Schlagzeilen, die von mysteriösen Spritzenattacken berichten, dominieren die letzten Wochen die Schlagzeilen. Der Hintergrund, bei der jährlichen Fête de la Musique in Frankreich sollen zahlreiche Frauen Opfer von Spritzenattacken geworden sein. Diese Nachrichten lösten emotional aufgeladene Reaktionen und große Unsicherheiten in der Bevölkerung aus. Viele Medien übernehmen diese Meldungen unkritisch und ohne feste Beweislage. Die Berichte, die in den Nachrichten zu lesen sind, erwecken den Eindruck, es handele sich um bestätigte Angriffe. So schrieb beispielsweise der deutsche Sender WDR einen Artikel darüber, ob es das sogenannte Needle-Spiking auch in Deutschland gäbe. Die Journalistin Alexandra Zykonov schrieb in einem Gastbeitrag im Spiegel einen Artikel mit dem Titel »Ist das seriöse Journalismus oder doch nur eine Folge der drei Fragezeichen?« Darin kritisierte sie die deutschen Medien dafür, die Angriffe als mysteriös zu bezeichnen, anstatt die Attacken und die Täter als klar misogyn zu benennen. Inzwischen vermehren sich jedoch die Zweifel, ob die Spritzenattacken in dieser Form überhaupt stattgefunden haben. Laut der Tagesschau konnten in ärztlichen Untersuchungen bei Betroffenen keine betäubenden Substanzen nachgewiesen werden. Einige Medizinerinnen halten es sogar für möglich, dass harmlose Mückenstiche fälschlich als Nadelstiche wahrgenommen wurden. Ob sich diese Angriffe nun tatsächlich so zugetragen haben oder ob es sich um eine Mischung aus Einzelfällen, Fehlanschätzungen und medialer Hysterie handelt, bleibt unklar. Was aber klar wird, ist, wie groß der Einfluss der Medien auf die öffentliche Wahrnehmung ist und wie schnell durch dramatisierende Berichterstattung Unsicherheit und Angst entstehen können. Die Kommunikationsforscherin Rebecca Lewis beschreibt in ihrem Artikel »This is what the news won't show you«, die Strategie vieler Medienereignisse zugespitzt darzustellen, um Aufmerksamkeit zu erzeugen. Sie verweist auf den Journalisten Tim Poole, der einen friedlichen Protest live dokumentierte, während andere Medien aus einzelnen Auseinandersetzungen das Bild eines gefährlichen und bildenden Protests zeichneten. Poole stellt in diesem Kontext fest, der Media overhype everything, was den Niedelsbiking-Fall also verdeutlicht. Medien haben eine enorme Verantwortung. Sie können Panik und Ängste schüren, Meinungen bilden und öffentliche Debatten in eine bestimmte Richtung lenken. Gerade deshalb ist eine kritische Medienkompetenz so enorm wichtig. In den Redaktionen und auch bei den LeserInnen. Denn ob die Spritzenattacken nun real waren oder nicht, die Art und Weise, wie darüber berichtet wurde, zeigt uns wieder einmal, wie stark Medien unsere Wahrnehmung beeinflussen können.