Germanistikstudium gelernt, man darf auf keinen Fall Autor und Werk irgendwie gemeinsam sehen, muss immer getrennt werden. Trotzdem, vor allem durch diesen sehr erzählenden Ton, den ihr in beiden Ebenen lest, habe ich mir manchmal gefragt, steckt da eigentlich auch Herbert Dutzler im Sigi? Wollen Sie da was erzählen? Ich habe meine Erinnerungen einfach benutzt, den Sigi aber in eine völlig andere Familienkonstellation gestellt, dass ich selber sie erlebt habe, in einem anderen Ort, in einem fiktiven Ort und in einer anderen Situation. Aber ich habe meine eigenen Erinnerungen ausgebeutet, um seine Welt mit Leben zu füllen. Schön, ich würde sagen, dann lernen wir den Sigi doch einmal kennen. Ja, gerne. Der Sigi ist gegen Ende der Ferien immer bei einer Tante in einem Fremdenverkehrsort zu Gast. Die Tante hat eine Frühstückspension. Der Sigi hat jetzt drei Jahre Englisch gelernt und freut sich wahnsinnig, dass endlich einmal Engländer in die Pension kommen, während seine Tante ziemlich nervös ist, weil sie selber mit dem Englischen so ihre Schwierigkeiten hat. Es ist so, dass es damals, der Standard war damals Zimmer mit fließendem Warm- und Kaltwasser. Sonst gab es nichts. Endlich gegen halb vier am Nachmittag taucht ein seltsames Auto in unsere Einfahrt auf. Es ist ziemlich groß, grün und von einer Marke, die ich nicht kenne. Das Kennzeichen hat viel dickere Buchstaben als unsere und endet mit einem G. Tante Hermi, schreie ich und stürme durch die Terrassen in die Küche. Sie sind da, die Engländer sind da. Oh mein Gott. Die Tante springt auf und streicht ihre Schürze glatt. Hoffentlich geht das alles gut. Welches Zimmer kriegen Sie denn, frage ich. Die Nummer drei natürlich, das große mit dem Eckbalkon. Die Tante rennt zur Haustür, ich in ihrem Schlepptau. Balkon. Die Tante rennt zur Haustür, ich in ihrem Schlepptau. Die Engländer stehen hinter dem geöffneten Kofferraumdeckel und haben Schirme aufgespannt. Sag, good afternoon, flüstere ich Tante Hermi noch zu. Sie schüttelt schon Hände. Good afternoon, Mrs. Langdon, sagt sie und good afternoon, Mr. Langdon. Die Ankömmlinge lächeln. Er hat rötliches Haar und einen ebenso rötlichen Vollbart, während die Frau dunkelhaarig ist und in einem recht eleganten grünen Kleid steckt, das ungefähr dieselbe Farbe wie das Auto hat. »I am Sigi«, dränge ich mich vor, weil die Tante vergessen hat, mich vorzustellen. »And I can speak English English. Die beiden lachen. Wonderful, sagt Mrs. Langdon. Ich habe mir natürlich schon zurechtgelegt, was ich sagen werde. May I carry your suitcase? frage ich und greife nach einem Koffer, der schon auf dem Boden steht. Der ist auch grün, genauso wie Auto und Kleid. Damit er nicht nass wird, schnappe ich ihn gleich, um ihn aufs Zimmer zu tragen. Mrs. Langdon duftet auch ganz wunderbar, was mich erstaunt, weil sie doch sicher stundenlang im Auto unterwegs war. Der Säge bringt jetzt den Koffer und die Gäste aufs Zimmer. And now, sagt Mrs. Langdon, I'd like to take a bath after that long drive. Ich verstehe jedes Wort, sie spricht sehr deutlich und fast genauso gut wie unser Englischlehrer. Oh je, denke ich mir, da wird die Tante jetzt nicht so erfreut sein, denn wenn zwei Leute baden, dann wird bei uns das warme Wasser knapp, weil der Boiler bloß mit Nachtstrom aufheizt, der viel billiger ist. Und dann haben die anderen Gäste möglicherweise kein warmes Wasser mehr für ihre Waschbecken. Sie mechert Baden, erkläre ich der Tante. Selbstverständlich nickt sie. I show you the baths. Leider sagt sie Bas, ohne dass. Aber immerhin, sie hat sich getraut. Sie geht auf den Gang hinaus und zeigt Mrs. Langdon den Weg. Oje, seufzt die Tante, als wir wieder unten in der Küche sind. Wenn die womöglich jeden Tag baden wollen, dann gute Nacht. Vielleicht kann ich Ihnen das mit dem Boiler erklären, schlage ich vor. Die Tante aber schüttelt den Kopf. Na nein, jetzt schauen wir mal, man darf die Gäste schließlich nicht gleich am ersten Tag vergrämen. Vielleicht geht es ihr eh aus mit dem Warmwasser. Müssen wir halt sparen. Naja, erinnere ich sie, schließlich steht auf unserem Schild auch Warmwasser. Die Tante verzieht das Gesicht zu einer Grimasse. Naja, Schilder sind geduldig. Ich schleiche mich noch einmal in die Pension hinüber. Vielleicht brauchen die Engländer ja was und ich bekomme noch einmal ein Trinkgeld. Im ersten Stock höre ich es dann kichern und platschen. Anscheinend hat Mrs. Langdon schon ihr Bad einlaufen lassen. Aber hört man da nicht zwei Stimmen aus dem Bad? Anscheinend hat Mrs. Langdon schon ihr Bad einlaufen lassen. Aber hört man da nicht zwei Stimmen aus dem Bad? Natürlich ein gekichertes No Jim, verstehe ich, und dann höre ich auch Mr. Langdon grummeln. Sind die zwei miteinander in die Badewanne gestiegen? Davon habe ich ja überhaupt noch nie etwas gehört, dass ein Mann und eine Frau sich eine Badewanne teilen. Wahrscheinlich ist das sogar ein bisschen unanständig. Andererseits wird es die Tante freuen, wenn ich ihr erzähle, weil so sparen die beiden wenigstens warmes Wasser. Ich verziehe mich, bevor mich noch jemand sieht und womöglich denkt, dass ich an der Badezimmertür lausche. Und weil es noch immer regnet, gehe ich in unser Zimmer, wo Uschi gerade damit beschäftigt ist, das ist die Schwester, die jüngere Schwester, ihrer Puppe die Haare zu kämmen. Ich habe schon Englisch geredet, prahle ich. Du und die zwei Engländer, die sitzen gerade miteinander in der Badewanne. Uschi klappt die Kinnlade hinunter. In der Badewanne? Miteinander? Ich nicke. Wahrscheinlich seifen sie sich gegenseitig ein. Meine Fantasie spielt mir gerade wilde Streiche, denn Mrs. Langdon ist eine sehr hübsche Frau. Ja, aber darf man denn das? fragt Uschi. Ich zucke mit den Schultern. Vielleicht macht man das in England so. Vielleicht haben sie ja Bodehosen und Badeanzug. Aber der Mitzi-Oma darfst du das nicht erzählen, flüstert Uschi. Die schmeißt die zwei dann nämlich gleich hinaus. Da könnte Uschi durchaus recht haben. Die Mizi-Oma hat es sehr mit der Moral und schaut immer genau darauf, ob zwei, die miteinander ein Zimmer nehmen, auch verheiratet sind. Sie hat sich furchtbar darüber aufgeregt, dass die Roten, die jetzt regieren, es erlaubt haben, dass man an Paare vermietet, die nicht verheiratet sind. Das ist der Untergang des christlichen Abendlandes, hat sie geschimpft. Ja, danke fürs Lesen. Sie haben es schon gehört. Ich finde es, was für mich sehr eindrucksvoll am Buch ist, ist auch die Stimmung. Ich habe so immer gefunden, es erinnert ein bisschen an die Werbung, ein Sommer wie damals. Oder ich habe auch beim Lesen ganz oft so einen Sepia-Ton im Kopf gehabt, so die Bilder, die ich von meinen Eltern erkenne aus der Jugend und so weiter. Wie haben Sie diese Stimmung eigentlich aufgebaut? Haben Sie da Musik gehört dazu oder wie funktioniert das? Das ist eine Frage, die ich gar nicht beantworten kann. Ich bin beim Schreiben meistens ziemlich in einer anderen Welt. Ich muss mich da sozusagen wegbeamen. Ich brauche auch absolute Ruhe, dass ich in die richtige Stimmung komme. Aber mein Verleger hat das Buch eigentlich nur deswegen, also er hat es gelobt dafür, dass es nicht so romantisierend ist, weil er gesagt hat, er kriegt so viele Manuskripte, wo Erinnerungen dargestellt werden, aber meistens unter dem Motto, früher war alles besser. Und wenn man nur an ganz einfache Dinge wie hygienische Verhältnisse oder die Rechte der Frauen und Kinder denkt, dann war in den 60er und 70er Jahren vieles sicher auf gar keinen Fall besser als jetzt. Nur ein kleines, ein kleines am Rande. Im Jahr 68 hatten 13 Prozent aller oberösterreichischen Bauernhöfe ein Badezimmer. Was natürlich heißt, dass die Bauernkinder stigmatisiert waren, weil sie nach der Früharbeit oft im Stall nicht gut riechen, in die Schule gehen mussten, weil es überhaupt keine Möglichkeit gab, sich entsprechend zu reinigen. Und deswegen zurück zur Frage. Ich habe mich schon sehr viel mit der Realität auch beschäftigt, über Zeitungen. Man braucht ja nur Tageszeitungen studieren, da liest man sehr viel, wie es war in den 60er und 70er Jahren. Es war eine irgendwie schon sehr rücksichtslose Zeit, es gab unglaublich viele Verkehrstote, alle Verkehrstoten wurden mit vollem Namen genannt in der Zeitung. Man hat überhaupt keine Rücksicht auf so tiefere Gefühle wie Trauer und Schmerz genommen in der Presse. Und da habe ich den Eindruck gewonnen, romantisieren sollte man die Zeit auf jeden Fall nicht. Deswegen, ja, ich schreibe so, wie es mir in den Kopf kommt, wie es drinnen ist, weil anders als was drinnen ist, kann ich nicht rausschreiben. Sie haben jetzt quasi meine nächste Frage vorweggenommen, aber das passt voll gut. Ich finde nämlich auch, es ist einerseits dieser Romant oder dieser Blick zurück und zeitgleich, aber das Schöne ist, zwischen den Zeilen steht auch ganz viel Gesellschaftskritik eigentlich. Ich finde, das wechselt sich auch immer gut ab. Deswegen wollte ich eigentlich als nächstes fragen, wie wichtig eigentlich so eine gesellschaftskritische Blick vielleicht auch für Sie beim Strafrecht ist. Explizit gar nicht, implizit schon. Das kam einfach vom Recherchieren, weil ich durch das Recherchieren in den oberösterreichischen Nachrichten ein ganz anderes Bild von der damaligen Zeit bekommen habe, als ich es selber im Kopf gehabt habe, nämlich kein romantisches Bild. Es gab unglaublich viel Verbrechen, es gab so viele Katastrophen, Flugzeugabstürze waren noch viel häufiger, Zugunglücke waren viel häufiger, auch Gewalttaten waren häufiger, aber braucht sich nur die Statistiken anschauen. Es ist nicht so, dass wir heute mehr Gewalt gegen Leib und Leben haben als in den 70er Jahren, ganz im Gegenteil, es ist viel, viel weniger geworden. Auch die Gewalt in der Familie, also es gibt Leute, die behaupten und sicher zu Recht, warum gibt es heute, Kriminalisten sagen, dass weniger Gewalttaten, ja, weil auch weniger Menschen mit Gewalterfahrung in der Familie aufwachsen. auch weniger Menschen mit Gewalterfahrung in der Familie aufwachsen. Es ist natürlich nicht so, dass man das jetzt schönreden darf, was es heute an häuslicher Gewalt gibt, aber in den 60er und 70er Jahren war sie allgegenwärtig und gesetzlich geschützt sozusagen, die Gewalt in der Familie. Und das hat auch auf die gesellschaftliche Gewaltauswirkungen gehabt. Und wie gesagt, die Tageszeitungen sprechen eine Sprache, wo man sich nicht zurücksehen muss in diese Zeit. Nein, ich habe auch gefunden, eh schon in diesem Kapitel hat man es doch auch gelesen, dass man für den TouristInnen einfach das letzte Zimmer noch hergibt, damit man noch irgendwie ein Euro weiterverdienen kann oder eben auch so. Also da ist quasi das Glück der Familie steht im Hintergrund und es ist eigentlich wichtiger, Geld zu verdienen und zu schauen, dass man auch über die Runden kommt. Ja, meine Mutter hat auch ihr Schlafzimmer vermietet, wenn es notwendig war, aber oft nur aus Mitleid, wenn spätabends noch Leute gekommen sind, ihr Zimmer zum Übernachten gesucht haben. Ich habe dann tatsächlich so eine Dachschräge besessen, wie sie hier im Buch vorkommt und in Extremfällen ist auch die noch vermietet worden, wenn jemand damit zufrieden war. Und ich habe eine gute Kollegin leider schon gestorben, die in Gerlos aufgewachsen ist, wo damals in den 70er Jahren der Tourismus so richtig zugeschlagen hat. Die haben dort eigentlich kein Weihnachten mit der Familie gekannt, weil alles vermietet worden ist und die Gäste immer dabei waren. Sie schreiben es ja ganz schön, das Essen mit Familienanschluss quasi. Also wenn wir quasi Abendessen gehen oder Abend isst und man möchte natürlich bei der Familie dabei sein, ein authentisches Abendessen mit Familie. Familie dabei sein, authentisches Abendessen mit Familie. Ja, also ich habe selber ein paar Jahre Erfahrung. Meine Mutter hat in Bad Aussee eine Frühstückspension geführt und ich habe das gehasst, wenn da die Gäste abends noch bei uns im Wohnzimmer gesessen sind und meine Mutter Ziehharmonika gespielt hat und alle gesungen haben und getrunken. Also diesen eklatanten Verlust der Privatsphäre habe ich damals schon ziemlich unangenehm empfunden. Gut, ihr hattet gesagt, dann gehen wir weiter zum nächsten Abschnitt. Ja, Sigi blickt, also anlässlich des Schulanfangs muss Sigi sein Sakko probieren und das ist schon wieder zu eng geworden und aus diesem Anlass blickt er zurück auf seine Firmung, für die hat er das nämlich bekommen. Also meine Firmung, das war ein eher mäßiger Erfolg. Mein Firmenpartner war der Onkel Alfons, den ich ohnehin nicht mag, weil er erstens furchtbar dick ist und deswegen unmäßig schwitzt und weil er zweitens ununterbrochen raucht und davon immer einen hochroten Schädel hat, dass man jeden Moment glaubt, er platzt. Und drittens ist er ein unverschämter Aufschneider, der ständig mit seinem alten Opel-Rekord angibt. Aber meine Eltern haben das so ausgemacht, weil meine Mama die Firmenpatin von der Lilly ist. Das ist die Tochter vom Onkel Alfons und zur Firmung, da muss ein Ausflug her und ein Geschenk. Und meine Eltern haben sich gedacht, wenn meine Mama schon die Lilly firmen lässt und sich dafür in Unkosten stürzt, dann muss das Geld wieder zurückfließen, indem der Onkel Alfons Main-Firmen-Party wird. Eigentlich war es ja geplant, dass Mama und Uschi mitkommen nach Salzburg zur Firmung und dann wäre es sicher nicht passiert. Was eben passiert ist, aber Uschi ist krank geworden und hat den ganzen Tag vor der Firmung gespieben, sodass sie mit Mama daheim bleiben musste. Weil Papa Dienst gehabt hat, musste ich allein mit Onkel Alfons in seinem Opel nach Salzburg zur Firmung fahren. Ja, da schaust, sowas gibt es in einem VW Käfer halt nicht, hat Onkel Alfons geprahlt, als ich mich auf die Sitzbank im Opel Rekord gesetzt habe. Der hat nämlich vorne eine durchgehende Bank, im Opel Rekord gesetzt habe. Der hat nämlich vorne eine durchgehende Bank, auf der neben dem Fahrer gut und gerne drei Kinder Platz haben. Der Ganghebel vom Opel ist beim Lenkrad, deswegen ist Platz für die Bank. Auf der Fahrt hat mir der Onkel unentwegt davon erzählt, was für eine große Verantwortung er als Filialleiter im Lagerhaus jetzt trägt und daher die unfähigen Lehrlinge das Fürchten lehren kann. Und dass er, weil er als Filialleiter ja praktisch der Chef ist, jetzt viel verdient und sich bald einen neuen Opel Rekord kaufen wird. Den alten, meint er, den könnte er dann günstig an meinem Papa verkaufen, weil dem sein VW meistens in der Garage steht, weil er kaputt ist. weil dem sein VW meistens in der Garage steht, weil er kaputt ist. Ich habe den Onkel gefragt, ob der neue Opel dann auch Sicherheitsgurte haben wird, denn über die ist in letzter Zeit sehr viel im Fernsehen zu sehen gewesen. Der Onkel hat nur verächtlich gelacht. Sowas brauche ich denn ein Sicherheitsgurt, ich kann mich eh am Lenkradl abstützen. Ich habe verständnisvoll genickt. Dass ich kein Lenkrad habe, hat der Onkel großzügig übersehen. Auf der Autobahn hat er mir dann demonstriert, dass der Opel gut und gerne seine 120 geht. Der Tachometer hat schon längst einen roten Balken gezeigt. Das Auto hat gebrummt und gerattert. Das Lenkrad gezittert. Mir ist Angst und Bange geworden. Und jetzt hätte ich doch gerne einen solchen Sicherheitsgurt gehabt, denn man weiß ja nie. Jeden Tag habe ich gehört, sterben in Österreich durchschnittlich acht Menschen im Straßenverkehr und ich möchte nicht gern einer davon sein. Endlich hat der Onkel vom Gas gehen müssen, weil eine Baustelle gekommen ist. Ich habe ausgeatmet und gemerkt, dass ich ziemlich lange die Luft angehalten habe. In Salzburg vor dem Dom haben wir dann lange warten müssen und ich habe mich nicht zu sagen getraut, dass ich aufs Klo muss, weil wir dann vielleicht die Firmung verpasst hätten. Es ist sich gerade noch so ausgegangen. Drinnen haben wir uns in Reihen aufstellen müssen, der Firmparte hinter uns, dann ist einmal ein Pfarrer vorbeigekommen, von dem Onkel Alfons später behauptet hat, das wäre der Erzbischof höchstpersönlich gewesen und das sei eine besonders große Ehre. Und dann habe ich endlich aufs Klo gehen können. Danach sind wir mit der Standseilbahn zur Festung hinaufgefahren, was für mich ein Höhepunkt der Firmung war, weil ich noch nie mit einer Standseilbahn gefahren bin. Die fährt auf Schienen, wie eine richtige Eisenbahn, ist aber so steil, dass sie von einem Seil hinaufgezogen werden muss. Da gibt es auch keine normalen Waggons, sondern so welche mit Stockwerken fast übereinander, damit man auch normal stehen kann und nicht umfällt. Aussicht angeschaut. Man kann über ganz Salzburg sehen, aber leider sind die Wolken tief gehangen und es hat ziemlich geregnet. Die Fotos, die ich von der Festung aus gemacht habe, sind wegen dem Wetter auch ziemlich düster geworden. Und meinen Schirm, den habe ich im Opel vergessen und der Knirps vom Onkel Alfons, der war nicht groß genug für uns beide, weil der Onkel schon sehr viel Platz unter dem Schirm braucht. Und deswegen war ich auch schon durchweicht, als die Führung durch die Burg begonnen hat. Später dann sind wir ins Müllner Breu zum Essen gefahren. Vorher hat der Onkel geflucht, weil er einen Strafzettel fürs Parken im Parkverbot bekommen hat. Er ist noch röter geworden als sonst, was ich gar nicht für möglich gehalten habe und hat unmäßig auf diese Trotteln geschimpft und sogar noch viel ärgere Schimpfwörter gebraucht. Gott sei Dank waren vor dem großen Bräugasthof, in dem wir dann eingekehrt sind, genug Parkplätze frei. Er will sich nicht lumpen lassen, hat der Onkel gemeint und zwei Stelzen für uns bestellt mit Knödel und Krautsalat. Dazu für sich eine Maßbier und für mich eine halbe, weil ich ja jetzt durch die Firmung quasi erwachsen bin und ruhig auch einmal ein Bier trinken soll. Nach der halben Stelze hat der Onkel dann noch eine Maßbier gebraucht und mir war irgendwie seltsam zumute, obwohl ich erst die Hälfte von meiner Halben getrunken hatte. Geschmeckt hat mir das Bier nicht besonders, es war sehr bitter. Ich hätte viel lieber ein Coca-Cola gehabt, aber ich wollte dem Onkel Alfons dann auch nicht widersprechen, weil er mir ja immer auf die Schulter gehaut hat nach jedem Schluck und tapfer gesagt hat. Und das Heimfahren kann ich mich dann nicht mehr genau erinnern, außer dass Onkel Alfons zweimal stehen geblieben ist, damit ich aussteigen und speiben kann. Da muss mit deiner Stötz nirgendwas nicht in Ordnung gewesen sein, hat er gebrummt und auch noch recht lachen müssen. Meine war erst klassig. Dass das Speiben was mit dem Bier zu tun gehabt haben könnte, auf die Idee ist der Onkel gar nicht erst gekommen. Zu Hause hat es dann natürlich ziemlichen Ärger gegeben, weil ich Käse weiß im Gesicht war und säuerlich gerochen habe. Meine Mama hat natürlich sofort gemerkt, was los ist. Der Onkel Alfons hat nur gelacht und gemeint, dass ich mich ja irgendwann sowieso einmal ans Bier gewöhnen muss. Und da ist es schon gescheiter, wenn ein Verwandter dabei ist, der auf mich aufpasst. Aufpasst, hat Mama gezischt, du bist ja selber besoffen und in dem Zustand fährst du noch mehr als eine Stunde mit dem Auto noch dazu auf der Autobahn. Du, zu warmes Bier und ein Schnapslebetraude, das ist praktisch nichts für einen richtigen Mann und mein Auto, das findet mehr oder weniger von selber heim. Mein Papa und der Onkel haben über diesen Witz recht lachen müssen Das ist praktisch nichts für einen richtigen Mann und mein Auto, das findet mehr oder weniger von selber heim. Mein Papa und der Onkel haben über diesen Witz recht lachen müssen und Papa hat Onkel Alfons noch einen Schnaps mit auf den Weg gegeben, während Mama mich hinauf in meine Dachschräge ins Bett gebracht hat. Dankeschön. Wenn man das Kapitel hört, dann drängt sich natürlich die nächste Frage auf. Wie wichtig ist Humor beim Schreiben? Ja, wie ich begonnen habe zu schreiben, das war der Anfang vom ersten Gasperlmeier-Krimi, nicht gewusst, dass ich humorvoll schreiben kann. Ich habe es erst gemerkt, wie die Leute gelacht haben, wie ich es vorgelesen habe. Und seither weiß ich, dass der Humor immer dann kommt, wenn man ihn nicht sucht. Das heißt, der Protagonist oder der Autor darf auf keinen Fall witzig sein wollen, ganz im Gegenteil. Also für den, also wenn man über eine Szene lachen kann, dann ist das für den Protagonisten meistens eher eine tragische Szene, weil erst aus der Tragik der Anlass erwächst, über den andere dann lachen können. Das merkt man auch bei vielen Kabarettisten zum Beispiel. Ich schätze Kabarettisten gar nicht über ihre eigenen Witze lachen. Aber die, die, wenn sie ihre Szenen spielen, wo man merkt, die sind schon am Rande der Verzweiflung, das finde ich dann auch, wie viele andere, wirklich lustig. Verzweiflung, das finde ich dann auch, wie viele andere, wirklich lustig. Da haben wir Glück, ich habe heute als Vorbereitung gleich mal alle meine schlechten Witze rausgehauen, damit ich jetzt dann auf der Bühne hoffentlich lustig bin. Vielleicht sprechen wir noch ein bisschen über die Zeit, das finde ich nämlich total spannend im Buch. Es wird einerseits eben vom Protagonisten zurückgeschaut, Siegfried schaut zurück, Sigi schaut aber auch in die Zukunft. Und ein bisschen weiter nach dem Firmungskapitel spricht Sigi davon, dass ja in 20 Jahren der Mond bevölkert werden wird, TouristInnen auf dem Mond sein werden und so weiter. Wie ist es Ihnen da ergangen, jetzt 50 Jahre später eigentlich zu erfahren, man hat sich damals die Zeit oder die Zukunft ganz anders vorgestellt, wie es jetzt eigentlich ist. Ja, man hat sich ganz anders vorgestellt. Es gibt nicht viele Quellen dafür, aber einige. Ich habe ein paar Bücher geschenkt bekommen damals zur Mondlandung. Da sind auch dann am Schlusskapitel drinnen, wo die Autoren sich über die Zukunft Gedanken gemacht haben. Einer ganz interessant hat gemeint, was sich sehr schnell durchsetzen wird, ist die gesundheitliche Fernüberwachung von Patienten, weil das hat man bei den Astronauten erstmals ausprobiert, hat sich natürlich in der Praxis herausgestellt, dass es zwar technisch möglich, aber in der Masse gar nicht durchführbar ist. Und eine Doku gab es vom Bayerischen Rundfunk aus dem Jahr 72 oder 73, das Jahr 2000, da ist man in vielen Dingen ganz falsch, völlig falsch gelegen, aber was zum Beispiel die Entwicklung des Verkehrs betrifft, hat man ganz gute Prognosen getroffen. Aber zurück zur Raumfahrt, man war damals unglaublich optimistisch, was die Weiterentwicklung der Raumfahrt und die Besiedlung des Weltraums betrifft. Man hat sich wahrscheinlich damals wenig Gedanken darüber gemacht, dass die Budgets der USA und der UdSSR damals schon bis an den Rand sozusagen ausgereizt waren, dass man überhaupt dieses Ziel auf dem Mond zu landen erreichen konnte und dass eine weitere Entwicklung der Raumfahrt unglaublich viel Geld und Energie verschlungen hätte, die man nicht bereit war aufzustellen, vor allem deswegen, weil man sich keinen Gewinn erwartet hat und letztendlich stirbt in unserer Gesellschaft alles, was nicht Profit abwirft. Ich würde vorschlagen, wir kommen, wir merken uns diese Zeitebenen und kommen jetzt zum letzten Leseblock. Ja, da habe ich eine tatsächliche Geschichte verarbeitet, also so ähnlich ist das am Bundesgymnasium Vöcklerbruck tatsächlich passiert, was ich hier beschreibe. Dass ich heute die Lateinschularbeit zurückbekommen und gerade noch einen Vierer ergattert habe, wird von einem unerhörten Skandal überschattet, der die gesamte Schule erschüttert und das Gesprächsthema des Tages ist. Unsere Schule ist nämlich beschmiert worden und zwar gleich an vier Stellen. Vor Schulbeginn stehen wir alle in großen Trauben vor dem Schuleingang und niemand geht hinein. Es dauert eine Zeit lang, bis der Herbert, mein bester Freund und ich so weit nach vorn getrunken sind, dass wir überhaupt erkennen können, was da passiert ist. An der Wand steht in dicken schwarzen Lettern Ho Chi Minh, daneben ist das Peace-Symbol aufgemalt, das ich schon kenne. So, meine Herrschaften, unser Klassenvorstand, Frau Professor Schlierberger, ist im Eingangstor aufgetaucht. Unser Klassenvorstand, Frau Professor Schlierberger, ist im Eingangstor aufgetaucht. Und jetzt alle bitte rasch herein und in die Garderobe, schreit sie. Aber gerade in diesem Moment kommen gleich zwei Polizeiautos mit Tatütata die Straße herauf und um nichts in der Welt würde ich jetzt hineingehen und versäumen, was da passiert. Wahrscheinlich werden sie das Gebäude stürmen, schwer bewaffnet und die Übelte da abführen in Handschellen. Die zwei Autos halten auf der Straße an. Vier Polizisten steigen gemächlich aus und begeben sich erst einmal zum Eingangstor, wo inzwischen der Herr Direktor samt seinem Administrator aufgetaucht ist. Der Herr Direktor ist wieder einmal rot angelaufen und seine Haare, die er so sorgsam über die Glatze frisiert, haben sich gelöst, hängen rechts weit herab und flattern im Wind. Genau genommen hat der Herr Direktor längere Haare als ich, weit über die Ohren, nur trägt er sie halt oben auf dem Kopf. Aber wenn er sich aufregen muss, dann funktioniert das nicht so, wie es sollte. Komm, sage ich zum Herbert, wir gehen jetzt auf die andere Straßenseite, da können sie uns nicht so leicht vertreiben. Komm, sage ich zum Herbert, wir gehen jetzt auf die andere Straßenseite, da können sie uns nicht so leicht vertreiben. Wie der erwartende Volk, der mir einmal hat die Neugier, den Sieg über seine sonst eiserne Disziplin davongetragen, der Herr Direktor und die Polizisten tuscheln miteinander, der Direktor aufgeregt und mit weitausholenden Gesten, die Polizisten eher entspannt. Mehrere Lehrer kommen aus der Schule und versuchen, die herumstehenden Grüppchen ins Gebäude zu treiben, was aber großteils misslingt. Drüben vor der Schule treiben nun die Polizisten die Schüler zur Seite, stellen Hütchen auf und spannen Absperrbänder. Einer hat eine Kamera herausgeholt und beginnt, die Schmierereien zu fotografieren. Wahrscheinlich, erkläre ich dem Herbert, werden die auch nach Fingerabdrücken suchen und dann müssen wir alle unsere Abdrücke abgeben und dann vergleichen sie und finden den Täter oder die Täterin. Herbert hebt wichtigtorisch seinen Finger, aber wir, sagt er, wir können es ja gar nicht gewesen sein, wir waren ja in Karstenkirchen und sind erst hierher gekommen, wie alles schon angeschmiert war. Das weißt du, aber die Polizei kann das natürlich nicht wissen. Kommt eine Stimme von hinten. Ich drehe mich um und sehe den Günther und seine Schwester Ute, die aus der siebten Klasse. Weißt du vielleicht, wer das war, frage ich sie. Sie kennt ja schließlich die älteren Schüler alle. Und dass das jemand aus der Unterstufe war, das kann fast nicht sein, denn wir wissen ja gar nicht, was Ho Chi Minh eigentlich heißt. Aber Ute vielleicht. Was ist denn Ho Chi Minh? Frage ich. Der hat in Vietnam gegen die Franzosen gekämpft. Er wollte sein Land von den Kolonialmächten befreien, erklärt sie. Da ist jetzt viel vorgekommen, das ich nicht verstehe. Und was hat dann das mit uns zu tun und warum malt das jemand in die Wand? Ute zuckt mit den Schultern. Naja, er ist halt ein Held der Freiheitsbewegung, irgendwie international. Außerdem, ich glaube, der ist schon gestorben. Außerdem, ich glaube, der ist schon gestorben. Mir bleibt weiterhin unklar, warum jemand den Namen eines gestorbenen Vietnamesen auf unsere Schulmauer pinseln sollte. Mit dem Peace-Symbol kann ich schon eher was anfangen, weil das jemand Frieden will, das ist klar. Und von Atombomben und dem Vietnamkrieg, da habe sogar ich schon gelesen und gehört, obwohl ich mich nicht sonderlich für Politik interessiere. obwohl ich mich nicht sonderlich für Politik interessiere. Weißt du vielleicht, wer das war? Frage ich Ute noch einmal, die grinst und zuckt mit den Schultern. Was so viel heißt, als dass sie einen Verdacht hat, aber auf keinen Fall etwas sagen wird. Ich nenne es gern letzter Teil vom Buch, der berührt mich irgendwie ganz besonders, weil ich so mitbekomme, dass diese SchülerInnen die Anfänge der Demokratie irgendwie ausprobieren oder demokratische Prozesse ausprobieren. Es kommt dann später die Schülerzeitung, eine Demo, wenn die jetzt nicht so ganz gut funktioniert. Und was die Zeitlichkeit angeht, so berührt davon ist, weil ich manchmal überspitzt gesagt das Gefühl habe, wir stehen gerade am anderen Ende. Ja, es war sicher eine Zeit, wo die jungen Leute daran glaubt haben, dass sich alles irgendwie zum Besseren, zum Guten entwickelt. Ich fürchte fast, dass viele junge Leute heute momentan zumindest daran nicht mehr glauben. Ich bin aber optimistisch, dass sich das vielleicht in ein paar Jahren wieder ändern könnte. Man weiß es ja nie. Aber die Schülerzeitung, die hier vorgekommen ist, die hat es in Wirklichkeit auch gegeben. Die hat Plopp geheißen, nicht Pulp. Und hat tatsächlich, zumindest für mich war das ein Erweckungserlebnis, weil man da einfach viele Dinge erfahren hat, die man sonst nicht erfahren hat. Ich meine, wir denken, wir waren 1977 auf Maturareise in Griechenland und in der Schule hat uns niemand gesagt, dass bis 1974 dort eine Militärdiktatur geherrscht hat. Das haben wir einfach nicht einmal gewusst. Und ein bisschen paradox ist es, dass das Bundesgymnasium für Klapp-Brucker fast ein bisschen ein Problem hat bei Festlichkeiten, weil mehrere der prominenten Absolventen sind damals auf der ganz anderen Seite gestanden. Also ein Protagonist dieser Schülerzeitung war Kurt Palm. Es hat in diesem Zusammenhang auch einen Selbstmord gegeben, der damals wenig thematisiert worden ist, also wo ein Schüler von Seiten der Schule, von Seiten der Behörden und von Seiten der Eltern so sehr unter Druck geraten ist, dass er sich schließlich umgebracht hat. Das war eigentlich alles andere als lustig. Aber der Sigi ist hier noch in einer Situation dessen, er ist erst 13, er fragt zwar immer nach, aber versteht eigentlich nicht wirklich, worum es da genau geht und was da genau passiert. Er ist aber ein sehr neugieriger Beobachter. Das hätte ich auch gesagt. Ich würde sagen, er ist so gern dabei, am Rand dabei, aber ich finde, das kitzelt schon so ein bisschen, dass er eigentlich auch gerne mal, wenn er mutig genug vielleicht wird, mitmachen könnte. Ja, also diese große Neugier, die habe ich ehrlich gesagt auch geteilt damals. Mich hat auch alles interessiert, was mich eigentlich nicht interessieren hätte dürfen oder hätte sollen. Aber die Welt der Kinder und Jugendlichen war damals sehr, sehr eng. Es gäbe ganz viel, was man nicht durfte. Es war gar nicht schwer, über die Grenzen hinaus zu gehen dessen, was man tun sollte, tun dürfte, nicht tun dürfte. Vielleicht als kurze Abschlussfrage vorerst, weil wir jetzt schon dabei sind, dass wir eigentlich wollen, dass Sie das ein bisschen mehr involvieren wird. Wird das im nächsten Teil dann passieren? Ja, er wird zu seinem, also irgendwie zufällig zum Klassensprecher gewählt und wird dann auch selber in diese Schülerzeitung hineingezogen und schreibt dann einen, das kann man ruhig spoilern, einen sehr vorlauten Bericht über die Wien-Woche, an der er teilgenommen hat und gerät dadurch ein bisschen in Schwierigkeiten. Das klingt super. Im August wird es erscheinen. Jetzt einmal das lesen. Man kann es ja gut eigenständig lesen, aber auch gut als Reihe geht beides. Gut, dann danke vorerst und dann bitte ich Martin Beichert. Vielen Dank, danke schön. Hallo. Hallo. Bevor ich das Gespräch mit Martin beichelstatt, kommt ein Service-Hinweis. Ich durfte das Buch von Martin schon vorab Probelesen und das ist meine dritte Lesung, die ich moderiere und abseits vom Literaturbetrieb sind wir auch noch befreundet. Also wundern Sie sich nicht, wenn es jetzt ein bisschen freundschaftlicher zugeht. Noch freundschaftlicher. Noch freundschaftlicher zugehen. Und ich glaube auch, dass Lisa du das Buch vielleicht schon ein bisschen besser kennst als ich. Das ist so eine stille Vermutung von mir. Es könnte tatsächlich sein. Befürchtung vielleicht auch. Ich kann weiterhelfen, wenn du nicht mehr weiterhelfst. Das beruhigt mich extrem. So viel zu den dummen Witzen, die eigentlich schon davor ausgingen. Das haben wir nicht so gut hingekriegt. Ich habe mir gedacht, vielleicht erzähle ich kurz noch einmal ein bisschen was über das Buch, falls die Erinnerung ein bisschen abhanden gekommen ist. Es sind nur wir ist das Buch von Martin Beichl. Und wenn man es jetzt inhaltlich zusammenfassen kann, könnte man sagen, ein Ich-Erzähler lässt seinen Job als Lehrer bleiben, weil ein Schüler von ihm Selbstmord begeht und er arbeitet dann bei einer Computerspieleentwicking, also einem Verein, die die Vögel beobachten und lernt dort Masha kennen. Masha ist Brepperin, das sind Personen, die sich ganz besonders für einen Weltuntergang oder eine Katastrophe vorbereiten und die wohnt quasi in der Nähe von der Stadt, eher am Land, wird hin und wieder von einer Füchsin besucht und gemeinsam bereiten sie sich dann ein bisschen auf den Weltuntergang vor, könnte man sagen. Ich mache gleich weiter, weil du so freudig schon schaust. Wenn man das Buch nur inhaltlich beschreibt, finde ich, wird man dem gar nicht so ganz gerecht. Man kann zwar an Inhalt folgen, an der Struktur folgen, ich würde das aber eher als Textfläche sehen und ich würde eher das Buch bestimmen als eine Stimmung, die so knapp vor einer Katastrophe herrscht, wo man irgendwie nichts mehr dafür, aber auch nichts mehr dagegen machen kann. Martin, passt das so? Es gibt so schöne Unterscheidungen, die ich treffe, die vielleicht viele andere auch treffen, sozusagen Bücher, die man nacherzählen kann und Bücher, die man wirklich lesen muss. Und mir interessieren Bücher, die man lesen muss, immer ein bisschen mehr. Das heißt Texte, die wo Sprache, Inhalt und Form, wo diese drei Teile einfach ineinander greifen und wo Stimmungen, wo Sprache auch eine Hauptrolle spielen darf. Und das war sicher so ein Vorhaben bei diesem Text. Insofern ja. Super, danke. Wie ich schon erwähnt habe, ich habe das Buch jetzt zum vierten Mal gelesen und ich finde, dass ich jedes Mal was Neues da drin finde und habe gedacht, ich nehme das jetzt mal kurz durch die Reise mit meiner Leseerlebnisse. Beim ersten Mal ist mir auf alle Fälle die Stimmung aufgefallen, über die wir heute auch noch sprechen werden. Es ist eine melancholische Stimmung. Es ist diese Stimmung, die herrscht knapp vor einer Katastrophe, die wir Gott sei Dank vielleicht noch nicht so häufig erlebt haben, aber mal schauen. Es ist ja Abschiedsgesetz der Stimmung. Genau. Dann beim nächsten Mal war es ja diese Intertextualität. Also es gibt sehr viele Zitate im Buch, sehr viele Verweise zu Popkultur, aber auch Popkultur und anderen Büchern. Und jetzt, das ist der Trommelwirbel, dieses Mal würde ich mit der Überschrift lesen, die Dinge oder die Welt aus einem neuen Blickwinkel sehen. Was sagst du dazu? Aus einem neuen Blickwinkel. Es ist schön, wenn es funktioniert sozusagen. Der Blickwinkel, also die Blickwinkel eigentlich im Plural, die in diesem Buch angeboten werden, das ist einerseits natürlich der Blick des Protagonisten, aber mir hat auch interessiert, ein Figurenkabinett zu entwickeln, wo eben verschiedene Perspektiven und Ansichten und Blicke auf dieses Thema Abschied, Verlust, Verlieren, Weltuntergang, Weltuntergänge, Krisen, wie reagiert man darauf, wenn man das Gefühl hat, dass das rund um einen herum immer enger rückt, dass diese ganzen Bedrohungsszenarien immer realer werden, dass Wörter wie Blackout wieder in den Medien vorkommen. Wenn man aufwacht und eine SMS von einer Freundin am Handy hat, hey, über Nacht ist ein Krieg ausgebrochen. Wie reagiert man drauf, wenn auf einmal Freunde, Freundinnen im Umkreis anfangen, selber so Prepper-Tendenzen zu entwickeln und auf einmal steht man in so einem Supermarkt und hat so 10, 15 Kilo Sackeln Nudeln in der Hand und fragt sich gerade, ist das gerade unsere neue, also schlittern wir gerade in eine neue Realität? Und diese verschiedenen Sichtweisen auf dieses Thema Abschied, Verlust, wollte da irgendwie so an verschiedenen Figuren ausprobieren. Es ist das und das Buch besteht ja quasi, könnte man auch sagen, aus zwei Büchern. Wir haben einmal diese Handlung und eingeschoben ist ein Wörterbuch der Verluste, das sind so Fun Facts. Für jede Party eigentlich, wenn man so einen Icebreaker braucht für ein Smalltalk-Thema. Über Verluste und dort ist mir das ganz stark irgendwie aufgefallen, zum Beispiel, nur um ein kurzes Beispiel zu nennen, es wird über Kafka und den Käfer, also Gregor Samsa nachgedacht und darüber nachgedacht, naja, vielleicht ist es aber auch nicht schlecht, einmal ein Käfer zu sein und sowas wie Arbeiten und so weiter einfach nicht, sich keine Gedanken mehr über Lohnarbeit machen zu können. Ja, das ist das Absurde an der Kafka-Erzählung eigentlich, dass das Erste, was Krieg aus Samsa, das ich denke, ist, wie soll ich heute in die Arbeit kommen? Es ist nicht der Gedanke, oh, ich bin jetzt ein Käfer, wie gehe ich mit dem jetzt um, sondern wie kann ich heute noch funktionieren? Und da geht es schon um diese Sehnsucht, bei diesen ganzen Verwandlungsszenarien, um die Sehnsucht, vielleicht dieses Menschsein und alles, was damit einhergeht, vielleicht auch punktuell einmal hinter sich zu lassen. Mit dieser Fantasie wird da unter anderem gespielt. Gut, dann hätte ich gesagt, wir starten mit der ersten Lesepassage, wenn es für dich passt. Sehr gerne. Es gibt verschiedene Wege durch dieses Buch, durch diesen Text. Man kann sich dann verschiedene Figuren anhalten. Man kann bei der Figur des Schülers bleiben, der sich selbst das Leben nimmt. Man kann an der Figur der Marsha bleiben, die sich da auf einen oder viele Weltuntergangsszenarien vorbereitet, in ihrem Bunker am Land. Ich habe heute den Weg gewählt anhand der Mutterfigur. Also die Mutterfigur des Protagonisten, auch, weil es glaube ich ganz schöne Ergänzung ist zu dem, was wir im ersten Teil heute gehört haben, weil es da auch sehr viel geht um Erinnerung und um den Blick auf die Vergangenheit, unter anderem auch deshalb, weil die Mutter dement entwickelt. Die ist dementkrank und da haben wir diesen Kontrast, der ich erzähle, in der Stadt, die Mutter am Land. Und in diese Stimmung möchte ich Sie ganz gerne da mal mit hineinnehmen, mit zwei Kapiteln. Kapitel 3. Wie lange braucht das Herz? Zeit ist wie Brot, das leicht bröselt. Meine Erinnerungen, die Butter, die versucht, alles zusammenzuhalten. Ich kann nicht der Reihe nach erzählen, dass ich chronologisch durch den Tag muss, chronologisch existieren soll, ist anstrengend genug. Wer mich fragt, wie lange ich Menschen bereits kenne, Sophia zum Beispiel oder Julian, bekommt meistens keine Zahl als Antwort, nicht einmal eine ungefähre Schätzung bekomme ich hin. Stattdessen macht mein Hirn ein Fotoalbum auf, die meisten Bilder unscharf oder wie auch immer falsch belichtete Polaroids und direkt darunter eine nur schwer zu entziffernde Handschrift mit vagen Hinweisen auf die Situation, in der diese Momentaufnahmen entstanden sind. Ich erinnere mich an Menschen so, wie ich mich an die Getränke vom letzten Abend erinnere, weil ich in der Jackentasche die dazugehörige Rechnung finde. Wie ich mich an die Refrains von Songs erinnere, die ich schon jahrelang falsch mitsinge. Wann ich Julian kennengelernt habe, ist ein schwarzes T-Shirt, das ich neben die anderen schwarzen T-Shirts auf den Wäscheständer hänge. Wann ich Sophia das erste Mal gesehen habe, ist ein Herbsttag, der genauso gut ein Tag im Frühling hätte sein können. Ein Tag, an dem man sich darüber unterhält, dass es nie das richtige Wetter gibt für Übergangsjacken. Zeit ist wie ein Ortsname, den ich nie richtig schreiben kann. Ein Kreisverkehr und keine der Ausfahrten ist beschildert. Wenn ich im Wochenplaner des Vorjahres blättere, irritieren mich meine Einträge, die vielen Namen und Uhrzeiten, das viele leben, das anscheinend in ein Jahr gepasst hat und wie wenig davon einen bleibenden Eindruck hinterlassen hat. Ich werfe den Kalender in den Müll, nur um ein wenig später herauszuholen. Ich muss etwas übersehen haben. In der Gegend, in der ich aufgewachsen bin, scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Wenn ich meine Mutter anrufe, sehe ich sie vor einem Festnetztelefon mit Wählscheibe stehen, obwohl die Nummer schon lange abgemeldet ist. Sie ist mittlerweile sogar scharf, mir Fotos mit dem Handy zu schicken. Ihre Stimme klingt nach Filterkaffee. sie ist überrascht, dass ich sie am Vormittag anrufe, ob ich nicht unterrichten muss. Die Gegend, in der ich aufgewachsen bin, ist eine Schneekugel. Nur wenn ich sie schüttle, passiert etwas. Vielleicht würde es mir helfen, Zeit nicht in Sekunden, Minuten, Stunden, vielleicht müsste ich neue Einheiten erfinden, um Zeit nicht nur zu messen, sondern auch zu begreifen. Zum Beispiel, wie lange braucht das Herz, wie lange die Leber, die Niere, die Lunge, wie lange brauchen Organe, um sich von einem Abend wie gestern zu erholen, wie lange die Haut. Oder wie viel Zeit vergeht zwischen dem ersten Geburtstag, den deine Mutter vergisst und dem Moment, von dem an sie sich regelmäßig mit ihrem toten Bruder verwechseln wird. auflegen, sage ich, ich bekomme einen zweiten Anruf, arbeite nicht zu viel, sagt meine Mutter, sie wollen jetzt doch Vögel ins Spiel einbauen, sagt der Programmierer und ob ich mich darum kümmern könnte. Ich habe Kopfschmerzen und nicht genug geschlafen, also sage ich ja, reagiere wie so oft, wenn ich eine Aufgabe annehme, die mir ein paar Nummern zu groß ist, Ich werfe eine Schmerztablette ein, später vielleicht eine zweite und bestelle alle Bücher zu dem Thema, die mir unterkommen. Ich muss alles wissen über das Balzbrot und Migrationsverhalten von Vögeln. Auch ein Buch über Dinosaurier lege ich in den Warenkorb und klicke den Bestellbutton. Was es bedeutet, am Leben zu sein. Von Tag zu Tag die To-Do-Listen verlängern, den Schmerz betäuben, das Blut verdünnen, das Herz beruhigen, Appetit entwickeln, aber für die richtigen Dinge den Körper müde machen, damit er später auch schläft. Ich ziehe die Bettwäsche ab, die Hautschuppen von ich-weiß-nicht-wie-vielen-Menschen steigen als feiner Nebel auf, schweben ein paar Millimeter von einem Nistplatz zum nächsten. Sophia ruft an, sie hat ein neues Profilfoto, ich gehe nicht ran. Beim Abwaschen später rutscht mir ein Glas aus der Hand, fällt auf den Küchenboden und zerspringt. Um die Scherben werde ich mich morgen, werde ich mich in einem anderen Leben kümmern? Und wir springen jetzt ins Kapitel 15. Und auch hier haben wir einerseits die Mutterfigur und andererseits haben wir diese verschiedenen Bedrohungsszenarien, diese immer mehr verdichten rund um den Protagonisten, die aber hier nur so am Rande mal angedeutet sind. Kapitel 15. Was ist ein Gespenst? Was ist ein Gespenst? Ein Kratzen im Hals, ein ausgefallenes Haar, das Geschirr in der Spüle und jeder Wassertropfen, der fällt und spritzt, das Licht, das sich durch die Jalousien zwängt und im Raum wieder breiter wird, der Staub, der gestern noch nicht da war, der gestern noch gelebt hat. schickt mir Fotos. Sie hat Handschuhe angezogen und die Vögel vorsichtig in einen Kübel gelegt. Ganz leicht waren sie, fast hätte sie die kleinen Körper zerdrückt, sagt sie. Bei den Tomaten hat sie sie beerdigt, in Sicherheit gebracht vor der Nachbarskatze, vor den Madern, die in der Nacht ihre Beete verwüsten. Was ist ein Gespenst? Ein Empfangsloch zwischen zwei Bahnhöfen, eine Verspätung ohne Durchsage, eine Zigarette viel zu schnell geraucht, weil es zu regnen beginnt, der Münzschlitz eines Getränkeautomaten, den niemand mehr befüllt, das Gefühl beim Umsteigen ein wichtiges Gepäckstück, eine Jacke, einen Schirm vergessen zu haben. Ich habe angefangen, die Telefonate mit meiner Mutter mitzuschneiden. Am Ende beschlagworte ich die Dateien, lege sie in einem Orden ab. Ich stelle mir ein Museum vor, das ihrer Stimme gewidmet ist. Die Besucherinnen und Besucher gehen von Raum zu Raum und auf Knopfdruck werden die entsprechenden Aufnahmen abgespielt, während zu den Erinnerungen passende Ausstellungsstücke betrachtet werden können. zu den Erinnerungen passende Ausstellungsstücke betrachtet werden können, darunter eine Vitrine mit einem ausgestopften Vogel, der auf dem Rücken liegt und selbst tot noch sehr hübsch ausschaut, eine Ansel zum Beispiel. Was ist ein Gespenst? Zwei weiße Leintücher in die Masche und ich Löcher schneiden für unsere Augen, die wir uns feierlich über die Köpfe ziehen, als würden wir uns für eine Party schick machen, während uns die Füchsin misstrauisch beäugt, nicht recht weiß, ob sie uns in dieser neuen Gestalt über den Weg trauen kann. Unsere Hände, mit denen wir nach allem greifen, was uns über die Jahre in die Sofa ritzen gerutscht ist, das Blut unter unseren Nägeln, wenn wir zu lange an derselben Stelle kratzen. wenn wir zu lange an derselben Stelle kratzen. Ich erzähle meiner Mutter nicht von den Gerüchten, dass die Flaktürme in der Stadt, in denen Restaurants, Nachtclubs und Escape Rooms untergebracht sind, zu Schutzpunkten umfunktioniert werden sollen. Erzähle ihr auch nicht, dass der Leerstand rund um meine Wohnung zunimmt, weil die Menschen wegziehen, raus aufs Land in vermeintlich sichere Gegenden. Was ist ein Gespenst? Jedes Schaufenster, in dem wir uns spiegeln, die reduzierten Produkte hinter dem Glas, die Bäume im Park, die am Ende der Jahreszeit angekommen, ihre Blätter nicht mehr brauchen, die Bank, auf der ich mit Sophia, auf der ich auch mit Pauls Mutter Bett wäsche, die vom vielen Waschen, von der vielen Haut, mit der sie in Kontakt gekommen ist, dünn geworden ist. Meine Mutter erzählt, dass sie in letzter Zeit Geräusche hört, in der Nacht ein Scheppern, ein Klopfen, ein Stampfen, ein Schnaufen. Wahrscheinlich nur der Wind, sage ich. Wenn es im Haus spukt, ist man wenig oft allein, denke ich, dann dreht man nicht so schnell durch, weil es für alles eine Erklärung gibt und noch eine zweite und es in Ordnung ist, Gegenstände zu verlegen und nicht wiederzufinden, weil alles zum Gespenst wird, wenn man es lange genug vermisst. Dankeschön. Ganz am Anfang, Kapitel 3, erster Satz. So gut kenne ich das Buch schon. Wahnsinn. Das habe ich mir aufgeschrieben. Gut. Ich kann nicht der Reihe nach erzählen. Es gibt immer wieder Hinweise im Buch an die LeserInnen, wie man das Buch erlesen kann. Es gibt keinen Anfang, kein Ende und so weiter. Wie viel Mitarbeit muss eigentlich der Leser, die Leserin machen bei deinen Büchern? Das genaue Ausmaß, glaube ich, ist offen. Also man kann da unterschiedlich viel mitarbeiten und selber reinlegen in diesen Text. Ich bin nur dieser hundertprozentigen Überzeugung, dass dieses Buch funktioniert halt nur in der Zusammenarbeit zwischen dem Autor, in weiterer Folge wird ein Text raus, und dann braucht es jemanden, der dieses Buch, diesen Text liest. halt nur in der Zusammenarbeit zwischen dem Autor, in weiterer Folge wird ein Text raus, und dann braucht es jemanden, der dieses Buch, diesen Text liest. Und erst dann ist das Ganze komplett. Für sich genommen ist dieser Text relativ leblos. Erst sozusagen das Publikum oder Leser, Leserin, durch die eigenen Gefühle, die man reinliest, die man reinprojiziert, wie man diese Geschichte dann eben lebendig macht, erst dann wird es ein kompletter Text. Insofern ist es eine große, ausgesprochene Mitarbeitseinladung und wahrscheinlich auch bis zu einem gewissen Grad eine Notwendigkeit. Das ist voll schön, dass du das jetzt so ansprichst. Ich habe nämlich auch wieder über die Figuren nachgedacht, wie so immer. Und ich muss sagen, meine Topfigur, Traumfigur Nummer eins, Lieblingsfigur ist Julian, das ist der beste Freund vom Protagonisten. Bei Marsha und beim Ich-Erzähler ist das immer je nach Stimmung, je nach Weltlage vielleicht sogar, ob ich den sympathisch finde oder total nervig, beider. Deswegen finde ich das gerade gut, dass du sagst, es ist ja vielleicht nach Stimmung, dass man das Buch auch anders liest. Wie geht es dir mit den Figuren? Jetzt hast du ja doch schon ein paar Mal gelesen. Also ich glaube, bei der ersten Lesung damals hast du gesagt, du magst alle Figuren gleich. Ist das noch immer so? Ich meine, die Figuren liefern unterschiedliche Antworten und Zugangsmöglichkeiten zu den Themen, die dieses Buch aufwirft. Und insofern finde ich sie alle gleich wichtig. Aber je nach Stimmung natürlich, also weil du den Julian angesprochen hast, der kommt heute nicht so viel vor in diesen Lesepassagen. Diese Passagen lese ich dann, wenn ich irgendwie versuche, die Stimmung aufzulockern und ein bisschen aus dieser Weltuntergangsstimmung rauszukommen. Weil das ist so eine klischeehafte Männerfreundschaft, die kennen Sie schon ewig, aber so genau, was der jeweilig andere arbeitet, wissen Sie nicht, und Sie haben diese Chance, das Verabsäumtes irgendwann diese Frage zu stellen. Und da ist sehr viel Trost, der über gemeinsames Trinken funktioniert, wird da halt so porträtiert. Aber für mich die eigentliche Herausforderung war, dieses ganze Spektrum abzubilden, wie man jetzt auf so Bedrohungsszenarien eingehen kann, vom Bunker und Schutzraum einrichten bis hin zu darauf hoffen, dass wenn der Blackout kommt, dass noch genug Akku im Strom ist. Also dieses ganze Spektrum wollte ich irgendwie abbilden. Vielleicht sprechen wir noch kurz über die Mutter, weil die ja quasi heute im Zentrum steht. Ich finde es auch schön und ich glaube, das würde ich bei der nächsten Lesung dann auch jetzt schon ganz anders anmoderieren, nämlich, dass man wirklich sagt, es sind eigentlich alle Figuren gleichwertig. Also weil man tendiert immer so dazu, dem Ich-Erzähler so viel Raum zu geben, aber da finde ich das schön, auch irgendwie so diesen Gedanken, eigentlich gibt es jetzt auch gar nicht den Hauptprotagonisten. Ja, vielleicht hast du mir tatsächlich jetzt gerade noch einen neuen Gedanken gebracht. Ich glaube, der Ich-Erzähler ist für sich genommen gar nicht so die wichtigste Figur, weil man erlebt schon, man kriegt schon sehr viel mit von seinem, sozusagen von seinem Blick auf die Welt und diese Obsession, die er hat für diese Geschichten rund um Verlust, aber an und für sich wird er erst lebendig immer in der Interaktion mit den anderen Figuren im Buch. und vielleicht sogar ein bisschen schräg und dann erleben wir ihn in der interaktion mit dieser mutter figur und auf einmal entdecken wir jemand der doch der doch voll da ist wenn jemand braucht wenn jemand etwas braucht und der doch offen ist für care arbeit ja es ist voll schön ich habe halt beim herfahren im zug noch einmal diesen podcast zur buchkultur oder von buchkultur angehört und dort kommt es also schön vor, dass der Protagonist eigentlich nur handelt, nur was tut, wenn er vor allem mit den Frauen im Buch in Kontakt tritt. Ja, also die Impulse kommen von den weiblichen Protagonistinnen. Und jetzt kommen wir zur Mutter, weil das habe ich vorher versprochen, aber dann sind wir viermal abgebogen. Ich habe mir so nämlich dann überlegt, was ist eigentlich die Strategie der Mutter, was so Katastrophen oder annähernde Katastrophen angeht. Und für mich ist es so ein bisschen auch Festhalten an allem, was es so gibt. Festhalten an frühere Zeit. Festhalten an was? Nein, es ist eigentlich falsch gesagt. Es ist nämlich nicht Festhalten an alles, was es schon gibt, sondern Festhalten an etwas, das eigentlich auch nie so war. Verstehst du, was ich meine? Ich habe es semantisch verstanden. Ja. Ja, das ist eine spannende Frage. Was ist Ihre Strategie? Ich glaube, diese Szene von vorher, also das Spiel der Anerfahrungskapitel, das schon vorher passiert ist, da fallen aus unerklärlichen Gründen in der ganzen Gegend Vögel tot aus den Wolken und aus den Bäumen. Und wie reagiert die Mutter drauf? Sie nimmt diese toten Vögel und sie beerdigt sie bei den Tomaten in dem Fall. Und das ist auch ein Umgang mit der Realität und mit dem, was um uns herum geschieht, dass man es einfach mal annimmt und mit bewährten Strategien darauf reagiert. So, ein Haustier stirbt, man schaufelt vielleicht im Haustier ein Grab. Und ich glaube, da ist diese Mutterfigur auch, weil diese eigenen Erinnerungen so bröckeln und weil sie vielleicht zum Teil in den Protagonisten eine Art jemanden sieht, der jetzt noch vielleicht Protokoll führt und den sie jetzt noch, während sie merkt, diese Geschichten und Erinnerungen, die sie in sich herumträgt, die bröckeln ihr immer mehr weg und jetzt habe ich da jemanden, der sich genau für diese Art von Geschichten interessiert und jetzt kriegt er noch alle diese Infos, ob er sie möchte oder nicht. Also ein bisschen so dieser Museumsgedanke auch, den der Protagonist da verfolgt, indem er ihre Gespräche aufzeichnet. Museumsgedanke, oder ich finde auch dieses Wörterbuch der Verluste ganz gut. Also es gibt ja wirklich so diese Obsession des Sammelns, vielleicht auch als Strategie Trost zu finden. Magst du auch noch ein bisschen was davon erzählen? Mir kommt nämlich vor, wir haben noch zu wenig über das Wörterbuch tatsächlich gesprochen. Genau, also zwischen, es sind knapp 40 Kapitel, zwischen jedem Kapitel gibt es einen Eintrag aus diesem Wörterbuch der Verluste. Wenn man Wörterbuch der Verluste sagt, dann übernimmt man da ein bisschen das Phrasing des Protagonisten. Im Endeffekt ist es ein Zettelkasten auf Karteikarten, verfasst einzelne Geschichten rund ums Verlieren, rund ums Scheitern. Und ein Beispiel zum Beispiel, wo es auch ums Sammeln geht, ist die Geschichte von Charles Darwin. Das wissen vielleicht viele nicht, die heute da sind. Charles Darwin hat nicht nur neue Tiersorten und Spezies entdeckt, er hat die meisten davon, eigentlich fast alle, auch gekostet. Der wollte auch irgendwie probieren und schmecken und hat die dann einfach gekocht und verspeist und die haben sie dann zum Teil wochenlang von Galapagos-Schildkröten ernährt auf ihren Erkundungsfahrten. Und einmal ist es ihm halt fast passiert, da haben sie wochenlang eine bestimmte Vogelart gesucht und während sie beim Abendessen sitzen, rund ums Feuer, bemerken sie, hey, das ist wie Essen gerade, den Vogel, den wir seit Wochen suchen. Haben die Reste zusammengekratzt und das noch schnell nach England zurückgeschickt, in der Hoffnung, dass da der Ornithologe noch das bestimmen kann, diese Vogelsorte. Und solche Geschichten habe ich versammelt oder die Geschichte von einem japanischen Rennpferd, der einfach 100 Rennen in Folge verliert und dann einen Fankult aufbaut, wo dann Leute schon extra auf die Rennbahn kommen, um diesem Pferd noch einmal beim Verlieren zuzusehen oder vielleicht das erste Mal dabei zu sein, wenn dieses Rennpferd dann doch gegen alle Erwartungen gewinnt. Und ich persönlich finde in diesen Geschichten vom Verlieren viel mehr Trost als in irgendwelchen Erfolgsstories. Ich wollte nämlich gerade fragen, würdest du eigentlich lieber dabei sein, wenn das Rennpferd das erste Mal gewinnt oder verliert? Auf gar keinen Fall. Auf keinen Fall? Nein, ich mag es auch mal nur verlieren sehen. Ich hätte auch gesagt, oder ja, ich würde auch sagen, auf alle Fälle. Sonst ist das, was es am besten gekonnt hat, vorbei. Und würdest du wetten trotzdem auf den Gewinn? Also würdest du hingehen und enttäuscht sein, wenn es gewinnt, aber trotzdem auf den Gewinn wetten? Naja, ich bin sehr anfällig für so Sportwettlokale. Ich versuche da meistens einen Bogen rundum zu machen. Also nein, keine Wetten. Ich würde nämlich wetten, aber das können wir dann später noch besprechen. Zum Glück sind wir beide bargeldlos. Uns wurde das Bargeld genommen. Okay, dann hätte ich gesagt, den nächsten Ausschnitt bitte. Voll gern. Okay, wir springen relativ weit hinten jetzt ins Buch rein. Am Ende werden, jetzt habe ich vorgesagt, werden verschiedene Weltuntergangsszenarien angeboten. Und das stimmt eigentlich sogar. Also alle diese wichtigen Figuren, die im Buch vorkommen, die, wie gesagt, für den Protagonisten auch sehr wichtig sind, bekommen am Schluss noch ein Kapitel, wo ein möglicher Weltuntergang angedeutet wird. Und das Kapitel 36, Rituale, die uns am Leben halten, ist das Kapitel, wo die Mutterfigur noch einmal vorkommt. Von dem Ort, an dem ich aufgewachsen bin, gibt es keine Postkarten. Das einzige Wirtshaus hat letztes Jahr zugesperrt. Vereinzelt werden leerstehende Häuser als günstige Ferienwohnungen angeboten, aber ich bin noch nie jemandem begegnet, der Urlaub gemacht hat bei uns im Dorf, wenn man hier Menschen trifft, dann in der Kirche oder auf dem Friedhof. Meine Mutter und ich gehen über den Schotterweg, der Schein der Straßenlaterne hängt über der Friedhofsmauer, vereinzelt brennen Grablichter. Hier liegen meine Großmutter und die erster Mann im Krieg gefallen, nicht mehr zurückgekommen, wie man sagt. Direkt darüber auch Ihr zweiter Mann, der Vater meines Vaters. Wir bleiben kurz stehen, erzählen uns gegenseitig, was uns einfällt zu den Toten. Dass meine Großmutter nach ihrer Magenoperation so wenig gegessen hat, dass sie jeder stärkere Windstoß hätte mitnehmen können. Dass mein Großvater bis zum Schluss nicht darüber reden wollte, wie er unverletzt von der Ostfront heimgekommen ist. Als wir sie beerdigt haben, haben wir auch ihre Geschichten, ihre Stimmen vergraben. Es gibt Gerüchte, handfeste Beweise, würden manche im Dorf sagen, dass sich direkt unter dem Friedhofsareal ein System aus Hohlräumen befindet, weil der Grund aus wasserlöslichen Gesteinsschichten besteht, die bei jedem Hochwasser, bei jedem stärkeren Regen weiter abgetragen werden. In Wahrheit handelt es sich um eine einzige Fehlplanung, sagt meine Mutter, aber niemand spricht laut darüber. Die Toten sinken in ihren Särgen jedes Jahr ein wenig tiefer in die Erde, aber wir tun so, als wären sie noch immer dort, wo wir sie hingegeben haben. Der Friedhofsbesuch war die Idee meiner Mutter. Wir sind die einzigen Menschen hier um diese Uhrzeit. Wir und unsere Schatten, die zwischen den Gräbern herumgeistern. Wir gehen ein paar Meter weiter. Hier liegen ihre Eltern, hier liegt auch mein Vater begraben. Wahrscheinlich wartet sie darauf, dass ich etwas sage, nichts Bestimmtes. Ein, zwei Sätze würden reichen. Mein Vater war ein leiser Mensch. In jedem Raum, an jedem Tisch hat er den wenigsten Platz eingenommen. Wenn ich über ihn schweige, habe ich das Gefühl, seine Sprache zu sprechen. Was ich meiner Mutter nie erzählt habe, dass ich die ersten Jahre nach seinem Tod bei jeder Gelegenheit ein Bier zu viel getrunken habe, das eine nur für ihn ist, sind Rituale, die uns am Leben halten. Hier werde auch ich einmal liegen, sagt meine Mutter, schließlich bückt sich und rückt ein Blumengesteck zurecht, wobei, so ein Sarg, findet sie, ist schon eine komische Erfindung, wenn man länger darüber nachdenkt. Vielleicht will sie doch lieber verbrannt werden, dann könnte ich ihre Asche verstreuen, wo auch immer ich möchte, gerne ins Meer oder in einen Fluss hinein, ich soll sie nur bitte nicht zu lange in der Urne aufbewahren, auf keinen Fall will sie, dass ich sie aufstelle in meiner Wohnung, als wäre sie eine Vase, der die Blumen fehlen, wenn sie sich eine Sache wünschen darf, sie will nicht als Deko enden. Ich nehme sie in den Arm, ich sehe meinen Schatten, wie er in ihren Schatten hinein verschwindet. Genug Zeit mit den Toten verbracht, sagt meine Mutter, nach ein paar Minuten lass uns heimgehen. Auf dem Weg erzählt sie mir von einem Feuer im Nachbarort. Ein Stall ist abgebrannt und als die Feuerwehr den Einsatzort erreicht hat, wurden sie von lauten Explosionen überrascht. Die Frau, der der Hof gehört, wusste nicht, dass ihr verstorbener Mann Waffen versteckt hat und Munition, dass sich ihr Mann heimlich auf einen Krieg vorbereitet hat. Ob ich mir das vorstellen kann, fragt meine Mutter. Eine Schuppen voller Gewehre und Pistolen. Wie viel Angst passt in einen einzigen Menschen? Ich würde ihr gerne von meiner Angst erzählen, von meiner Befürchtung, dass ich sie jetzt in diesem Moment vielleicht zum letzten Mal sehe, mich das letzte Mal mit ihr unterhalte, dass ich irgendwann nicht mehr wissen werde, wie ihre Stimme klingt, nur noch die Aufnahmen auf meinem Handy, auf meinem Computer habe, aber eine Stimme klingt anders, wenn sie im selben Raum ist. Keine Technik, egal wie gut, kann Anwesenheit simulieren, dass ich mich zwar nicht auf einen Krieg vorbereite, aber auf ein Ende will ich erzählen und vor lauter Abschiednehmen die Gegenwart nicht mehr spüre. Zuhause setzen wir uns vor den Fernseher, suchen einen Film, der möglichst wenig mit uns zu tun hat. Bevor ich es vergesse, sagt meine Mutter und holt etwas aus dem Schlafzimmer, kommt mit einer kleinen schwarzen Schachtel zurück. Ich öffne den Deckel und finde die Uhr meines Vaters darin, die Batterie leer, die Anzeige erloschen. Sie sagt, sie weiß nicht, was sie damit anfangen soll. Es ist der letzte Gegenstand, den sie noch von ihm besitzt. Ich lege mir die Uhr um mein linkes Handgelenk. Das Metall ist unangenehm kühl. Es dauert ein paar Augenblicke, bis es die Wärme meiner Haut angenommen hat. Es war ein langer Abschied, das weiß ich. Meine Mutter trennt sich nicht leicht von Gegenständen. Unser Haus erinnert mich manchmal mehr an ein Museum als an einen Ort, an dem auch gelebt wird. Seit über die letzten Jahre meinen Vater wie ein Puzzle zerlegt, bis keine Teile mehr übrig waren. Wie soll man sich auch an jemanden erinnern, der aus Zeit besteht, aus Jahren, Tagen, Minuten, der aus Raum besteht, aus Nähe und Abstand, aus Temperaturen. Und wie bei jedem Waschgang, bei dem etwas Farbe aus dem Pullover meiner Mutter verschwindet, verschwinden auch sie und ich mehr und mehr, ich würde gerne behaupten, spurlos. Wer soll hier einmal leben, in diesem viel zu großen Haus, wozu bleiben und spuken, wenn niemand mehr da ist, der es mitbekommt? Es sind nur wir, die geblieben sind. Der Rest unserer Familie existiert nur noch auf alten Fotos, als Namen auf Grabsteinen. Zum Glück wechselt meine Mutter schnell das Thema. Sie will wissen, wie ernst das mit Marsha und mir ist. Sehr ernst sage ich und denke an unser Bett im Bunker. Ich erzähle ihr von der Füchsin, dass ich einen ganzen Tag mit ihr allein im Haus war. Meine Mutter fragt, ob wir uns nicht lieber einen Hund anschaffen wollen oder Katzen. Sie hätte auch gern wieder Katzen, irgendwas Lebendiges im Haus, das wäre schön. Ich bin erleichtert, der Film geht zu Ende, ohne dass jemand beerdigt werden muss. Beim Zähneputzen schaue ich immer wieder auf mein Handgelenk, auf die Armbanduhr meines Vaters, die er bei Tag und bei Nacht getragen hat. Ich würde mich gerne noch einmal außerhalb meiner Träume mit ihm unterhalten. Ein paar wenige Sätze würden mir reichen, nur bin ich mir nicht sicher, wie mein Vater eine Auferstehung nach so vielen Jahren finden würde. Und vielleicht ist das der Grund, warum Zombies so aggressiv dargestellt werden, weil sie wütend sind, zurückgeholt worden zu sein in ein Leben, mit dem sie schon abgeschlossen hatten. Das ist der eigentliche Horror, der in diesen Filmen, Büchern und Videospielen dargestellt wird, gegen den eigenen Willen eine zweite Runde drehen zu müssen, noch dazu im selben Körper. Sophia hat mir einmal erzählt, dass Lazarus auf den meisten Gemälden, die seine Auferstehung zeigen, mehr tot als lebendig ausschaut, als hätte er gerade den besten Schlaf gehabt und wäre jetzt entsetzt, darüber weiterleben zu müssen. Für uns, die noch am Leben sind, ist es ein leichtes, uns die Toten zurückzuwünschen. In unserer Vorstellung sind wir mit ihnen kompletter als ohne sie. Umgekehrt sind sie vielleicht einfach froh, dass niemand mehr etwas will von ihnen Antworten zum Beispiel Ich vergesse manchmal, dass ich am Leben bin Tippe ich in mein Handy, aber ich weiß nicht, wem ich den Satz schicken soll Sophia, doch lieber Marsha, ab morgen beschließe ich Will ich mich wieder ein wenig mehr von den Toten unterscheiden Und vielleicht denke ich im Bett liegend, muss ich meiner Mutter die Sache mit der Einäscherung ausreden, für den Fall, dass doch ein Wunder geschieht, sie von den Toten aufersteht, aber ihre vielen Einzelteile sind bereits kilometerweit verstreut und können nie wieder ein Ganzes ergeben. Draußen beginnt es zu regnen. Draußen beginnt es zu regnen. Die ganze Nacht fallen lauter schwere Tropfen mehr Wasser, als der Grund aufnehmen kann, und die Särge auf dem Friedhof sinken noch tiefer ins Erdreich. Bald folgen die Grabsteine, die Blumen, die Kerzen, die Schotterwege, schließlich die Kirche. Das Loch wird immer größer, verschlingt die Aufbahrungshalle und den Parkplatz, reißt wenig später auch unser Haus, das restliche Dorf in die Tiefe. Dankeschön. Danke. Dankeschön. Hätten wir einen Weltuntergang zumindest einmal angedeutet. Ich habe jetzt eine ganz unpassende Frage. Okay, damit habe ich fast gerechnet. Magst du oder mochtest du eigentlich Wetten, dass? Ich habe als Kind Wetten, dass geliebt. Es war das klassische Samstagsabendprogramm. Ich habe mir nämlich überlegt, wenn es nicht so cringe geworden wäre cringe worden wäre wie es mittlerweile ist aber mittlerweile möchte ich mich auch davon distanzieren aber ich hätte mir überlegt ob ich mich nicht bei wetten das anmelde nämlich mit der fähigkeit dass ich deine texte anonym erkennen du fragst jetzt wieso vielleicht ich glaube ich frage mich vielleicht das publikum fragt sie vielleicht oder das publikum fragt sie wieso und finde, das ist vor allem erstens einmal die Stimmung und deine Metaphern, weil du so ganz schöne Beschreibungen eigentlich für Zustände oder Bilder findest. Ich habe es ja schon öfters erwähnt, meine Lieblingsmetapher ist der Mond, der ausschaut wie ein halb ausgelutschtes Hustenbonbon. Oder eben auch das Dorf, das ausschaut, oder das erst was tut, das wie eine Schneekugel ist, weil es erst was tut, wenn man das Dorf schüttelt quasi. Wie hast du deine Sprache eigentlich gefunden? Ich sage vielleicht noch ganz kurz was zu den Metaphern, weil es ist ja voll spannend, dass etwas, was für dich jetzt vielleicht, oder wenn man das Buch liest, als Metapher durchgeht und dann vielleicht ein neues Bild ist, das neue Blickwinkel eröffnet, das kommt mir gar nicht so sehr wie eine Metapher vor, weil es halt so mein Gefühl ist zu diesen Dingen. Also wenn ich in einen Text einbaue, die Gegend, in der ich aufgewachsen bin, ist wie eine Schneekugel, da passiert nichts, außer wenn ich sie schüttle, dann ist das meinem ersten Gefühl noch gar nicht so sehr eine Metapher, sondern das ist mein Blick auf diese Dinge. Und ich glaube, das ist das, warum ich so gerne lese, warum ich Literatur so sehr liebe, warum ich auch andere Bücher ständig lese und immer auf der Suche bin nach gelungenen Texten, weil mir das so sehr fasziniert, was die Literatur schafft, nämlich mir neue Bilder für bereits Bekanntes zu liefern. Weil viele denken sich dann, der Ort, an dem ich aufgewachsen bin, ist auch so eine Schneekugel. Dein Ort zum Beispiel, Lisa, vielleicht ist auch so eine Schneekugel. Dein Ort zum Beispiel, Lisa, vielleicht, ist auch so eine Schneekugel. Und dann denke ich mir, das ist die große Leistung von Sprache, das ist die große Leistung von Literatur und das ist auch das, wo Literatur uns irgendwie wieder auch zusammenbringen kann, wo Literatur auch was Gemeinschaftsbildendes sein kann, wenn man dann über diese Bilder, über diese Metaphern ins Schreiben kommt. Und der zweite Teil einer Frage, man hört es hoffentlich sozusagen, mir ist der Klang von so Texten einfach sehr, sehr wichtig. Also ich habe da sehr den Anspruch, dass diese Texte auch gelesen oder wenn man das im Kopf hört, dass die auch so funktionieren müssen. Aber waren die Bilder in deinem Kopf quasi schon immer so da oder ist das etwas, was man dann auch so schult, weil man plötzlich diesen Blick dann dorthin fokussiert? Ohne jetzt zu theoretisch werden zu wollen, aber es gibt diese sehr schöne Terminologien von Roland Barthes. Der hat vor allem über Fotografie geschrieben und der hat gesagt, jedes Foto, jede Fotografie hat das genannt Punktum. Das ist ein Element, irgendein Detail an diesem Foto, wo er sagt, das sticht für ihn heraus, das berührt ihn ganz besonders, das tut vielleicht sogar auch weh. Und das ist schon eine Unterscheidung, die ich auch beim Schreiben für mich ganz stark spüre. Ich möchte Gefühlen, Szenen, Stimmungen, Situationen nachgehen und ich möchte dieses Punktum finden. Ich möchte diesen einen Moment, dieses eine Element in diesem Bild finden, wo ich sage, das berührt mich. Und das kann beim Lesen aber ganz ein anderer Moment sein, als dieser Moment, der es bei mir auslöst. Lesen aber ganz ein anderer Moment sein, als dieser Moment, der es bei mir auslöst. Und insofern glaube ich schon, es braucht ein zärtliches, ein zugewandtes Hinschauen, um bestimmte Texte zu schreiben. Und das glaube ich sehr stark. Was für mich immer wieder beim Lesen solche Punktums sind, Punktume, sind deine Überschriften tatsächlich, diese Kapitelüberschriften, weil ich finde, hinter jeder Überschrift verbirgt sich eigentlich ein ganzer Text. Ja, ich versuche immer so 40 verschiedene Romantitel anzubieten in den Überschriften. Und irgendwie habe ich, also finde ich auch im Text innerhalb ganz viele Dinge, wo ich gerne noch was weiterlesen würde, zum Beispiel der Vergnügungspark, der vorkommt und so weiter. Das ist die schönste Überleitung aller Zeiten, aber es gibt schon ein Projekt für die Zukunft. Es gibt immer Projekte und hoffentlich eine Zukunft. Das schauen wir. Wir wissen, wie man damit umgeht auf alle Fälle. Also das war jetzt die Antwort mit Augenzwinkern. Dass es so ein Buch gibt, das zwischen zwei Klappen, also zwischen zwei Buchklappen eingespannt ist und irgendwann eine ISBN-Nummer hat und man kaufen kann und lesen kann, das ist ja nicht unbedingt so, wie Schreiben funktioniert. Also ich schreibe über dieses Buch hinaus, also der Text, an dem ich arbeite, schwappt da immer schon drüber und schwappt schon ins nächste Projekt rein und die Projekte, die ich vorher geschrieben habe, sind da reingeschwappt. Für mich ist das alles ein großer Text und manchmal sagt man halt dann, okay, das hat jetzt 300 Seiten und da ist der Barcode. Ich habe jetzt einmal gehört, 40.000 Zeichen, ab 40.000 Zeichen kann man es Buch nennen quasi. Voll gut. Das ist mein Abschlusssatz. Es gibt Menschen, die schreiben so lange E-Mails. Nein, voll. Nein, aber nur, weil wir jetzt gesagt haben, so quasi irgendwann entscheidet es mich, ob ich sie einfach dafür sehe. Es gibt den Text und es gibt das Produkt. Genau. Dann einmal kurz Danke an dich. Ich würde Herbert Dutzler nochmal auf die Bühne bitten für die Abschlussfrage und würde kurz die Bühne umbauen. Oder, ah, das ist noch... Das ist ein klassischer Reppentas-Moment, oder? Die Bühne wird umgebaut. Wo ist die Saalwette? Ja, wo ist die Saalwette? Die Saalwette ist, ob das Mikro funktioniert und es funktioniert sehr gut. Ich habe mir gedacht, wenn ich schon einmal die Chance habe, zwei Autoren quasi auf der Bühne zu haben und dann würde ich gerne ein Gespräch mit den Autoren gemeinsam haben, weil ich finde immer, es ist super spannend, auch so unterschiedliche oder Gemeinsamkeiten bei den Büchern zu finden und unterschiedliche Zugänge und so. Ich habe mir dann beim Lesen oder beim drüber Nachdenken einmal so überlegt, was sind eigentlich Gemeinsamkeiten im Buch und mir ist sehr stark aufgefallen, das Erinnern ist eine Gemeinsamkeit, die in beiden Büchern vorkommen. Bei dem Buch von Herbert Dutzler steht ganz am Ende eigentlich, schaut Siegfried, also der Erwachsene, Sigi, noch einmal zurück und sagt so circa, ich habe immer gedacht, meine Kindheit sei so langweilig gewesen, aber jetzt im Rückblick merke ich erst, das war doch eher aufregende Zeit. Bei Martin, wir haben es heute auch einmal kurz gehört, kommt immer wieder das Erinnern vor, aber zum Beispiel eben im Satz Ich erinnere mich an Menschen so, wie ich mich an die Getränke von letzten Abend erinnere. Was hat das Erinnern für euch oder welches poetische Potenzial, literarische Potenzial hat eigentlich die Erinnerung für euch? Das ist eine schwierige Frage. Vor allem, ich kriege ja normalerweise immer die gleichen Fragen gestellt. Also woher kommen Ihre Ideen? Aber das hat mich jetzt erinnert, was du gesagt hast, daran, dass ich momentan damit beschäftigt bin, die gesamten Familienfotos und Dias zu digitalisieren und aufzuarbeiten. Deswegen beschäftige ich mich sehr, sehr viel mit der Vergangenheit, oft parallel mit den 60er, 70er, 80er, 90er Jahren. Und ich verschicke dann einzelne Fotos und wir reden auch darüber, wir unterhalten uns darüber, soweit die Kinder auch schon drauf sind und sich erinnern können. Da sehe ich jetzt nicht so sehr das poetische Potenzial, aber wir kommunizieren aufgrund dessen relativ häufig über Erinnerungen, weil ich wieder irgendein Foto herausgekramt und digitalisiert habe, an das sich die meisten, sie erinnern sich an eine Situation, aber nicht an eine bestimmte Situation, aber nicht daran, wie das vielleicht entstanden ist. Die Kinder erinnern sich darüber, wie die Eltern reden darüber, über diese Geschichte. Jetzt habe ich mich ein bisschen verharspelt in der ganzen Geschichte, aber jetzt bin ich der Frage ausgewichen, wer poetisches Potenzial sehe ich jetzt in der Erinnerung gar nicht so sehr, noch nicht, weil ich erst abwarten muss, was dieses ganze Beschäftigen mit den alten Fotos mit mir noch macht und was es vielleicht auch auslösen wird. Ich bin gespannt drauf. Ja, ich finde, also der Moment des Erinnerns ist ja der Anfang der Fiktion. Wir alle wissen, dass wir extrem unzuverlässige Erzähler und Erzählerinnen sind, wenn es um unsere eigene Vergangenheit geht. Da können drei Personen das Gleiche erlebt haben und man bekommt drei leicht unterschiedliche Erzählungen. Und ich glaube, in diesem Geschichten erzählen und Geschichten erzählen und Erinnerungen, das senkt so zusammen, wenn man die Menschen so sieht als Storytelling Animals sozusagen, als nächste Evolutionsstufe, aber jetzt sozusagen ist das, was uns auch zum Mensch macht, ist, dass wir Geschichten erzählen und auch irgendwie uns über diese Geschichten, über diese gemeinsamen Narrative auch irgendwie identifizieren, bis zu einem gewissen Grad. Also das ist auch, was Gesellschaft ausmacht oder was eine Gesellschaft spalten kann, wenn diese Narrative und Erzählungen auseinandergehen. Und da sozusagen, das fasziniert mich, dass es so etwas gibt wie, es gibt ja keine falsche Erinnerung in dem Sinne, es gibt nur sozusagen eine Erinnerung, die, wenn man sie abgleicht mit den Fakten und wie es wirklich war, sie als nicht ganz hundertprozentig richtig herausstellt. Mir hat das nämlich auch an eure Verlagskollegin Mai Schwinghammer erinnert, die in ihrem aktuellen Buch eben auch viel über das Erinnern nachdenkt. Es ist ein sehr autobiografisches Buch, autofiktionales Buch und im Buch auch darüber schreibt, autobiografisches Buch, autofiktionales Buch und im Buch auch darüber schreibt, dass über die gleiche Szene die ganze Familie eigentlich ganz anders drüber nachgedacht hat. Ist das auch so beim Familienalbum? Unbedingt. Es gibt zum Beispiel, ich mag jetzt das nicht verteilen, aber es gibt zum Beispiel Leute, die erinnern sich anhand von bestimmten Fotos eher an ihre Ängste. Es gibt Leute, die erinnern sich eher an positive Gefühle. Es gibt Leute, die erinnern sich hauptsächlich an Geschmäcker und Gerüche. Da gibt es auch Leute, die da ganz erstaunliche Gedächtnisleistungen haben, ich zum Beispiel nicht. und mit der Zeit erliegt man natürlich, genauso wie es du gesagt hast, dem Problem, dass sich die Erinnerung anhand dieser Fotos rekonstruiert, und manchmal merkt man dann plötzlich, also das Bild, das passt jetzt überhaupt nicht zu meiner Erinnerung dazu, und man wird ein bisschen reflektierter über die Vergangenheit und fast ein bisschen unsicherer. Und ich glaube, das ist etwas, was man beim Schreiben sehr gut gebrauchen kann, weil Verunsicherung und Unbestimmtheit und vielleicht auch Konflikte, die man mit sich selber austrägt, sind einfach interessant beim Schreiben, sonst wird das langweilig. Ich mag das vielleicht aufgreifen, das ist, glaube ich, auch ein Grund, warum ich das Buch so angelegt habe, wie ich es angelegt habe, weil ja diese Chronologie, ein lineares von A nach B nach C existieren etc., wie es Ihnen so geht, aber bei mir ist es nicht so, ich hänge immer sehr, ich bin ganz selten nur in der Gegenwart unterwegs in meinen Gedanken. Ich denke sehr oft, während ich in die U-Bahn einsteige, denke ich an das, was gestern war, aber ich denke an das, was jetzt in drei Stunden sein wird, also diese Gleichzeitigkeit von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, das ist ja etwas, was wir alle kennen und das wollte ich irgendwie ins Buch reinpacken, so gut es halt geht, das auch textlich irgendwie zu verarbeiten. Und zum Thema Erinnerung vielleicht noch ganz kurz, aber was Persönliches, was ich so faszinierend finde, wenn ich dann jemand wie meiner Mutter zuhöre, die jetzt schon einiges erlebt hat beim Erzählen, manchmal wird sie, während sie diese Geschichten erzählt, sichtbar jünger. Und auf einmal habe ich das Gefühl, ah, ich kriege jetzt einen ganz kurzen Ausschnitt von meiner Mutter, als sie 16 war. Ich kriege jetzt einen kurzen Ausschnitt von meiner Mutter, als sie mich bekommen hat, sozusagen Mutter geworden ist. Jetzt merke ich ganz kurz da, auf einmal blitzt da was in ihren Augen auf, auf einmal schwingt da was in ihrer Stimme mit, in ihrer Stimmung mit. Und ich finde das voll faszinierend, wie sozusagen Sprache uns Zeitreisen ermöglicht. Wir reden immer davon, ist Zeitreisen möglich? Ich glaube, es geht. Und Sprache und Literatur ist so das Nächste, was wir daran haben. Du hast jetzt noch ein schönes letztes Ding angesprochen, dieses chronologische Erinnern. Das kommt nämlich sehr schön im Buch vor. Irgendwann sagt Siegfried, ah, das war ja doch gar nicht davor, das müsste ja eigentlich danach dran sein. Und deswegen auch dieser Aufhänger oder dieses Thema über das Erinnern nachdenken. Weil ich finde, es gibt da so viel her, über das man eigentlich sprechen könnte noch. Ich glaube aber, mit Blick auf die Uhr haben wir quasi eine Punktlandung gelandet. Und Sarah möchte uns, glaube ich, noch verabschieden. Ich weise auf alle Fälle auf den Büchertisch hin. Die Autoren würden auch signieren. Genau, danke fürs Kommen. Kommt gut heim und erinnert euch noch ganz lang an den heutigen Abend. Dankeschön. Vielen Dank. Ja, dann Dankeschön für die Punktlandung und danke an Herbert Dutzler, Martin Peichl für die Lesungen und an Lisa Höllebauer für die Moderation. Es war sehr schön, dass ihr oder sie hier im Haus war. Der Büchertisch wurde schon kurz angesprochen. Ich möchte noch ergänzen, dass er von meiner Kollegin Sandra Malitz in Zusammenarbeit mit der Buchhandlung Fürstlberger heute betreut wird. Ich würde mich auch freuen, wenn ich sie am kommenden Montag wieder im Haus sehen würde. Dann haben wir zum Beispiel Richard Wall zu Gast. Die Moderation übernimmt Klaus Kastberger und Klaus Amann wird ein Referat halten. Also es ist ein Abend in der Reihe Grundbücher der österreichischen Literatur seit 1945 zu Michael Guttenbrunner. Die Rampe läuft noch, also Sie können gerne auf der Homepage nachschauen oder auch am schwarzen Brett und sich über die Möglichkeit zur Texteinreichung informieren. Auch von meiner Seite danke fürs Kommen. Ich wünsche Ihnen eine gute Heimreise und freue mich darauf, Sie bald wiederzusehen. Wiedersehen und vielen Dank.