Ja gut, dann lassen Sie uns beginnen. Guten Abend, meine Damen und Herren, liebe Literaturinteressierte, herzlich willkommen hier im Stifterhaus. Mein Name ist Sarah Püringer und ich freue mich, Sie heute begrüßen zu dürfen. Wie Sie vielleicht dem Programm oder auch den Einladungskarten entnommen haben, findet heute die Buch- und Verlagspräsentation des Müris Salzmann Verlag statt, mit zwei großartigen Autorinnen zu Gast. Zuerst möchte ich ganz herzlich Christina Maria Landerl willkommen heißen. Schön, dass Sie da sind. Christina Maria Landerl wird heute aus ihrem Roman das Buch Helga lesen, der im März dieses Jahres bei Myri Salzmann erschienen ist. In ihrem Werk begibt sich die Autorin auf die Spur ihrer Mutter Helga, die früh verstarb. Erinnerungen sind lückenhaft, der Vater schweigt, die Großmutter leidet unter dem Verlust, nur Freundinnen berichten offener. Fotos und Briefe helfen, das Leben von Helga zu rekonstruieren. Helga wuchs in einem kleinen Ort in Oberösterreich auf, besuchte ein Internat bei den Kreuzschwestern, wurde Kindergärtnerin, heiratete 1975 und bekam drei Kinder. heiratete 1975 und bekam drei Kinder. Sie übernahm viel Verantwortung, wirkte streng und erschöpft und blieb emotional oft distanziert. Die Erwachsene Christina Maria Landall nähert sich in ihrem Buch dieser Mutter-Tochter-Beziehung mit literarischem Feingefühl. Der Literaturkritiker Anton Tusswaldner schrieb dazu, Zitat, Christina Maria Landall erkundet in das Buch Helga literarisch das Leben einer nahen, fernen Frau. Ein paar Worte zur Autorin. Christina Maria Landall wurde 1979 in Steyr geboren, wuchs in Sierning auf und studierte Germanistik an der Universität Wien sowie literarisches Schreiben in Leipzig. Sie ist ausgebildete Sozialpädagogin und Trauma-Fachberaterin und arbeitete viele Jahre mit Jugendlichen und jungen Frauen zusammen. Heute lebt sie als freie Schriftstellerin in Berlin und Wien. Kommen wir nun zur zweiten Autorin des Abends, Johanna Grillmeier. Auch Sie begrüße ich im Stifterhaus. Herzlich willkommen. Johanna Grillmeier liest heute aus ihrem Roman Ein sicherer Ort, der im Oktober 2024 bei Myri Salzmann erschienen ist, dem zweiten Band ihrer als Trilogie geplanten Reihe. Einige von Ihnen erinnern sich vielleicht, dass sie den ersten Teil, That's Life in Dystopia, letztes Jahr bei uns vorgestellt hat. Die Geschichte spielt zehn Jahre nach einem globalen Katastrophenereignis. Jola lebt mit ihrer Wahlfamilie in einem abgelegenen Dorf. Als die Vorräte knapp werden, reist eine Gruppe nach Wien in eine fast vollständig verlassene, unwirklich wirkende Stadt. Zurück im Dorf wird das fragile Miteinander durch den Zuzug neuer BewohnerInnen erschüttert. Misstrauen wächst und ein Verbrechen eskaliert die Lage. Jola bringt ein weiteres Kind zur Welt und muss ihre Familie schützen, besonders ihre Töchter. Die Autorin arbeitet mit parallel erzählten Zeitebenen und stellt die Frage, wie Gemeinschaft unter veränderten Bedingungen entstehen oder auch scheitern kann. In der Presse stand dazu am 9. November, Zitat, Johanna Grillmeier sucht in ihrem postapokalyptischen Roman nach neuen Regeln. Man wird schnell in die Welt von Jola und ihrer Familie hineingezogen, eine kleine utopische Enklave aus gerecht verteilter Hausarbeit und sexueller Selbstbestimmung. Ein paar kurze Worte möchte ich auch noch zu ihrer Biografie verlieren. Johanna Grillmeier wurde 1974 in Wien geboren, wo sie auch heute lebt. Sie hat Geschichte an der Universität Wien studiert und arbeitet als Redakteurin beim ORF. LeserInnen dürfen sich freuen, der dritte Pant der Trilogie mit dem Titel Ein guter Mann wird im Herbst erscheinen. Durch den Abend führt uns Silke Dürnberger. Schön, dass Sie hier sind. Auch Ihnen ein herzliches Willkommen. auch Ihnen ein herzliches Willkommen. Silke Dürnberger wurde 1974 in Salzburg geboren, studierte Romanistik und Publizistik in Salzburg und Paris und ist seit 2009 als Lektorin im Müriss-Salzmann-Verlag tätig. Ich darf nun das Wort übergeben und wünsche uns allen einen schönen Abend. Vielen Dank. Ja, guten Abend auch von meiner Seite. Vielen Dank, liebe Sarah Püringer, für die Einführung und überhaupt die Einladung hier ins Stifterhaus. auf der Bühne und hinzu kommen die Protagonistinnen der beiden Bücher, die heute im Mittelpunkt stehen, Jola und Helga. Beide Autorinnen, die da neben mir sitzen, waren bereits hier auf der Bühne im Stifterhaus, Maria Landall als gebürtige Oberösterreicherin und seit 2011 publizierend sowieso bereits mehrfach. Und auch Johanna Grillmeier, die zwar in Wien geboren ist, aber Vorfahren aufweisen kann, die hier aus der Gegend stammen und zwar so bedeutende, dass nach ihnen sogar eine Straße benannt ist, die Grillmeierstraße oder Gasse, weiß ich jetzt nicht. Jedenfalls nicht zu verwechseln mit der Grillparzerstraße. Die einzige, die hier Premiere hat, bin ich. Ich bin seit 2009 Lektorin im Mürri Salzmann Verlag und da wir heute eine Buch- und Verlagspräsentation haben, darf ich ein paar Worte zum Verlag sagen. Verglichen mit anderen Verlagen sind wir ein relativ junger Verlag, der sich mit seinen 16 Jahren gerade in seiner Sturm- und Drangphase befindet. Mona Mürri hat in 2009 mit dem Investor Christian Dreyer-Salzmann gegründet, daher der Name Mürri-Salzmann, nachdem sie 20 Jahre lang den Salzburger Pustet-Verlag geleitet hatte. Da haben wir uns auch kennengelernt und dort einige Jahre zusammengearbeitet und nachdem sie mir dann von dem Projekt einen eigenen Verlag zu gründen erzählt hat, habe ich nicht lange gezögert und bin ihrem Hof gefolgt, um bei diesem Abenteuer dabei zu sein. Man kriegt jetzt auch nicht alle Tage die Gelegenheit, in der Gründungsphase eines Verlags dabei zu sein. Das waren schon spannende Momente, angefangen von der Frage, wie soll der Verlag heißen, für welches Logo entscheidet man sich, man muss das ja doch dann auf hoffentlich vielen, vielen Büchern anschauen. Ich kann mich auch noch gut an das Buch mit der ISBN Nummer 0000 erinnern, hat jetzt keine Bedeutung für das, was da drinnen steht. Wir sind mittlerweile bei ISBN Nummer 290 angelangt, das heißt, wenn man jetzt im Kopf rechnet, ich habe es ausgerechnet, ergibt es einen Jahresschnitt von ungefähr 18 Büchern, was für ein kleines Team wie das unsere ja auch relativ sportlich ist. Begonnen haben wir mit den Themenbereichen Kunst und Architektur, die wir quasi vom Pustet Verlag importiert haben. Weiterhin erscheint bei uns die Reihe Architektur im Ringturm, die auf mittlerweile 68 Bände angewachsen ist. Monografien, Kataloge für Museen, Essays zu brennenden Themen der Zeit, etwa die kurzweiligen Bände Homo Cyber I und II des Informatikprofessors Peter Reichel, der sich den brennenden Fragen der künstlichen Intelligenz und der Digitalisierung im Allgemeinen widmet. Einem bedeutenden Oberösterreicher haben wir mit insgesamt drei Publikationen gehuldigt, Anton Bruckner, zuletzt mit dem opulenten Bildband Anton Bruckner und Sankt Florian, der voriges Jahr zum großen Jubiläum des Komponisten erschienen ist. Die Literatur, die jedoch das Herzstück eines Verlags ist, kam 2014 hinzu, mit und über den Büchner-Preisträger Walter Kappacher und gleich einigen bemerkenswerten Debüts im ersten Programm. und gleich einigen bemerkenswerten Debüts im ersten Programm. Laura Freudenthaler veröffentlichte bei uns den Proserband Der Schädel von Madeleine, Lydia Haider ihren Roman Kongregation, der nicht anders als eine Wucht zu nennen ist, oder Elke Latznier ihr Großpoem Kindheitswald, das die Neuzürcher Zeitung prompt als Sprachkunstwerk ersten Ranges bezeichnete. Tage, stand ja voriges Jahr auf der Shortlist des österreichischen Buchpreises und wurde heuer zu Beginn des Jahres mit dem ersten Helena Adler Preis für rebellische Literatur ausgezeichnet. Aus der jüngsten Produktion, ich kann jetzt, will sie auch nicht langweilen damit, mit noch mehr Namen, aber vielleicht noch zur jüngsten Produktion daraus sein, erwähnt Nacktschnecken, das Debüt der jungen österreichischen Autorin Anne-Marie André. Der Roman, der sich auf herzzerreißende Weise mit dem Thema soziale Armut beschäftigt, wurde von der Presse hymnisch besprochen. Die Autorin ist schon seit längerem auf Lesereise. Als nächstes ist sie am 11. Juni in der Hauptbücherei Wien zu erleben. Jimmy Brandless, ein junger Wiener Autor und Musiker mit taiwanischen Wurzeln, der mit Elias Hirschl durch Asien getourt ist, hat ein monumentales Familienepos zwischen Taiwan und Österreich vorgelegt. Ein ungemein witziger, sprachverspielter Text, dessen zweiter Teil mit dem Titel Im Spiegel der Ahnen demnächst erscheint. Die Buchpremiere findet am 17. Juni in der Alten Schmiede Wien statt. Juni in der Alten Schmiede Wien statt. Von Malte Borsdorf, der mit Flutgebiet ein viel beachtetes Debüt vorlegte, gibt es ein neues Buch, Frauische Beste heimt die Welt auf und ja, weil bald Weihnachten ist, wir ticken da in der Buchbranche ganz ähnlich wie die Modebranche, es ist tatsächlich unser Herbstprogramm, jetzt erschienen auch mit den Weihnachtstiteln. Es liegt hinten am Büchertisch, falls Sie eins mitnehmen wollen. Also nochmal zurück, weil bald Weihnachten ist, mache ich noch aufmerksam auf den Kurzroman der 24. Dezember, die erste literarische Veröffentlichung von Helmut Jasper, der bekannten Ö1-Radiostimme. Ein melancholischer, stimmungsvoller, unglaublich witziger Text für jene, die sich nicht vom Weihnachtsglitzer blenden lassen wollen. Wie schon gesagt, wir arbeiten in einem kleinen Team und da fühlen wir uns manchmal so wie die letzten Generalunternehmerinnen in einer Zeit, in der woanders die Arbeit extrem, also jeder Arbeitsschritt individualisiert oder nach Indien oder wohin auch immer outgesourcet wird. nach Indien oder wohin auch immer outgesourcet wird. Bei uns passiert im Prinzip der ganze Entstehungsprozess eines Buches im Haus, also begonnen vom Lektorat über die Covergestaltung bis hin zur Drucklegung. Der Druck selbst geschieht dann schon woanders. Ja, und wenn das Buch dann fertig ist, geht es weiter mit Presse, Marketing, Vertriebsarbeit. Das wird schon manchmal auch ein bisschen viel, aber es ist immer unglaublich vielfältig, weil man auch mit so vielen unterschiedlichen Bereichen tagtäglich konfrontiert ist. Die Vorstellung, dass man so als Verlagsmensch den ganzen Tag etwas liest und verzückt dasitzt, ist eine ähnlich romantisierende, würde ich sagen, wie die der Schriftstellerin im Elfenbeinernen Turm. wie die der Schriftstellerin im Elfenbeinernen Turm. Beide sind jedoch weit verbreitet, scheint mir immer noch. Wir hatten mal eine Praktikantin, die hatte gerade ihr Studium der Kunstgeschichte abgeschlossen. Und ja, die war einen Monat bei uns und das war gerade eine Zeit, wo viele Kalkulationen zu machen waren, Förderansuchungen, Abrechnungen und die Arme hat nach dem Monat gesagt, puh, also Verlag, das ist nichts für mich, das ist ja ein richtiger Wirtschaftsbetrieb. Ja, so ist es in den Niederungen des Verlagsgeschäfts. Zum Abschluss meiner kleinen Einleitung kommt jetzt noch eine kleine Dosis Selbstbeweihräucherung und zwar ein Zitat, nicht von mir, sondern von dem Literaturkritiker Thorsten Papotny, der da einmal geschrieben hat, die Bücher des Müris-Salzmann-Verlags sind besonders, nicht allein, weil diese das literarische Leben im deutschen Sprachraum bereichern. Es zeigt auch Sorgfalt bei der Auswahl und etwas, das oft Profil genannt wird. Ja, wir kommen jetzt zu zwei Autorinnen, die das Profil des Mürri-Salzmann-Verlags im besten Sinne prägen, Christina Maria Landl und Johanna Grillmeier. Ich freue mich sehr, dass ihr beide da seid. Es gab meines Wissens noch keine Doppellesung von euch beiden. Umso spannender wird das, was kommt. Johanna Grillmeier wird den Anfang machen, bevor wir gleich in den Text hineinhören. Nur ganz kurz vorab zur Erklärung, Sarah Püringer hat ja im Wesentlichen die Geschichte schon umrissen. Also es gab eine nicht näher definierte Katastrophe, das wird im ersten Band in That's Life in Dystopia beschrieben, die den Großteil der Menschheit ausgelöscht hat. Übrig geblieben ist eine kleine Gruppe von ungefähr mit 20ern rund um Jola und die waren im ersten Band eigentlich damit beschäftigt, die Infrastruktur wieder aufzubauen nach dieser großen Tabula Rasa. Also die waren damit zu ganz banalen und auch nicht banalen Fragen beschäftigt, Fragen beschäftigt, wie kriegen wir was zu essen, wie erzeugen wir Strom, wie geht die medizinische Versorgung und so weiter. Duli ist heute aus dem neuen Band Ein sicherer Ort, das ist der zweite Teil einer Trilogie. Und ich glaube, die erste Lesestelle setzt da ein, wo die Gruppe oder eine kleine Gruppe rund um Jola sich auf den Weg gemacht hat nach Wien, weil nachdem die sozusagen die Grundbedürfnisse jetzt einigermaßen im Griff sind, machen sie sich jetzt auf zu schauen, ob es vielleicht andere Menschen auch noch irgendwo gibt. Ja, beziehungsweise, ob es so eine Art von Regierung noch gibt, ob es noch eine organisatorische Kraft gibt. Aber wenn man schon mal nach Wien kommt, möchte man auch Kulturelles mitnehmen, selbst in der Postapokalypse. Und so gehen meine Protagonistinnen unter anderem auch in ein Museum. Das ist die erste Lesestelle. M. wollte unbedingt in ein Museum oder besser in mehrere. Du wirst weinen, warnte Jola. Die Gemälde, das wird schrecklich für dich sein. Schrecklich wäre lediglich, versicherte M., in der Hauptstadt gewesen zu sein und nichts gesehen zu haben. Also machten sie sich mit den Fahrrädern auf den Weg. Tom zog es in ein Eisenwarengeschäft, wo er besondere Werkzeuge zu finden hoffte und Marek war schon unterwegs, ohne jemandem von seinen Plänen erzählt zu haben. Im Museum war alles so, wie Jola es erwartet hatte. Der Empfangs- und Garderobenbereich dunkel und leer. Aber die Bilder, Zeichnungen und Skulpturen waren noch alle da. Und bis auf einige, die das Pech hatten, direkt unter einem der riesigen, schimmligen Wasserschäden zu hängen, sahen sie einwandfrei aus. M. eilte von einem Raum in den anderen, setzte sich auf eine Bank, um ein bestimmtes Bild genau anzuschauen, eilte von einem Stockwerk in das nächste und ihre Stimmung wechselte von Freude und Euphorie über Ernüchterung bis zu Verzweiflung. Das, sie wies auf das Porträt eines alten Mannes, das hatte ich jahrelang als Poster in meinem Zimmer hängen. Es ist so, und das? Jola ließ sie allein weitergehen. Sie war müde und niedergeschlagen, und der Anblick der Kunstwerke, jedes einzelne im Verfall begriffen, ob nun sichtbar oder nicht, machte es nicht besser. Sie ruhte sich auf einem samtbezogenen Hocker in einer der Ecken aus und schloss die Augen. Hier roch es fast wie im Palais, nur war es noch stickiger. Während sie ihre Wasserflasche aufschraubte, betrachtete Jola eine Landschaft in Öl mit sich näherndem Unwetter. Finstere Wolken ballten sich über einem Wäldchen zusammen. Die Schäfer auf der Wiese schauten besorgt in den Himmel. Ein Bauer versuchte rasch noch, das letzte Getreide zu Garben zu binden, bevor der Regen es verderben würde. Schwarze Vögel suchten das Weite in Richtung des Bildrands, wo der Himmel noch blau war, und eine junge Frau in unrealistisch weißen Röcken band eine Ziege von einem Pflock los. Ja, ja, sagte Jola laut in den leeren Raum hinein. Ungefähr dort sind wir jetzt wieder. Schließlich raffte sie sich auf und ging M. suchen. Vor einem kleinen Bild mit erdrückend breitem Goldrahmen fand Jola sie. M. hatte ihr Messer herausgeholt und war offenbar damit beschäftigt, die Leinwand herauszutrennen. Nur das eine keuchte sie und säbelte an etwas herum, das wenige Jahre zuvor von einer Alarmanlage geschützt gewesen war und bei einer Auktion Millionen eingebracht hätte. M. sah konzentriert aus, Schweiß verfärbte ihr T-Shirt und kleine Farbpartikel staubten auf sie herab. Aus einem frischen Schnitt an ihrem linken Handballen trat Blut aus, aber sie beachtete das gar nicht. Nimm es doch herunter, sagte Jola zu ihr. Dann geht es einfacher. Warte, ich helfe dir. Auf dem Platz vor dem Museum nahm Jola M. in den Arm. Die nahe Kirche hätte jetzt zur Mittagsstunde geläutet. Zwischen den Pflastersteinen drängte sich zähes Grün und in einer Baumkrone beäugte ein Habicht jede ihrer Bewegungen. Der Himmel war mit einem Schwämmchen hellblau und weiß hingetupft, aber M. hatte keine Augen dafür. Jola streichelte ihren Rücken, über denen Schauer liefen. Ich habe dir gesagt, du wirst weinen. Zu Hause, die Gruppe lebt auf dem Land, ist es manchmal gar nicht so einfach, den Kindern, die ja nach dem Ereignis, das die Menschheit zum Großteil ausgelöscht hat, geboren sind, diesen Kindern zu erklären, wie es früher war. Denn die Lebensumstände haben sich komplett geändert. Und hier wird es klar, ist meine Protagonistin Jola mit zwei Kindern unterwegs und sie machen ein Picknick. Erklär mir Flugzeuge, bat Rosa. Der Kopf ruhte auf ihrem abgewinkelten Arm, der in der feuchten Wiese lag. Die Haare schwappten darüber wie eine rote Welle. Sie blinzelte in die Sonne und musste dabei die Augen immer wieder schließen. Sie blinzelte in die Sonne und musste dabei die Augen immer wieder schließen. Daniel neben ihr gab ein spöttisches Geräusch von sich, aber Jola sah, dass er sie aus den Augenwinkeln musterte, so als hoffe er, sie würde den Wunsch seiner Schwester erfüllen. Hm. Sie wischte ihr Messer mit einer Stoffserviette sauber und legte beides in den kleinen geflochtenen Korb, den sie unterwegs für Besteck benutzte. Sie legte den Korb in den großen Rucksack und ließ sich neben den Kindern in der Wiese nieder. Naja, sagte sie, wäre jetzt eines über uns, sie teilte den hellen Himmel mit der Handkante, würde es von hier ungefähr so groß aussehen wie ein Vogel, aber einer, den du noch mit der Steinschleuder erwischen würdest. Es wäre allerdings hoch, sehr hoch oben, viel höher, als irgendein Vogel es schafft. Sie drehte den Kopf in Rosas Richtung. Das Kind sah sie aus hellen Augen an und nickte. Jakobs Augen. Keines ihrer Kinder sah ihr sehr ähnlich. Sie glichen alle ihren Vätern. Daniel hingegen war eine perfekte Mischung aus Merkmalen seiner Eltern. Er sah aus, als drücke Alex sein Gesicht von hinten durch eine Ali-Maske. Seine braunen Locken waren länger als Rosas und die großen dunklen Augen ließen sein Gesicht noch schmaler und blasser erscheinen, als es ohnehin war. Sein Asthma machte ihm selten wirklich Probleme, aber alles in allem war er weniger robust als seine Geschwister, häufiger und länger krank als sie und kleiner als seine gleichaltrigen Brüder. Und es würde fliegen, so wie ein Vogel? Rosa klang zweifelnd. Nicht wie ein Vogel, sagte Jola und legte die Daumen aneinander, ließ die Hände kurz flattern und dann sinken. Eher so wie wie ein Auto fährt oder wie ein Boot, nur in der Luft. Ha, entfuhr es Daniel, aber es muss ja sehr schwer sein, wenn es ganz aus Stahl ist. Ja, Jola seufzte, das habe ich auch nie verstanden, aber es war so. Und drinnen, fragte Rosa, sind die Leute gesessen auf Bänken, oder? Und sie haben gewartet, bis das Flugzeug«, »Flugzeug«, verbesserte Daniel sie, »sie irgendwo hingebracht hat. Hat das lange gedauert?« »Manchmal schon«, antwortete Jola, »manchmal habe es sogar sehr lange gedauert, zum Beispiel einen ganzen Tag oder die ganze Nacht.« Schweigen. Die Nacht von oben. Die dunkle Welt. Oder die ganze Nacht. sich Menschen vorzustellen, die etwas taten, was sie nur aus Erzählungen kannten, während diese in einem Ding saßen, das sie sich sogar noch schwerer vorstellen konnten. Früher hatten sie einen Fernseher besessen und mittels eines DVD-Players sogar manchmal Filme angeschaut, im Sommer, wenn es genug Strom gab. Aber das war Jahre her und der DVD-Player, ein schon betagtes Modell, hatte bald den Geist aufgegeben. Offenbar bevor die Kinder in einem Alter gewesen waren, in dem man Erinnerungen zu sammeln begann. Rosa begann sich unruhig hin und her zu wälzen. Kann ich schon vorgehen, bettelte sie. Ich will Leo und Ronny abholen, wir gehen zum Bach und bauen den Damm wieder auf. Daniel wandte den Kopf, er lag noch immer im Gras und vermittelte einen eingeschnappten Eindruck. Gehst du mit? fragte Jola ihn und er richtete sich auf. Soll ich? fragte er und Rosa sagte böse, ich brauche keinen Aufpasser. Aber dann streckte sie eine Hand aus und zog ihren Bruder auf die Beine. Jola schüttelte die Decke aus und legte sie zusammen. Von unten betrachtet wirkten die beiden Kinder fast gleich groß. Du machst viel mit Leo und Ronny in letzter Zeit, sagte sie. Rosa zog einen Ellbogen nahe zum Gesicht heran und kratzte ihn. Sie habe, sagte sie zögernd, die Buben eben gern. Und im Übrigen, sie warf Daniel einen fragenden Blick zu und fuhr fort. Hätten die es gerade nicht leicht. Jola befestigte die Decke an der Unterseite des Rucksacks und hörte zu. Warum? Daniel zog die Schultern hinauf zu den Ohren. Rosa nagte an einem Daumennagel. Wegen ihrem Vater, sagte sie schließlich. Was er denn mache, fragte Jola nach, zog die Schuhe an und band sie zu. Jetzt hüpfte Rosa auf den Platz, auf und ab. Sie schien reden zu wollen und dann auch wieder nicht. Ihnen tut er nichts, sagte Daniel und stoppte seine Schwester, indem er ihr eine Hand auf den Rücken legte. Aber, fragte Jola, stand auf und schulterte den Rucksack. Ihrer Mutter, er sprach leise, erschlägt sie. Jola nickte. Sollen wir da, kann man da nicht was tun? keuchte Rosa, nun mehrere Finger im Mund, zerrieben zwischen der Loyalität gegenüber ihren Freunden, vor allem Leo, den sie sehr mochte, und dem Wissen, dass hier etwas überhaupt nicht gut war und ihre Eltern das wissen sollten. Ja, danke für diese erste Lesestelle. Es waren zwei berührende Stellen, wie ich finde, weil sie zum einen bewusst machen, in der ersten, wie kahl die Welt wäre ohne Bilder, ohne Kunst, ohne Bücher und zum anderen auch zum Nachdenken anregen, wenn etwas das lange Zeit selbstverständlicher Bestandteil unserer Welt war, wenn es das plötzlich nicht mehr gibt. Eine nette Reminiszenz finde ich ja auch die Namen der beiden Jungs, zu denen Rosa gleich geht, Leo und Ronny, die Elterngeneration kannte noch die Namensgeber, Lionel und Ronaldo, die Fußballgötter sind leider auch aufgrund mangelnder Fernsehdokumente den Kindern nicht mehr bekannt. Ich kann mich nur erinnern an unser erstes Gespräch im Verlag. Du hast uns da das Manuskript vorgestellt, das dann letztendlich That's Life in Dystopia hieß und hast dann ganz verhalten gesagt, ja, du hättest da vielleicht noch einen zweiten Teil oder auch noch einen dritten. Ich meine, es ist ja eigentlich irre, so eine Welt zu erschaffen. Wie bist du denn da vorgegangen? Hast du zuerst mal den ersten Teil geschrieben und dann hast du gedacht, okay, jetzt könnte ich weiterschreiben oder war das von vornherein so angelegt, dass im ersten Teil sozusagen die Infrastruktur irgendwie hergestellt wird, im Teil 2 kann man sich dann schon um quasi Luxusprobleme kümmern oder? Nein, kann ich ganz klar verneinen, das war überhaupt nicht irgendwie angelegt und geplant. Also als ich angefangen habe mit der Geschichte, wusste ich nicht einmal, dass das jetzt ein Roman wird oder dass es überhaupt irgendetwas wird. Es war nur so schön und hat so Spaß gemacht, das zu schreiben, dass ich etwas traurig war, als der erste Teil einfach an ein Ende gekommen ist, weil mir bewusst war, das ist jetzt eigentlich ein Ende. Und ich hatte noch so viele Ideen und die Geschichte ist eigentlich weitergegangen in mir und dann habe ich mich hingesetzt und gesagt, ja, ich kann ja machen, was ich will, ich kann ja weiterschreiben. Das heißt ja nicht, dass es jemand verlegen wird, ist aber zum Glück passiert. Ja, du hast auch gesagt, also schauen wir mal mit dem ersten Band, wenn sich der verkauft, kann man ja schauen wegen dem zweiten. Es war dann tatsächlich so, nach zwei Monaten muss man den ersten nachdrucken und es gibt, ich habe dich jetzt ja auch schon bei mehreren Buchpräsentationen erlebt, es kommen immer wieder Leute, also das war, als der zweite noch nicht erschienen war, die dann sagen, wann gibt es endlich den zweiten Band? Also das ist, ein Buchhändler in Wien hat, ich glaube mal, das ist glaubwürdig, wie er das sagt, also den ersten Band am Handy, da war das Buch nämlich noch nicht erschienen, in einer Nacht durchgelesen. Ich glaube es waren zwei. Bitte? Ich glaube es waren zwei. Oder zwei Nächte. Auf jeden Fall am Handy. Ja, was ich noch ansprechen möchte, das wurde auch oder wird in Rezensionen auch immer wieder hervorgehoben, dass deine erzählerische Kraft in der Figurenzeichnung liegt, im Zwischenmenschlichen. Man hat das ja jetzt auch schon ein bisschen mitbekommen hier. Die FAZ hat konstatiert, dass einem die Charaktere regelrecht ans Herz wachsen. dass einem die Charaktere regelrecht ans Herz wachsen. Frage, hast du dir hierfür, um zu beobachten, wie sich wenige Menschen miteinander verhalten auf engem Raum, so ein extremes Setting ausdenken müssen wie diese Katastrophe? Oder anders gefragt, du hättest dir auch nur auf Urlaub schicken können, auf eine Insel. Naja, dann wären die Rahmenbedingungen nicht so extrem anders. Auf jeder Insel gibt es dann doch Internet und Fernsehen und viele, viele Menschen. Nein, die Idee war schon, was passiert nach einem Reset? Also wenn die Welt, die Welt ist noch, es ist vielleicht umgekehrt wie in einem Roman eines sehr extrem von mir bewunderten Autors, die Straße von Cormac McCarthy, vielleicht kennt das jemand, da ist die Welt untergegangen und die Menschen leben noch. Und das ist bei mir umgekehrt. Also die Menschen sind großteils weg, nicht alle zum Glück, sonst wäre es ein bisschen langweilig, aber die Welt steht noch da, so wie sie ist, mit allem, mit Infrastruktur, mit den Museen, mit Häusern, mit Tankstellen, allem. Nur natürlich verfällt alles, wird ja nichts gewartet und auch die Lebensmittel sind relativ schnell schlecht und so weiter, auch Kleidung zerfällt. Man muss wirklich anfangen, ins Tun zu kommen, wenn man einen gewissen Standard auch erhalten will und nicht nur von der Hand in den Mund leben, sondern seinen Kindern, die sich ja relativ rasch einstellen, irgendwie eine lebenswerte Zukunft zu bieten. Und diese Anstrengung trägt jetzt diese Generation der Menschen, die noch die alte Welt gekannt haben, VDE wird das dann genannt im Roman, vor dem Ereignis, die eben aber eine Brücke schlagen müssen in eine neue Welt und wie die aussehen, wird es völlig offen. Bücher liest, also für mich zumindest war das auch so eine Anleitung für Überlebenstraining, Selbstversorger. Hast du da viel recherchiert dafür oder warst du mal bei den Pfadfindern? Oder weißt du das einfach? Nein, ich weiß das nicht einfach. Also manche Dinge weiß man einfach vielleicht, wenn man sie jetzt durch die Erziehung mitbekommen hat. Gewisse Dinge habe ich schon gelernt, aber ich habe auch viel recherchiert. Also ich habe Bücher gelesen oder beispielsweise die Jagd spielt eine große Rolle. Da habe ich mir ein Buch gekauft von einem Jäger. Also ich habe schon recherchiert. Ja, das war das Stichwort Jagd. Und jetzt kommen wir zu deinem zweiten Leseblock. Ja, das beginnt mit einer kurzen, eher bukolischen Jagdszene. Wie sich in der zweiten Stelle schon angedeutet hat, ist nicht alles Eitelwunder, auch in der neuen Welt. Es gibt Gewalttaten passieren und so geht dann diese Lesestelle zu Ende mit einer letzten Szene. Der Dezember brachte wenig Schnee. Der Jänner stürme, wie es sie früher eher im Frühling gegeben hatte. Erst im Februar kam der Winter zu sich. Hohe Schneewächten säumten den Feldweg, den Jola nahm, den einzig noch begehbaren in der Nähe, und sie trieb das Pferd an, damit es warm wurde. Die Sonne stieg auf und brachte die jungen Schneekristalle zum Funkeln. Sie hatte nicht auf das Thermometer geschaut, als sie das Haus verließ, aber es mochte um die 10, 15 Grad Minus haben. Kein Hochsitz heute, sie musste in Bewegung bleiben. Eiskalt war das Gewehr in ihren Händen, eine Flinte, mit der man auf Niederwild ging, Vögel, Enten, Hasen. Der Waldrand lag ruhig vor ihr, nur ein paar Tauben flogen auf und das Pferd schabte mit dem Vorderhof den Schnee fort, um an das Gras darunter zu gelangen. Das lohnt sich nicht, Millie, wollte sie sagen, aber in diesem Moment verhoffte das Pferd. Es legte die Ohren an, das Weiße in seinen Augen wurde größer und dann scheute es. Jola stieg ab. Sie hatte Mühe, es festzuhalten. Und irgendwann, als es sich einerseits seiner weit überlegenen Kraft besann und andererseits die Angst in ihm überhand nahm, riss es sich los, stob davon durch die halbhohe Waldwiese und ließ weiße Schneefahnen hinter sich herwehen. Jula blieb stehen und horchte. Von den Bäumen fiel ein silbriger Schleier und glitzerte in der Sonne. Nicht ein Vogelsang, nicht ein Geräusch war zu hören. Nicht ein Vogelsang, nicht ein Geräusch war zu hören. Haflinger, sagte Jola sich, haben eigentlich gute Nerven. Und dann sah sie ihn. Graues Fell, schlanke, x-beinige Läufe, die in helle Pfoten übergingen. Ein großer, auf einem starken Nacken, leicht abwärts geneigter Kopf. Helle, wache Augen. Wolf. Sie richtete die Flinte auf den Kopf des Wolfs, zielte, besann sich aber eines Besseren und sprach ihn laut an. Du hast Glück, mit der da werde ich dir heute nicht gefährlich. Jola tat einen Schritt nach hinten. Das Tier folgte ihr langsam, neugierig vielleicht. Wie hungrig konnte ein großes Raubtier sein hier im Wald, in einer Gegend, die sich vom Naturschutzgebiet zum Wildparadies gemausert hatte. Jeder anständige Wolf, jede findige Wölfin musste Nahrung im Überfluss finden, dachte Jola und versuchte, ruhig zu bleiben. Es nützte nichts. Rennen, ihr Blut schrie es, ihre Nerven, jeder angespannte Muskel ihres bereits unterkühlten Körpers. Die Schrecksekunde ging vorüber. Weißer Atem stand vor der Schnauze des Tieres. Schnee fiel von einer Fichte auf den Weg und der Wolf wandte seinen Kopf dorthin wie sie. Jetzt glaubte sie, etwas Weibliches in dem Tier zu erkennen, das nicht besonders groß war und friedlich dreinschaute. Ha, machte sie, ließ die nutzlose Vogelflinte in den Schnee fallen und klatschte fest in die Leder behandschuten Hände. Ha, geh weg, verschwinde! Noch einen erstaunten Blick warf die Wölfin ihr zu. Dann drehte sie sich gemächlich, wie mit der Achsel zuckend, von der Frau weg und stapfte zuerst durch den hohen Schnee, um bald die Geschwindigkeit zu erhöhen und in ein neckisch wirkendes Hoppsen überzugehen. Sie verschwand im Wald. So, das sollte ich euch ganz kurz erklären. Dieser Stelle ging ein Konflikt voraus. Jola und ihre Töchter versuchten gar nicht, sich unauffällig zu verhalten, als sie sich dem Hof der Pferdemänner näherten. Das letzte Stück Weg führte an Feldern und Weiden vorbei und so flach wie die Gegend hier war, bot sie ihnen keine Gelegenheit, sich zu verstecken. Die Berge fehlen mir so, dachte Jola, als sie vor den drei Männern abstieg, die am Tor schon warteten. Warum warten wir nicht auf die Papas? hatte Judith gefragt, als Jula ihr und ihren Schwestern rasch ihren Plan skizziert hatte. Weil, hatte sie geantwortet, wir einen Vorteil haben. Die Männer haben vor uns keine Angst, gar keine. Und das ist gut. Weder Heinz noch sein Sohn waren da, auch sonst keine bekannten Gesichter. Aber Sepp, der war da und er grinste, als würde sein Geburtstag gefeiert und Jola und die Mädchen brächten die Torte. Sein glatt rasiertes Gesicht glänzte in der Sonne. Die Blessuren, die er von dem Kampf mit Boris davongetragen hatte, waren noch deutlich zu sehen, aber er schien weder Schmerzen zu haben noch Bedenken, dass der Auftritt der drei Frauen etwas anderes für ihn bedeuten könnte als Spaß. Sie stieg ab, ignorierte die nach ihrem Zügel ausgestreckten Hände und band das Pferd lose an einem Zaun fest. Ihre Töchter taten es ihr nach kurzem Zögern nach. Keine Angst, hatte sie zu ihnen gesagt, bevor sie den Hof erreichten, wir halten uns genau an dem Plan. Aber nun ja, das war leicht gesagt, und jetzt, da sie Judith und Lena aus dem Augenwinkel absteigen sah, knickten beinahe ihre Knie ein. Du bist immer so stark, hörte sie Boris sagen, so klar und deutlich, als stünde er neben ihr. Nein, wie mit ihrer eigenen Stimme in ihrem Kopf. Das stimmt gar nicht. Sie holte tief Atem und fragte, wo ist Boris? Sepp stellte sich dumm, ein Wort gab das andere und schließlich, nachdem Jola eingewilligt hatte, den Hof zu betreten, öffnete sich das Tor von innen und sie gingen alle hinein. Offenbar waren die Pferdemänner gerade dabei zu renovieren. Ziegel und Zementsäcke stapelten sich im Hof. Wo sind denn deine Männer? fragte Sepp. Alle auf der Suche nach dem Kumpel? Jola blieb in der Mitte des Hofes stehen. Mehrere Türen gingen ab zu Stallungen, Scheunen und Nebengebäuden, und ein Weg führte durch einen Torbogen Richtung Haupthaus. Sie kannte den Grundriss der Anlage von früheren Treffen. »Red nicht mit meiner Tochter«, herrschte sie jetzt den Dürren, den die anderen Roman nannten, an. Ich habe nur gesagt, sie soll die Waffen hergeben, murrte er und Sepp nickte. Ja, natürlich, aber erst sollen die Damen sich doch bei uns wohlfühlen, oder? Da ist der Lukas mit dem Bier, danke dir. Sein Gesicht veränderte sich in für ihn wenig schmeichelhafter Weise, als Jula ihm die Flasche aus der Hand schlug. Hinter ihr hatte Judith jetzt Lukas im Schwitzkasten, sie hielt ihm ihre Waffe an die Schläfe und Lenas Bogen spannte sich und richtete sich auf den kleinen Mann mit der Armbinde, Charlie. Dieser mühte sich, seinen Revolver aus dem Halfter zu ziehen, aber Lena warnte ihn. Lass das, ich bin auf jeden Fall schneller und ich habe noch mehr Pfeile. Lukas krächzte etwas, das sich wie Hilfe anhörte und Jola fauchte. Wo ist Boris? Sie hatten ihn so geschlagen, dass sie sein Gesicht ohne die Tätowierung, die sich über dem Hemdkragen an seinem Hals emporringelte, nicht wiedererkannt hätte. Er lag in der Ecke in der vorletzten Box der Stahlgasse und rührte sich nicht. Ihr Gehör setzte kurz aus, als sie ihn so sah, und eine stumme Wut erfasste sie. Wut, die alles rings um sie her auslöschen wollte, schlagen, beißen, stechen, schießen und in Flammen setzen. Mama, Judiths Stimme holte sie von da zurück, wo es keine Skrupel gab, auch keinen Trost und wo Liebe nur die Notwendigkeit bedeutete, Rache zu nehmen. Mama, sie konnte wieder denken an die Männer, die drei hier drin, und wer weiß, wie viele andere, die bald merken würden, was vorging. »Lena«, sagte Jola ruhig, »worauf zielst du, Liebling?« »Auf den großen Typen, linkes Auge. Ist das gut?« »Das ist sehr gut, mein Schatz, danke.« »Judith?« »Alles klar, Mama, meiner hat sich, glaube ich, angepinkelt, aber das halte ich schon aus. Lukas grunzte noch immer den Kopf in Judiths Armbeuge und hörte sich ängstlich an. Sie wandte sich zu Charlie um, der seinen Arm in der Schlinge umfasste und stammelte. Ich habe das nicht gemacht, schau, ich kann keinen schlagen. Raus, brüllte Jola. Charlie machte, dass er durch die Tür in den Hof kam, wo er, fürchtete sie, wohl Verstärkung holen würde. Sie richtete den Drilling auf Sepp. Helft mir mit ihm, befahl sie, und zwar vorsichtig. Weißt du, begann Sepp, und Jola senkte die Waffe und feuerte ihm vor die Füße. Ja, danke Johanna Grillmeier für deine Lesung. Wir enden mit einem Cliffhanger und holen jetzt Christina Maria Landal herein. Christina Maria Landal herein. Die Überleitung ist schwierig und einfach zugleich. Eure Bücher sind nämlich sowas wie ein Kontrastprogramm, vom Erscheinungsbild her. Auf der einen Seite der 400-Seiter mit einem bunten Strauß an fiktiven Personen und dort das autofiktionale Buch, dessen Sprache so verdichtet ist, dass man sich immer wieder Pausen gönnen muss. Über Christina Maria Landals Bücher wird auch immer wieder gesagt, dass man eigentlich auch gern das lesen möchte, was zwischen den Zeilen steht. Das traf auf deine früheren Bücher schon zu und auf dieses finde ich genauso. Über dein voriges Buch, Alles von mir, hat die FAZ geschrieben, ganz subtil geht es in diesem kleinen Büchlein die ganze Zeit um die großen Themen. Eine deiner Apostrophierungen, die wir auch hier auf die U4 geschrieben haben, ist die Meisterin der Zurückhaltung. Das sind zwei ganz unterschiedliche Poetikprogramme. Ich weiß nicht, ob ihr dazu jetzt was sagen möchtet, warum ihr so schreibt und nicht anders oder ob wir direkt zum Buch Helga übergehen. Gerne übergehen. Okay, wir übergehen das Poetikprogramm und gehen über. Ansonsten würden wir sehr breit gehen wahrscheinlich. Genau. Dann auch in Anbetracht der Zeit gehen wir direkt zum Buch Helga. Es ist vor zwei Monaten erschienen. Es ist ein Buch, das du, glaube ich, schon lange mit dir herumträgst. Ja, ich habe schon erwähnt, dass es sich um einen autofiktionalen Text handelt. Ich möchte deinem ersten Leseblog eigentlich nur zwei Sätze voranstellen, die auch auf der Rückseite des Buches stehen. Das ist die Geschichte von Helga. Nicht einmal neun Jahre lang ist sie meine Mutter gewesen. Christina Maria Landl. Danke für die Einführung und einen schönen guten Abend auch von mir. Ich beginne ganz am Anfang. Meine Mutter im Bikini auf einem Segelboot. Sie liegt auf dem Bauch. Hinter ihr sitzen zwei junge Frauen in bunten Bikinis, in unwirklichem südlichem Urlaubslicht. Alles in Farben, wie ich sie nur von Fotografien aus den 70ern des letzten Jahrhunderts kenne. Meine Mutter trägt die Haare kurz, länger im Nacken. Sie hält in der rechten, aufgestützten Hand ihre übergroße Sonnenbrille und sieht draufgängerisch, ohne zu lächeln, in die Kamera. Der Blick meiner Mutter Helga auf diesem Foto sagt mir etwas, erinnert mich aber nicht an meine Mutter. Eine Freundin, als ich ihr das Bild zeige, ihr Blick erinnert mich an dich. Das Foto ist im Sommer 1973 aufgenommen worden. Zwei Jahre später war Helga verheiratet und stand kurz vor der Geburt ihres ersten Kindes. 15 Jahre, nachdem das Bild gemacht wurde, lag es im Sterben. Das ist nicht der Anfang. Der Stammbaum Helgas. Helgas Mutter war Josefa, ihr Vater war Josef. Josefa stammte von einem Bauernhof in Weh, der heute zum Gemeindegebiet Es gehört. Josefas Mutter hieß ebenfalls Josefa und stammte aus Es. Ihr Vater war Johann aus W. Josefas Eltern waren Florian und Maria. Florians Eltern waren Matthias und Josefa. Maria war die uneheliche Tochter von Theresia. Der Name des Vaters ist nicht bekannt. Theresias Eltern waren Josef und Anna Maria. Die Eltern von Helgas Großvater Johann waren Johann und Theresia aus W. Theresia war die uneheliche Tochter von Theresia. Der Name des Vaters ist unbekannt. Theresias Eltern waren Michael und Anna, sie lebten in B. Helgas Vater Josef stammte von einem Bauernhof in W ab. Josefs Vater hieß ebenfalls Josef, seine Mutter war Barbara. Barbaras Mutter war Theresia, ihr Vater war Franz. Theresias Eltern hießen Ignaz und Barbara. Barbaras Eltern waren Philipp und Theresia. Sie lebten in S. Die Mutter von Helgas Großvater Josef hieß Anna. Sie stammte aus W. Ihre Eltern waren Anna und Franz aus W. Annas Mutter hieß Anna. Sie war mit Georg verheiratet. Sie lebten in W. Der Vater von Helgas Großvater war Josef, dessen Eltern Maria und Simon waren. Maria stammte aus W. Der Vater von Helgas Großvater war Josef, dessen Eltern Maria und Simon waren. Maria stammte aus W, ihre Mutter war Anna, deren Herkunft unbekannt ist. Es lassen sich mit einiger Mühe Namen, Daten und Orte herausfinden aus den Tauf- und Sterbebüchern über viele Generationen zurück. Soweit ich weiß, waren alle Ahnen und Vorfahren Helgas Bauern und Bäuerinnen, manche von ihnen erst Bauernkinder, später dann Häuslerinnen und Kleinbauern, einige vermutlich Mägde und Knechte. Zu wissen gibt es die sich stets wiederholenden Vornamen, die sich fortsetzenden Nachnamen, die immer gleichen nebeneinander liegenden Wohngemeinden. Keine erlernten Berufe, keine Errungenschaften oder Abweichungen sind von ihnen bekannt, aufgeschrieben worden oder in Erinnerung geblieben, nirgends steht, was für Menschen das waren. Einige unscharfe, schwarz-weiße Familienporträts vor Bauernhöfen, einige Hochzeitsfotos lassen sich finden. Sie gleichen einander stark. Die Geburt Helgas. Helga B. wird am 14. Oktober 1953 um 7.40 Uhr im Krankenhaus in Ess geboren. Der Name der Hebamme lautet Rosalia H. Auf dem Taufschein, ausgestellt von der römisch-katholischen Pfarreress, ist außerdem festgehalten, dass die Taufe schon wenige Tage später in der Krankenhauskapelle stattfindet und dass Wilhelmine G., Landwirtin in W. und Josefers Schwägerin, Helgas Taufpartin ist. Ob die Geburt schwierig gewesen ist, wie lange sie gedauert hat, ob die Schwangerschaft kompliziert war, das wäre heute nur noch von Josefa zu erfahren, aber sie will nicht mehr erzählen, will sich nicht mehr erinnern an früher, an Helga, der Versuch, schein der körperliche Schmerzen zu bereiten, vor denen sich die kreise, zerbrechliche Frau, zu der Josefa geworden ist, windet. Das Haus. Die Sölde, so wird ein kleines, eingeschossiges Haus mit etwas landwirtschaftlichem Grund genannt, wie Josef es bei seinem Auszug aus dem Elternhaus erbt, steht in einer kleinen Ansammlung von Vierkanthöfen und Häusern. von Josefs Eltern, den zu dieser Zeit bereits sein älterer Bruder Karl übernommen hat. Das Haus, in dem Josef, Josefa und Helga wohnen, ist im Vergleich zu den Bauernhöfen der Gegend winzig, sie nennen es immer das Häusl. Ein Kind namens Helga. Ich stelle mir vor, ich versuche mir vorzustellen, wie es für Helga war, ein Kind zu sein in diesem Haus, mit diesen Eltern zu dieser Zeit. Ich versuche die Erinnerung daran, wie es zu der Zeit, als ich ein Kind war, ausgesehen hat, wie es zu der Zeit gerochen hat, zurückzudrehen um 25 Jahre, in die 50er Jahre des letzten Jahrhunderts. Josef und Josefa sind junge Eltern, die Tapeten und das Sofa sind wieder neu. Im Hintergrund läuft zu allen Zeiten, läuft morgens, mittags und abends das Radio, das von der Küche in alle Räume des Hauses dringt und, weil die Haustür immer offen steht, auch im Garten zu hören ist. Es ist immer derselbe Sender, der Regionalsender, in dem Peter Alexander singt. Ich weiß was, ich weiß was dir fehlt. Helga geht auf dem Wasser. Jetzt ist Helga schon ein Schulkind. Gibt es den kleinen Teich noch in Weh, den zwischen dem Wald und dem Ziegelofen nicht weit vom Häusl entfernt? Ich muss nachsehen, ob das Wasser noch da ist. Ziegel werden dort ewig schon nicht mehr gebrannt. Ob man im Winter, falls der Teich manchmal noch zufriert, dort noch Eis laufen kann? Ich stelle mir vor, wie Helga an einem frostigen, sonnigen Nachmittag mit ihrer Cousine Gerti und ein paar Nachbarskindern über die Eisschicht des Teiches läuft. Einmal bis zum Wald hinüber, das ist die Herausforderung. In der Mitte des Teiches schaut Helga zu ihren Stiefeln hinunter. Durch das Eis ist das tiefgrüne Wasser zu sehen. Ob es schon sicher ist, darauf zu gehen? Josef und seine Freunde sind noch nicht da mit ihren Eisstöcken und auch sonst niemand außer den Kindern. Gerti schlittert vor ihr, Helga wird immer langsamer, das ist die Angst. Da fällt ihr etwas aus der Religionsstunde ein, ihrem Lieblingsfach. Wie Jesus auf dem Wasser ging und sein Freund Petrus auch. Doch als Petrus zweifelte, ging er fast unter und plötzlich weiß Helga, dass sie sicher auf dem Eis gehen kann. Und wirklich kommen die beiden heil über den Teich und als erste der Gruppe ans Ufer am Wald. Sie haken sich für die letzten Meter ineinander ein und Helga sagt, das war ein Wunder, weil wir geglaubt haben. Gerti findet das vielleicht merkwürdig, aber sie hält ihre Cousine, sie halten einander sicher und fest. Ich habe nachgesehen. Der Teich ist noch da. Nur ist das Gelände jetzt durch einen Zaun abgesichert, ein schlossartiges Wohngebäude steht dahinter und ein Bootshaus am Wasser. Die Kinder des Dorfes kommen nicht mehr zum Eislaufen. Die Kinder des Dorfes kommen nicht mehr zum Eislaufen. Ja, danke für die erste Stelle, die schon, glaube ich, einen guten Eindruck gibt, wie du an dieses Buch herangegangen bist, das ja im Prinzip, glaube ich, könnte man sagen, die Recherche nach einer Unbekannten ist in gewisser Weise. Und du ermittelst mit Fotografien, du rekonstruierst mit Hilfe von Tauf- und Sterbebüchern, du suchst Orte auf, auf denen sich das Leben der Gesuchten abgespielt hat, du befragst Zeitzeugen, die Großmutter, wie wir gehört haben, ist jetzt nicht wahnsinnig ergiebig, weil sie nicht mehr reden will oder kann über die Zeit mit Helga und dann musst du dir halt ganz oft behelfen mit ich stelle mir vor, ich versuche mir vorzustellen. Wie lang hast du denn da an dieser Form oder diese Form gesucht oder war die von vornherein klar? Nein, das war für mich schon ein wirklich langer Prozess, die Form für dieses Buch zu finden. Jetzt, wo es so da ist, wirkt es für mich so, als wäre es eh ganz klar, dass es nur so geschrieben werden hätte können. Aber ich habe da so viele Sachen überlegt und ich hatte auch überlegt, die Recherche viel mehr noch einzuarbeiten, auch das noch viel mehr aufzuschreiben, wie diese Gespräche mit den Freundinnen, wie das Forschen war und habe das aber dann doch sehr zurückgenommen, weil mir wichtig war, dass ich als Person, ich bin natürlich in dem Text, das lässt sich auch sowieso gar nicht vermeiden und also nicht nur als Schriftstellerin und Erzählerin, auch als Tochter und als sich Erinnernde, aber ich wollte eben nicht so meine Reise in die Erinnerung erzählen sollen. Ich wollte diese Geschichte meiner Mutter, die Lebensgeschichte, wie eine Biografie erzählen. Dazu habe ich eigentlich ganz viel über Biografien gelesen, tatsächlich. Und auch in ganz kommerziellen Biografien gibt es ja diese Momente, wo kein Mensch wissen kann, was sich da abgespielt hat. Und wir sind ja immer auf unsere Vorstellungen angewiesen. Von dem her, ja, wie gesagt, so wie es jetzt ist, ist es für mich sehr natürlich, aber ich habe lange nach der Form gesucht, also ich würde sagen Jahre. Und dann habe ich es aber relativ schnell geschrieben. Auffällig ist auch, gerade in diesem Buch, die Sachlichkeit, die Nüchternheit der Sprache, die es erlaubt, von diesem konkreten Frauenleben eben der einen Helga auf die anderen Helgers gewidmet. Diese Qualität, von der persönlichen Geschichte auf eine gewisse Allgemeingültigkeit zu kommen, wird ja auch oft den Büchern von Annie Ernaux nachgesagt. Und weil sie eben die Grand Dame der Autofiktion ist und ihr neues Buch, wenn du dich erinnerst, in dem es um die letzten Tage ihrer Mutter geht, direkt neben deinem im Kurier besprochen wurde, muss oder will ich dich das fragen, hat Annie Ernaux für dich irgendeinen Einfluss gehabt? Nee, gar nicht, ehrlich gesagt. Ich bin erst beim Schreiben des Buches auf sie gestoßen, da hat sie, glaube ich, auch gerade den Nobelpreis bekommen. Es ist ja überall eigentlich, aber ich lese nicht so gerne Übersetzungen und ich kann kein Französisch. Von dem her habe ich einmal eine Übersetzung angefangen und es hat mich nicht so angesprochen, obwohl ich es noch ich versuche es nochmal, aber es hat mich nur gewundert, dass die Ansätze ziemlich ähnlich sind und dann doch, als ich so schon in, ich glaube, ich weiß nicht mehr, ob es die Jahre waren, ein bisschen länger hineingelesen habe, bemerkt habe, dass es viele Ähnlichkeiten gibt, aber auch viele Unterschiede, weil es tatsächlich auch ein autofiktionales Werk ist und meins ein biofiktionales eigentlich. Wenn man das so sagen, wenn man solche Schubladen benutzen möchte oder gut, ich finde diese Bezeichnungen alle ein bisschen schwammig, schwierig, ist ja alles irgendwie fiktional. Ja, wir haben ja da auch jetzt auf eine Genre-Bezeichnung verzichtet, weil Roman trifft es im Grunde nicht. Und ich glaube, bei Arnaud stehen auch keine Genre-Bezeichnungen. Das wäre eine Gemeinsamkeit. Ich weiß es nicht. Es gibt auf jeden Fall Gemeinsamkeiten. Auf jeden Fall. Ja. Noch kurz zum Titel. Das Buch Helga wäre nach Religionsunterricht genossen, also genossen, wer noch im Religionsunterricht war, denkt dabei vermutlich an das Alte Testament, das Buch Ruth, da haben wir die Religionsexpertin sitzen, Buch, da haben wir die Religionsexpertin sitzen. Es gibt viele, genau, also jedenfalls ist die Assoziation schon, ja, also die Bibel ist irgendwie da. Vorangestellt hast du deinem Text ja zwei Motti. Das eine ist von Leonard Cohen. Wenn ich das kurz vorlesen darf. I'm so sorry for the ghost I made you be. Only one of us was real and that was me. Und dann gibt es noch ein zweites Motto aus dem Psalm 3, 5. Oder ist es der Psalm 3,5? Wahrscheinlich. Ich rufe mit meiner Stimme zum Herrn und er erhört mich von seinem heiligen Berg. Ich persönlich bin ja Fan von Motte, die einem Buch vorangestellt sind. Und manchmal denkt man sich, es ging jetzt darum, einen großen Namen irgendwie voranzustellen. Aber in dem Fall finde ich, geben die schon eine gewisse Richtung vor, wohin dann auch das Buch, in welche Richtung das geht. Möchtest du dazu was sagen sagen zu Leonard Cohen und den Psalmen? Ich glaube, es wird vielleicht zu weit führen, wenn ich auf Leonard Cohen auch noch eingehe, aber ich kann zu dem Psalmen vielleicht was sagen oder zur Religiosität. Also Leonard Cohen führt auch durchs Buch genau, also die Musik kommt zu einem gewissen Zeitpunkt ins Spiel und es gibt verschiedene Zitate. Er ist schon ein gewisser Protagonist, würde ich sogar sagen. Du tust ja deine Instagram-Stories, wenn es um das Buch Helga geht, ist meistens irgendein Coen-Soundtrack. Für mich war es auch ein Soundtrack zum Schreiben, auf jeden Fall. Es gibt noch mehr dazu, was man auch im Buch noch nachlesen kann. Ich wollte noch kurz auf die Psalmen eingehen. Das ist eigentlich so, meine Mutter war sehr gläubig und sie hat auch oft in der Bibel gelesen und auch vor allem im Neuen Testament. Und es gibt schon so eine gewisse Abfolge im Buch, die sich am Neuen Testament orientiert. Tatsächlich, also an der Lebensgeschichte von Jesus. Es wird an manchen Stellen ein bisschen parallelisiert. Dass es übers Wasser geht, haben wir ja schon gehört. Zum Beispiel, genau, an der Stelle. Ja, dann würde ich sagen, wir hören noch mal rein. Genau, ich lese noch eine letzte Stelle, ein paar letzte von den kurzen Kapiteln. Und das ist ein Kapitel, das heißt Porträts einer jungen Frau namens Helga. Und man kann sich das so vorstellen wie ein Album, wo man so durchblättert und man sieht überall Fotos und überall, zu vielen gibt es eine Geschichte oder man denkt sich eine aus, wenn man die Bilder ansieht. Helga auf dem Gipfel. Helga in schwarz-weiß in einem Dirndl, von dem ich weiß, dass es rot ist, auf einem Felsen neben einem großen Metallkreuz. Das Bild stammt von einer Klassenwanderung aus einem der letzten Schuljahre. Helga hat ihre Strickweste um die Hüfte gebunden, Rock und Schürze reichen ihr bis zu den Knien, an ihren Füßen Bergschuhe. Die weiße Bluse, die sie unter dem Dirndlkleid trägt, geht nahtlos in den Hintergrund einen weiß-nebligen Himmel über. Helga strahlt und hält sich lässig an einer der eisernen Stangen, aus denen das Kreuz gebaut ist, fest. Sie ist glücklich in den Bergen, jetzt auf diesem Bild und auch in den Jahren danach auf den Fotos von später. Helga als Maturantin. Helga und Barbara lächeln vor grau-blättrigen Bäumen. Barbara hat ihren Arm in Helgas Armbeuge eingehängt. Gerade haben die beiden ihre Abschlussprüfung hinter sich gebracht. Sie tragen festliche schwarze Kleider, die beide Josefa genäht hat. Barbaras Kleid hat weiße Borten an den kurzen Ärmeln, das von Helga einen großen weißen Hemdkragen. Dazu trägt sie eine breite karierte Krawatte. Helgas Haare sind hell, vorne trägt sie sie kurz und im Nacken lang. Über diesem und andere Fotos, die Helga auf eine Seite ihres Albums geklebt hat, hat sie stolz Matura geschrieben. In Wahrheit hat der Abschluss der vierjährigen Schule sie zwar zur Ausübung des Berufes der Kindergärtnerin, nicht aber zur Aufnahme eines Studiums berechtigt. Schwester Helga. Helga in einer weißen Kleiderschürze, die langen Nackenhaare seitlich mit rosa Bändern zu zwei schmalen Zöpfen gebunden, einen glänzend roten Hut auf, neben ihr eine junge Frau mit Kleiderschürze und weißer Haube, rund um die beiden Geschminkte, verkleidete Kinder und bunte Gelanden. Es ist Fasching in Helgas neuer Arbeitsstelle. Der Kindergarten, in dem Helga ihre Berufslaufbahn begonnen und dessen Leitung sie schon mit ihrem Einstieg übernommen hat, ist ein kirchlicher. Der Pfarrer von S. ist ihr Vorgesetzter, eine ihrer Kolleginnen ist die Ordensschwester Nora. Auch Helga wird hier von den Kindern und Eltern Schwester genannt und muss wieder eine Schürze tragen, so wie in der Klosterschule, das ist auch ein Teil des Buches. Schon wenige Jahre später wird sie diese aber ablegen dürfen und die Ordensschwester den Kindergarten verlassen. Dennoch wird Helga noch einige Jahre Schwester Helga sein. Helga am Strand. Helga im Bikini auf einem Segelboot, sie liegt auf einem Boot auf dem Bauch. Hinter ihr sitzen zwei junge Frauen in bunten Bikinis, in unwirklichem südlichem Urlaubslicht, alles in Farben, wie ich sie nur von Fotografien aus den 70ern des letzten Jahrhunderts kenne. Helga trägt die Haare kurz länger im Nacken, sie hält in der rechten aufgestützten Hand ihre übergroße Sonnenbrille und sieht draufgängerisch, ohne zu lächeln, in die Kamera. Ein weiteres Foto zeigt sie in weißer Bluse und kurzem Rock am Strand. Neben einem jungen Mann mit kurzen dunklen Locken, Schlaghosen, das Hemd bis unter die Brust geöffnet, um seinen Hals ein großes Kreuz. Er legt seinen Arm um Helgas Schulter. Barbara, die mir die Fotos zeigt, die ich noch nie gesehen habe, sagt, damals waren wir 20 Jahre alt, schon ein Jahr im Beruf, sodass wir genug Geld hatten, um nach Italien zu fahren, um das erste Mal das Meer zu sehen. Und der junge Italiener einen Urlaubsflirt? Nein, sagt Barbara, zu mehr als einem gemeinsamen Foto ist es nicht gekommen. Ein, zwei Jahre später, erzählt sie weiter, war jeder der vier Freundinnen, die diesen Urlaub zusammen verbracht haben, mit einem Mann namens Karl verheiratet. Helgas Auto. Ein verknicktes Farbfoto, die Bildoberfläche hat weiße Risse und ein Teil von Helgas Gesicht ist unkenntlich geworden. Sie steht in einem dunklen Wintermantel, einem langen weißen Schal um den Hals, vor einem Auto, einem cremeweißen Käfer, der an der Einfahrt vor dem verschneiten Häusl parkt. der Einfahrt vor dem verschneiten Häusl parkt. Es ist Josefs Auto, das zu dieser Zeit aber meistens von Helga gefahren wird, Montag bis Freitag in die Arbeit und jeden Samstag Nachmittag mit ihrer Cousine Gerti in die Konditorei in Es. Gerti wartet ungeduldig an der Straße vor ihrem Elternhaus, das auch Josefas Elternhaus ist. Die beiden fahren trotz der Kälte mit heruntergekurbelter Fensterscheibe. Helgas im Nacken längere, Gertis brustlange blonde Haare wehen ein bisschen im Wind. Gerti raucht eine Zigarette, lässt die Hand, die sie hält, aus dem Fenster hängen. In der Konditorei gibt es sehr gute Milchspeisen und es gibt immer viel zu erzählen. Gerti hat ein Jahr nach Helga eine echte Matura gemacht. Jetzt ist sie für zwei Semester in einer wirklich großen Stadt, der Hauptstadt, und wird an einer Akademie zur Lehrerin für Hauswirtschaft ausgebildet. Gerti raucht, Helga raucht jetzt auch. Sie trinken Kaffee und essen Cremeschnitten. Gerti erzählt ihrer Cousine von den Bällen und Festen, auf die sie geht und die in großen, prächtigen Palais stattfinden, nicht in Landgasthäusern und Trinkhallen. Und von den Studenten, die sie dorthin einladen. Studenten, hör mir doch auf mit Studenten, stöhnt Helga, was Gerti ein wenig verletzt und verwundert. Sie ist stolz auf ihre neuen Bekannten aus der Großstadt, denn obwohl Helga immer kritisch und ehrlich mit ihr ist, liebt Gert ihre Cousine doch gerade dafür, dass sie offen ist für neue und andere Dinge, dass sie nicht so ist wie die anderen hier. Helga als Braut. Nicht viel später ist das nächste Foto aufgenommen worden. Völlig verändert sieht Helga darauf aus. Im Vergleich mit den letzten Bildern nicht wiederzuerkennen. Erwachsener womöglich, trotzdem blutjung. Dieses Wort fällt mir ein. Vielleicht, weil ihre Wangen so rosig sind. Vielleicht, weil sie schwanger ist und ihre Lippen deshalb ganz voll sind. Oder weil sie den Blick so sanft senkt, schön, scheu und ergeben. Helga, die Braut, scheint auf ihr Bouquet aus rosaroten Rosen zu schauen, während Karl ihre Hand hält und sie von der Seite ansieht. Eine der Rosen steckt am Revers von Karls Trachtenanzug. Helga trägt ein Dirndl, ein Satörglänzend, hellblaues, bodenlanges Kleid mit langen Ärmeln und kleinen weißen Blumen darauf. Helgas Haare sind immer noch kurz, aber künstlich gewellt und topiert. Sie scheinen plötzlich viel dunkler. Helga verlässt das Bild. Ein Farbfoto vor dem Häusl aufgenommen. Helga mit kurzen Haaren, oben seitlich im Nacken, geht mit gesenktem Kopf die Einfahrt entlang, die das Häusl von Garten und Schafweide trennt. Ihre Gestalt ist klein, aber deutlich zu sehen. Die Rosen vor ihr, die Rosen hinter ihr verschwommen. Helga, die Tochter, die junge Frau, scheint dieses Bild zu verlassen. Sie trägt eine weiße Hose und das ärmellose, rote Shirt mit den weißen Blumen und grünen Blättern und kurz habe ich gedacht, ich bin das. Ich denke, mein Shirt, aber nur eine Sekunde lang. Als Jugendliche habe ich es aus Helgas Kasten gezogen, der noch Jahre nach ihrem Tod ihre Kleider bewahrte. Getragen habe ich es, bis es mir fast vom Körper fiel, aber nur fast, denn ich wollte es aufheben. Seit ich es im hinteren Teil meines Kleiderschranks abgelegt habe, gehört es wieder Helga. Und es steht ihr auch besser als mir, denke ich, das Bild betrachtend. Danke. Applaus Applaus Applaus Applaus Applaus Applaus Applaus Applaus Ja, danke. Von unserer Seite war es das Letzte. Die letzte Sequenz, die wir gehört haben, gibt mir eine Möglichkeit, nochmal auf das Buch und in weiterer Folge auf den Büchertisch zu verweisen. Das Bild, das da jetzt so schön beschrieben war, ist in leicht verfremdeter Weise auch das Coverbild geworden. Helga verlässt das Bild. Ich möchte mich auch ganz herzlich noch bedanken bei Johanna Grillmeier, Christina Maria Landl und Silke Dünberger für die Verlagspräsentation und die Lesungen. Außerdem möchte ich Sie gerne auf unseren Büchertisch hinweisen, den Sie hinten beim Ausgang finden. Dieser wurde heute in Zusammenarbeit mit der Buchhandlung Fürstlberger organisiert. Meine Kollegin Sandra Malitz steht hinten gerne zur Verfügung und verkauft Exemplare, die Sie sich anschließend auch sicher gerne von den Autorinnen signieren lassen können. Außerdem lade ich Sie ein, uns diese Woche noch einmal zu besuchen hier im Stifterhaus. Am Donnerstag findet die Mittagslesung statt von der Leidenschaft des Lesens. Wir werden Daniel Rechberger von der Buchhandlung Neugebauer zu Gast haben. Er wird uns etwas zu seiner Lektüre-Beziehung zur Stifter erzählen und zu seinen persönlichen Leseerfahrungen. Das war es soweit von meiner Seite. Danke fürs Kommen und eine angenehme Heimreise.